Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 114/13

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das 24.7.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (6 O 1244/10) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 65.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch mit der Behauptung geltend, dass es bei ihm während der oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der am 3.12.2009 bei der Beklagten durchgeführten Herzkatheteruntersuchung zu einem Schlaganfall gekommen sei. Der Kläger verlangt ein Schmerzensgeld von 30.000,-- Euro, weiteren bezifferten Schadensersatz in Höhe von 28.800,-- Euro und stellt weiter einen Feststellungsantrag zu zukünftigen Folgen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Das Landgericht hat ein schriftliches Gutachten eingeholt, das der Sachverständige auch mündlich erläutert hat. Das Landgericht hat weiter Zeugenbeweis erhoben. Im Ergebnis hat das Landgericht die Klage abgewiesen im Kern mit der Begründung, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststehe, dass ein Zusammenhang zwischen der Herzkatheteruntersuchung und dem Schlaganfall bestehe. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

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Der Senat hat dem Kläger einen schriftlichen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Dazu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2.12.2013 Stellung genommen.

II.

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Die zulässige Berufung ist durch Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und die übrigen Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Der Senat nimmt Bezug auf die im Ergebnis zutreffenden Gründe in der angefochtenen Entscheidung sowie auf den Inhalt des rechtlichen Hinweises vom 16.10.2013.

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Die Beweiswürdigung durch das Landgericht ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beweislast auch - und vorliegend in besonderem Maße - für die Kausalität zwischen der Herzkatheteruntersuchung vom 3.12.2009 und dem nicht vor dem 23.2.2010 diagnostizierten Schlaganfall, also für seine Behauptung, dieser sei während oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Eingriff aufgetreten, liegt beim Kläger. Da ein grober Fehler nicht in Rede steht und es sich um eine Frage der haftungsbegründenden Kausalität handelt, muss der Beweis gemessen am Beweismaß des § 286 ZPO geführt werden. (Anmerkung: Soweit im Schriftsatz vom 2.12.2013 davon die Rede ist, dass der Infarkt nur durch eine gezielte Diagnostik [gemeint offenbar: Befunderhebung] nachweisbar wäre, mag dies zutreffend sein. Wenn aber im Schriftsatz vom 2.12.2013 weiter davon die Rede ist, dass ein stummer Infarkt vorlag und zunächst gerade keine Symptome ersichtlich waren, bestand dem entsprechend mangels entsprechender Anhaltspunkte überhaupt keine Veranlassung zu einer dahingehenden Befunderhebung, sodass nicht einmal ein einfacher Befunderhebungsfehler vorliegen würde, der eine Beweislastumkehr nach sich ziehen könnte - dazu: BGH Urteil vom 7.6.2011 - VII ZR 87/10 - [z.B. VersR 2011, 1148]; hier: zitiert nach juris -). Zwar darf nicht übersehen werden, dass beim Kläger im Zeitpunkt des Eingriffs mehrere Risikofaktoren vorlagen, die den Eintritt eines Schlaganfalles begünstigen konnten

5

- Bluthochdruck im Zeitpunkt der Aufnahme bei der Beklagten

- schlechte Nierenwerte

- sehr stark dosiertes Kontrastmittel.

