Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 48/11
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26.04.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 121.951,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.05.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Seiten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des jeweils anderen Teils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der eine Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 244.942,91 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
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Bei der Klägerin handelt es sich um ein Ingenieurbüro mit Schwerpunkt im Bereich der Wasserstraßensanierung und des Brückenbaus. Aus einem Ingenieurvertrag über die Grundinstandsetzung der Wehrgruppe T. verlangt sie von der Beklagten eine über die vereinbarten Beträge hinausgehende Vergütung mit der Begründung, das im Vertrag veranschlagte Honorar unterschreite die Mindestsätze der HOAI erheblich, sodass Nachforderungen zu stellen seien.
- 2
Im Jahr 2004 führte das Wasser- und Schifffahrtsamt N. für die beabsichtigte Grundinstandsetzung der Wehrgruppe T. ein Vergabeverfahren durch. Die Klägerin erhielt den Zuschlag und wurde mit Vertrag vom 23.12.2004/07.01.2005 beauftragt, die Planungsarbeiten auf der Grundlage der HOAI (1991) für Konstruktionen des Stahlbaus und der elektronischen Ausrüstung im Rahmen der Grundinstandsetzung des Altarm- und des Durchstichwehrs T. durchzuführen. Wegen des konkreten Auftragsinhalts wird auf die Anlage 2 zu § 3 des Vertrages verwiesen. Die Nettoauftragssumme betrug 111.284,29 Euro. Gemäß § 2 des Ingenieurvertrages schlossen die Parteien die Allgemeinen Vertragsbedingungen für freiberufliche Leistungen (AVF (W)) ein, die unter § 11 Abs. 3 folgende Regelung aufweisen:
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„Die vorbehaltlose Annahme der als solche gekennzeichneten Schlusszahlung schließt Nachforderungen aus. Ein Vorbehalt ist innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Schlusszahlung zu erklären. Ein Vorbehalt wird hinfällig, wenn nicht innerhalb eines weiteren Monats eine prüfbare Rechnung über die vorgehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn dies nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird.“
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Am 23.08.2005 schlossen die Parteien einen ersten Nachtragsvertrag (Anlage K 2) über eine Nettoauftragssumme in Höhe von 21.611,46 Euro, am 29.06.2006 einen zweiten (Anlage K 3) über die Nettoauftragssumme von 10.043,53 Euro. Zwischen den Parteien kam es zum Streit über weitere erforderliche Nachträge und über die Frage, ob die Vergütung nach Honorarzone IV abzurechnen sei, anstelle der ursprünglich übereinstimmend für angemessen erachteten Honorarzone III.
- 5
Die Klägerin machte im Februar 2008 einen weiteren Nachtrag über 103.082,38 Euro geltend. Die Beklagte sah jedoch hiervon lediglich 19.671,97 Euro als verhandelbar an. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 10.07.2008 und stellte eine weitere Überprüfung in Aussicht. Letztlich schlossen die Parteien einen dritten Nachtragsvertrag mit Datum vom 13.10.2008 über die Nettoauftragssumme von 19.671,97 Euro.
- 6
Unter dem Datum 27.11.2008 legte die Klägerin der Beklagten eine als „10. Abschlagsrechnung“ überschriebene Rechnung (Anlage B 4). Hier stellte sie „Leistung gem. Vertrag“ als zu 99% erbracht dar und verlangte dafür die Bruttosumme von 193.507,39 Euro. Unter Berücksichtigung bereits erfolgter Zahlungen der Beklagten stellte sie der Beklagten restliche 10.399,09 Euro in Rechnung. Die Beklagte „überarbeitete“ die ihr übersandte Rechnung der Klägerin vom 27.11.2008, änderte handschriftlich die Überschrift ab in „Schlussrechnung“, strich auch die Angabe zur erbrachten Leistung von 99% durch und errechnete den nach ihrer Ansicht noch begründeten rechtlichen Vergütungsbetrag unter Berücksichtigung einer zu 100% erbrachten Leistung von 12.826,05 Euro. Die so „überarbeitete“ Rechnung (Bl. 127 I) sandte die Beklagte an die Klägerin zurück. Das Begleitschreiben vom 15.12.2008 (Anlage B 4, Bl. 171 I) hatte folgenden Inhalt:
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„Grundinstandsetzung Wehrgruppe T.
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Abschluss der Planungsleistung
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Sehr geehrte Frau S. ,
- 10
bezugnehmend auf unser Gespräch vom 04.12.2008 möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nach Prüfung der digital übergebenen Ausführungsplanung den Vertrag durch Sie als erfüllt ansehe.
- 11
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag
Z.
- 12
Anlage: Rechnungsrücklauf“
- 13
Die Beklagte zahlte insgesamt brutto 193.507,66 Euro an die Klägerin. Die letzte Überweisung der Beklagten an die Klägerin in Höhe von 12.826,05 Euro vom 30.12.2008 enthielt als Text auf dem Überweisungsträger:
- 14
„10. Schlussrechnung RE-.../09“
- 15
Mit Schreiben vom 19.12.2008 antwortete die Klägerin auf das Begleitschreiben vom 15.12.2008 wie folgt (Anlage K 11, Anlagenband I):
- 16
„Grundinstandsetzung Wehrgruppe T.
- 17
Rechnungslegung
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Sehr geehrter Herr Z. ,
- 19
bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 15.12.2008 möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir die Umwandlung der 10. AR in eine Schlussrechnung nicht anerkennen.
- 20
Wir verweisen auf das noch laufende Verhandlungsverfahren über unsere Nachtragsforderungen und behalten uns diesbezüglich rechtliche Schritte vor.
- 21
Mit freundlichen Grüßen
- 22
Dipl.-Ing. J. S.
- 23
(…)“
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Mit Schreiben vom 02.04.2009 erhielt die Beklagte von der Klägerin die als solche bezeichnete Schlussrechnung vom 25.03.2009, mit der eine weitere Honorarsumme in Höhe von 244.942,91 Euro – das entspricht der Klageforderung – geltend gemacht wurde. In dem Anschreiben wies die Klägerin darauf hin, dass sie sich, sofern die tatsächlichen Kosten höher seien, eine Nachforderung vorbehalte. Die Schlussrechnung wurde seitens der Beklagten zurückgewiesen. Weitere Zahlungen verweigerte sie.
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin weitere 244.942,91 Euro nebst Zinsen geltend. Sie hat die Ansicht vertreten, wegen Veränderungen des Auftrags nach den tatsächlichen Werten der anrechenbaren Kosten, dem vollständig erbrachten Leistungsbild, nach der tatsächlich höheren einschlägigen Honorarzone und nach den erbrachten Mehraufwendungen schulde die Beklagte ein entsprechend höheres (Mindest-)Honorar. Das Durchstichwehr und das Altarmwehr seien beispielsweise aufgrund der komplexen Umstände in die Honorarzone IV einzustufen; Umbauzuschläge seien zu berücksichtigen.
- 26
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat gemeint, die Klägerin habe keinen weiteren Honoraranspruch. Alle tatsächlichen Mehrleistungen seien in den Nachträgen erfasst und dementsprechend bereits vergütet. Weitere in der Schlussrechnung genannte Leistungen seien entweder nicht erbracht worden oder nicht beauftragt oder sie seien in den Grundleistungen enthalten oder Teil einer Mängelbeseitigung für eine ursprünglich mangelhafte Planung. Überdies hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin sei ohnehin gemäß dem § 11 Abs. 3 AVF (W) mit weiteren Forderungen ausgeschlossen, weil sie die Schlusszahlung vorbehaltlos angenommen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der erstinstanzlichen Anträge der Parteien, wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
- 28
Mit Urteil vom 26.04.2011 hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zwar stünde der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI im Falle der Unterschreitung derselben zu. Den Nachforderungen stehe aber das Eingreifen des § 11 Abs. 3 AVF (W) entgegen. Nachdem die Beklagte im Dezember 2008 eine Schlusszahlung geleistet habe, habe die Klägerin binnen zwei Wochen nach Eingang der Schlusszahlung einen Vorbehalt erklären müssen. Da sie diese Frist zur Stellung einer prüfbaren Rechnung oder zur Begründung eines Vorbehaltes habe verstreichen lassen, sei die Ausschlusswirkung des § 11 AVF (W) eingetreten. Diese von der Klägerin verwendete Klausel sei weder ungewöhnlich noch überraschend und als Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam. Außerdem, so das Landgericht weiter, sei ein etwaiger Nachforderungsanspruch der Klägerin auch verwirkt.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist nach wie vor der Ansicht, § 11 Abs. 3 AVF (W) sei nicht wirksam Bestandteil des Vertrages vom 23.12.2004/07.01.2005 geworden. Dies folge zum einen aus dem überraschenden Charakter der Regelung, der gemäß § 305c BGB dazu führe, dass die betreffende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Dabei sei von besonderer Bedeutung, dass die Klausel erheblich vom dispositiven Recht abweiche. Das Werkvertragsrecht enthalte keine Regelung, die § 11 Abs. 3 AVF (W) entspricht. Das dispositive Recht kenne als Einwände gegen eine berechtigte Forderung nur die Verjährung und die Verwirkung, nicht aber eine Präklusion aus rein formalen Gründen. Außerdem habe sich die Klausel an einer unvermuteten, systemwidrigen Stelle in den Allgemeinen Vertragsbedingungen befunden, obwohl sie als eine unmittelbar die Leistungspflicht betreffende Regelung direkt in dem Vertragswerk hätte enthalten sein müssen oder zumindest mit geeigneten Mittel hätte hervorgehoben werden müssen. Im Vergleich dazu sei die Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, die ebenfalls einen Nachforderungsausschluss enthalte, wesentlich anders gestaltet, da der Auftragnehmer hier über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen werde. Außerdem sei die Frist von 24 Werktagen nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B erheblich länger. § 11 Abs. 3 AVF (W) halte aber auch einer Inhaltskontrolle nicht stand. Aus § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ergäbe sich die Unwirksamkeit des § 11 Abs. 3 AVF (W) aufgrund einer nach Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung durch die Regelung einer Ausschlussfrist. Letztlich sei die Klausel auch nach §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 1, Abs. 2, 308 Nr. 5a und b BGB unwirksam. Der Zeitraum von 14 Tagen für die Erklärung eines Vorbehaltes nach Eingang der Schlusszahlung sei unangemessen kurz. Die Angemessenheit richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die sprächen hier – vor allem in Anbetracht der Komplexität des Vertragsverhältnisses – für die Notwendigkeit eines weitreichenderen Prüfungszeitraumes.
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Überdies wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen zur Frage der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 AVF (W). Sie betont, dass es sich nach ihrer Ansicht bei der 10. Abschlagsrechnung vom 27.11.2008 nicht um eine Schlussrechnung im Rechtssinne handele. Weder sei die Rechnung als solche bezeichnet, noch sei die Leistungserbringung zum Zeitpunkt der Rechnungslegung bereits beendet gewesen. Ein erkennbarer Wille, die Leistung abschließend zu berechnen, sei der Abschlagsrechnung gerade nicht zu entnehmen. Eine Schlussrechnung sei – entgegen der Ansicht des Ausgangsgerichts – auch nicht verzichtbar. Auch die Zahlung der Beklagten habe sich nach alledem nicht als eine Schlusszahlung dargestellt.
- 31
Von einer Verwirkung könne ebenfalls keine Rede sein. Einen besonderen Vertrauensschutz zugunsten der Beklagten sei in den hier getroffenen Vereinbarungen nicht zu erkennen. Es sei aus haushaltsrechtlichen Gründen vielmehr üblich, mit öffentlichen Auftraggebern ein Festhonorar zu vereinbaren. Genauso üblich sei es jedoch, gerade bei komplexen Bauvorhaben, dass sich die honorarrelevanten Parameter im Laufe der Vertragsausführung verändern und nach dem zwingenden Preisrecht der HOAI angepasst werden müssten, wenn sich Umfang und Inhalt des erteilten Auftrages bei der Durchführung konkretisieren und vertiefen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten sei auch nicht durch den Abschluss des dritten Nachtragsvertrages vom 13.10.2008 begründet worden, denn die Klägerin habe sich mit Schreiben vom 10.07.2008 (Anlage K 13) eine weitere Rechnungslegung ausdrücklich vorbehalten. Entsprechendes gelte auch im Hinblick auf die „Umwandlung“ der 10. Abschlagsrechnung in eine „Schlussrechnung“ durch die Beklagte, worauf die Klägerin mit Schreiben vom 19.12.2008 ablehnend reagiert habe (Anlage K 11).
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Die Klägerin beantragt,
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1. unter Abänderung des am 26.04.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg die Beklagte zu verurteilen, an sie 244.942,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.05.2009 zu zahlen,
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hilfsweise,
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2. die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist insbesondere der Ansicht, § 11 Abs. 3 AVF (W) sei wirksam; seine Voraussetzungen seien erfüllt. Ausschlussfristen wie die hier vorgesehene seien gerade im Baubereich üblich, und auch eine Frist von zwei Wochen sei noch angemessen. Insofern sei zu bedenken, dass innerhalb der Zwei-Wochen-Frist lediglich der Vorbehalt zu erklären sei, innerhalb eines weiteren Monats eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltene Forderung nachzureichen sei, oder – falls dies nicht möglich sei – zumindest der Vorbehalt eingehend zu begründen sei. Hierdurch werde keine unzumutbare Rechnungslegung innerhalb einer (zu) kurzen Frist verlangt, sondern lediglich Klarheit darüber geschaffen, inwieweit der Auftragnehmer weitergehende Forderungen geltend machen wolle. Regelungen wie § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B oder § 17 Abs. 4 VOL/B könnten durchaus vergleichend herangezogen werden, sodass § 11 Abs. 3 AVF (W) nicht als überraschend im Rechtssinne oder als systemfremd angesehen werden könne.
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Darüber hinaus vertieft die Beklagte ihr Vorbringen zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 AVF (W) sowie zu der nach ihrer Ansicht eingetretenen Verwirkung etwaiger Nachforderungsansprüche der Klägerin. Im Übrigen sei der Honoraranspruch der Klägerin auch sachlich nicht gerechtfertigt, da Leistungen nicht vertragsgerecht erbracht worden seien.
