Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 UF 56/10

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 23.02.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Das Verfahrenskostenhilfegesuch des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen den seine Anträge ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Haldensleben Zweigstelle Wolmirstedt vom 23.02.2010 und beantragt für das Beschwerdeverfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. In erster Instanz hat der Antragsteller beantragt, ihm die gemeinsame elterliche Sorge über das Kind T. S. , geb. am 19.03.1997, zu übertragen. Gleichzeitig hat er beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Beide Anträge hat das Amtsgericht zurückgewiesen.

2

Der Antragsteller begehrt die gemeinsame elterliches Sorge für das Kind T. S. , geboren am 19.03.1997. Die Vaterschaft erkannte der Antragsteller unmittelbar nach der Geburt an. Einem gemeinsamen elterlichen Sorgerecht stimmte die Kindesmutter nicht zu.

3

Die Kindeseltern leben seit dem zweiten Lebensjahr der gemeinsamen Tochter getrennt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kindesmutter als auch der Antragsteller ganztags außerhäuslich berufstätig, sie teilten sich die Versorgung und Betreuung des gemeinsamen Kindes.

4

Seit inzwischen 10 Jahren bestehen gerichtlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten der Kindeseltern über die Gestaltung des Umgangs zwischen dem Kind und dem Antragsteller. Seit 2006 findet kein Umgang zwischen dem Kind und dem Antragsteller statt. Der Antragsteller ist nach seinen Angaben seit 2003 mit Unterbrechungen und seit Juni 2006 ununterbrochen arbeitsunfähig, wobei der Kontaktverlust zum Kind nach seinen Angaben als wesentlicher Grund bewertet werden könne.

5

Er meint, der Ausschluss der elterlichen Sorge verletze ihn in seinen Grundrechten aus Artikel 6 Grundgesetz und diskriminiere ihn. Es sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Erteilung des gemeinsamen Sorgerechts das Wohl des Kindes gefährden würde oder im Gegenteil dem Kindeswohl dienlich sei.

6

Das Amtsgericht Haldensleben – Familiengericht – Geschäftsnr.: 16 F 136/10 SO – hat durch Beschluss vom 23.02.2010 den Antrag des Antragstellers auf Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts und den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass eine gesetzliche Grundlage für den Antrag nicht vorliege und nach gegenwärtigem Recht das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich nicht gegen den Willen der Mutter durchzusetzen sei. Zudem stehe der nach eigener Darstellung des Antragstellers seit etlichen Jahren fehlende persönliche Kontakt zur Tochter der Fähigkeit, Entscheidungen für das Kind zu treffen, entgegen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 03.12.2009 – Beschwerde Nr. 22028/04  Zaunegger ./. Deutschland ändere an der Rechtslage zunächst nichts. Denn es sei Aufgabe der nationalen Regierung, diese Entscheidung mit einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage umzusetzen. Solange dies nicht erfolgt sei, komme der Antrag zu früh.

7

Mit am 09.03.2010 beim Amtsgericht eingegangenem Fax hat der Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 23.02.2010 eingelegt und Verfahrenskostenhilfe beantragt. Er meint, das Gericht hätte die Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten müssen und nicht ohne Auseinandersetzung mit dem Hintergrund der Menschenrechtsverletzung die Anträge inhaltlich abweisen dürfen. Wenn es der Auffassung sei, dass den Behörden zunächst Gelegenheit gegeben werden müsse, die Entscheidung umzusetzen, hätte es das Verfahren solange aussetzen müssen.

8

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe der Vater eines nichtehelichen Kindes bei ansonsten gleichen Voraussetzungen einen – auch gerichtlich einklagbaren – Anspruch darauf, dass ihm die gleiche Rechtsstellung eingeräumt werde wie einem verheirateten Vater, der die elterliche Sorge automatisch nach § 1626 BGB bekomme. Er meint, er habe einen rechtlichen Anspruch darauf, dass ihm die gemeinsame elterliche Sorge eingeräumt werde.

9

Am 21. Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss – 1 BvR 420/09 - entschieden, dass es das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Artikel 6 Absatz 2 GG verletzt, wenn der Vater ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat als Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung angeordnet, dass ergänzend zu der Regelung des § 1626 a Absatz 1 Nr. 1 BGB vorläufig das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. In Ergänzung von § 1672 Absatz 1 BGB hat das Familiengericht bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge zu übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

II.

10

Die zulässigen Rechtsmittel des Antragstellers gegen die ablehnenden Entscheidungen des Amtsgerichts sind unbegründet.

11

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des Antragstellers auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind T. S. abgewiesen.

12

Es kann offenbleiben, ob bereits zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und vor einer Regelung eines entsprechenden Verfahrens durch den nationalen Gesetzgeber eine Rechtsschutzmöglichkeit des nicht sorgeberechtigten Kindesvaters anzuerkennen war, ihm gegen den Willen der Kindesmutter die gemeinsame elterliche Sorge für sein Kind zu übertragen, und ob das vor einer gesetzlichen Neuregelung angestrengte Verfahren bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung auszusetzen gewesen wäre oder über den Antrag unter Zugrundelegung der für verheiratete Elternteile unabhängig von ihrem Geschlecht bestehenden Regelungen (§§ 1671 Abs. 2, 1672 Abs. 2 Satz 1 BGB) über der Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu entscheiden gewesen wäre.

