Beschluss vom Oberlandesgericht München - 7 U 5611/19

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I, Az. 22 O 1189/19, vom 30.08.2019 wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieser Beschluss sowie das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 320.222,30 € festgesetzt.

Gründe

I.

Am 15.09.2016 bestellte die Klägerin, eine GmbH, einen Rolls-Royce Dawn zum Preis von 314.647,90 € bei der Beklagten, einer Rolls-Royce-Händlerin. In einer Anlage zur Bestellung war vermerkt, dass der streitgegenständliche Pkw über „Front Massage Seats“ verfügen solle. Die Beklagte bestätigte die Bestellung am 26.09.2016.

Am 12.10.2016 schloss die Klägerin mit der a. f. GmbH einen Leasingvertrag über die Finanzierung des Kaufpreises für den streitgegenständlichen Pkw.

Am 03.02.2017 wurde der streitgegenständliche Pkw an die Klägerin übergeben. Laut Betriebsanleitung verfügte der Pkw über sogenannte Aktivsitze. Die Funktionsweise der Aktivsitze wird in der Betriebsanleitung wie folgt beschrieben: „Eine aktive Veränderung der Sitzfläche hilft, Verspannungen und Ermüdungserscheinungen der Muskulatur und dadurch Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich zu vermeiden“.

Der Geschäftsführer der Klägerin nutzte das streitgegenständliche Kfz zunächst nur für kürzere Fahrten von bis zu einer Stunde. Für längere Fahrten engagierte er einen Fahrer. Bei einer längeren Fahrt im Sommer 2018, die der Geschäftsführer der Klägerin selbst durchführte, wollte er die Massagesitzfunktion aktivieren, wobei er allerdings keine Massagewirkung wahrnehmen konnte. Dies teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 20.08.2018 mit.

Im September 2018 tauschte die Beklagte die Sitzeinheit aus.

Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin keine Verbesserung der Massagefunktion verspürt und dies der Beklagten mitgeteilt hatte, erklärte ihm die Beklagte, dass der Pkw - wie in der Betriebsanleitung angegeben - über „Aktivsitze“, nicht aber über Massagesitze verfüge. Im Zeitraum vom 24.09.2018 bis 28.09.2018 verstärkte die Beklagte die Sitzunterkonstruktion und erhöhte den Aufblasdruck.

Am 12.10.2018 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte eine Frist zur Rücknahme des Pkws bis zum 19.10.2018.

Die Beklagte wies die von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungsansprüche zurück.

Die Klägerin behauptete, die im Pkw eingebauten Sitze entsprächen nicht der vereinbarten Beschaffenheit einer „Massagesitzfunktion“. Zudem habe die Beklagte die Klägerin arglistig getäuscht, weil in der Bestellung von Massagesitzen die Rede gewesen sei, obwohl tatsächlich Aktivsitze gemeint gewesen sein.

§ 377 HGB komme nicht zur Anwendung. Bei einem Neuwagen müsse der Käufer nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Mangelhaftigkeit die Sache untersuchen.

Durch die von der Beklagten vorgenommenen Nachbesserungsversuche habe diese konkludent auf die Anwendung von § 377 HGB verzichtet.

Die Klägerin beantragte,

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Leasinggeberin a. f. GmbH, … 320.222,30 € zzgl. 9 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit 20.10.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe des Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14.

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14 in Verzug befindet.

III. Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, an dem Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14 die Massagesitzfunktion der Vordersitze dergestalt herzustellen, dass für Fahrer und Beifahrer eine Massagebewegung sowohl in der Sitzfläche als auch entlang der Rückenlehne im Fahrbetrieb deutlich wahrnehmbar ist.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 4.723,40 € (netto) zzgl. 5% Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit der Zustellung der Klageschrift zu zahlen [sic].

Die Beklagte beantragte,

Klageabweisung.

Die Beklagte erwiderte, dass ein Mangel nicht vorläge und ein solcher auch nicht rechtzeitig iSd. § 377 HGB gerügt worden wäre. Der Austausch der Sitze sowie die weiteren Reparaturmaßnahmen seien nur kulanzweise erfolgt, nicht aber in Anerkennung eines Mangels.

Mit Endurteil vom 30.08.2019, Az. 22 O 1189/19, wies das Landgericht München I die Klage ab, da kein Sachmangel vorläge und im Übrigen Gewährleistungsansprüche der Klägerin schon deshalb ausgeschlossen seien, weil das Fahrzeug nach § 377 HGB als von der Klägerin genehmigt gelte.