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Die Beklagte meint, der vorliegende Rechtsstreit sei auszusetzen, bis der Europäische Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik betreffend die Vereinbarkeit des Preisrechts der HOAI mit der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG entschieden habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Der Senat hat mit Beschlüssen vom 18.11.2011 und vom 07.01.2014 Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. P. E. (öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bauwirtschaft – Honorare für Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen, Tragwerksplanung und Technische Ausrüstung) und des Ingenieurs Dr.-Ing. M. K. (öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für konstruktiven Ingenieurbau, Tragwerksplanung und Statik). Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Gutachten vom 02.04.2014 (Dr.-Ing. K.) und vom 30.05.2014 (Dipl.-Ing. E. ) verwiesen, ferner auf das schriftliche Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K. vom 18.02.2016 (Bl. 39 ff. VI) und das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. E. vom 27.02.2016 (als „Handout“ zum Verhandlungstermin am 29.02.2016 überreicht; vgl. Bl. 77 ff. VI). Letzterer Sachverständiger ist vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29.02.2016 – auf der Grundlage des Senatsbeschlusses vom 16.10.2015, mit dem die Ergänzungsfragen und Einwendungen der Parteien gegenüber den Gutachten vom 30.05.2014 und vom 02.04.2014 zusammengefasst worden sind – zudem mündlich angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.02.2016 (Bl. 114 ff. VI) Bezug genommen.
B.
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Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Magdeburg ist teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die beklagte Bundesrepublik aus dem Vertrag vom 23.12.2004/07.01.2005 ein im Rahmen des berechtigten Aufstockungsverlangens zuzusprechender weiterer Honoraranspruch in Höhe von 121.951,81 Euro zu. In dieser Höhe ergibt sich unter Zugrundelegung der Mindestsätze (§ 4 Abs. 4 HOAI 1991) ein weiterer vertraglicher Vergütungsanspruch nach dem 2005 geschlossenen Vertrag unter Einbeziehung der Nachträge der Vertragsparteien.
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Es liegt kein Ausnahmefall nach § 4 Abs. 2 HOAI vor, in dem die in der HOAI festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden können (I.). Eine Präklusionswirkung für eine Nachforderung der Klägerin – resultierend aus dem von der Beklagten angeführten § 11 Abs. 3 AVF (W) – ist zu verneinen (II.). Auch ist die Nachforderung der Klägerin nicht verwirkt (§ 242 BGB), wie die Beklagte meint. Dem Aufstockungsverlangen der Klägerin steht auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens entgegen (§ 242 BGB); er greift nach den von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätzen im vorliegenden Sachverhalt nicht durch (III.). Die Klägerin hat in einem im Einzelnen noch auszuführenden Umfang dargetan – und ist insoweit teilweise durch die eingeholten Sachverständigengutachten bestätigt worden – , dass ihr ein weiterer vertraglicher Vergütungsanspruch unter Zugrundelegung der HOAI-Mindestsätze zusteht (IV.). Dabei hat sich teilweise erwiesen, dass sich die Leistungen der Klägerin auf Objekte bezogen haben, die tatsächlich einer höheren Honorarzone zuzurechnen sind (Honorarzone IV anstelle von III). Teilweise hat sich erwiesen, dass der Objektbegriff im Sinne von § 3 Nr. 1 HOAI 1991 zugunsten der Klägerin zu bewerten ist, es also richtigerweise um mehrere und nicht nur um ein Objekt geht.
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Im Einzelnen:
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Vorab: Entgegen der Ansicht der Bundesrepublik im Schriftsatz vom 19.02.2016 (Bl. 56 ff. VI) ist der vorliegende Rechtsstreit nicht deshalb auszusetzen, weil die Europäische Kommission mit Aufforderungsschreiben vom 19.06.2015 gegen die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, dem der Vorwurf zugrunde liegt, dass verschiedene Regelungen der HOAI, namentlich die Mindestpreisregelungen, gegen Artikel 15 der Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) verstießen. Das betreffende Vertragsverletzungsverfahren ist mittlerweile – über den im Beklagtenschriftsatz vom 19.02.2016 beschriebenen Verfahrensstand hinaus – vorangeschritten; die Bundesrepublik hat durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im September 2015 eine Stellungnahme abgegeben, mit welcher sie die HOAI gegen die Bedenken der Kommission verteidigt und die Auffassung vertritt, die Mindestsätze seien ein geeignetes Mittel, um die Qualität von Planungsleistungen zu sichern; zwischen den Mindestsätzen und der verbraucherfreundlichen, hohen Qualität der in Deutschland erbrachten Architekten- und Ingenieurleistungen bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Die Rechtfertigungsanforderungen der Dienstleistungsrichtlinie würden danach erfüllt. Das hat die Kommission zwar nicht überzeugt, so dass mittlerweile auf einer weiteren Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens kommissionsseitig die Klageerhebung zum EuGH beschlossen worden ist. Dessen ungeachtet gilt in Bezug auf die von der Beklagten angeregte Aussetzung dreierlei: Zum einen geht die Beklagte ausweislich der gegenüber der Kommission im Vorverfahren des Vertragsverletzungsverfahrens abgegebenen Stellungnahme selbst richtigerweise davon aus, dass das Preisrecht der HOAI EU-rechtskonform ist, so dass – hiervon ausgehend – die Anregung einer Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits nicht aufzugreifen ist. Der Umstand, dass die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit ausweislich Seite 6 des Schriftsatzes vom 16.06.2016 (Bl. 57 VII) überraschenderweise die Mindestpreisregelungen (im offensichtlich ergebnisorientierten Widerspruch zu den eigenen Ausführungen in der Stellungnahme gegenüber der Kommission) für „diskriminierend“ und nach der Dienstleistungsrichtlinie nicht zu rechtfertigen erachtet, ändert hieran nichts. Zum anderen hätte ein unterstellt klagestattgebendes Urteil des EuGH einen rein feststellenden Charakter und würde sich darauf beschränken, die Verletzung des Unionsrechts zu bezeichnen. Das Urteil in einem Vertragsverletzungsverfahren überlässt dabei dem verurteilten Mitgliedsstaat, durch die zuständigen Organe diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den gerügten Verstoß aus der Welt zu räumen (Art. 260 Abs. 1 AEUV). Der EuGH gibt also keine bestimmten Maßnahmen vor. Schon deshalb kann man aus einem unterstellt klagestattgebenden Urteil des EuGH nicht auf einen Einfluss auf den hiesigen Rechtsstreit schließen. Der Charakter als Feststellungsurteil und die reine Ordnungsfunktion des Vertragsverletzungsverfahrens zeigen, dass eine den einzelnen Unionsbürger berührende Rechtswirkung von einem klagestattgebenden Urteil nicht ausgeht. Zuletzt spricht die Zukunftsgerichtetheit der (unterstellt erfolgenden) Feststellung einer Vertragsverletzung gegen eine Aussetzung; der Mitgliedsstaat hat für die Zukunft (weitere) Vertragsverletzungen zu unterbinden. Das spricht deutlich gegen einen Einfluss auf zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen EU-Bürgern (die Beklagte agiert vorliegend wie ein privater Auftraggeber), die in der Vergangenheit begründete Honorarforderungen aus abgeschlossenen Verträgen zum Gegenstand haben. Mit dieser Wertung im Einklang steht der Umstand, dass es eine horizontale Direktwirkung von Richtlinien (unmittelbare Anwendung im Verhältnis Privater zueinander) nicht gibt.
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I. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass ein Ausnahmefall nach § 4 Abs. 2 HOAI, in dem die in der HOAI festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden können, nicht vorliege. Nach der Rechtsprechung des BGH sind bei der Bestimmung eines Ausnahmefalls i. S. v. § 4 Abs. 2 HOAI der Zweck der Norm und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. BGH, BauR 1999, 1044; BauR 1997, 677). Dabei darf einerseits der Sinn und Zweck der Mindestsatzregelung nicht gefährdet werden, einen ruinösen Preiswettbewerb unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern (BGH, a. a. O.). Deshalb können nur solche Umstände einer Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinne so deutlich von den durchschnittlichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, dass ein unterhalb der Mindestsätze liegendes Honorar angemessen erscheint (BGH, a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer und/oder persönlicher Art oder sonstigen besonderen Umständen gegeben sein (BGH, a. a. O.; vgl. auch: OLG Hamm, BauR 2010, 239 f.). Solcherart außergewöhnliche Umstände liegen hier nicht vor.
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II. Von § 11 Abs. 3 AVF (W) geht keine Präklusionswirkung im Hinblick auf Nachforderungen der Klägerin aus, weil nach dem Inhalt der beiderseitigen Erklärungen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Klausel nicht erfüllt sind.
- 49
1. Im Hinblick auf die Folgen, die nach der zitierten Vertragsklausel mit einer vorbehaltlosen Annahme einer Schlusszahlung verbunden sind, sind die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen. Die Regelung des § 11 Abs. 3 AVF (W) enthält eine klare Vorgabe. Sie verlangt nicht lediglich, dass eine Schlusszahlung erfolgt, sondern dass selbige „als solche gekennzeichnet“ wird. Hierdurch soll erkennbar Klarheit über den Charakter der Zahlung geschaffen werden, damit nicht der Zahlungsempfänger das Risiko der zutreffenden Auslegung einer nicht näher oder nicht eindeutig bzw. nicht korrekt bezeichneten Zahlung trägt.
- 50
2. Schon diese tatbestandliche Voraussetzung war hier nicht erfüllt. Weder auf dem Überweisungsträger noch in dem Begleitschreiben vom 15.12.2008 ist von einer „Schlusszahlung“ die Rede.
- 51
a) Der Vermerk auf dem Überweisungsträger „10. Schlussrechnung RE-.../09“ bezeichnet die Zahlung nicht als „Schlusszahlung“, sondern lässt allenfalls auf eine zugrundeliegende (vermeintliche) „Schlussrechnung“ schließen, die die Klägerin, wie im Folgenden noch auszuführen sein wird, aber gerade nicht erteilt hatte. Berücksichtigt man überdies, dass es keine „10.“ Schlussrechnung geben konnte und gab, so liegt für den Empfänger des Vermerks auf dem Überweisungsträger bei isolierter Betrachtung aufgrund des Schreibfehlers („10. Schlussrechnung“) der Schluss nahe, dass die 10. Abschlagsrechnung gemeint ist. Ungeachtet dessen ist jedenfalls im Überweisungstext selbst eine „als solche gekennzeichnete“ Schlusszahlung nicht zu erblicken.
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b) Der im Schreiben vom 15.12.2008 enthaltene Hinweis, dass man die Leistungen als erfüllt ansehe, reicht schon deshalb nicht aus, um eine „als solche gekennzeichnete Schlusszahlung“ bejahen zu können, weil man zu der Annahme eines Schlusszahlungscharakters wiederum nur im Wege einer Auslegung käme, die zudem nicht zwingend wäre. Dass der Charakter als Schlusszahlung aber erst im Wege einer über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung festgestellt werden kann, soll durch die in der Klausel enthaltene Vorgabe einer ausdrücklichen Kennzeichnung der Schlusszahlung als eine eben solche vermieden werden. Auch im Begleitschreiben wurde die durchgeführte Zahlung an keiner Stelle als „Schlusszahlung“ bezeichnet.
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c) Auch kann das Verhalten der Klägerin nicht dahingehend interpretiert werden, die Zahlung vom 30.12.2008 trotz der unterbliebenen Kennzeichnung durch die Beklagte als eine Schlusszahlung i. S. v. § 11 Abs. 3 AVF (W) aufgefasst zu haben. Vielmehr widersprach die Klägerin der von der Beklagten eigenmächtig vorgenommenen „Umwandlung“ der so von der Klägerin bezeichneten „10. Abschlagsrechnung“ in eine Schlussrechnung und verwies auf die laufenden Verhandlungen über ihr Nachtragsbegehren (vgl. das Schreiben der Klägerin vom 19.12.2008, Anlage K 11, Anlagenband I). Ein Erklärungswille dahin, die Zahlung nach der letzten Abschlagsrechnung ungeachtet der unterbliebenen Kennzeichnung als Schlusszahlung als eben solche anerkennen zu wollen, lässt sich dem Schreiben der Klägerin vom 19.12.2008 demnach nicht entnehmen.
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III. Die Klägerin ist mit Nachforderungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verwirkung (§ 242 BGB) ausgeschlossen. Auch steht dem Aufstockungsverlangen der Klägerin nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens der Auftragnehmerin entgegen (§ 242 BGB).
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1. Eine Bindung des Auftragnehmers an eine vereinbarte, unzulässige, da die Mindestsätze unterschreitende Pauschalpreisvereinbarung kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in Betracht kommen, wenn sich der Auftragnehmer mit seinem Aufstockungsbegehren treuwidrig verhält. Vereinbaren die Parteien eines Architekten- oder Ingenieurvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, so verhält sich der Auftragnehmer, wenn er später nach Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten kann nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegenstehen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraute und vertrauen durfte und sich darauf in einer Weise einrichtete, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen schlechterdings nicht zugemutet werden kann (vgl. etwa: BGH, NJW 1997, 2329 f.).
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2. So liegt der zur Entscheidung stehende Fall aber nicht.
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a) Es fehlt schon an einem anfänglichen Vertrauen der Parteien, namentlich der Beklagten, in die Gültigkeit einer Mindestsatzunterschreitung, weil eine solche von den Parteien nicht beabsichtigt und nicht in deren Bewusstsein gelangt war. Vielmehr gingen alle Beteiligten ursprünglich davon aus, das Honorar im Rahmen der Mindestsätze zutreffend ermittelt zu haben. Gerade wenn man – mit der Beklagten – davon ausgeht, dass auch die Mitarbeiter der Klägerin und alle Mitbewerber im Vergabeverfahren zunächst von einer korrekten Einordnung in die Honorarstufe III ausgegangen waren, rechtfertigt dies den Einwand der Treuwidrigkeit des klägerischen Vorgehens nicht. Die Preisbindung der HOAI schützt nicht nur vor bewussten Mindestsatzunterschreitungen, sondern – erst recht – vor unbewussten. Es kommt nicht selten gerade dann zu einer Mindestsatzunterschreitung, wenn die Vertragsparteien einvernehmlich und gutgläubig ein zu niedriges Honorar für angemessen erachten, oder sich aber der tatsächliche Leistungsumfang nachträglich ändert.
