Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (3. Senat) - 4 WF 99/17
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halberstadt vom 19. Juni 2017 abgeändert:
Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu 2 und 3 jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf einen Wert der Gebührenstufe bis zu 900,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Gegenstand der Beschwerde ist die Kostenentscheidung in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Der minderjährige Antragsteller, vertreten durch das Jugendamt als Beistand, beantragte die Feststellung, dass der Beteiligte zu 3 sein Vater ist. Die Mutter habe während der gesetzlichen Empfängniszeit mit mehreren Männern Geschlechtsverkehr gehabt, u. a. mit ihm. Die anderen in Frage kommenden Männer seien jedoch durch Abstammungsgutachten ausgeschlossen.
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Die Kindesmutter erklärte in ihrer wegen ihrer Beteiligtenstellung aus § 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG verfahrensfehlerhaften Vernehmung als Zeugin (OLG Saarbrücken, FamRZ 2015, 899; Fröschle, Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 3. Aufl., § 7, Rn 20), dass außer dem Beteiligten zu 3 kein anderer als Vater in Betracht käme. Der Beteiligte zu 3 erkläre bei seiner Anhörung, dass er möglicherweise der Vater sei, da er mit der Mutter ein intimes Verhältnis in der Empfängniszeit gehabt habe. Ihm sei aber bekannt, dass die Mutter in dieser Zeit auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt habe.
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Das eingeholte Abstammungsgutachten schloss den Beteiligten zu 3 als Vater aus. Der Antragsteller nahm daraufhin den Antrag auf Vaterschaftsfeststellung zurück.
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Mit dem angefochtenen Beschluss wurden die Kosten des Verfahrens der Kindesmutter auferlegt. Der Beschluss wurde ihr am 22. Juni 2017 zugestellt.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter vom 10. Juli 2017, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag.
II.
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Das Rechtsmittel der Kindesmutter gegen die Kostenentscheidung vom 19.06.2017 ist als Beschwerde (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG) zulässig und in der Sache begründet.
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Da die Spezialregelung des § 183 FamFG bei Anträgen auf Feststellung der Vaterschaft nach § 169 Nr. 1 FamFG nicht eingreift, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2014, XII ZB 15/13, - juris). Dies gilt auch im hier vorliegenden Fall der Antragsrücknahme (OLG Frankfurt, AGS 2015, 303; OLG Oldenburg, FamRZ 2013, 971). Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
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§ 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG räumt dem Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Das Gericht kann beispielsweise die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, die Kosten gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen. Die Vorschrift erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dieses weite Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung der Gerichtskosten erfährt nur eine Einschränkung in Absatz 2 der Vorschrift, wonach in den dort genannten Fällen die Verfahrenskosten einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen. Das Gericht hat in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher Umstände die Kostenentscheidung zu treffen (BGH, a.a.O. ).
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Nach diesen Maßstäben kann die vom Familiengericht getroffene Kostenentscheidung keinen Bestand haben.
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Nach allgemeiner Meinung findet eine Überprüfung der im Ermessen des Gerichts stehenden Kostenentscheidung nur dahingehend statt, ob die Ermessensausübung fehlerhaft war (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 81, Rn 81a). Hier ist aber jedenfalls eine Ermessensausübung aus der angefochtenen Entscheidung, die nur den Gesetzestext wiedergibt, aber keinerlei Begründung enthält, nicht ersichtlich.
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Ein Regelfall nach § 81 Abs. 2 FamFG greift entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht ein.
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Allein der Umstand, dass die Kindesmutter in ihrer verfahrensfehlerhaften Zeugenvernehmung nach Ausschluss von zwei potentiellen Vätern den Beteiligten zu 3 als möglichen Vater benannt und Geschlechtsverkehr mit weiteren Männern ausgeschlossen hat, stellt kein grobes Verschulden ihrerseits dar, da dieser bei seiner Anhörung bestätigt hat, dass er während der Empfängniszeit mit der Kindesmutter Geschlechtsverkehr hatte und deshalb als Vater des Kindes in Frage kam. Danach bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kindesmutter vor Kenntnis des Ergebnisses des gerichtlich eingeholten Abstammungsgutachtens sicher sein konnte, dass der Antragsgegner nicht der Vater des beteiligten Kindes ist (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 991).