6

Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht auch be-stätigt, dass das kumulative Vorliegen dieser Faktoren die Risikolage für einen Schlaganfall steigern konnte. Dabei kann - entgegen der Ansicht der Berufung - die Frage dahinstehen, warum ein derart hoch dosiertes Kontrastmittel eingesetzt wurde. Von Bedeutung wäre diese Frage nur dann, wenn man daraus (allein oder in Verbindung mit den anderen Risikofaktoren) zwingend den Schluss ziehen müsste, dass darin die Ursache für den Schlaganfall lag. Der Sachverständige konnte aber den Schluss gerade nicht ziehen, dass der Schlaganfall auch im Zusammenhang mit dem Eingriff aufgetreten ist. Mangels entsprechender Studien konnte er weder sagen, inwieweit durch das kumulative Vorliegen von Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls steigt, noch konnte er eine zeitliche Zuordnung seines Eintritts vornehmen. Er konnte nicht einmal ausschließen, dass der Schlaganfall vor der Aufnahme bei der Beklagten erfolgt ist. Neurologische Ausfallerscheinungen wurden von den gehörten Zeugen nicht bestätigt. Die Zeugen P. und S. konnten sich an den Beklagten erinnern, haben aber Koordinierungs-, Sprachstörungen oder Bewusstseinstörungen nicht bekundet. Die Angaben der Zeugin W. hat der Sachverständige dahingehend bewertet, dass auch diese nicht zwingend (1 : 1) auf einen Schlaganfall schließen lassen müssen. Dass u.U. bei einem sog. stummen Schlaganfall in der Zeitspanne des stationären Aufenthalts bei der Beklagten neurologische Defizite überhaupt nicht auftreten mussten (mithin von den Zeugen auch nicht wahrgenommen werden konnten), besagt für den Standpunkt des Klägers nichts, denn das bedeutet allenfalls, dass im Hinblick auf ein Fehlen von feststellbaren neurologischen Defiziten nicht die Aussage getroffen werden kann, dass ein Schlaganfall dann ausgeschlossen werden kann. Letztlich wird nicht verkannt, dass es für die Verordnung von Physiotherapie keine erkennbare Indikation gab und der Sachverständige ausführt, dass neurologische Ausfallerscheinungen eine denkbare Begründung dafür darstellen könnten, wogegen aber wiederum die Aussagen der Zeugen sprechen würden. Zwar kann auch in Arzthaftungsprozessen ein Anscheinbeweis vorliegen. Dies setzt aber - wie in anderen Rechtsgebieten auch - einen typischen Geschehensablauf voraus. Daraus folgt, dass dem Anscheinsbeweis in Arzthaftungsprozessen nur eine geringe Bedeutung zukommt, weil wegen der Verschiedenartigkeit der Abläufe im menschlichen Organismus und dessen oft nicht vorhersehbaren individuellen Reaktionen häufig eben gerade keine Verlaufstypizität festgestellt werden kann (dazu: Martis/Winkhart Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rn. A 168). Woraus die Typizität des Verlaufs beim Kläger folgen soll, vermag weder die Berufungsbegründung noch der Schriftsatz vom 2.12.2013 aufzuzeigen. Die oben genannten Risikofaktoren sind daher im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (ohne Annahme einer Beweislastumkehr) zu bewerten.

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Die Berufung könnte vor diesem Hintergrund nur dann erfolgreich sein, wenn die Beweiswürdigung durch das Landgericht auf einer Rechtsverletzung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO). Dies kann aber nicht festgestellt werden. Das Beweisergebnis mag (angesichts der kumulativen Risikofaktoren) auch eine andere - dem Kläger günstige - Beweiswürdigung zu tragen vermögen, zwingend ist dies aber nicht, weil eine zeitliche Zuordnung des Eintritts des Schlaganfalls nicht möglich ist. Das Landgericht hat die für den Standpunkt des Klägers sprechenden Faktoren gesehen. Wenn sich das Landgericht gleichwohl nicht davon hat überzeugen können, dass der Schlaganfall im Zusammenhang mit der Herzkatheteruntersuchung eingetreten ist, dann liegt darin kein Verstoß gegen § 286 ZPO und damit auch keine Rechtsverletzung i.S.v. § 513 Abs. 1 ZPO, sodass die Berufung keinen Erfolg haben kann. Der Senat sieht keine Veranlassung dafür, ein rechtsfehlerfrei zustande gekommenes, vertretbares Beweiswürdigungsergebnis abzuändern.

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Abschließend sei noch anzumerken, dass auch ein Aufklärungsfehler nicht festgestellt werden kann. Dass es im Zusammenhang mit dem Eingriff zu einem Schlaganfallsgeschehen kommen kann, darauf wird im Aufklärungsbogen ausdrücklich hingewiesen.

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Die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO liegen ersichtlich nicht vor. Alle im vorliegenden Fall relevanten Rechtsfragen

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- Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO

- Beweislastumkehr beim (auch einfachen) Befunderhebungsfehler

- Anscheinsbeweis

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sind höchstrichterlich geklärt. Der Senat wendet diese Grundsätze nur auf den konkreten Einzelfall an.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

13

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.


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