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b) Auch die Vereinbarung der „Endgültigkeit“ des sog. „Festhonorars“ (vgl. Anlage K 1, „Honorarermittlung“ Ziffer 1) schließt einen weiteren Vergütungsanspruch der Klägerin bei Unterschreitung der Mindestsätze nicht aus, wie auch die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Sie musste sich darüber im Klaren sein, dass bei einem Verstoß gegen zwingendes Preisrecht der HOAI die Vereinbarung ihre Gültigkeit verlieren könnte. Daran ließ auch die Klägerin keinen Zweifel, als sie der Beklagten zu verstehen gab, dass die Einordnung in die Honorarzone III ihrer Auffassung nach nicht richtig sei und zur Unterschreitung des Mindesthonorars führe. Über die Richtigkeit dieser Bewertung durch die Klägerin sowie anderer Rechnungspositionen gerieten die Parteien in der Folgezeit in Streit. Daher fehlte auch das Umstandsmoment, das für eine Verwirkung erforderlich wäre, nachdem die Klägerin erkannt hatte, dass – jedenfalls nach ihrer Ansicht – die Mindestsätze unterschritten wurden. Die Klägerin nährte in der Folge auch nicht etwa ein Vertrauen der Beklagten in einen Verzicht auf eine Nachforderung, sondern sorgte dafür, dass ein solches Vertrauen auf Beklagtenseite nicht aufkommen konnte.
- 59
c) So lagen auch bei der Unterzeichnung des 3. Nachtragsvertrages vom 13.10.2008 die Differenzen der Parteien offen. Die Klägerin, die für den 3. Nachtragsvertrag eine Summe von 103.082,38 Euro gefordert hatte, unterzeichnete zwar letztlich – aufgrund des Widerstandes der Beklagtenseite – den 3. Nachtragsvertrag, der sich lediglich über eine Summe von 19.671,97 Euro verhielt. Mit dem Schreiben vom 10.07.2008 (Anlage K 13) hatte sie aber bereits gegenüber der Beklagten klargestellt, dass sie deren Einwände nicht nachzuvollziehen vermögen, eine externe Prüfung beabsichtige und sich eine weitere Rechnungslegung vorbehalte. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachzuvollziehen, wenn die Beklagte die Auffassung vertritt, die Klägerin habe mit der Nachtragsvertragsunterzeichnung erneut in schutzwürdiger Weise Vertrauen der Beklagten dahingehend gestärkt, dass sich die Klägerin an die ursprünglich vereinbarten Beträge gebunden fühle und ein Nachforderungsbegehren nicht stellen werde. Auch eines Vorbehaltes der Geltendmachung weiterer, berechtigter Nachtragsforderungen in der 10. Abschlagsrechnung, bei der es sich um keine Schlussrechnung der Klägerin handelte, bedurfte es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, wobei die Beklagte offensichtlich selbst davon ausging, es nicht mit einer Schlussrechnung zu tun zu haben, wie die eigenmächtige, handschriftliche „Umetikettierung“ der von der Klägerin ausdrücklich so bezeichneten „10. Abschlagsrechnung“ in eine „Schlussrechnung“ zeigt.
- 60
d) Zwar macht die Beklagte geltend, ihrerseits anderweitige Dispositionen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Honorarvereinbarung getroffen zu haben und sich in diesem Sinne hierauf „eingerichtet“ zu haben, weshalb ihr – auch als öffentlicher Auftraggeber – die Zahlung eines Aufstockungsbetrages nicht zumutbar sei. Indes setzt die Unzumutbarkeit einer Nachzahlung voraus, dass die dadurch entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände für den Auftraggeber eine besondere Härte bedeutet (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 23.10.2008, NJW 2009, 435 f.). Das ist hier nicht der Fall. Allein der von der Beklagten angeführte Umstand, dass die beklagte Bundesrepublik als Vertragspartner in der Disposition über die ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eingeschränkt sei, rechtfertigt die Annahme einer besonderen Härte nicht.
- 61
3. Die Rechtsausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 11.03.2015 geben keinen Anlass, von der vorstehenden Auffassung abzurücken, dass hier der die Ausnahme bildende Fall eines treuwidrigen Aufstockungsverlangens nicht vorliegt.
- 62
a) Warum eine unbewusste Mindestsatzunterschreitung für die Klägerin mit dem Makel eines treuwidrigen Vorgehens ihrer Nachforderung verbunden sein soll, erschließt sich nicht.
- 63
b) Auch verkennt die Beklagtenseite, dass nach der BGH-Rechtsprechung der HOAI-Kundige regelmäßig kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen kann, woran die in gutem Glauben erfolgte (im Ergebnis aber nicht zutreffende) Honorarzoneneinordnung durch den Auftragnehmer nichts ändert. Der Hinweis der Beklagten, dass WSA B. habe seinerzeit (für ein „sehr stark gleiches“ Ingenieurbauwerk) „zunächst die Honorarzone IV vorgesehen“, spricht in diesem Zusammenhang nicht für, sondern gegen ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten.
- 64
c) Zudem übersieht die Beklagtenseite, dass nicht einmal die in der Vergangenheit liegende Ausführung einer Vielzahl von Aufträgen unterhalb des Mindestsatzes ausreichend ist, um ein „Vertrauendürfen“ annehmen zu können (BGH, BauR 2012, 271; OLG Düsseldorf, IBR 2011, 646, 647).
- 65
d) Ferner geht das Beklagtenvorbringen darüber hinweg, dass nach ständiger Rechtsprechung sich im Verlaufe der Auftragsdurchführung verändernde Umstände, die zu Umplanungen führen und/oder zu einer Erhöhung der anrechenbaren Kosten, der Annahme einer Treuwidrigkeit des Auftragnehmers entgegenstehen.
- 66
e) Die haushalterischen, namentlich haushaltsrechtlichen Restriktionen der Beklagten sind nicht ausreichend, um den Ausnahmefall zu begründen, der darin besteht, dass sich die Nachforderung für den Auftraggeber als absolut unzumutbar darstellt, weil er sich schützenswert eingerichtet hat, und die Folgen eines erfolgreichen Nachforderungsverlangens für ihn „nahezu untragbar“ wären (vgl. etwa: OLG Hamm, BauR 2004, 1643). Bewertete man dies anders, so wäre ein Aufstockungsverlangen gegenüber der öffentlichen Hand per se und stets treuwidrig, was nach der Rechtsprechung des BGH nicht der Fall ist.
- 67
f) Auch die von der Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 27.10.2011 – VII ZR 163/10) gibt für den vorliegenden Sachverhalt keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung. Auf Seite 2 (Mitte) des Schriftsatzes vom 11.03.2015 zitiert die Beklagte den BGH insoweit unvollständig. Weggelassen ist der letzte Satz unter juris-Rn. 26 der besagten Entscheidung. Es ist bedeutsam, warum der VII. Zivilsenat in dem dortigen Fall der Auffassung war, dass es dort nicht darauf ankomme, dass die Klägerin mit einem Schreiben vom 14.06.2007 „nach Vertragsschluss gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen hat, sie beabsichtigte, den Anspruch auf Abrechnung der Leistung nach der HOAI rechtlich überprüfen zu lassen und ggf. geltend zu machen.“ Der innere tatsächliche Grund war aus Sicht des BGH, dass sich der dortige Auftraggeber „bereits zuvor bei der Vertragsgestaltung mit ihrem Auftraggeber darauf verlassen [hatte], nicht mehr zahlen zu müssen.“ Das gibt zu zwei Feststellungen Anlass: Erstens ist der Umstand, dass der Auftragnehmer vor Nachtragsvertragsschluss deutlich macht, die tatsächlichen und rechtlichen Einwände des Auftraggebers gegen ein ursprünglich gefordertes höheres Honorar nicht nachvollziehen zu können und sich eine externe Überprüfung und Nachforderung vorzubehalten (vgl. dazu das Schreiben der Klägerin vom 10.07.2008, Anlage K 13), nicht bedeutungslos für die Beurteilung der Treuwidrigkeitsfrage, sondern spricht hier deutlich gegen ein „Vertrauendürfen“ der HOAI-kundigen Beklagten. Zweitens ist eine tatsächliche Vergleichbarkeit mit dem vom BGH entschiedenen Fall auch insoweit nicht gegeben, als hier ein „Einrichten“ in Gestalt einer entsprechenden Vertragsgestaltung mit dem eigenen Auftraggeber (so im dortigen Sachverhalt) nicht gegeben war. Die haushaltsrechtliche und haushaltstechnische Umsetzung der Erwartung, es komme nicht zu Nachforderungen, ist für sich genommen kein Ausdruck eines dem angeführten BGH-Fall vergleichbaren schutzwürdigen „sich Einrichtens“. Überdies mag die Beklagte bedenken, dass die obergerichtliche Rechtsprechung zu einem (ausnahmsweisen, wie grundlegend zu beachten ist) treuwidrigen Nachforderungsverlangen als weiteres Wertungskriterium darauf abstellt, wer entscheidend die Initiative zu der unwirksamen Preisvereinbarung ergriffen hat (vgl. bspw.: OLG Düsseldorf, IBR 2011, 646). Das war im Hinblick auf den letztendlich zu einer Summe von 19.671,97 Euro unterzeichneten 3. Nachtragsvertrag die Beklagte.
- 68
g) Der Sichtweise der Beklagten ist zuletzt auch deshalb nicht zu folgen, weil die Beklagte, wie ihr Vorgehen zeigt („Umetikettierung“ der „10. Abschlagsrechnung“ in eine „Schlussrechnung“) selbst nicht auf eine abschließende Honorarberechnung vertraute, womit eine grundlegende Voraussetzung für die Annahme eines etwaig treuwidrigen Aufstockungsverlangens nicht gegeben ist (vgl. dazu auch: BGH, Urteil vom 19.11.2005 – VII ZR 151/13, zitiert nach juris).
- 69
IV. Der Klägerin steht ein weiterer vertraglicher Vergütungsanspruch unter Zugrundelegung der HOAI-Mindestsätze in Höhe von brutto 121.951,81 Euro zu.
- 70
1. Die von der Klägerin (nachtrags-) vertraglich erbrachten Leistungen sind nach dem Ergebnis der sachverständigen Feststellungen so zu bewerten, wie es sich aus Seite 41 des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. E. vom 27.02.2016 ergibt, wobei der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Senat vom 29.02.2016 einen Schreibefehler korrigiert hat; es muss anstelle von 49 % im Bereich der E-Technik 33 % heißen (Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 29.02.2016). Im Einzelnen sind die von der Klägerin erbrachten Leistungen – auf der Grundlage sachverständiger Beratung – wie folgt zu bewerten:
- 71
a) Objektplanung
- 72
In Ziffer 2.2 der Anlage 2 des Vertrages sind die Leistungen der Objektplanung mit nahezu wörtlichem Bezug zu § 55 Abs. 2 HOAI a. F. wie folgt genannt:
- 73
Leistungsphase 1:
- 74
Es sind 7 von 10 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, genannt. Die 3. Grundleistung trifft vorliegend nicht zu. Die 8. und 9. Grundleistung sind in Übereinstimmung mit der fachlichen Einschätzung des Gerichtssachverständigen E. mit je 0,1 % zu bewerten, so dass sich insgesamt eine Bewertung von 1,8 % ergibt (vgl. Seiten 6 und 41 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016).
- 75
Leistungsphase 2:
- 76
Es sind 5 von 13 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, genannt. Die vereinbarten Grundleistungen sind in Übereinstimmung mit der fachlichen Einschätzung des Gerichtssachverständigen E. mit 10 % von 15 % zu bewerten. Der Sachverständige hat im Anhörungstermin vom 29.02.2016 darauf hingewiesen (Seite 2 des Sitzungsprotokolls), dass es sich nach seiner fachlichen Bewertung der vorliegenden Vertragsunterlagen bei diesen beauftragten 5 Grundleistungen um die fünf wesentlichen Leistungen dieser Phase handele.
- 77
Leistungsphase 3:
- 78
Es sind 5 von 10 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt, zudem 2 besondere Leistungen. Der fachlichen Einschätzung des Dipl.-Ing. E. folgend sind die vereinbarten Grundleistungen und die besonderen Leistungen mit 25 % von > 30 % zu bewerten.
- 79
Leistungsphase 5:
- 80
Es sind 3 von 4 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, genannt. Mit dem Gerichtssachverständigen E. sind diese mit 14 % von 15 % zu bewerten.
- 81
Leistungsphase 6:
- 82
Es sind 2 von 4 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, genannt. Diese sind mit 8 % von 10 % zu bewerten. Auch insoweit hat der Sachverständige in der Anhörung vom 29.02.2016 erläuternd darauf verwiesen, es handele sich um die zwei wesentlichen Grundleistungen dieser Leistungsphase.
- 83
b) Tragwerksplanung
- 84
In Ziffer 2.3 der Anlage 2 des Vertrages sind die Leistungen zur Tragwerksplanung mit nahezu wörtlichem Bezug zu § 65 Abs. 2 HOAI a. F. wie folgt genannt:
- 85
Leistungsphase 1:
- 86
Es ist die eine der einen Grundleistung, im Wortlaut leicht verändert, genannt. Diese ist – in Übereinstimmung mit der fachlichen Bewertung des Gerichtssachverständigen – mit 3 % zu bewerten.
- 87
Leistungsphase 2:
- 88
Es sind 2 von 5 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt. Die vereinbarten Grundleistungen sind – auf Basis der fachlichen Bewertung des Gerichtssachverständigen – mit 8 % von 10 % zu bewerten.
- 89
Leistungsphase 3:
- 90
Es sind 4 von 7 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt. Die vereinbarten Grundleistungen sind mit 10 % von 12 % zu bewerten (vgl. die Seiten 6 f. des Gutachtens vom 30.05.2014 i. V. m. Seite 7 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016).
- 91
Leistungsphase 4:
- 92
Benannt sind 6 von 6 Grundleistungen, erneut im Wortlaut leicht verändert. Mit dem Gerichtssachverständigen sind die vereinbarten Grundleistungen mit 30 % von 30 % zu bewerten.
- 93
Leistungsphase 5:
- 94
Benannt sind 3 von 3 Grundleistungen (ohne Schalpläne), im Wortlaut leicht verändert. Die vereinbarten Grundleistungen sind – der fachlichen Einschätzung des Sachverständigen folgend – mit 26 % von 26 % zu bewerten.
- 95
Leistungsphase 6:
- 96
Es sind 3 von 3 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt. Die vereinbarten Grundleistungen sind mit 3 % von 3 % zu bewerten.