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Endurteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel grundsätzlich vollumfänglich weiter. Allerdings verlangt sie nunmehr Zahlung nicht mehr an die Leasinggeberin, sondern an sich selbst, da sie mittlerweile das streitgegenständliche Kfz erworben hat.

Die Klägerin beantragt daher:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 320.222,30 € zzgl. 9 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit 20.10.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe des Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14.

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14 in Verzug befindet.

III. Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, an dem Kfz Rolls-Royce Dawn FIN …14 die Massagesitzfunktion der Vordersitze dergestalt herzustellen, dass für Fahrer und Beifahrer eine Massagebewegung sowohl in der Sitzfläche als auch entlang der Rückenlehne im Fahrbetrieb deutlich wahrnehmbar ist.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 4.723,40 € (netto) zzgl. 5% Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegender Zinsen hieraus seit der Zustellung der Klageschrift zu zahlen [sic].

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 (Bl. 125/132 d.A.) dargelegt, warum er die Berufung des Klägers für nicht begründet erachtet. Dem Kläger wurde hierzu zunächst Frist zur Stellungnahme bis 15.03.2020 gesetzt, die auf Antrag des Klägervertreters antragsgemäß bis zuletzt 15.05.2020 verlängert wurde. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 14.05.2020 (Bl. 137/140 d.A.) Stellung genommen.

Auf den Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägervertreters vom 20.01.2020, den Hinweis des Senats vom 16.03.2020, die Stellungnahme des Klägervertreters hierauf vom 14.05.2020 sowie den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.08.2019, Az. 22 O 1189/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Die Stellungnahme des Klägervertreters vom 14.05.2020 gibt keinen Anlass, von den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 abzuweichen.

1. Den in der Stellungnahme vom 14.05.2020 erneut erhobenen Einwand der Klägerseite, es sei nicht erforderlich gewesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber der Beklagten offenlege, dass er mit der Bezeichnung „Massage Seat“ die Massagesitze in anderen Rolls-Royce-Typen in Verbindung bringe, hat der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 (dort S. 3, Bl. 127 d.A.) für nicht durchgreifend erachtet. Neue Argumente hierzu hat der Kläger auch in der Stellungnahme vom 14.05.2020 nicht vorgebracht. Es ist im Übrigen in jeder Hinsicht fernliegend anzunehmen, ein Pkw-Verkäufer müsse den Käufer eines neuen Fahrzeugs, der bei ihm bereits in der Vergangenheit einen Pkw der gleichen Marke aber eines anderen Typs gekauft habe, über jede Abweichung des neuen Fahrzeugs von der Ausstattung des typverschiedenen früher gekauften Pkws aufklären.

2. Hinsichtlich der von Egger in Reinking, Der Autokauf, 14. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 3946 vertretenen Meinung zur Entbehrlichkeit einer Untersuchung des gekauften Fahrzeugs hat sich der Senat bereits ausführlich in seinem Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 (dort S. 3 - 5, Bl. 127 - 129 d.A.) geäußert und eine Untersuchung iSd. § 377 HGB auch bei Neuwagen weiterhin für erforderlich gehalten. Dass die Beklagte vor der Übergabe des Fahrzeugs ihrerseits eine „Übergabedurchsicht“ des Fahrzeugs vorgenommen und hierüber eine Bescheinigung erstellt hat, ändert daran nichts und führt insbesondere nicht zu einem (konkludenten) Verzicht der Beklagten auf die klägerische Untersuchungspflicht aus § 377 Abs. 1 HGB.

3. Ein konkludenter Verzicht der Beklagten auf die Verspätungsrüge folgt auch nicht - wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 16.03.2020, S. 6, Bl. 130 d.A.ausgeführt - aus dem Reparaturversuch der Beklagten. Inwiefern sich aus der in der Stellungnahme des Klägervertreters vom 14.05.2020 (dort. S. 3, Bl. 139 d.A.) in Bezug genommenen Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten „wobei die glauben, dass es Serienstand ist“ ergeben soll, dass die Beklagte davon ausging, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Sitze nicht dem Serienzustand entsprächen und deshalb mangelhaft seien, erschließt sich nicht.

Da somit schon kein Sachmangel vorliegt und im Übrigen die Mängelrüge nicht rechtzeitig erfolgt wäre, ist auch der Hilfsantrag unbegründet.

Nach alledem bleibt die Berufung ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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