Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 WF 140/13 (VKH)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eisleben vom 22.05.2013 (Az. 3 F 191/13 VKH1) abgeändert:

Der Antrag des Antragsgegners, die Erklärung der Antragstellerin im amtlichen Vordruck nebst Belegen zu übermitteln, wird abgelehnt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin beantragte im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahrens zur Rechtsverfolgung die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und reichte den amtlichen Vordruck nebst Belegen zur Akte. Unter dem 25.04.2013 beantragte der Antragsgegner, ihm die Erklärung im amtlichen Vordruck nebst Belegen zugänglich zu machen.

2

Mit "Beschluss" (einschließlich Rechtsmittelbelehrung) vom 22.05.2013 (Bl. 80 d. A.), zugestellt am 28.05.2013, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Eisleben dem Antrag des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die VKH-Unterlagen der Antragstellerin stattgegeben.

3

Dagegen richtet sich die am 28.06.2013 erhobene "Beschwerde" der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, dass die Einsichtnahme in die VKH-Unterlagen unzulässig sei, weil der Antragsgegner keinen Auskunftsanspruch mehr habe. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch genüge nicht. Zudem könnten ohne ihre Zustimmung die Unterlagen nicht zugänglich gemacht werden.

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Das Amtsgericht hat der "Beschwerde" nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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1. Das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht bereits unzulässig, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO.

6

Zwar enthält die ZPO keine Anfechtungsmöglichkeit gegen die Übermittlung der Erklärung und der Belege im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens. § 127 Abs. 2 ZPO eröffnet lediglich die Anfechtung der Entscheidung über die Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe, nicht jedoch die Anfechtung der im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Zwischenverfügungen. Nichts anderes stellt jedoch die formlose Übermittlung der Erklärung nebst Belegen an den Gegner im Sinne von § 117 Abs. 2 Satz 2 bis 4 ZPO dar. Unschädlich ist dabei auch, dass das Amtsgericht im Wege eines Beschlusses über die Weitergabe der Unterlagen entschieden hat.

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Andererseits muss vorliegend die Anfechtung der Weitergabe der Unterlagen nach §117 Abs. 2 Satz 1 ZPO wegen der damit verbundenen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Antragstellerin (Art. 2 Abs. 1 GG) eröffnet sein, so dass auch für die Frage des Einsichtsrechts des Gegners das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO gegeben sein muss (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.09.2010 - 9 WF 222/10 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 04. November 2010 - 7 WF 872/10 -, juris).

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2. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

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Zur Einsichtnahme in die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Belege bedarf es gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO dann nicht der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen, wenn der Gegner gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat (vgl. auch OLG Brandenburg a.a.O.).

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Zweck dieser Regelung ist dabei nicht die umfassende Information des Gegners in familienrechtlichen Auseinandersetzungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers. Vielmehr erhofft sich der Gesetzgeber durch die Information der Gegenseite eine größere Gewähr der Richtigkeit der Angaben zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen (§§ 115, 117 Abs. 2 ZPO), indem der Gegner diese kontrolliert (vgl. Schürmann in: Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, 11. Kapitel Verfahrenskostenhilfe, Rdn. 17). Denn wenn der Gegner auf die Kenntnis der Angaben, die Gegenstand der Erklärung des Antragstellers sind, ohnehin einen zivilrechtlichen Anspruch hat, erscheint es verfahrensökonomisch, den Gegner sogleich in das Verfahren einzubeziehen, um etwaige Unrichtigkeiten so früh wie möglich korrigieren zu können (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks 16/6308 S. 325).

11

Bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs (nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580 oder 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB) können mithin die Beteiligten gegenseitig jederzeit Auskunft verlangen. Dann ist aber auch anzunehmen, dass im Ergebnis kein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung oder gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gegeben ist (OLG Koblenz a.a.O.).

12

Dabei muss nach dem Wortlaut des Gesetzes der bürgerlich-rechtliche Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen auch nicht Verfahrensgegenstand sein. Allerdings muss er sich auf die Verhältnisse in der abgegebenen Erklärung beziehen. Sofern das nicht der Fall ist, ist für die Weitergabe der VKH-Unterlagen die Zustimmung des Antragstellers erforderlich, § 117 Abs. 2 Satz 2.

13

Der vorliegend in Betracht kommende Auskunftsanspruch gem. § 1580 BGB besteht grundsätzlich nur dann, wenn er für den (Unterhalts)anspruch erheblich ist (Brudermüller in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 1580 Rdn. 2). Der Auskunftsanspruch geht also nicht weiter, als der materielle Anspruch reicht. Den nachehelichen Unterhalt haben die Eheleute jedoch am 08.03.2012 vor dem erkennenden Senat "unveränderbar" geregelt. Darüber hinausgehende Unterhaltsansprüche sind deshalb nicht ersichtlich, so dass für wirtschaftliche Verhältnisse nach diesem Zeitpunkt auch kein Auskunftsanspruch mehr besteht.

14

Soweit ein Auskunftsanspruch wegen etwaiger Zugewinnausgleichsansprüche in Betracht kommt, besteht der Anspruch nur für Zeiträume mit Stichtag bis zum 04.04.2009. Für einen Anspruch auf Auskunft über die gegenwärtigen Verhältnisse bleibt daher auch hier kein Raum.

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Die gesetzgeberische Absicht der Prozessökonomie - dass der Gegner sogleich Kenntnis von den Angaben des Antragstellers in den VKH-Unterlagen nehmen kann, wenn er ohnehin auf diese Verhältnisse einen Auskunftsanspruch hat - verwirklicht sich dann im vorliegenden Fall aber nicht mehr. Für eine weitergehende Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist dann jedoch kein rechtfertigender Grund mehr ersichtlich. Dem Bedürfnis des Staates auf Richtigkeit und Kontrolle der Angaben in den Erklärungen des Beteiligten im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens ist hier eine verfassungsrechtliche Schranke durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesetzt.

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In der Konsequenz können die VKH-Unterlagen dann nur mit Zustimmung des Antragstellers weitergegeben werden. Diese liegt hier jedoch nicht vor, so dass dem Antrag des Antragsgegners nicht stattzugeben war.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 FamGKG, Nr. 1912 KV Fam (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., KV Fam 1912 Rdn. 1 i.V.m. KV 1812 Rdn. 3), §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

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4. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil grundsätzlich für das Verfahrenskostenhilfeverfahren selbst - somit auch für den hier streitgegenständlichen Teil der Zwischenverfügung im Rahmen eines solchen Verfahrens - Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.


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