- 97
c) Technische Ausrüstung
- 98
In Ziffer 2.4 der Anlage 2 des Vertrages sind die Leistungen der elektrotechnischen Ausrüstung mit nahezu wortwörtlichen Bezug zu § 73 Abs. 3 HOAI a. F. wie folgt benannt:
- 99
Leistungsphase 1:
- 100
Es sind 2 von 2 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt, die mit dem Gerichtssachverständigen E. mit 3 % zu bewerten sind.
- 101
Leistungsphase 2:
- 102
Es sind 5 von 7 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt, die – der fachlichen Einschätzung des Gerichtssachverständigen folgend – mit 10 % von 11 % zu bewerten sind.
- 103
Leistungsphase 3:
- 104
Es sind 4 von 7 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt. Diese vereinbarten Grundleistungen sind mit dem Gerichtssachverständigen E. mit 12 % von 15 % zu bewerten.
- 105
Leistungsphase 5:
- 106
Es sind 4 von 4 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt. Die vereinbarten Grundleistungen werden, der fachlichen Einschätzung des Gerichtssachverständigen E. folgend, mit 18 % von 18 % bewertet.
- 107
Leistungsphase 6:
- 108
Insoweit spricht der Vertrag zwar von einer Nr. 7. Erkennbar gemeint ist indes die Leistungsphase 6, für die 2 von 2 Grundleistungen, im Wortlaut leicht verändert, benannt sind, die mit 6 % von 6 % bewertet werden.
- 109
Der Bewertung zugrunde gelegt sind die Teilleistungstabellen von Locher/Koeble/Frick (Kommentar zur HOAI, 10. Aufl., vgl. Anlage G 6 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016).
- 110
d) Den Einwendungen der Beklagtenseite gegen diese Bewertung ist – mit dem Gerichtssachverständigen E. – wie folgt zu begegnen. Dabei beschränkt sich der Senat – hier wie auch andernorts – darauf, auf die Einwendungen der Beklagten einzugehen, nachdem die Klägerin im Nachgang zur Anhörung des Sachverständigen E. im Termin vom 29.02.2016 signalisiert hat, trotz teils abweichender tatsächlich-fachlicher Auffassung an ihren Einwänden gegen das Ergänzungsgutachten vom 27.02.2016 nicht festhalten zu wollen.
- 111
aa) Bezug nehmend auf die Fragestellung zu Ziffer 2.2 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014 (Bl. 123 V) hat der Gerichtssachverständige E. in der Anhörung vom 29.02.2016 klargestellt, nicht mehr als die als vertraglich vereinbart dokumentierten Leistungen in die Bewertung einbezogen zu haben (vgl. dazu auch Seite 8 unten des Ergänzungsgutachtens). Er hat dabei in seine fachlichen Einschätzungen richtigerweise alle Teilleistungen einbezogen (vgl. dazu: Kniffka, BauR 2015, 883, 1031). Dabei ist in der Anlage G 6 zum Ergänzungsgutachten gut nachvollziehbar kenntlich gemacht, ob und welche (Teil-) Leistungen als im Vertrag vereinbart einzuordnen sind.
- 112
bb) Die Einwendungen der Beklagten unter Ziffer 2. lit. a) des Schriftsatzes vom 29.08.2014 (Bl. 123 f. V) die Objektplanung und dort die Grundlagenermittlung betreffend sind ausgeräumt. Der Sachverständige E. hat seine Bewertung – die von der Beklagten erwähnten Leistungen betreffend – mit dem Ergänzungsgutachten korrigiert. Er hat sein Vorgehen im Übrigen auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin im Anhörungstermin gut verständlich erläutert. Bezogen auf Leistungsphase 1 (Objektplanung) sind 7 von 10 Grundleistungen vertraglich benannt. Die 3. Grundleistung trifft nicht zu. Die 8. und 9. Grundleistung hat der Sachverständige mit je 0,1 % bewertet, und zwar in Anlehnung an die erwähnten Teilleistungstabellen. Diese sehen für die herauszunehmenden, nicht benannten Grundleistungen eine Spanne von 0 % bis 0,25 % vor. Der Sachverständige hat sich mit dem Wert von 0,1 % in etwa an der Mitte orientiert; eine Ausschöpfung des Maximalwertes von 0,25 % hat er nicht für angemessen erachtet (Seite 3 des Protokolls vom 29.02.2017).
- 113
cc) Die auf Leistungsphase 2 (Objektplanung) bezogene Nachfrage der Beklagtenseite, wie sich eine Bewertung mit 10 % von 15 % erkläre (Ziffer 2. lit. b) des Schriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 123 f. V), hat der Sachverständige E. im Anhörungstermin dahin überzeugend beantwortet, insoweit handele es sich bei den beauftragten Leistungen um die beiden wesentlichen Leistungen (Ziffern 2.3 und 2.5 der Teilleistungstabelle). Zwar böte der Mittelwert eine gewisse Orientierung. Im Übrigen habe er aber einzelfallbezogen die Wesentlichkeit und Bedeutung der betreffenden Leistung in den Mittelpunkt seiner fachlichen Bewertung gestellt (Seite 3 des Anhörungsprotokolls). Dieses Vorgehen ist richtig. Dem folgt der Senat.
- 114
dd) Zu den weiteren Einwänden der Beklagten unter Ziffer 2. lit. b) des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014 (betreffend Leistungen der Leistungsphase 2, Objektplanung) ist – anknüpfend an die fachlichen Bewertungen des Gerichtssachverständigen E. auf Seite 10 des Ergänzungsgutachtens – auszuführen:
- 115
(1.) Zum ersten Spiegelstrich: Die von der Beklagten erwähnten Leistungen sind nicht vereinbart, was der Sachverständige bereits im Gutachten vom 30.05.2014 berücksichtigt hat (10 % von 15 %).
- 116
(2.) Gleiches gilt bzgl. der Einwände zum zweiten Spiegelstrich.
- 117
(3.) Gleiches gilt bzgl. der Einwände zum dritten Spiegelstrich. Überdies hat der Sachverständige zu Recht klargestellt, dass es sich um ein Ingenieurbauwerk, nicht um eine Verkehrsanlage handele, so dass die von der Beklagten in Bezug genommene Teilleistung nicht greift.
- 118
ee) Die Einwände der Beklagten zu der Ziffer 2. lit. c) und d) des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014 (Bl. 124 V) betreffend die Objektplanung hat der Gerichtssachverständige E. auf Seite 10 des Ergänzungsgutachtens ausräumen können. Die von der Beklagten benannten Leistungen sind, weil nicht als vereinbart dokumentiert, vom Sachverständigen auch nicht in die Bewertung einbezogen worden.
- 119
ff) Den Einwand der Beklagten bzgl. der Bewertung der Leistungen der Leistungsphase 1 (Tragwerksplanung) – vgl. dazu Ziffer 2. lit. a) des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014 (Bl. 124 V unten) – hat der Sachverständige E. im Anhörungstermin mit überzeugenden Erwägungen ausräumen können. Der Senat folgt ihm. Auf Seite 5 des Vertrages ist unter Ziffer 2.3 Nr. 1 nahezu HOAI-wortlautgleich die Aufgabe der Grundlagenermittlung im Bereich der Tragwerksplanung wiedergegeben und beauftragt. Wenn die HOAI, was insoweit der Fall ist, nur eine Teilleistung kennt, so ist es konsequent, den von der HOAI vorgesehenen Wert, in diesem Fall 3 %, zugrunde zu legen. Dass die Teilleistungstabelle eine Spanne vorgibt, ändert hieran nichts. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann insoweit auch keine „Überschneidung“ der Aufgabenstellung mit der Aufgabenstellung der Grundlagenermittlung im Bereich der Objektplanung eine andere Bewertung rechtfertigen. Die HOAI kennt nur abschließend benannte – allerdings andersartige – Fälle einer honorarrelevanten Überschneidung, zu denen der vorliegende Fall nicht gehört. Im Übrigen ist hier ohnehin – bezeichnenderweise – diese Grundleistung nur einmal beauftragt worden.
- 120
gg) Die Einwände betreffend die Bewertung in Leistungsphase 2 (Tragwerksplanung) – siehe dazu Ziffer 2. lit. b) des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014 (Bl. 125 V oben) – sind unberechtigt. Die von der Beklagten benannten Leistungen sind nicht vereinbart, was ausweislich der Anhörung des Sachverständigen E. (Seite 11 oben des Ergänzungsgutachtens) bei der Bewertung berücksichtigt worden ist.
- 121
hh) Breiten Raum nimmt der Einwand der Beklagten ein, der Sachverständige habe nicht berücksichtigt, dass es sich nicht um eine „Neuplanung“ durch die Klägerin handele (vgl. im Einzelnen u. a. Seite 4 Mitte des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 124 V, und die Ziffern 1.1 bis 1.3 des Schriftsatzes vom 13.04.2015, Bl. 170 ff. V). In Übereinstimmung mit der fachlichen Bewertung durch den Gerichtssachverständigen E. ist indes von einer Neuplanung auszugehen. Der Sachverständige hat dazu sehr überzeugend ausgeführt (vgl. Seite 10 oben und Seiten 11 f. des Ergänzungsgutachtens sowie Seiten 4 f. des Protokolls vom 29.02.2016), dass die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob Bestandsunterlagen (hier: Bestandspläne und Bestandsstatik) bereits Teil einer Objektplanung sein können, zu verneinen sei. Auszunehmen sei insoweit der – hier nicht vorliegende – Fall, dass es sich um einen Austausch 1 : 1 handelt, also alle Planungsanforderungen und das Planungsergebnis tatsächlich identisch sind, nicht nur ähnlich. Grundlegend hat der Gerichtssachverständige E. zunächst darauf verwiesen:
- 122
- Bestandsunterlagen werden immer benötigt, wenn es um Planungsleistungen im Bestand geht. Hier mussten die neuen Stahlbauteile in den Bestand des Stahlbetons integriert werden. Bereits hierfür sind die genauen Maße des Bestandes wichtig.
- 123
- Bestandsunterlagen sind entweder vom Auftraggeber zu stellen oder können als besondere Leistung dem Auftragnehmer beauftragt werden (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 HOAI a. F., rechte Spalte, dort die 1. Besondere Leistung „Bestandsaufnahme“; die Regelung gilt über § 2 Abs. 3 S. 3 HOAI a. F. auch für Ingenieurbauwerke).
- 124
- Bestandsunterlagen sind Teil der Bedarfsplanung, welche jeder Objektplanung vorangeht.
- 125
- Es mag im Ausnahmefall Situationen geben, die es ermöglichen, dass nach vollständigen Bestandsunterlagen ein Wiederaufbau nach § 3 Nr. 3 HOAI a. F. erfolgt. Dann aber müssten auch nur Leistungen der Leistungsphasen 6 ff. beauftragt werden, was hier nicht der Fall ist.
- 126
Soweit die Beklagte dem entgegen gehalten hat, es gäbe „bei Auftragsvergabe überlassene Vorplanungen (Bestandsunterlagen mit Detailplanungen und Vorgaben mit statischen und konstruktiven Eigenschaften)“ sowie eine vom Kläger ausgeführte „Ausführungsplanung (Statik) der Wehrschütze“ (vgl. Seite 1 des Beklagtenschriftsatzes vom 13.04.2015, Bl. 170 V), ist dem der Gerichtssachverständige mit der überzeugenden Erwägung entgegengetreten, Bestandsunterlagen seien keine Vorplanungen (dem hat sich der Sachverständige Dr. K. für den Bereich der Tragwerksplanung angeschlossen). Die Beklagte verwechselt hier also Vorgaben für die Objektplanung mit Vorplanungen. Namentlich lässt sich, wie Herr Dipl.-Ing. E. im Einzelnen erläutert hat, aus den Anlagen BB1 bis BB7 (Seiten 3 ff. des Beklagtenschriftsatzes vom 13.04.2015, Bl. 172 ff. V) keine „Statik“ entnehmen.
