Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (10. Zivilsenat) - 10 W 20/13

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagtenvertreter vom 25.03.2013 gegen den in dem am 20.03.2013 verkündeten Urteil des Landgerichts Stendal, Az.: 23 O 173/12, enthaltenen Streitwertbeschluss wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit der Klage vom 30.04.2012 begehrte die Klägerin mit einem Klageantrag zu 1.) ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, zzgl. 25,- € als allgemeine Unfallpauschale und Zinsen sowie mit einem Antrag zu 2.) die Feststellung, dass die Beklagten weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 26.11. auszugleichen hätten, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien. Dem zugrunde lag ein Verkehrsunfall vom 26.11.2011 auf der L ... in S., bei dem die Klägerin verletzt wurde, wobei die Verantwortlichkeit dem Grunde nach auf Beklagtenseite unstreitig war.

2

Die Klägerin führte in der Klageschrift näher zu ihren Verletzungen und deren Folgen aus und erklärte: „Aufgrund der Verletzungen und der rücksichtslosen Fahrweise des Erstbeklagten wird ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 EUR für angemessen gehalten, verbunden mit dem Feststellungsurteil mit einer Haftungsquote von 100 %. Hinzu kommen weitere 25 € als allg. Unfallpauschale. Das Schmerzensgeld orientiert sich an der Entscheidung des OLG Köln vom 16.03.2001, 19 U 130/00 NJW 2002, 962 in Abstimmung mit der Rechtsschutzversicherung der Klägerin.“ Der Wert der Klage wurde durch die Klägerin mit einem Betrag von 6.025,- € angegeben.

3

Die Beklagten erkannten mit der Klageerwiderung einen Teilbetrag von 800,- € an und beantragten ansonsten Klageabweisung, da der Schmerzensgeldanspruch der Höhe nach durch die Darstellung der Verletzungen und ihrer Folgen nicht getragen werde und dem Feststellungsantrag jedwede Substanz fehle.

4

Am 19.03.2013 fand die mündliche Verhandlung statt, infolge derer unter dem 20.03.2013 das Landgericht das Urteil in der Sache verkündete. Mit dem Urteil wurde dem Schmerzensgeldantrag zu 1.) in Höhe von 2.250,- € nebst den begehrten Zinsen hierauf stattgegeben. Zugesprochen wurde auch die begehrte allgemeine Unkostenpauschale und der Feststellungsantrag zu 2.). In den Entscheidungsgründen wurde zu dem Schmerzensgeldanspruch ausgeführt, dass sich dieser in Höhe von 2.250,- € aus dem unstreitigen Vortrag der Klägerin in der Klageschrift ergebe. Weiterer Vortrag, insbesondere zu einer sechswöchigen Gipsbehandlung, die Notwendigkeit einer über Wochen gehender Gehhilfe und einer monatelangen ambulanten Nachbehandlung, sei nicht hinreichend substantiiert worden. Die Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin zu 45 % und der Beklagten zu 55 % auferlegt. Der Gegenstandswert wurde auf 3.275,- € festgesetzt. Dies wurde damit begründet, dass die Klägerin die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt habe ohne einen Mindestbetrag zu nennen. Maßgeblich sei somit der vom Gericht als angemessen angesehene Schmerzensgeldbetrag. Der Feststellungsantrag werde mit 1.000,- € bewertet.

5

Gegen den mit dem Urteil unter dem 25.03.2013 zugestellten Streitwertbeschluss legten die Beklagtenvertreter unter dem 25.03.2013 Streitwertbeschwerde ein. Es sei für die Streitwertbemessung der Wert maßgeblich der den ursprünglichen Vorstellungen der Klägerin entsprochen habe, mithin 5.000,- €. Danach habe das Landgericht auch die Kostenquote bestimmt.

6

Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 26.03.2013 nicht ab. Zur Begründung wurde nochmals ausgeführt, dass die Klägerin einen Mindestbetrag nicht genannt habe und daher allein der vom Gericht nach dem klägerischen Vorbringen als angemessen zu beurteilende Betrag zugrunde zu legen gewesen sei.

II.

7

Die sofortige Beschwerde ist statthaft gem. den §§ 68 Abs.1 GKG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Mindestbeschwerdewert gem. § 68 Abs. 1 GKG von 200,- € ist überschritten.

8

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die die Beschwerde in eigenem Namen einlegten, sind gem. § 32 Abs. 2 RVG selbst beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde ist auch ansonsten zulässig, insbesondere fristgerecht gem. den §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG eingelegt worden.

