Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg - 1 Ws (RB) 58/17
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Strafkammer 9 des Landgerichts Stendal als kleine Strafvollstreckungskammer vom 20. Oktober 2017 (509 StVK 469/15) aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 10. Februar 2016, festzustellen, dass die am 28. August 2015 durch die Antragsgegnerin erfolgte Ablehnung seines Antrag auf Senkung der Telefonkosten vom 25. Februar 2013 rechtswidrig gewesen sei und ihn in seinen Rechten verletzt habe, als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Mit Bescheid vom 28.08.2015 lehnte die Antragsgegnerin einen auf Senkung der Telefonkosten gerichteten Antrag des Antragstellers vom 25.02.2013 ab, woraufhin dieser zunächst einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte, mit dem Ziel, den Bescheid vom 28.08.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm das Telefonieren zu marktüblichen Preisen zu ermöglichen, hilfsweise, den Antrag vom 25.02.2013 erneut zu bescheiden.
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Nachdem der Antragsteller dann am 27.01.2016 aus der Haft entlassen worden war, beantragte er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.02.2016 die Feststellung, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.08.2015 rechtswidrig gewesen sei und ihn in seinen Rechten verletzt habe. Das nach § 115 Abs. 3 StVollzG erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass er beabsichtige, die Überzahlungen zivilrechtlich zurückzufordern; diesbezüglich sei auch schon ein zivilrechtliches Verfahren anhängig.
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Daraufhin gab die Kammer mit Beschluss vom 24.06.2017 ein Sachverständigengutachten zur Marktüblichkeit der im Zeitraum 01.05.2015 bis 27.01.2016 erhobenen Telefonkosten in Auftrag, wofür über 15.000,00 € an Kosten anfielen. In seinem Gutachten vom 25.01.2017 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Telefonkosten nicht marktüblich gewesen seien.
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Mit Beschluss vom 20.10.2017 stellte die Kammer schließlich fest, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.08.2015 rechtswidrig gewesen sei und den Antragsteller in seinem Rechten verletzt habe. Gegen diese, ihr am 23.10.2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin vom 20.11.2017, welche noch am selben Tage beim Landgericht Stendal einging.
II.
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Die nach § 118 Abs. 1und 2 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 116 Abs. 1 StVollzG). Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg (§§ 166 Nr. 3 JVollzG LSA, 119 Abs. 4 S. 1 und 2 StVollzG), denn der Fortsetzungsfeststellungsantrag des Antragstellers vom 10.02.2016 ist unzulässig.
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Insoweit hält der Senat an seiner bereits im Beschluss vom 14.06.2016, 1 Ws (RB) 24/17) vertretenen Rechtsauffassung fest, wonach die beabsichtigte Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruches kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.d. § 115 Abs. 3 StVollzG begründet. Es mag ja sein, dass das Zivilgericht an eine im Verfahren nach § 109 ff StVollzG erfolgte Feststellung der Rechtswidrigkeit gebunden ist (so BGH, StV 2005, 343 und OLG Celle, ZfStrVo 2004, 55 ff). Ein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit im Verfahren nach § 109 ff StVollzG durch Umstellung des Antrags ergibt sich hieraus aber nicht (OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.11.2012, 2 Ws 633/12, Rn. 13, zitiert nach juris). Wie der Senat bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur Gefangenentelefonie vom 22.04.2016 - 1 Ws (RB) 123/15 - entschieden hat, sind Schadensersatzansprüche von Strafgefangenen gem. Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB nämlich auch dann, wenn diesen ein vollzugliches Verhalten zugrunde liegt, allein im Zivilrechtsweg zu verfolgen (vgl. OLG Hamm, StV 1989, 543 ff; OLG Bremen, Beschl. v. 21.09.1995, Ws 12/95, OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.12.2004, 3 Ws 1055-1058/04, Rn. 21 ff; LG Berlin, STV 1989, 164; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 109, Rn. 2; Kamann / Spaniol in: Fest Lesting, StVollzG, § 109, Rn. 11; § 115, Rn. 68; Schuler / Laubenthal in: Schwind / Böhm / Jehle / Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 109, Rn. 5, 6; § 115, Rn. 16), was auch nicht dadurch umgangen werden kann, dass man einen Schadensersatzanspruch in das Gewand eines Folgenbeseitigungsanspruchs nach § 115 Abs. 2 StVollzG kleidet (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.12.2004, 3 Ws 1055-1058/04, Rn. 23; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 13.11.2008, 2 Ws (Vollz) 194/08, Rn. 15; jeweils zitiert nach juris). Dementsprechend ist es auch nicht zulässig, einen allein im Zivilrechtsweg zu verfolgenden Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch im Verfahren nach § 109 ff StVollzG vorzubereiten (so i.E. zu § 115 Abs. 3 StVollzG auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.11.2012, 2 Ws 633/12, Rn. 13 und OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 429; NStZ 1986, 567 sowie zu § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG KG Berlin, NStZ 1986, 135).