- 127
Im Anhörungstermin vom 29.02.2016 hat der Gerichtssachverständige seine überzeugende Sicht wie folgt pointiert zusammengefasst (vgl. die Seiten 4 ff. des Sitzungsprotokolls):
- 128
„Bestandsunterlagen können eine Objektplanung und eine Tragwerksplanung nicht ersetzen. Wenn ich jetzt von der Beklagtenvertreterin auf eine von der Benennung von Maßen etwaig ausgehende erleichternde Wirkung angesprochen werde: Die sehe ich nicht. Er halte ich die Integration des Stahlbaus in feststehend bemaß der vorhandene Betonbauten für schwieriger. (…) Bestandsunterlagen sind keiner vor Planungen, weder für den Bereich der Objektplanung noch – mit Herrn Dr. M. C. abgestimmt – für den Bereich der Tragwerksplanung. Vorgaben sind das, was der Wortlaut sagt, nämlich Vorgaben für die Objektplanung, keine Vorplanung. Ich habe die Anlagen BB1 bis BB7 durchgesehen. Sie enthalten Bestandszeichnungen, entgegen Seiten 3 f. des Schriftsatzes der Beklagten vom 13.04.2015 aber keine Statik. Für die Bestandszeichnungen ist (…) festzuhalten, dass sie nicht 1 : 1 das darstellen, was später geplant und gebaut worden ist. (…) Ich kann der Auffassung der Beklagten nicht folgen, wonach die Benennung der Maße des Stahlbetons und der Wasserstände, wie sie aus dem Erläuterungsbericht hervorgehen, ein „komplettes statisches System“ darstellt. Das ist sowohl für den Bereich der Objektplanung als auch – mit Herrn Dr. K. abgestimmt – für den Bereich der Tragwerksplanung zu verneinen. Ich will das ganze pointiert umschreiben: Was mit dieser Maßbenennung gesagt ist, ist, dass sich die Planung in dem Bereich bewegen muss, es sich also um vorgegebene Rahmenbedingungen handelt. Das ist gewissermaßen das Fenster, in das die vorzunehmende Planung reinpassen muss. Damit ist aber noch nichts konkretes dazu gesagt, was planerisch zu tun ist die Aufgabe bleibt für den Planer und wird ihm hierdurch nicht abgenommen. Es handelt sich auch nicht um Grundlagenermittlung, die damit entfallen würde. (…) Die Grundlagenermittlung nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 HOAI bedeutet „Klärung der Aufgabenstellung“. Hier spielen Fragen eine Rolle wie „Wie habe ich die Aufgabe als Planer verstanden?“, „Was sind für mich die vorgegebenen Rahmenbedingungen in ihrer Gesamtschau?“, „Ortsbesichtigung?“. Ich will überhaupt nicht in Abrede nehmen, dass die die Maßverhältnisse wiedergebenden Unterlagen bei der Erfüllung der Grundlagenermittlungsaufgabe zu berücksichtigen sind. Allerdings ist die Benennung dieser Maße als solche keine der Auftragnehmerseite die Grundlagenermittlung abnehmende Leistung.“
- 129
Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 13.04.2015 (Seite 3) ausgeführt hat, „im Wesentlichen“ seien „nur die Profilstähle durch Rohrmaterial ersetzt“ worden, hat der Gerichtssachverständige E. in Übereinstimmung mit der Bewertung des Gerichtssachverständigen Dr.-Ing. K. (für den Bereich der Tragwerksplanung) ausgeführt:
- 130
„Das ist eine ganz massive Änderung in der Planung, und zwar gerade auch – insoweit mit Herrn Dr. K. für den Bereich der technischen Ausrüstung abgestimmt – in statischer Hinsicht.“
- 131
Bezugnehmend auf den mündlichen Einwand des Herrn Z. (Beklagtenseite), ihm sei zwar „prinzipiell schon klar, dass alles neu berechnet werden muss“, wenn er aber die Zeichnung in Anlage BB1 betrachte, dann stelle er sich die Frage, „ob es dadurch nicht leichter geworden“ sei (Seite 5 des Sitzungsprotokolls vom 29.02.2016), hat der Sachverständige E. überzeugend erwidert:
- 132
„Man mag ja prima facie an eine graduelle Erleichterung aus Sicht des Planers denken, im Sinne von „so ähnlich will ich es haben.“. Das wird aber mehr als kompensiert durch den Umstand der schwierigeren Eingliederung in den Bestand. Letztlich ist, um es salopp auszudrücken, das Ding neu zu planen. Die geplanten und die ausgeführten Wehrverschlüsse sind vorgängerähnlich, und zwar so, wie Wehrverschlüsse generell einander ähnlich sind – aber eben auch nur ähnlich.“
- 133
Im Übrigen ist auf die richtigen Ausführungen des Sachverständigen auf den Seiten 12 und 13 des Ergänzungsgutachtens Bezug zu nehmen, wo Herr Dipl.-Ing. E. im Einzelnen und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr.-Ing. K. ausgeführt hat, dass und warum entgegen der Auffassung der Beklagten die zitierten Passagen aus dem Erläuterungsbericht AU kein „komplettes statisches System“ darstellen, sondern nur äußere Abmessungen wiedergeben. Anders als es die Beklagten gewertet wissen will, folgt aus der Seite 9 des Erläuterungsberichts, wonach die neuen Wehrschütze sich am Bestand „orientieren“, nicht etwa, dass die Klägerin „tragwerkstechnisch“ etwas übernommen hat oder hätte übernehmen können. Die Sachverständigen E. und Dr. K. haben klargestellt: Gerade das Ersetzen von (früher) Profilstählen durch (jetzt) Rohrmaterial stellt eine neue Konstruktion dar.
- 134
Bezogen auf die Revisionsverschlüsse ist der Auffassung der Beklagten, es hätten „von den dem statischen System zugrunde liegenden zwei wesentlichen tragenden Bauteilen, Grießständer und Dammbalken, die Dammbalken mit allen statischen und konstruktiven Eigenschaften schon ausführungsreif“ vorgelegen (Ziffer 1.2 des Beklagtenschriftsatzes vom 13.04.2015, Bl. 173 V), auf der Grundlage der fachlichen Einschätzungen des Sachverständigen E. zu widersprechen. Im Bereich der sog. Randfelder konnte eine nennenswerte Erleichterung der Planungsaufgabe nicht eintreten, weil hier der Standardbalken nicht Verwendung finden konnte und sollte. Herr Dipl.-Ing. E. hat in seiner Anhörung hierzu überzeugend ausgeführt (Seite 5 unten des Sitzungsprotokolls), es sei zwar richtig, dass die Anlagen BB2 und BB3 identische Standardbalken zeigen, die geplant und verwendet wurden. Die Einbaubedingungen dieser Standardbalken seien aber für den vorliegenden Fall von der Klägerin zu planen gewesen. Hier (wie auch noch andernorts) übersieht die Beklagte, dass es im Preisrecht der HOAI keine pauschale Korrelation zwischen Aufwand und Honorarhöhe gibt. Entscheidend ist, dass auch insoweit eine Planungsleistung der Klägerin mit Beauftragung der Phasen 1 bis 6 in Auftrag gegeben worden war und, nach den Feststellungen des Sachverständigen, auch in concreto erbracht wurde. Allein das ist zu bewerten.
- 135
Auch dem letztlich gleich gelagerten Einwand der Beklagten betreffend das Untertor Kahnschleuse/Holzstemmtor (vgl. Ziffer 1.3 auf Seite 6 des Beklagtenschriftsatzes vom 13.04.2015, Bl. 175 V), es seien der Klägerin „alle dem statischen System zu Grunde liegenden Bauteile und Details mit allen statischen und konstruktiven Eigenschaften schon ausführungsreif vorgelegt“ worden, ist – in Übereinstimmung mit den fachlichen Bewertungen des Gerichtssachverständigen E. – zu widersprechen. Der Sachverständige hat Bezug genommen auf den von der Beklagten vorgelegten „Entwurf AU“ im Ordner 3.2, dort Seite 21, und die dortige Position „Untertor – Stemmtor“, wonach die Konstruktion „analog dem Bestand“ gebaut werden solle. Er hat klargemacht, dass schon der Wortlaut „analog dem Bestand“ zeige, dass es sich lediglich um Vorgaben für das – bildlich gesprochen – „Fenster“, in dem zu planen gewesen sei, gehandelt habe. Für das Holzstemmtor liege die Annahme der Beklagten bzgl. einer vorgeblich vorhandenen „Vorplanung“ umso ferner, als das Tor um einen Meter und damit ganz erheblich (nämlich um ca. 30 %) zu erhöhen war und erhöht wurde. Zwar sei das Holzstemmtor in der geplanten und der ausgeführten Fassung dem alten Tor ähnlich, so wie Holzstemmtore für solche Wasserbauvorhaben generell einander ähnlich seien. Das ist für den Senat nachvollziehbar. Auch hier ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese Planungsleistungen der Klägerin in den Phasen 1 bis 6 beauftragt wurden, weshalb der redundante Gedanke der Beklagten, beauftragte und ausgeführte Leistungen seien andersartig zu bewerten, weil (vermeintliche) Erleichterungen für die planende Klägerin bestanden hätten, nicht durchgreift.
- 136
Im Übrigen ist der Gerichtssachverständige der fachlichen Auffassung der Klägerin beigetreten, wonach die Bestandspläne in Anlage BB5 kaum konkrete Maße aufwiesen, weshalb – das Untertor Kanalschleuse betreffend – auch aus diesem Grund der wiederkehrende Gedanke, der Klägerin sei von der Beklagten quasi einer fertige Vorplanung vorgelegt worden, nicht überzeugt.
- 137
e) Insgesamt sind die vertraglich vereinbarten und (dokumentiert) erbrachten Leistungen der Klägerin – der fachlichen Bewertung der Gerichtssachverständigen E. und Dr. K. folgend – so zu bewerten, wie es der Sachverständige E. auf Seite 41 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016 zusammengefasst hat. Den Schreibfehler in Bezug auf die Summierung im Bereich E-Technik (es muss 33 % anstelle von 49 % heißen), hat der Sachverständige richtig gestellt (Seite 2 des Protokolls vom 29.02.2016).
- 138
2. Objektbildung
- 139
Das Altarmwehr und die Kahnschleuse sind als ein Objekt im Sinne von § 51 HOAI a. F. zu bewerten. Daneben ist unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der eigenständigen Erfüllung einer bestimmungsgemäßen Funktion das Durchstichwehr, bestehend aus den Wehrverschlüssen, den Revisionsverschlüssen und den Grießständern, als ein (weiteres) Objekt einzuordnen.
- 140
Im Einzelnen:
- 141
a) Objektbildung Ingenieurbauwerke
- 142
aa) Für Ingenieurbauwerke gilt § 52 Abs. 8 HOAI a. F., der § 22 HOAI a. F. für sinngemäß anwendbar erklärt. Nach § 22 Abs. 1 HOAI a. F. sind die Honorare, wenn ein Auftrag mehrere Gebäude [ergo Ingenieurbauwerke] umfasst, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze für jedes Objekt getrennt zu berechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt ein Objekt im Sinne von § 52 Abs. 1 HOAI a. F. immer dann vor, wenn es seine bestimmungsgemäße Funktion eigenständig erfüllen kann (u. a.: BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 192/03; Urteil vom 24.01.2002, Az. VII ZR 461/00). Für dieses Verständnis von der Maßgeblichkeit des Vorliegens einer funktionalen Einheit streitet überdies die Begründung zu § 52 HOAI a. F., in der es u. a. heißt:
- 143
„Dabei sind jeweils die Bauwerke oder Anlagen, die funktional eine Einheit bilden, als ein Objekt anzusehen.“
- 144
Der Senat hat sich insoweit sachverständig beraten lassen. Der Sachverständige E. hat die diesbezüglichen Planunterlagen, u. a. den Lageplan laut Anlage K 6, durchgesehen und ausgewertet. Danach ergibt sich das Folgende:
- 145
Ein Objekt („Objekt 1“) ist das Durchstichwehr. Es dient insgesamt der Stauregelung. Diese Funktion kann es völlig losgelöst von der weiteren Anlage im Altarm erfüllen. Diese Funktion wird allerdings nicht nur von einem Wehrverschluss allein, sondern von den beiden Wehrverschlüssen als Teil des Durchstichwehrs insgesamt erfüllt. Die Revisionsverschlüsse wiederum dienen der Wartung und Instandhaltung der beiden Wehrverschlüsse und damit wiederum der Instandhaltung des Durchstichwehres. Folgerichtig sind das Durchstichwehr, bestehend aus den Wehrverschlüssen, den Revisionsverschlüssen und den Grießständern, als ganzes und eigenständiges Objekt zu begreifen, nachfolgend bezeichnet als das „Objekt 1 Durchstichwehr“.
- 146
Daneben besteht ein „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“. In Übereinstimmung mit der fachlichen Einschätzung des Sachverständigen E. sind Altarmwehr und Kahnschleuse als ein einziges Objekt im Sinne von § 52 HOAI a. F. zu bewerten (vgl. Ziffer 5.2.2, Seiten 13 f. des Gutachtens vom 30.05.2014). Vordergründig betrachtet scheint es sich bei Altarmwehr und Kahnschleuse um zwei Objekte zu handeln, sind sie doch trennbaren Funktionen zuzuordnen. Das Altarmwehr dient (wie das Durchstichwehr) der Stauregelung. Demgegenüber dient die Kahnschleuse der Schleusung von Kähnen, damit diese den Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser überwinden können. Allerdings fehlt beiden Bauwerken die bauliche Trennung. Beide Bauwerke bedienen sich, wie der Gerichtssachverständige E. gut verständlich herausgearbeitet hat (vgl. Seiten 13 f. des Gutachtens vom 30.05.2014 und Seiten 19 f. des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016, ferner Seiten 6 f. des Anhörungsprotokolls vom 29.02.2016) einer gemeinsamen monolithischen Mittelwand, die es nur einmal gibt. Ohne diese Mittelwand kann weder die Schleuse noch das Altarmwehr seine bestimmungsgemäße Funktion erfüllen. Die Mittelwand dient also beiden Bauwerken. Mithin sind beide Bauwerke baulich untrennbar miteinander verbunden. Das rechtfertigt es, Altarmwehr und Kahnschleuse als ein Objekt im Sinne von § 51 HOAI a. F. zu bewerten, zu bezeichnen als „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“. Dabei gilt auch hier, dass weder das Wehrschütz allein, noch die Kahnschütze oder die Untertore der Kahnschleuse die Stauregelung oder die Schleusenfunktion erfüllen können, weshalb sie allesamt Teile des besagten „Objektes 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“ sind (vgl. dazu auch die sachverständigen Einschätzungen des Dipl.-Ing. E. auf Seite 19 f. des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016).
- 147
bb) Ein ganz anderer, vom Gerichtssachverständigen E. bei seiner sachverständigen Beratung in Bezug auf die Honorarzoneneinordnung berücksichtigter Umstand ist der, dass die besagte enge bauliche Verknüpfung beider Bauwerke auf die Honorarzoneneinordnung Einfluss hat, weil die Kombination zweier getrennter Funktionen in einem Bauwerk die Planungsanforderungen erhöht (vgl. etwa: LG Aachen, Urteil vom 20.03.2011, Az.12 O 297/06).
- 148
cc) Für die Abrechnungskonsequenzen dieser Objekteinordnung ist auszuführen:
- 149
In Anlehnung an Leitsatz 1 und Rn. 10 des Urteils des BGH vom 11.12.2008 (Az. VII ZR 235/06) liegt ein Auftrag über das Ingenieurbauwerk „Durchstichwehr“ (Objekt 1) und das Objekt „Altarmwehr/Kahnschleuse“ (Objekt 2) vor, wenngleich nur Teile dieser Ingenieurbauwerke auftragsgemäß zu beplanen waren. In Bezug auf Objekt 1 (Durchstichwehr) waren das im Wesentlichen die beiden Wehrverschlüsse und die Revisionsverschlüsse mit Nadellehnen und das bestehende Wehr, soweit die neuen Teile auf dieses wirken. Bezogen auf das Objekt 2 (Alarmwehr/Kahnschleuse) waren das das Wehrschütz und die Revisionsverschlüsse mit Nadellehnen, das Hubtor, das Hochwasserschütz und die Stemmtore und auch hier der restliche Bestand, soweit die neuen Teile auf diesen wirken. Die Rn. 11 des vorstehend genannten Rechtsentscheids des BGH stellt vertiefend klar, dass eine getrennte Abrechnung von Teilen eines Objektes im Sinne der HOAI nicht vorzunehmen ist. So sind – übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt – auch die beiden Schütze als Teil des Durchstichwehres in Verbindung mit den Nadellehnen und Revisionsverschlüssen und das Schütz, die Nadellehnen und der Revisionsverschluss, das Rollschütz, das Hochwasserschütz und die Stemmtore nicht etwa getrennt abzurechnen. Nur die Wehrschütze sind in den anrechenbaren Kosten zu reduzieren, was auf der Grundlage der sachverständigen Beratung geschehen ist. Schließlich können auch nicht das linke und rechte Stemmtor des Durchstichwehres, die spiegelgleich sind, zur Reduzierung der anrechenbaren Kosten führen. Es geht nur um Teile von zwei Ingenieurbauwerken.
- 150
Unter Rn. 13 des vorstehenden Urteils wird dabei vertiefend klargestellt, dass ein einheitliches Honorar für alle Teile einer Planung eines Objektes zu berechnen ist, und dies nach den Mindestsätzen der HOAI. Erst wenn dies zutreffend vorgenommen worden ist, ist ein Vergleich mit dem vereinbarten Honorar vorzunehmen. Genau dieser Linie ist der Senat, sachverständig beraten, in der Honorarberechnung, insbesondere derjenigen nach Kap. 7 des Gutachtens vom 30.05.2014 in Verbindung mit Anlage G 7 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016, gefolgt.
- 151
b) Objektbildung Tragwerksplanung
- 152
Auch für die Tragwerksplanung liegen nur beauftragte Teile von zwei Ingenieurbauwerken vor, für die jeweils eine Tragwerksplanung erforderlich ist. Nach § 66 Abs. 1 HOAI a. F. sind die Honorare für jedes Tragwerk getrennt zu berechnen, wenn ein Auftrag mehrere Gebäude oder Ingenieurbauwerke umfasst. Bezugspunkt ist danach nicht das Tragwerk oder Tragwerksteil an sich, sondern das Ingenieurbauwerk, welches Auftragsgegenstand ist (so zutreffend auch: OLG Rostock, Urteil vom 15.03.2000, Az. 2 U 87/98). Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies: Die HOAI a. F. (im Übrigen auch die HOAI 2009 und die HOAI 2013) sehen nicht vor, hier etwa jedes einzelne Wehrschütz oder jede einzelne Nadellehne in der Tragwerksplanung für sich zu betrachten. Ist Bezugspunkt das beauftragte Ingenieurbauwerk, so ist die Tragwerksplanung von zwei Ingenieurbauwerken beauftragt, also die Tragwerksplanung für das „Objekt 1 Durchstichwehr“ und für das „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“. Auch für den Bereich Tragwerksplanung gilt: Es geht um die Tragwerksplanung von Teilen dieser beiden Objekte, so dass später die Summe aller anrechenbaren Kosten für alle Tragwerke des jeweiligen Objektes zu bilden ist, und sich im Übrigen auch die Honorarzonen nach den beauftragten Teilen und nicht etwa nach dem gesamten vorhandenen Ingenieurbauwerk bestimmen.
- 153
c) Objektbildung Technische Ausrüstung
- 154
Für die Objektbildung in der technischen Ausrüstung gilt über § 68 Abs. 7 HOAI a. F. der § 22 HOAI a. F. entsprechend. Bei der technischen Ausrüstung ist der funktionale Zusammenhang zu bewerten, dies allerdings losgelöst vom Gebäude bzw. – hier – von den beiden Ingenieurbauwerken (BGH, Urteil vom 24.01.2002, Az. VII ZR 461/00). Es ist also nicht entscheidend, ob mehrere Ingenieurbauwerke vorliegen, sondern es ist allein der funktionale Zusammenhang der technischen Ausrüstung zu bewerten. Der Gerichtssachverständige E. hat den Ordner 7 und dort insbesondere den Kabellageplan, den Übersichtsplan Energieverteilung und den Übersichtsplan Steuerung ausgewertet und ist zu der Feststellung eines funktionalen Zusammenhangs der gesamten technischen Ausrüstung über beide Objekte hinweg gelangt (also „Objekt 1 Durchstichwehr“ und „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“), so dass im Ergebnis von einem Objekt der technischen Ausrüstung auszugehen ist. Der Sachverständige E. hat insoweit auch aus dem Ordner 7 zu erkennen vermocht, dass nur eine Anlagengruppe geplant worden ist, nämlich die Anlagengruppe 3 Elektrotechnik nach § 68 HOAI a. F. Folglich greift § 69 Abs. 1 HOAI a. F. nicht ein.
- 155
Diese Bewertung steht im Einklang mit dem Umstand, dass die Klägerin selbst dies auch so bewertet hat, weil sie in ihrer Schlussrechnung vom 25.03.2009 (Anlage K 4) und dort Anlage 3.13 das Honorar auch nur aus einer Summe von anrechenbaren Kosten der Fachplanung „Technische Ausrüstung“ ermittelt hat.
- 156
d) Einwendungen der Beklagten
- 157
Die Beklagte hat die Bewertung des Durchstichwehres als ein Objekt (Objekt 1) und des Altarmwehres/der Kahnschleuse als ein weiteres Objekt (Objekt 2) mit verschiedentlichen Erwägungen in Zweifel gezogen, die weitestgehend Rechtsfragen betreffen und zu denen sich, soweit fachtechnische Aspekte eine Rolle spielen, der Senat durch den Sachverständigen E. hat beraten lassen:
- 158
aa) die Interpretation der Entscheidung des BGH vom 11.12.2008 (Az. VII ZR 235/06) durch die Beklagte (Seiten 1 f. des Schriftsatzes vom 29.08.2014) geht fehl. Was die Objektbildung angeht – um die geht es an dieser Stelle – , sind die Ausführungen des 7. Zivilsenates durchaus auf Ingenieurbauwerke übertragbar. Soweit der BGH dort Ausführungen zur Honorarzone gemacht hat, sind diese, was die hier in Rede stehende Objektbildung angeht, nicht relevant. Im vorliegenden Sachverhalt – wie im dort entschiedenen Fall – geht es um die Objektbildung, wenn Teile eines Objektes beauftragt sind. Der Rechtsentscheid ist dahingehend zu verstehen, dass für die Objektbildung die Gesamtanlage maßgeblich ist, für die Bildung der Honorarzone indes nur der konkret beauftragte Teil in den Blick zu nehmen ist.
- 159
bb) Was die Beklagte mit einer „wie von der Beklagten vorgenommenen Objektbildung“ meint (Seite 2 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 122 V), bleibt unklar. Sollte sie die Objektbildung in dem Sinne meinen, dass mit dem Vertrag ein jedes Bauteil als Objekt im Rechtssinne eingestuft wird, so hat der Honorarsachverständige zu Recht darauf hingewiesen, dass dann der Ansatz eines Wiederholungshonorars, wie im Vertrag vorgenommen, zu einer Mindestsatzunterschreitung führen würde. Die Beklagte scheint missverständlicherweise auch davon auszugehen, dass die Einordnung als eines oder mehrere Objekte der freien Disposition der Vertragsparteien unterliegt, wenn damit die Mindestsätze unterschritten werden (§ 4 Abs. 1 HOAI a. F.). Dem ist indes nicht so.
- 160
cc) Soweit die Beklagte zu einer anderen Objektbildung mit der Erwägung kommen will, die bestimmungsgemäße Funktion von Altarmwehr und Durchstichwehr läge darin, dass die Objekte den ermittelten Bemessungshochwasserabfluss jederzeit gefahrlos ableiten müssten (vgl. Ziffer 1.1 des Schriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 122 V), will sie offenbar auf die übergeordnete Funktion des Hochwasserschutzes als Kriterium bei der Objektbildung abstellen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die zwei wesentlichen Kriterien sind die bauliche Funktionalität und die bauliche Trennung. Dass also Durchstichwehr und Altarmwehr/Kahnschleuse übergreifend dem Hochwasserschutz dienen, begründet nicht die Notwendigkeit, beide Objekte honorarrechtlich als ein einziges Objekt zu bewerten. Der Senat sieht sich insoweit auch im Einklang mit dem Urteil des BGH vom 30.09.2004 (Az. VII ZR 192/03). Im dort zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es um die Planung einer Verkehrsanlage mit Lärmschutzwellen und Regenklärbecken. Auch im dortigen Fall waren für alle Ingenieurbauwerke die Honorare getrennt zu ermitteln, obgleich diese einer Gesamtanlage dienten und sogar die Genehmigungsfähigkeit der Verkehrsanlage erst ermöglichten.
- 161
dd) Der Gerichtssachverständige E. hat auf Seite 22 f. des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016 und überdies im Anhörungstermin vor dem Senat (vgl. Seite 7 des Sitzungsprotokolls) überzeugend ausgeführt, dass und warum die aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtliche Situation vor Ort der Behauptung der Beklagten, nur beide Objekte, das Objekt 1 und das Objekt 2, zusammen könnten den Hochwasserschutz gewährleisten, widerspreche. Danach sei das Objekt 2 (Altarmwehr/Kahnschleuse) zumindest über einige Zeit, eventuell sogar aktuell immer noch, vollständig vom Wasserdurchfluss abgetrennt. Es existiere ein weiteres, südlich gelegenes Wehr, das die Funktion des Objektes 2 übernehme (von der Schleusenfunktion abgesehen). Das zeige, dass der Hochwasserschutz demnach grundsätzlich auch ohne das Objekt 2 möglich sei. Dies untermauere die Richtigkeit der Bewertung des Objektes 2 als ein eigenständiges, baulich völlig getrenntes und in einigem Abstand vom nördlichen Objekt 1 (Durchstichwehr) liegendes Objekt.
- 162
ee) Dies hat der Sachverständige im Anhörungstermin bekräftigt, wo er u. a. ausgeführt hat:
- 163
„Bezug nehmend auf S. 22 f. des Handouts lässt sich eine sehr klare, sichere Aussage dazu treffen, dass eine Betrachtung von Altarmwehr und Durchstichwehr als ein Objekt fernliegend ist. Das hat schon mit dem Umstand zu tun, dass beide Wehre baulich völlig voneinander getrennt und eigenständig sind und bezeichnenderweise deutlich auseinander liegen. Ich kann zwar die gerade vom Mitarbeiter der Beklagten geschilderte Hochwasserschutzfunktion beider Wehre inhaltlich nachvollziehen. Ich meine aber, dass diese bei der Objektbildung nicht ausschlaggebend ist.“
- 164
Letzterer Auffassung ist richtig. Namentlich auch die von dem Mitarbeiter Z. der Beklagten im Anhörungstermin angesprochene „wasserwirtschaftliche Abhängigkeit“ beider Wehre, die, so Herr Z. , so aufeinander abgestimmt seien, dass bei Ausfall eines Wehres das andere Wehr allein in der Lage ist, den Abfluss zu gewährleisten, nötigt nicht zur Bewertung als ein einziges Objekt im honorarrechtlichen Sinne.
- 165
ff) Soweit die Beklagte unter Ziffer 1.4 ihres Schriftsatzes vom 13.04.2015 (Bl. 176 V) darauf verweist, dass es für die Ausführungsplanung (Statik) der Wehrschütze an einer „separaten zeichnerischen Darstellung“ für beide Wehrschütze fehle, es mithin auch keine „Ausführungsplanung für zwei getrennte Objekte“ gäbe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Senat hat sich durch den Sachverständigen E. bezüglich der Bewertung der Ausführungsplanung beraten lassen. Danach sind zwei Ausführungsplanungen erkennbar, die jeweils im Wesentlichen dieselbe Darstellung des Wehrschützes umfassen, wobei beim Objekt 2 (Altarmwehr/Kahnschleuse) noch die Zeichnungen für das Hubschütz und die Stemmtore hinzukommen. Mit dem Gerichtssachverständigen E. ist davon auszugehen, dass der Aufwand dadurch, dass drei identische Wehrschütze zur Ausführung kamen, geringer ist, als wenn drei unterschiedliche Konstruktionen zur Ausführung gekommen wären. Indes: Die HOAI kennt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Aufwand und Honorarhöhe, sondern orientiert sich an den Parametern Objekt, anrechenbare Kosten, Honorarzone und Leistungsbewertung. Der Aufwand ist also nur in diesen Parametern abgebildet. Namentlich bietet die HOAI kein Ansatz dafür, eine im Hinblick auf die Wehrschütze in Betracht kommende gewisse Planungserleichterung der Klägerin konform zur HOAI zu berücksichtigen, wenn damit die Mindestsätze der HOAI unterschritten werden. Entscheidend ist: Die Beklagte beauftragte das Wehrschütz dreimal, nicht nur einmal, wobei die Einbaubedingungen, wie der Gerichtssachverständige im Anhörungstermin erläutert hat (Seite 8 des Anhörungsprotokolls vom 29.02.2016), in allen Fällen unterschiedlich waren. Vermutlich aus diesem Grund hat sich die Beklagte dagegen entschieden, nur die Planung eines Wehrschützes in Auftrag zu geben und das Planungsergebnis eigenverantwortlich für die anderen Wehrschütze zu verwerten (vgl. dazu auch die Angaben des Herrn Z. auf Seite 8 (Mitte) des Protokolls vom 29.02.2016).
- 166
3. Anrechenbare Kosten
- 167
a) Anrechenbare Kosten Objektplanung
- 168
Für die Objektplanung von Ingenieurbauwerken ergeben sich die anrechenbaren Kosten aus § 52 Abs. 3 bis 7 HOAI a. F. § 52 Abs. 3 HOAI a. F. erklärt § 10 Abs. 3 bis 4 HOAI a. F. für entsprechend anwendbar. § 10 Abs. 3 HOAI a. F. erfasst dabei Sachverhalte, die zur Folge haben, dass ortsübliche Preise anzusetzen sind. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. § 10 Abs. 3a HOAI a. F. betrifft die technische oder gestalterische Mitverarbeitung vorhandener Bausubstanz. Eine solche Mitverarbeitung ist – entsprechend dem Leitsatz c) im Urteil des BGH vom 27.02.2003 (Az. VII ZR 11/02) – auch dann zu berücksichtigen, wenn keine schriftliche Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 3a HOAI a. F. getroffen worden ist. Allerdings ist – sachverständig beraten durch den Dipl.-Ing. E. (vgl. Seiten 21 f. des Gutachtens vom 30.05.2014) – nicht davon auszugehen, dass die Klägerin wesentlich über die im 3. Nachtrag vereinbarte Leistung der Klägerin am Bestand hinausgehende konkrete Leistungen an der vorhandenen Bausubstanz mitverarbeitete. In der Folge ist – dem Honorarsachverständigen – folgend – keine weitere mitzuverarbeitende Bausubstanz für die Honorarermittlung anzusetzen, außer derjenigen, die im 3. Nachtragsvertrag vereinbart wurde. Nach Auswertung aller Unterlagen durch den Dipl.-Ing. E. fehlt es an einer dokumentierten, darüber hinausgehenden, tatsächlichen Leistung der Klägerin am Bestand, und zwar sowohl für den Bereich der Objekt- wie auch, um es vorwegzunehmen, für den Bereich der Tragwerksplanung und den Bereich der technischen Ausrüstung. Für die technische Ausrüstung ist dabei § 10 Abs. 4 HOAI a. F. zu beachten. Er hat zur Folge, dass die Anlagen der technischen Ausrüstung, soweit sie den Kostengruppen 3.2 bis 3.4 und 3.5.2 bis 3.5.4 der DIN 276 vom April 1981 (vgl. § 10 Abs. 2 HOAI a. F.) sinngemäß entsprechen, auch bei der Ermittlung der Ermittlung der anrechenbaren Kosten für den Objektplaner anzusetzen sind. In diesem Sinne hat der Gerichtssachverständige E. in der Anlage G 1 zum Gutachten vom 30.05.2014 die Kosten in der Kostenberechnung zur technischen Ausrüstung aus dem Ordner 7, die nicht den genannten Kostengruppen zugeordnet werden können, gekennzeichnet und hat kurz die Zuordnung nach der DIN 276 vom April 1981 hinzugefügt. Danach ergeben sich Kosten i. H. v. 550.700,00 Euro, die in der Honorarberechnung aus der technischen Ausrüstung für die Objektplanung mit berücksichtigt werden. Auch hierbei ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass dieser Betrag zu 2/3 dem „Objekt 1 Durchstichwehr“ und zu 1/3 dem „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“ zuzuordnen sind.
- 169
Weiter greift § 52 Abs. 6 HOAI a. F., der die nicht anrechenbaren Kosten regelt, insbesondere die Nr. 7 „Baunebenkosten“. Der Gerichtssachverständige E. hat die Kostenberechnung der Klägerin vom September 2005 als Anlage G 2 des Gutachtens vom 30.05.2014 dem Gutachten angehängt und die nicht anrechenbaren Kosten transparent gekennzeichnet und diese im Übrigen auf Seite 23 (oben) besagten Gutachtens zusammenfassend dargestellt.
- 170
b) Anrechenbare Kosten Tragwerksplanung
- 171
Die anrechenbaren Kosten für die Tragwerksplanung sind, der plausiblen Berechnung des Gerichtssachverständigen E. auf den Seiten 23 (unten) bis 24 (unten) folgend, mit 950.600,00 Euro für das „Objekt 1 Durchstichwehr“ und 575.180,00 Euro für das „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“ zu bestimmen. Sie ergeben sich für Ingenieurbauwerke auf der Grundlage von § 62 Abs. 6 HOAI a. F. Dementsprechend sind die vollständigen Kosten der dort genannten Nrn. 1 bis 16 anrechenbar, einschließlich Baustelleneinrichtung. Richtigerweise hat der Gerichtssachverständige dabei nur denjenigen Anteil der Baustelleneinrichtung für anrechenbar gehalten, der sich auf die anrechenbaren Kosten der Tragwerksplanung bezieht. In diesem Sinne ist die Aufführung der „Baustelleneinrichtungen“ in § 62 Abs. 6 HOAI a. F. (am Ende) zu bewerten.
- 172
In der Anlage G 3 des Gutachtens vom 30.05.2014 hat der Honorarsachverständige auf der Grundlage der Kostenberechnung der Klägerin vom September 2005 die nicht anrechenbaren Kosten auch in der Tragwerksplanung gekennzeichnet. Sie ergeben sich so, wie aus Seite 24 (Mitte) des vorerwähnten Gutachtens ersichtlich. Letztlich mündet die Berechnung in den oben genannten Werten für die anrechenbaren Kosten für das Objekt 1 bzw. das Objekt 2.
- 173
c) Anrechenbare Kosten für die technische Ausrüstung
- 174
Sie richten sich nach § 69 HOAI a. F. Auch hier gilt, dass nach § 69 Abs. 5 HOAI a. F. die Baunebenkosten nicht zu den anrechenbaren Kosten zählen. In der Kostenberechnung zur Elektrotechnik ist dies die Position 10, so dass sich die anrechenbaren Kosten der technischen Ausrüstung aus der Kostenberechnung zur technischen Ausrüstung aus dem Ordner 7 – vgl. Anlage G 1 zum Gutachten vom 30.05.2014 – wie folgt errechnen: 698.700,00 Euro minus 88.000,00 Euro = 610.700,00 Euro.
- 175
d) Einwendungen der Beklagten
- 176
Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwendungen (vgl. Ziffer 6. des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 127 f. V) sind auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen E. (Seiten 26 ff. des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016 und Seiten 8 ff. des Anhörungsprotokolls vom 29.02.2016) ausgeräumt worden.
- 177
Im Einzelnen:
- 178
aa) Richtigerweise ist der Sachverständige E. , § 9 Abs. 2 HOAI a. F. entsprechend, davon ausgegangen, dass nur die Kosten ohne Umsatzsteuer zu den anrechenbaren Kosten zählen. Er ist zudem richtigerweise davon ausgegangen, dass die im von der Klägerin für die Beklagte erstellten Erläuterungsbericht ausgewiesenen Beträge als Nettobeträge vermerkt sind (vgl. dazu die Seite 33 besagten Erläuterungsberichtes, Anlage 1 zum Klägerschriftsatz vom 06.03.2014, Bl. 203 IV). Aus dem Vorbringen der Klägerin geht plausibel hervor, dass die Ausgabenberechnung (Ordner 3 der vorliegenden Unterlagen) entsprechend dem Formblatt der Verwaltungsvorschrift der WSD – VV WSV 2107 – aufgestellt wurde. Die Endsummen wurden in dem im Übrigen ebenfalls im Ordner 3 befindlichen Erläuterungsbericht auf der schon erwähnten Seite 33 als Nettowerte ausgewiesen.
- 179
bb) Die Beklagte hat die Frage aufgeworfen, weshalb die technische Ausrüstung gemäß § 10 Abs. 4 HOAI a. F. mit eingerechnet wird, obgleich die Klägerin mit der Planung beauftragt worden sei und diese Planungsleistung gesondert berechnet habe. Die Antwort ergibt sich aus § 10 Abs. 4 S. 2 HOAI a. F., der dahingehend zu verstehen ist, dass dann, wenn der Auftragnehmer die technische Ausrüstung selbst plant, für diese ein Honorar zusätzlich vereinbaren kann. Es ergeben sich für ihn also zwei Vergütungsansprüche: Zum einen stellt sich die technische Ausrüstung als Teil der anrechenbaren Kosten beim Objektplaner dar, zum anderen kann ein Fachplanungshonorar für diese gefordert werden. In diesem Verständnis bestätigt fühlt sich der Senat durch die Motive zu § 10 Abs. 4 HOAI a. F. (BR-Drs. 594/87), die genau dieses Verständnis wiedergeben. Der Objektplaner hat also Anspruch darauf, dass die technische Ausrüstung Teil seiner anrechenbaren Kosten wird. Hat er zudem die Fachplanung im Auftrag, hat er auch einen getrennt zu betrachtenden Anspruch auf ein Honorar für die Fachplanung.
- 180
cc) Die Beklagte hat weiter die Frage aufgeworfen, warum die Positionen 1.1.4, 2.1.5 und 1.1.5 als Teil der anrechenbaren Kosten der Objektplanung bewertet werden (wohl vor dem Hintergrund, dass bei den anrechenbaren Kosten der Tragwerksplanung diese Position nicht angesetzt wird). Jeweils geht es um Leistungen der Fremdüberwachung. Die Beklagte führt § 10 Abs. 5 Ziffer 12 HOAI a. F. als Argument auf und verweist auf die Kostengruppen 740 bzw. 771. § 10 Abs. 5 HOAI a. F. gilt für Gebäude und raumbildende Ausbauten, und die Kostengruppen sind Gruppen einer DIN 276, welche nach § 10 Abs. 2 HOAI a. F. hier nicht greift. Im vorliegenden Fall ist, soweit denn überhaupt, die DIN 276 in der Fassung vom April 1981 gültig. Anders gewendet: Die Kostengruppen 740 bzw. 771 kennt die hier maßgebliche DIN nicht. Richtiger Anknüpfungspunkt ist § 52 Abs. 2 HOAI a. F. Danach sind bei Ingenieurbauwerken alle „Herstellungskosten“ anrechenbar. Das sind auch Überwachungsleistungen, die dem Nachweis der ordnungsgemäßen Herstellung dienen. Richtigerweise ist der Honorarsachverständige E. bei seinen Bewertungen davon ausgegangen, dass es sich in concreto um Überwachungsleistungen zwecks Nachweises einer ordnungsgemäßen Herstellung handelt (vgl. Seite 28 des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016 und Seite 9 des Protokolls vom 29.02.2016). Das hat die Klägerseite im Anhörungstermin vom 29.02.2016 (Seite 9 Mitte des Protokolls) zudem unwidersprochen dahingehend erläutert, es habe sich um klassische Überwachungsleistungen wie Schweißnahtkontrolle und Korrosionsschutzkontrolle gehandelt.
- 181
Den weiteren Einwand der Beklagten auf Seite 7 (unten) und Seite 8 (oben) des Schriftsatzes vom 29.08.2014 hat die Beklagte fallen gelassen (Seite 9 Mitte des Protokolls vom 29.02.2016).
- 182
4. Honorarzone
- 183
a) Honorarzone in der Objektplanung
- 184
aa) „Objekt 1 Durchstichwehr“
- 185
Die Punktebewertung nach § 53 HOAI a. F. ergibt für das „Objekt 1 Durchstichwehr“ – auf der Grundlage der sachverständigen Beratung durch den Dipl.-Ing. E. – 29 Punkte (vgl. Anlage G 4 zum Gutachten vom 30.05.2014). Die beauftragte Leistung betrifft den Stahlbau des Durchstichwehrs, so dass für die Honorarzonenbestimmung nicht das gesamte Wehr heranzuziehen ist, sondern nur der Auftragsgegenstand, also der Stahlbau. Dieser besteht im Wesentlichen aus den Wehrschützen und den Revisionseinrichtungen mit Grießständern und dem davon betroffenen Bestand. Die Anwendung der Objektliste nach § 54 Abs. 1 HOAI a. F. scheidet aus, weil ein solches Objekt dort nicht aufgeführt ist. Vorzunehmen ist eine Punktebewertung nach § 53 HOAI a. F. Der Senat hat sich zu den einzelnen Bewertungsmerkmalen des § 53 Abs. 2 HOAI a. F. vom Sachverständigen E. beraten lassen. In der Folge geht er von folgenden Punkten für die einzelnen Bewertungsmerkmale aus:
- 186
Zu 1. Geologische und baugrundtechnische Gegebenheiten
- 187
Es geht um die Planung des Stahlbaus des Durchstichwehrs. Geologische und baugrundtechnische Gegebenheiten hatten auf diese Planung keinen Einfluss. Dementsprechend ist von 0 Punkten auszugehen.
- 188
Zu 2. Technische Ausrüstung oder Ausstattung
- 189
Maßgeblich ist der Integrationsaufwand des Objektplaners für die technische Ausrüstung oder Ausstattung. Zu integrieren war der Teil der technischen Ausrüstung, der im Ordner 7 beschrieben ist und das Durchstichwehr betrifft. Nach der fachlichen Einschätzung des Sachverständigen E. wurde innerhalb der Entwurfs- und Ausführungspläne des Objektplaners nur wenig der geplanten technischen Ausrüstung integriert. Gerechtfertigt erscheint eine Bewertung mit 2 von 5 möglichen Punkten.
- 190
Zu 3. Anforderungen an die Einbindung in die Umgebung und das Objektumfeld
- 191
Einzubinden waren die Stahlbauteile in vorhandene Stahlbetonkonstruktionen. Der Honorarsachverständige verweist darauf, dass insoweit im Wesentlichen Aussparungen, Nischen und Anbindungen vorhanden und folglich nur geringfügig anzupassen waren. Die Anforderungen aus diesem Kriterium sind daher als gering zu bewerten (2 von zu vergebenen 5 Punkten).
- 192
Zu 4. Umfang der Funktionsbereiche oder konstruktiven oder technischen Anforderungen
- 193
Bei diesem Bewertungsmerkmal sind entweder der Umfang der Funktionsbereiche oder die konstruktiven oder die technischen Anforderungen maßgeblich. Ausschlaggebend ist also dasjenige Alternativmerkmal, das die höchsten Anforderungen beinhaltet. Mit dem Honorarsachverständigen ist davon auszugehen, dass dies die technischen Anforderungen sind. Es geht überwiegend um Stahlbauteile, also Maschinentechnik im Sinne der HOAI. Der Sachverständige E. verweist darauf, der konstruktive Stahlbau stelle ein spezielles Gebiet innerhalb des Bauingenieurwesens dar, das nur von wenigen, darauf spezialisierten Ingenieuren überhaupt zu planen und zu bewerten sei. Erforderlich seien umfangreiche Kenntnisse aus dem Maschinenbau und der Werkstoffkunde. So zeigten insbesondere die bei den Anlagen befindlichen Zeichnungen, dass hier vornehmlich maschinenbautechnische Zeichnungen zu erstellen waren, nicht Bauzeichnungen. Das führt dazu, dass die technischen Anforderungen als sehr hoch zu bewerten sind (10 von 10 zu vergebenen Punkten).
- 194
Zu 5. Fachspezifische Bedingungen
- 195
Gemeint sind Bedingungen, die auf die Planung einwirken und fachspezifisch sind. Je komplexer und vielfältiger diese Bedingungen sind, umso höher sind die Anforderungen. Das bedeutet auch, dass die sich über Raum und Zeit verändernden Rahmenbedingungen mit in die Betrachtung aufzunehmen sind. Dabei sind auch die physikalischen, biologischen und chemischen Randbedingungen wichtige Kriterien. Ebenso wesentlich sind der Umfang der zu berücksichtigenden Normen und der Einfluss von weiteren Fachplanungen, z. B. der Tragwerksplanung.
- 196
Davon ausgehend sind auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen die biologischen, chemischen und physikalischen Bedingungen vorliegend in ihrem Umfang als sehr hoch zu bewerten. Die Maschinentechnik ist der ständigen Witterung, dem ständigen Wechsel der Einflüsse aus Luft und Flusswasser und den dynamischen Belastungen ausgesetzt, worauf der Sachverständige E. aus seiner fachlichen Sicht nachvollziehbar hingewiesen hat. Auch der Einfluss der Tragwerksplanung auf die Objektplanung ist nach den Feststellungen des Sachverständigen als sehr hoch einzuschätzen (15 von 15 zu vergebenen Punkten).
