Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Strafsenat) - 2 Ws 225/12

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Stendal vom 18. Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 300,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. Strafhaft. Am 10. Januar 2012 monierte er, zwei Briefe, die er an seinen Sohn nach Berlin gesandt habe, seien von ihm wie von der Antragsgegnerin gewünscht - unverschlossen zur Versendung durch die Antragsgegnerin übergeben worden. Mit Antrag vom 10. Januar 2012 hat er die Ansicht geäußert, er dürfe erwarten, dass die Post nach der Kontrolle verschlossen werde und schloss die Frage an, was die Antragsgegnerin darüber denke und wer hierfür verantwortlich sei. Mit Schreiben vom 22. Juni 2012, beim Landgericht Stendal eingegangen am 26. Juni 2012, hat er mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe auf seinen schriftlichen Antrag vom 10. Januar 2012 nicht reagiert, gerichtliche Entscheidung beantragt.

2

Die Antragsgegnerin hat hierzu vorgetragen, der Antrag vom 10. Januar 2012 habe kein konkretes Begehren enthalten. Gleichwohl seien dem Antragsteller die Modalitäten der Briefabgabe nochmals erläutert worden.

3

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2012 hat das Landgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen. Soweit die Antragsgegnerin auf das Ansinnen des Antragstellers nicht reagiert habe, liege darin keine diesen in seinen subjektiven Rechten verletzende Einzelfallentscheidung. Er habe keinen Anspruch auf Verbescheidung allgemeiner Anregungen oder Fragen.

4

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

5

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§§ 116 Abs. 1, 118 StVollzG) und hat mit der Sachrüge Erfolg.

6

§ 108 Abs. 1 StVollzG begründet einen Rechtsanspruch des Gefangenen auf Bescheidung seiner Anregungen, der das Recht auf abschließende Bescheidung einschließt (Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 108, Rn. 1 , 9; Arloth, StVollzG, 4. Aufl., § 108, Rn. 4 m.w.N.). Die Unterscheidung von Wünschen und Anliegen einerseits und Beschwerden anderseits findet weder im Wortlaut des § 108 Abs. 1 StVollzG noch im Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung eine Stütze, vielmehr stehen Wünsche, Anregungen und Beschwerden ohne Differenzierung gleichrangig nebeneinander (OLG Koblenz, ZfStrVO 1992, 263 f.; Arloth, StVollzG, 4. Aufl., § 108, Rn. 4 m.w.N.). Die Verbescheidung hat in angemessener Frist zu erfolgen, nicht unbedingt in schriftlicher Form (Arloth a. a. O., m. w. N.). Das Recht auf Bescheidung ist als solches einklagbar. Wird die Beantwortung eines Anliegens ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt, kann ein Vornahmeantrag nach §§ 109 Abs. 1 Satz 2, 113, 115 Abs. 4 Satz 1 StVollzG gestellt werden (Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 108, Rn. 13 und § 113, Rn. 1, 3). Das hat das Landgericht verkannt.

7

Allerdings unterliegen die in § 108 StVollzG genannten Rechte dem Verbot missbräuchlicher Ausübung. Damit entfällt der Anspruch auf Verbescheidung solcher Beschwerden, die nur den Zweck haben, die Vollzugsbehörde unnötig zu belasten und eine Beschwer nicht erkennen lassen (Arloth, a. a. O., § 108 Rn. 1 m. w. N.). Hierzu zählen insbesondere Eingaben, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden, die nach Form oder Inhalt nicht den im Verkehr mit Behörden üblichen Anforderungen entsprechen oder bloße Wiederholungen enthalten (VV zu § 108 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1). Es ist jedoch nicht zu ersehen, dass die Eingabe des Antragstellers vom 10. Januar 2012 in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist. Im Übrigen hätte er sogar in diesem Falle einen Anspruch auf entsprechende Unterrichtung (VV zu § 108 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2).

8

Der Senat ist nicht in der Lage, die Sache selbst zu entscheiden, weil zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin streitig ist, ob letztere den Antrag vom 10. Januar 2012 abschließend beschieden hat, und das Landgericht diese Frage nicht aufgeklärt hat. Der Vermerk "Antrag eröffnet am 13.01.12" alleine ist unergiebig. Er lässt nicht erkennen, wem gegenüber welcher Inhalt eröffnet wurde.


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