13

Denn zumindest nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Rechtsschutzmöglichkeit und eine Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über den Antrag des nichtehelichen das gemeinsame Sorgerecht anstrebenden Kindesvater gegeben. Danach ist dem Antragsteller das gemeinsame Sorgerecht oder ein Teil der elterlichen Sorge zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

14

Das ist hier nicht der Fall.

15

Dem Antrag des Antragstellers, ihm das gemeinsame Sorgerecht für das Kind zu übertragen, können keine Umstände oder Aspekte entnommen werden, die das Kindeswohl oder die Belange des Kindes zum Gegenstand haben. Auch unter Berücksichtigung der Rechte des Antragstellers hat es im vorliegenden Einzelfall bei der bisher bestehenden Alleinsorge der Kindesmutter zu bleiben, weil nur dies dem Wohl des Kindes entspricht.

16

Die derzeit alleinsorgeberechtigte Kindesmutter lehnt seit der Geburt des Kindes eine gemeinsame Sorge ab. Eine Zustimmung der Kindesmutter zu einer gemeinsamen elterlichen Sorge ist nach Einschätzung des Antragstellers auch in Zukunft nicht zu erwarten. Seit der Trennung der Eltern vor inzwischen 11 Jahren besteht zwischen den Eltern Streit über die Gestaltung bzw. den Ausschluss des Umgangs des Antragstellers. Wie die zahlreichen auch gerichtlich ausgefochtenen Meinungsverschiedenheiten der Elternteile zum Umgangsrecht des Antragstellers mit dem Kind gezeigt haben, war ein Einvernehmen der Elternteile hinsichtlich der Regelung der Angelegenheiten des Kindes nicht vorhanden und ist auch in Zukunft in Bezug auf Angelegenheiten der elterlichen Sorge nicht zu erwarten. Eine Kooperationsbereitschaft zwischen den Elternteilen fehlt völlig. Sie ist angesichts der gerichtsbekannten massiven Beleidigungen, mit denen der Antragsteller die Kindesmutter überzieht und die auch dem Kind nicht verborgen bleiben, auch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Dies könnte im Einzelfall für sich bereits ausreichend sein, um den bestehenden Zustand zu belassen bzw. bei einer zu unterstellenden gemeinsamen Sorge der Beteiligten die Alleinsorge der Kindesmutter zu übertragen. Im vorliegenden Fall betreut und versorgt die Kindesmutter das Kind seit nunmehr mehr als 10 Jahren tatsächlich allein, weshalb die Kontinuität des bestehenden faktischen Zustandes sie gegenüber dem Antragsteller als Alleinsorgeberechtigte faktisch privilegiert. Zudem besteht vorliegend mindestens seit 2006 tatsächlich kein Umgang des Antragstellers mit dem Kind. Das inzwischen 13 Jahre alte Kind lehnt darüber hinaus sogar jeglichen Kontakt zum Antragsteller – nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers - eindeutig ab.

17

Da unter diesen Umständen eine tatsächliche Grundlage für ein Verfahren über die Änderung der bestehenden elterlichen Sorge im Interesse des Kindeswohls nicht vorhanden ist, bedurfte es einer Beteiligung weiterer Personen am Verfahren nicht. Eine weitere Sachaufklärung ist ebenfalls nicht angezeigt.

18

Das angestrengte Verfahren dient nach dem Vorbringen des Antragstellers ausschließlich seinen eigenen Interessen insbesondere der Durchsetzung seines Vaterrechts und seines Recht auf Familienleben gemäß Artikel 6 Grundgesetz und Artikel 8 Absatz 1 der Konvention. Inwiefern die beantragte gemeinsame elterliche Sorge im konkreten Falle dem Wohl des Kindes dienen soll, legt der Antragsteller nicht dar. Zwar mag der Ausschluss des Antragstellers von der elterlichen Sorge um sein Kind ihn in seinem Vaterrecht und seinem Recht auf Familienleben berühren, jedoch müssen die Bedürfnisse und Interessen der Elternteile bei der vorzunehmenden Interessenabwägung hinter den Interessen des Kindes zurücktreten. Anders sieht dies auch nicht der Europäische Gerichtshof in der vom Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung. Dort führt der Gerichtshof aus, dass er anerkenne, dass es triftige Gründe dafür geben könne, einen nicht verheirateten Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen, was der Fall sein könne, wenn Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden (vgl. EuGH, Urteil vom 03.12.2009 – 22028/04 - Ziffer 56 ). Anders als im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer im zitierten Fall das Kind zunächst 3 Jahre gemeinsam mit der Kindesmutter und sodann weitere 2 ½ Jahre allein tatsächlich betreut und versorgt. Nach gerichtlicher Einigung über den Umgang des Beschwerdeführers hatte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Anordnung der gemeinsamen Sorge gestellt, da die Mutter einer gemeinsamen Sorgeerklärung nicht zustimmen wolle, obwohl beide Elternteile sich im Übrigen gut miteinander verständigen könnten. Hier liegt der Fall – wie oben ausgeführt – wesentlich anders.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst, das sie von dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes zu tragen sind (§ 21 Absatz 1 Satz 1 FamGKG i.V.m. KV 1912).

III.

20

Das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers ist gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen, da der Antragsteller innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist nicht seine Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit und seinem unbeweglichen Vermögen glaubhaft gemacht hat. Die durch Verfügung des Vorsitzenden vom 31.03.2010 geforderten Belege wurden nicht vorgelegt. Eines weiteren gerichtlichen Hinweises bedurfte es insoweit nicht, weil die Verfügung eindeutig war.

21

Im Übrigen ist das Verfahrenskostenhilfegesuch auch mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Beschwerde zurückzuweisen.


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