Beschluss vom Oberlandesgericht München - 31 Wx 438/18

Tenor

Auf die Beschwerde wird die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Nördlingen - Nachlassgericht - vom 23.11.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Nachlassgericht zurückgegeben.

Gründe

I.

Der Erblasser ist am ... 2015 verstorben und aufgrund Erbvertrags vom 4.9.2008 von seiner Ehefrau (= Beteiligte zu 1) allein beerbt worden.

Der Beschwerdeführer (= Beteiligter zu 2) behauptet, er habe gegen den Erblasser „diverse Forderungen“ und beruft sich zur Glaubhaftmachung auf vorgelegte „Schuldscheine“ in Gesamthöhe von 745.900 €.

Er beantragte am 23.08.2018 der Erbin eine Frist zur Inventarerrichtung zu bestimmen.

Das Nachlassgericht wies den Antrag nach Anhörung der Alleinerbin mit Beschluss vom 21.09.2018 mit der Begründung zurück, die Ansprüche seinen nicht glaubhaft gemacht.

Der am 22.10.2018 eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.9.2018 hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.

Die Sache ist unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das Nachlassgericht zurückzugeben, da das Abhilfeverfahren an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel - Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs - leidet.

1. Zweck des Abhilfeverfahrens - auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ist es, dass das Ausgangsgericht seine Entscheidung noch einmal überprüft und der Beschwerde gegebenfalls abhilft, bevor das Obergericht mit ihr befasst wird (OLG München Rpfleger 2017, 16; Lipp in: MüKo ZPO, 4. Auflage <2012> § 572 Rn. 5).

In jedem Falle hat sich das Ausgangsgericht mit dem Beschwerdevorbringen sachlich auseinander zu setzen, insbesondere um dem Beschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Nachlassgericht seiner Verpflichtung zur Selbstkontrolle nachgekommen ist (Horn in: NK/Nachfolgerecht, 2. Auflage <2018>, § 68 FamFG Rn. 5). Für die Begründungsintensität kommt es auch darauf an, ob sich das Ausgangsgericht in der Ausgangsentscheidung bereits mit den Argumenten des Beschwerdevorbringens auseinander gesetzt hat (Horn, a.a.O.).

Aufgabe des Nachlassgerichts in einem Verfahren, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) gilt, ist es, den maßgeblichen Sachverhalt - gemessen an den tatbestandlichen Voraussetzungen - ausreichend zu ermitteln und diesen Sachverhalt in der Entscheidung dergestalt darzustellen, dass er eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht ermöglicht.

Mithin obliegt es im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz grundsätzlich dem Nachlassgericht selbst, die für das Verfahren entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen (Keidel/Sternal, a.a.O., § 26 Rn. 12). In Verfahren, in denen einem Beteiligten die Glaubhaftmachung seiner Behauptungen obliegt, reduziert sich die dem Gericht obliegende Pflicht zur Vornahme von Ermittlungen insoweit, als das Gericht berechtigt ist, vom Antragsteller die Tatsachen zu verlangen, die es seiner Entscheidung zugrunde legen soll (Keidel/Sternal, a.a.O., Rn. 18).

2. Diesen Anforderungen wird die Abhilfeentscheidung des Nachlassgerichts nicht gerecht.

Die Abhilfeentscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Nachlassgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht in der gebotenen Art und Weise festgestellt (und in der angefochtenen Entscheidung dargestellt) hat und auch nicht erkennbar ist, ob/dass es sodann vom zutreffenden Begriff der Glaubhaftmachung ausgegangen ist.

a) Die angefochtene Entscheidung lässt schon nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Forderungen des Beschwerdeführers überhaupt eine Inventarerrichtung nach § 1994 BGB in Betracht kommen sollte. Vielmehr heißt es in der angefochtenen Entscheidung lediglich, dass die Erbin Einwendungen gegen den Bestand der behaupteten Forderung erhebe, die ihrerseits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landgericht Augsburg seien.