9

Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn sie ist unbegründet.

10

Das Landgericht hat den Gegenstandswert für den unbezifferten Schmerzensgeldantrag zu Recht gem. den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO mit einem Betrag von 2.250,- € festgesetzt und nicht den von der Klägerin in der Klageschrift genannten Betrag von 5.000,- € zugrunde gelegt.

11

Bei unbezifferten Anträgen, insbesondere Schmerzensgeldanträgen ist für die Wertbestimmung nach § 3 1. Hbs ZPO vom Gericht der Betrag zu schätzen, der unter Zugrundelegung des vom Kläger vorgetragenen Sachverhaltes bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zuzusprechen wäre, wenn die Klage begründet wäre (vgl.: Heinrich in Musielak, Zivilprozessordnung, 9. Auflage, § 34 Rn. 34; Wöstmann in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Auflage, § 3 Rn. 121; KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2010, Az.: 12 W 9/10, zitiert nach juris). Dies war nach den Ausführungen in dem am 20.03.2013 verkündeten Urteil des Landgerichts ein Betrag von 2.250,- €.

12

Über die streitige Frage, ob dann, wenn der Kläger eine Mindestgröße für den ansonsten unbezifferten Klageantrag benennt, dieser als Untergrenze bindend ist (so wohl die h.L., vgl.: Heinrich in Musielak, Zivilprozessordnung, 9. Auflage, § 34 Rn. 34; Wöstmann in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Auflage, § 3 Rn. 121; KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2010, Az.: 12 W 9/10; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss vom 26.11.2009, Az.: 4 W 343/09; OLG München, Beschluss vom 08.01.2008, Az.: 1 W 604/08; OLG Dresden, Beschluss vom 19.02.2003, Az.: 6 W 73/03, alle zitiert nach juris, a.A. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29.Auflage, § 3 Rn. 16 „unbezifferter Klageantrag“; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.01.2004, Az.: 12 W 35/04, zitiert nach juris), musste vorliegend nicht entschieden werden, denn, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, enthielt die Klageschrift eine solche verbindliche Untergrenze nicht. Der Betrag von 5.000,- € ist dort ausdrücklich nicht als Mindestbetrag bezeichnet worden. Es ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Inhalt der Klageschrift, dass es die Klägerin diesen Betrag als Mindestbetrag begehrte. Soweit in der Klageschrift der Betrag der Höhe nach durch ein Zitat einer Entscheidung des OLG Köln begründet worden ist, folgt daraus nicht die Nennung eines Mindestbetrages. Mit diesem Zitat sollte die von der Klägerin als unverbindlich angegebene Größenordnung ihres Schmerzensgeldbegehrens belegt werden. Eine Einordnung des genannten Betrages als verbindlicher Mindestbetrag ergibt sich daraus nicht. Lediglich aus der Zurückweisung eines Angebotes der Beklagtenseite in Höhe von 1.500,- € einschließlich des Feststellungsinteresses als zu niedrig ergibt sich in der Klageschrift eine von der Klägerin angenommenen Untergrenze. Diese liegt allerdings noch unter dem Betrag, den das Landgericht auf der Grundlage der von ihm als schlüssig erachteten Ausführungen in der Klage für angemessen erachtete.

13

Es war auch nicht davon auszugehen, dass durch jede unverbindliche Nennung einer Größenordnung für den unbezifferten Klageantrag, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Zulässigkeitserfordernis für einen hinreichend bestimmten (unbezifferten) Klageantrag gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darstellt (vgl.: BGHZ 4, 138), bereits den Gebührenstreitwert festlegt. Denn wie Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 3 Rn. 16 „ unbezifferte Klageanträge“ zurecht ausführt, liefe es auf eine contradictio in adiecto hinaus, dem Kläger einen unbezifferten Klageantrag zu gestatten, ihn aber zugleich zu zwingen, sein Begehren in der Klagebegründung kostenrechtlich verbindlich zu beziffern; im Ergebnis wird dann der dem Wortlaut nach unbezifferte Antrag aus der Klagebegründung heraus doch wieder in einem bezifferten Antrag umgedeutet…“. Es muss daher bei hinreichend bestimmter Klarstellung in der Klagebegründung, dass trotz der zwingenden Benennung einer Größenordnung die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt bleibt, möglich sein, sich auch der Untergrenze nach nicht verbindlich festzulegen, sondern die Höhe des Anspruches ganz in das Ermessen des Gerichts zu stellen.

14

Einer Kostenentscheidung bedurfte es wegen § 68 Abs. 3 ZPO nicht.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen