Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Senat für Familiensachen) - 3 UF 186/12

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Burg vom 28.06.2012 (Az.: 5 F 605/11) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziffer 1. wie folgt ergänzt wird:

„Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.“

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000,-€.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Mit dem von der Kindesmutter angefochtenen Beschluss vom 28.06.2012 (Bl. 84 ff. d.A.) hat das Amtsgericht Burg dem Antrag des Kindesvaters entsprochen und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden aus der mittlerweile geschiedenen Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder W. und S., welche seit der Trennung in seinem Haushalt leben, übertragen. Es begründet seine Entscheidung mit fehlendem Grundkonsens, der Kontinuität der Betreuung und das eine Geschwistertrennung auf Grund des von W. Geäußerten, bei der Kindesmutter leben zu wollen, nicht in Betracht komme.

2

Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde und verweist darauf, dass sich wegen ihrer Wohnsitznahme in räumlicher Nähe zum ehemaligen Familienheim sowie der nunmehr praktizierten großzügigen und zudem offenen Umgangsregelung der jeweilige Kindeswille dahin geändert habe, dass die Kinder nunmehr bei ihr leben möchten. Der Kindesvater plädiert für den Beibehalt der erstinstanzlichen Entscheidung.

3

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, und ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass klarstellend der erstinstanzliche Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder auf sich zurückgewiesen wird.

4

Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist die elterliche Sorge bei fehlender Zustimmung auf Antrag einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge oder von Teilbereichen davon sowie die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht.

5

Maßstab für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB letztlich das Kindeswohl. Dabei geht der Senat in Entsprechung der Ausführungen des Amtsgerichts davon aus, dass W. und S. ihren Aufenthalt beim Kindesvater finden und bei ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht verbleibt.

6

Zwar hat sich aus den erneuten persönlichen Anhörungen der Kinder und des Verfahrensbeistands, der Eltern und der Mitarbeiterin des Jugendamts im Beschwerdeverfahren ergeben, dass nach dem Zuzug der Kindesmutter die Umgangskontakte nunmehr problemlos verlaufen, insbesondere können die Kinder neben den 14-tägigen Wochenendumgängen und einem Tag unter der Woche bei Bedarf jederzeit die Kindesmutter aufsuchen. Auch beim Aufenthalt bei der Kindesmutter ist ein Kontakt zum Kindesvater jederzeit gewährleistet. Auf der Paarebene haben die Eltern einen enormen Fortschritt erarbeitet. So sind mittlerweile bei den Kontakten jederzeit kurzfristige Absprachen möglich. Das Verhalten der Eltern zueinander und in Bezug auf die mit der Trennung auf sie zukommenden Herausforderungen werden einer Klärung zugeführt, so dass im Sinne des Kindeswohls die Eltern eine durch die Trennung eingetretene Änderung der Lebensumstände der Kinder nunmehr trotz unterschiedlicher Erziehungsauffassungen gut bewältigen.

7

Dabei kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kindesvater nach der Trennung kontinuierlich die Kinder betreut hat. Auch wenn sich W. für einen Verbleib bei der Kindesmutter ausspricht, geschieht dies auf dem Hintergrund, dass die Kindesmutter nicht so traurig ist. Ansonsten befinden sich er und seine Schwester S. in einem Loyalitätskonflikt und können sich natürlich nicht zum Nachteil eines Elternteils für den anderen entscheiden. Demgegenüber ist aber deutlich geworden, dass beide Kinder ihre Heimat und Wohnung in „M./M.“, also bei beiden Elternteilen sehen und es ein leichtes ist, den jeweiligen anderen Elternteil aufzusuchen. Für W. ist dies mit dem Fahrrad in nur 40 Sekunden zu bewältigen, wie er erklärte.

8

Diese Entwicklung spricht gegenwärtig dafür, das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Kindesvater zu belassen, da sich dies bisher als zudem äußerst förderlich erachtet hat.

9

Ein von der Kindesmutter angedeutetes Wechselmodell kommt zudem vorliegend nicht in Betracht.

10

Gegenstand eines solchen Wechselmodells kann nur ein angestrengtes Umgangsverfahren nach § 1684 BGB sein. Im Rahmen des Sorgeverfahrens kann eine solche die elterliche Sorge aufspaltende Regelung nicht getroffen werden.

11

Aber selbst wenn ein Umgangsverfahren vom Senat aufgegriffen worden wäre, kann es nicht die aus Sicht der Kindesmutter avisierten Folgen haben.

12

Die Anordnung eines Wechselmodells kommt nur in Betracht, wenn die Kindeseltern in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen, beide hochmotiviert und an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet sind, kontinuierlich kommunizieren und kooperieren, willens und in der Lage sind, sich über ein einheitliches Erziehungskonzept zu einigen und die Vorstellungen des jeweils anderen in der Frage der Erziehung zu tolerieren. Gegen den Widerstand eines Elternteils kann das Wechselmodell nicht angeordnet werden (OLG Hamm FamRZ 2012, 1883).

13

Der Kindesvater sieht dabei trotz der Fortschritte im gegenwärtigen Moment dafür die erforderlichen Voraussetzungen noch nicht als geschaffen und wendet sich gegen diese Praxis.

14

Zwar spricht sich, wie von der Kindesmutter angesprochen, das Amtsgericht Erfurt (AG Erfurt ZKJ 2013, 31) in Anlehnung an die vereinzelt nach altem Recht gebliebene Auffassung des Amtsgerichts Hannover (AG Hannover JAmt 2001, 557) für eine Anordnung gegen den Willen der Eltern aus. In einer wiederum nur vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Kammergerichts kann nur in Ausnahmefällen auch gegen den Willen eines Elternteils ein Betreuungs-Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden. Ein solcher Ausnahmefall kann dann aber nur gegeben sein, wenn das Betreuungs- Wechselmodell im Hinblick auf das Kindeswohl geboten ist und dem eindeutig geäußerten und belastbaren Willen der Kinder entspricht (KG FamRZ 2012, 886).

15

Dies ist nach den Äußerungen der Kinder im Termin vom 26. Februar 2013 aber gerade nicht der Fall gewesen.

16

Wie von der Kindesmutter bekundet, ist daher letztlich auch vom Kindesvater hinzunehmen, dass aufgrund der Trennung die Betreuungs-/Umgangszeiten durch die jeweils einseitige Verantwortungswahrnahme der Eltern im Vergleich zu zusammenlebenden Eltern zwingend verkürzt ist und auch diese Zeiten nicht durch ein Wechselmodell nachhaltig erweitert werden können.

17

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswerts der Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

18

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).


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