Hier hätte das Nachlassgericht in der Entscheidung konkret darzustellen, welcher Forderungen sich der Antragsteller im Einzelnen berühmt, wobei es nicht die Aufgabe des Nachlassgerichts ist, sich aus vom Beschwerdeführer vorgelegten, - teils nur schwer leserlichen - fotokopierten Quittungen den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst herauszusuchen. Der pauschale Vortrag des Antragstellers, es bestünden „diverse Forderungen“, die mit Schuldscheinen belegt seien, stellt nämlich seinerseits keine taugliche Tatsachengrundlage dar, auf deren Grundlage das Nachlassgericht entscheiden durfte, da ihm jedwede Substanz fehlt.

Ergeht dennoch eine Entscheidung auf dieser - erkennbar - unzureichenden Tatsachenbasis, wird der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und damit zugleich rechtliches Gehör verletzt (Art. 20 Abs. 3 GG), denn der Entscheidung fehlt jede tragfähige Grundlage. Es wäre danach Aufgabe des Nachlassgerichts gewesen, den Antragsteller durch Hinweise, ggf. verbunden mit einer Fristsetzung, zu einem entsprechenden Sachvortrag anzuhalten (§ 27 FamFG).

b) (Erst) nach der Ermittlung des Sachverhalts kann das Nachlassgericht beurteilen, ob die behaupteten Forderungen glaubhaft gemacht worden sind, wobei es alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen und zu gewichten hat (KG FGPrax 2005, 28/29). Auch insoweit hat die Entscheidung die wesentlichen Erwägungen zu enthalten, um eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen, insbesondere sind das zugrunde gelegte Beweismaß und die in die Abwägung einbezogenen Gesichtspunkte darzustellen.

3. Aufgrund der geschilderten Mängel war die Abhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Nachlassgericht zurückzugeben. Würde der Senat seinerseits erstmals den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermitteln und in der Sache entscheiden, würde der Antragsteller faktisch eine Instanz verlieren, weil dann allein der Senat beurteilen würde, ob entsprechende Forderungen glaubhaft gemacht sind oder nicht, so dass der mit der Rückgabe verbundene zeitliche Mehraufwand im Vergleich zum Verlust einer Tatsacheninstanz vertretbar erscheint.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, er habe gegen den Erblasser „diverse Forderungen“, liegt ein hinreichender Sachvortrag nur dann vor, wenn der Antragsteller die behaupteten Forderungen auflistet und der jeweiligen Forderung das entsprechende Beweismittel zuordnet. Erforderlich ist insoweit ein Vortrag, der erkennen lässt, auf welchem Schuldgrund die angebliche Forderung beruht, wann die Schuld begründet worden sein soll, wer die Vertragsparteien sind und welches (zuordenbare) Beweismittel zur Verfügung steht.

b) Sollte der Beschwerdeführer entsprechend vortragen und es nach dem Vorgenannten im weiteren Verfahren auf die vom Antragsteller vorgelegten „Schuldscheine“ ankommen, handelt es sich um Privaturkunden, deren Echtheit bestritten wurde. Dies hätte zur Folge, dass deren Echtheit zu beweisen ist (vgl. § 440 Abs. 1 ZPO). Der Beschwerdeführer hat insoweit Schriftvergleichung beantragt, die grundsätzlich im Wege der Inaugenscheinnahme erfolgt (Thomas/Putzo/Reichold ZPO 39. Auflage <2018> § 441 Rn. 1).

c) Der (verfahrensrechtliche) Begriff der Glaubhaftmachung wird von § 1994 BGB nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Unter Glaubhaftmachung ist eine Art der Beweisführung zu verstehen, durch die dem Gericht nicht die volle Überzeugung, sondern lediglich die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines zu beweisenden Sachverhalts vermittelt werden muss (Keidel/Sternal FamFG, 19. Auflage <2018> § 31 Rn. 3). Zur Führung dieses Beweises darf sich die beweisbelastete Partei aller Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen, wobei gemäß § 31 Abs. 2 FamFG nur präsente Beweismittel in Betracht kommen.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 17.01.2019.    

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