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Damit bleibt es mangels Eingreifens eines Regelbeispiels nach § 81 Abs. 2 FamFG bei den allgemeinen Abwägungskriterien des § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG.
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Dabei ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens zwar ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden kann. Allerdings kann das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft einem Streitverfahren nicht uneingeschränkt gleichgestellt werden. Daraus folgt, dass für die Verfahrenskosten nicht mehr allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können (BGH, Beschluss vom 19.02.2014, XII ZB 15/13, juris).
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Hinsichtlich der Gerichtskosten stellt die Bedeutung des Verfahrens für die einzelnen Beteiligten einen geeigneten Maßstab dar. Es besteht dabei eine gemeinsame Verantwortung der in Frage kommenden Eltern für die Klärung der Vaterschaft des Kindes. Auch der Beteiligte zu 3 hat durch den Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter (offenbar ungeschützt, da er selbst die Vaterschaft für möglich hielt) dazu beigetragen, dass er deshalb als Vater des Kindes in Betracht kam. Die Kindesmutter und der Beteiligte zu 3 als der zunächst in Frage kommende Vater haben sich deshalb an den Gerichtskosten zu beteiligen.
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Dagegen entspricht es vorliegend nicht der Billigkeit, das Kind an den Gerichtskosten zu beteiligen. Das Kind hat einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen - wie hier - auf Grund des Verhaltens anderer Beteiligter Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist, und ergreift kein anderer Beteiligter die Initiative, die Vaterschaft (kostengünstiger) außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Eine Belastung des Kindes mit den daraus entstehenden Kosten entspricht regelmäßig nicht der Billigkeit (Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 5. Aufl., § 81, Rn 15).
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Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist ebenfalls die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten zur Klärung der Vaterschaft zu berücksichtigen. Darüber hinaus entspricht es dem Grundsatz des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu übernehmen hat. Eine Abweichung von diesem Grundsatz bedarf besonderer Begründung (Bahrenfuss/Wittenstein, FamFG, 2. Aufl., § 81, Rn 7).
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Besondere Umstände über die bereits dargelegten Tatsachen hinaus sind hier nicht ersichtlich. Unter Abwägung aller Umstände verbleibt es im vorliegenden Fall bei dem Grundsatz der Nichterstattung von außergerichtlichen Kosten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG.
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Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat sich nach Auffassung des Senates nicht an dem nur für das Hauptsacheverfahren einschlägigen § 47 Abs. 1 FamGKG, sondern am Wert der Kosten erster Instanz zu orientieren, die die Kindesmutter aufgrund der angestrebten Änderung der Kostenentscheidung (nach der Beschwerdebegründung offenbar Befreiung von allen Verfahrenskosten) einspart. Dieser bewegt sich bei einem erstinstanzlichen Geschäftswert von 2.000,00 € unter Berücksichtigung der Gerichts- und Gutachterkosten im Bereich der Gebührenstufe bis zu 900,00 EUR.
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gez. Sauer
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Referenzen
- FamFG § 59 Beschwerdeberechtigte 1x
- FamFG § 64 Einlegung der Beschwerde 1x
- FamGKG § 47 Abstammungssachen 1x
- FamFG § 183 Kosten bei Anfechtung der Vaterschaft 1x
- FamFG § 61 Beschwerdewert; Zulassungsbeschwerde 1x
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 9x
- FamFG § 172 Beteiligte 1x
- FamFG § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde 1x
- FamFG § 169 Abstammungssachen 1x
- FamFG § 63 Beschwerdefrist 1x
- XII ZB 15/13 2x (nicht zugeordnet)