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Selbst wenn man ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.d. § 115 Abs. 3 StVollzG grundsätzlich bejahen würde, entfiele dieses im vorliegenden Fall aber deshalb, weil der bereits am 27.01.2016 aus der Haft entlassene Antragsteller im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.02.2016, in dem auch der Fortsetzungsfeststellungsantrag enthalten war, selbst hat vortragen lassen, dass bereits ein zivilrechtliches Verfahren anhängig sei (vgl. hierzu Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115, Rn. 8, m.w.N.). Bei dieser Sachlage waren ersichtlich keine prozessökonomische Gründe vorhanden, die es hätten rechtfertigen könnten, das bereits anhängige Verfahren nach Erledigung der Hauptsache als Fortsetzungsfeststellungsverfahren vorbereitend für eine Amtshaftungsklage nutzbar zu machen (vgl. zu § 115 Abs. 3 StVollzG OLG Hamm, NStZ 2001, 414; OLG Stuttgart, NStZ 1986, 431, 432; vgl. zu § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG KG, NStZ 1997, 563, NJW-RR 1991, 1085, 1086), sodass für die Kammer jedenfalls aus diesem Grunde keine Veranlassung bestand, nach bereits erfolgter Haftentlassung des Antragstellers mit Beschluss vom 24.06.2016 noch ein Gutachten zur Frage der Marktüblichkeit der Telefonkosten einzuholen, wodurch Kosten i.H.v. über 15.000,00 € entstanden sind, welche der Betroffene im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht seiner Amtshaftungsklage (dazu unten), welche im Zivilprozess zur Versagung der von ihm beantragten Prozesskostenhilfe geführt hat, hätte selbst tragen müssen.
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Selbst wenn man auch dies anders sähe, entfiele das Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedenfalls deshalb, weil die auf Amtshaftung gerichtete Zivilklage offensichtlich aussichtslos ist (vgl. OLG Hamm, NStZ 2001, 414). Allein der Umstand, dass die Klärung der Frage, ob die von der Antragsgegnerin erhobenen Telefonkosten marktüblich waren oder nicht, der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte, zeigt nämlich, dass die etwaige fehlende Marktüblichkeit für die Antragsgegnerin zumindest nicht erkennbar war, sodass es jedenfalls an einem schuldhaften Verstoß gegen die Pflicht der Antragsgegnerin zur Sicherstellung der Gefangenentelefonie zu marktgerechten Preisen fehlt.
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Da keine die vorliegende Fallkonstellation betreffende obergerichtliche Entscheidung ersichtlich ist, in der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht worden ist, bedarf es keiner Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG.
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Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen folgt aus §§ 166 Nr. 3 JVollzGB LSA, 121 Abs. 2 und 3 StVollzG, wobei der Antragsteller im Hinblick auf die Begrenzung der Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin durch die Erkennbarkeit der fehlenden Marktüblichkeit der Telefonkosten (siehe oben) auch die vor seiner Antragsumstellung entstandenen Kosten und Auslagen trägt.
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Der Gegenstandswert wurde gem. §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.
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Lediglich zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die im streitgegenständlichen Kammerbeschluss vom 20.10.2017 enthaltene Prozesskostenhilfebewilligung nicht von der Aufhebung des vorgenannten Beschlusses durch den Senat erfasst ist (vgl. §§ 120 Abs. 2 StVollzG, 127 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO).
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Referenzen
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- 2 Ws (Vollz) 194/08 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ws (RB) 24/17 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 166 Nr. 3 JVollzGB 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- GVG § 121 1x
- §§ 166 Nr. 3 JVollzG 2x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 118 Form. Frist. Begründung 1x
- 2 Ws 633/12 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- StVollzG § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 3x
- § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung 1x
- StVollzG § 115 Gerichtliche Entscheidung 6x
- 1 Ws (RB) 123/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 120 Festsetzung von Zahlungen 1x