- 197
In der Summe ergeben sich 29 Punkte. Bei der Einstufung der ermittelten Punkte in eine Honorarzone nach den Regelungen des § 53 Abs. 3 HOAI a. F. ergibt sich demnach Honorarzone IV.
- 198
bb) „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“
- 199
Es gelten die gleichen Bewertungen wie bei Objekt 1, ausgenommen das Bewertungsmerkmal 3 (Anforderungen an die Einbindung in die Umgebung und das Objektumfeld). Für dieses Bewertungsmerkmale ist – bezogen auf „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“ – die Anforderung als deutlich höher, als überdurchschnittlich zu bewerten. Dies hat der Honorarsachverständige E. in tatsächlicher Hinsicht überzeugend damit begründet, dass hier insgesamt ein komplexeres Objekt vorliege, bei dem der Stahlbau nicht nur in das Wehr, sonder auch in die Kahnschleuse einzubinden war. Das Objekt besteht aus zwei funktional getrennten Teilobjekten, nämlich dem Altarmwehr und der Kahnschleuse, die baulich allerdings miteinander verbunden sind. All das rechtfertigt es, von 4 von 5 zu vergebenen Punkten auszugehen. In der Summe gelangt man zu einem Wert von 31 Punkten, der auch für das Objekt 2 zur Honorarzone IV führt.
- 200
b) Honorarzone in der Tragwerksplanung
- 201
Insoweit hat sich der Senat durch den Sachverständigen Dr.-Ing. K. beraten lassen (vgl. dessen gutachterliche Stellungnahme vom 02.04.2014, Anlage G 4 zum Gutachten des Sachverständigen E. vom 30.05.2014). Auf der Grundlage der tatsächlichen Bewertungen des Sachverständigen Dr. K. zu den einzelnen Bauteilen (Wehrschütz, Dammbalken, Grießständer, Gleit- und Rollschütz, Stemmtor, Nadeln und Nadellehnen) ist eine Honorarzoneneinstufung vorzunehmen, wie sie der Sachverständige E. zusammenfassend auf Seite 28 (Mitte) seines Gutachtens vom 30.05.2014 dargestellt hat. In den weiteren Überlegungen zur Honorarzonenbestimmung ist – auch für den Bereich der Tragwerksplanung – von zwei Objekten auszugehen, also vom „Objekt 1 Durchstichwehr“ und vom „Objekt 2 Alarmwehr/Kahnschleuse“. Ordnet man diesen Objekten die betreffenden Tragwerke zu, so ergeben sich:
- 202
„Objekt 1 Durchstichwehr“: 2 Wehrschütze, Revisionsverschlüsse (Dammbalken und Grießständer)
- 203
„Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“: 1 Wehrschütz, Revisionsverschlüsse (Dammbalken und Grießständer), Gleit- und Rollschütz, Torverschlüsse, Nadeln und Nadellehnen
- 204
Ausgehend von § 63 Abs. 2 HOAI a. F., wonach bei Tragwerken mit Bewertungsmerkmalen aus mehreren unterschiedlichen Honorarzonen die Bedeutung im Einzelfall maßgebend ist, ist – den tatsächlichen Bewertungen des Sachverständigen E. auf den Seiten 28 bis 30 des Gutachtens vom 30.05.2014 folgend – die Bedeutung der einzelnen Teilobjekte anhand der anrechenbaren Kosten (auf Grundlage der Kostenberechnung von September 2005) wie folgt zu bewerten:
- 205
„Objekt 1 Durchstichwehr“
- 206
Hier überwiegen die Wehrschütze mit 88 %, so dass für dieses Objekt insgesamt die Honorarzone IV zutreffend ist.
- 207
„Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“
- 208
Hier überwiegen (vgl. Seite 30 des Gutachtens E. ) das Wehrschütz und das Gleit- und Rollschütz mit in der Summe 84 %, so dass auch für dieses Objekt insgesamt die Honorarzone IV als zutreffend zu bewerten ist. Demgegenüber sind die Nadellehnen, die der Honorarzone II zuzuordnen sind, in ihrer Bedeutung mit einem Anteil von 1 % für das Gesamtobjekt vernachlässigbar.
- 209
c) Honorarzone in der technischen Ausrüstung
- 210
Die technische Ausrüstung umfasst nach den Feststellungen des Sachverständigen E. folgende Anlagen der Anlagengruppe 3. „Elektrotechnik“:
- 211
Mittelspannungsanlagen,
- 212
Niederspannungsschaltanlagen,
- 213
Niederspannungsverteilungs- und Leitungsanlagen,
- 214
Beleuchtungsanlagen,
- 215
Steuerungsanlagen sowie
- 216
Video-und Audioanlagen.
- 217
Insoweit liegen sowohl Anlagen der Honorarzone II vor (wie die Mittelspannungsanlage als Kompaktstation) als auch Anlagen der Honorarzone III (Niederspannungsschaltanlagen). Nach den Feststellungen des Sachverständigen E. überwiegen allerdings die Anlagen, die der Honorarzone III zuzuordnen sind. Nach § 69 Abs. 2 HOAI a. F. wäre für jede Anlage die Honorarzone zu bestimmen und das Honorar nach § 69 Abs. 2 Satz 2 HOAI a. F. zu ermitteln. Die Klägerin selbst geht in ihrer Schlussrechnung vom 25.03.2009 (Anlage K 4) durchgängig von der Honorarzone II aus, weshalb diese auch für alle Anlagen angesetzt wird.
- 218
d) Einwendungen der Beklagten
- 219
aa) Die Beklagte ist dieser Honorarzoneneinordnung mit vielfältigen Einwendungen entgegengetreten. So hat sie die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des BGH (bspw. Urteil vom 13.11.2003, Az. VII ZR 362/02) zu einem den Parteien durch die HOAI eröffneten Beurteilungsspielraum für eine vertragliche Festlegung der Honorarzone vorliegend eine abweichende, andersartige Honorarzonenbestimmung (als vorstehend geschehen) nahelegen könnte. Ausgehend von den vorstehend dargestellten Punkten („Objekt 1 Durchstichwehr“: 29 Punkte, „Objekt 2 Altarmwehr/Kahnschleuse“: 31 Punkte) besteht ein derart deutlicher Abstand zum Grenzwert der nächst niedrigeren Honorarzone (25 Punkte = Honorarzone III), dass auch unter Berücksichtigung eines gewissen Beurteilungsspielraums, den der Senat mit max. 2 Bewertungspunkten ansetzt (vgl. dazu auch: OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2015, Az. 24 U 136/12), die Überlegungen der Beklagtenseite zu einem solchen Beurteilungsspielraum zu keinem anderen Ergebnis führten.
- 220
bb) Auf die Bitte unter Ziffer 4. lit. a) (vgl. Seite 5 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 125 V) hat der Honorarsachverständige E. auf Seiten 31 f. des Ergänzungsgutachtens vom 27.02.2016 im Einzelnen dargestellt, in welchen Unterlagen Integrationsleistungen der technischen Ausrüstung festzustellen sind. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.
- 221
cc) Die Beklagte hat weiter die Frage aufgeworfen, in welchen Unterlagen maschinentechnische Zeichnungen zu erkennen seien (so nach den Feststellungen des Sachverständigen E. der Fall) und deshalb in Bezug auf das Bewertungskriterium 4. (Umfang der Funktionsbereiche oder konstruktive oder technische Anforderungen) 10 von 10 Punkten vom Sachverständigen für zutreffend erachtet werden). Der Sachverständige E. hat auf Seiten 32 f. des Ergänzungsgutachtens gut nachvollziehbar ausgeführt, dass alle Zeichnungen, die rein den Stahlbau darstellen, und dies seien nach seinen Auswertungen nahezu alle Zeichnungen in nahezu allen Anlagenordnern, als maschinentechnische Zeichnungen zu bewerten seien. Im Hintergrund dieser tatsächlichen Feststellungen steht § 52 Abs. 7 Nr. 1 HOAI a. F., der „Anlagen der Maschinentechnik, die der Zweckbestimmung des Ingenieurbauwerks dienen“ benennt. In den Motiven zu § 52 HOAI a. F. wird die Frage, was unter solchen Anlagen zu verstehen ist, wie folgt beantwortet: „Bei den Anlagen der Maschinentechnik handelt es sich um Apparate ohne jegliche Anschlusstechnik, die en bloc vom Hersteller geliefert werden, z. B. um Räumer der Absetzbecken bei Kläranlagen und Wasserwerken, um die reinen Stahlbauteile bei Schleusen (…).“ Im Sinne der HOAI sind also die hier zu planenden Stahlbauteile als Maschinentechnik zu begreifen. Der Honorarsachverständige hat klargestellt, dass solche maschinentechnischen Zeichnungen im Baubereich ungewöhnlich sind und hohe bis sehr hohe Planungsanforderungen an den Objektplaner stellen. Dabei sind mit dem Honorarsachverständigen die Planungsanforderungen losgelöst davon zu bewerten, ob ein Wehrschütz oder drei Wehrschütze zu planen sind. Auch sind die Planungsanforderungen für Hubschütz und Stemmtor zu berücksichtigen. Weil also hier der schwierigere Part des Stahlbaus – in Abgrenzung zum Stahlbetonbau – Auftragsgegenstand war, erscheinen 10 Punkte von 10 Punkten gerechtfertigt. Dabei hat sich der Honorarsachverständige gegenüber dem Einwand der Beklagten, ob demnach auch andere Stahlbauarbeiten wie Schiffshebewerke, Kanalbrücken, Schwimmdocks pauschal mit 10 von 10 Punkten zu bewerten seien, überzeugend – der Senat folgt ihm – wie folgt positioniert:
- 222
„Ich würde nicht pauschal annehmen, dass Stahlbauarbeiten mit 10 von 10 Punkten zu bewerten sind. Es kommt auf die Art des Stahlwasserbaus an und vor allem auf den konkreten Auftragsgegenstand. Geht es wie hier (hier jedenfalls weit überwiegend) um den Stahlbau, so muss man sehen, dass demgegenüber der Stahlbetonbau nach den planerischen Anforderungen strukturell einfacher ist, weil im Betonbau „mit Masse produziert“ wird, was im Stahlbau so nicht der Fall ist.“
- 223
dd) Die Fragestellung der Beklagten zu lit. c) auf Seite 6 des Beklagtenschriftsatzes vom 19.08.2014 (Bl. 146 V) leidet bereits darunter, dass die Objektliste nach § 53 Abs. 1 HOAI a. F. keine „Stahlbauwerke“ als Anlagen des Wasserbaus benennt. Vielmehr werden Bauwerke benannt, welche, wie der Honorarsachverständige auf Seite 33 f. seines Ergänzungsgutachtens aus seiner fachlichen Sicht zutreffend und nachvollziehbar ausgeführt hat, mehr oder weniger umfangreich Stahlbauteile als Teil des gesamten Bauwerkes beinhalten. Im vorliegenden Fall geht es um ein Wasserbauwerk, bei dem weit überwiegend der reine Stahlbau, und dies im besonders beanspruchten Teil eines Wehres und einer Schleuse, im Mittelpunkt steht. Das rechtfertigt die Bewertung mit einem hohen Punktewert zu Ziffer 5. Fachspezifische Bedingungen. Soweit die Beklagte erneut ihre Überlegung, es seien der Klägerin konstruktive und statische Lösungen bereits fertig zur Verfügung gestellt worden, in den Mittelpunkt rückt, war dies auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen gerade nicht festzustellen (s. o.).
- 224
ee) Die Fragestellung der Beklagten unter Ziffer 5. Abs. 2 (Seite 7 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 127 V) hat der Sachverständige Dr. K. auf den Seiten 3 und 4 seines Ergänzungsgutachtens vom 18.02.2016 – worauf Bezug genommen wird – überzeugend beantwortet. Er hat dabei auf ein Missverständnis der Beklagten hingewiesen, das darin besteht, dass bezüglich der Torverschlüsse der Kahnschleuse vom Sachverständigen Dr. K. nie die Auffassung vertreten worden war, dass diese als Raumfachwerke einzuordnen sind. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um orthotrope Platten, die von der Klägerin mit Hilfe eines räumlichen Finite-Element-Programms berechnet wurden (vgl. dazu auch das Hauptgutachten Herrn Dr. K. vom 02.04.2014, Abschnitt 3.4).
- 225
ff) Soweit die Beklagte (Ziffer 5., 3. Absatz, auf Seite 7 ihres Schriftsatzes vom 29.08.2014, Bl. 127 V) die Frage aufwirft, warum bei der Bewertung der Honorarzone nicht die Objektliste des § 54 HOAI herangezogen werde, ist darauf zu verweisen, dass es dort um die Objektplanung geht. Insofern kann die betreffende Objektliste nicht für die Bestimmung der Honorarzone der Tragwerksplanung herangezogen werden. Die Honorarzone eines Tragwerks bestimmt sich nach dem statisch-konstruktiven Schwierigkeitsgrad (§ 63 Abs. 1 HOAI a. F.).
- 226
gg) Soweit es tatsächlich-technische Fragestellungen betrifft, hat sich der Sachverständige Dr. K. auf den Seiten 4 f. seines Ergänzungsgutachtens vom 18.02.2016, auf die verwiesen wird, mit den Einwendungen der Beklagten aus Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 13.04.2015 (Bl. 177 V) auseinandergesetzt. Kern seiner Feststellung ist, dass eben gerade nicht von einem reinen Stabwerk gesprochen werden kann.
- 227
5. Auch die Nebenkosten waren bei der Berechnung des geschuldeten Mindestsatzhonorars zu berücksichtigen. Die Parteien haben im Vertrag und den Nachtragsvereinbarungen durchgängig eine Nebenkostenpauschale i. H. v. 3 % des Honorars vereinbart.
- 228
6. Unter Bezugnahme auf die zusammenfassende Darstellung in Anlage G 7 des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen E. vom 27.02.2016 errechnet sich nach alledem unter Zugrundelegung der HOAI-Mindestsätze ein weiterer vertraglicher Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 121.951,81 Euro brutto.
- 229
7. Die zugesprochene Zinsforderung folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.
- 230
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
- 231
Die Revision war nicht zuzulassen; es liegt keiner der Gründe des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor.
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