Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Strafsenat) - 20 RR 20/16

Tenor

I. Die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 16.09.2015 - 28 Ds 253/15 - wird als unbegründet verworfen.

II. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Rostock hat den Angeklagten mit Urteil vom 16.09.2015 wegen schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG (“Vermummungsverbot“) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

3

Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock hat mit Stellungnahme vom 01.03.2016 beantragt, den Schuldspruch insoweit aufzuheben, als das Amtsgericht den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig gesprochen hat und die Revision im Übrigen zu verwerfen.

II.

4

Die gemäß § 333 StPO statthafte Revision ist auch im Übrigen zulässig, erweist sich jedoch als in vollem Umfang unbegründet. Hinsichtlich der von der Verteidigung ausgeführten Verfahrensrügen verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer o.g. Zuschrift.

5

Auch die Sachrüge greift insgesamt nicht durch. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft begegnet das angefochtene Urteil auch insoweit keinen revisionsrechtlichen Bedenken, als das Tatgericht den Angeklagten tateinheitlich zum schweren Landfriedensbruch wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig gesprochen hat.

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Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes neben einem Vergehen nach den §§ 125, 125a StGB der ebenfalls erfüllte Straftatbestand des § 27 VersG a.F. zurücktritt, da dessen Unrechtsgehalt - das Mitführen von Waffen u.ä. - von der Verurteilung wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall mit erfasst ist (vgl. Beschlüsse vom 21.09.1984, 3 StR 395/84, NJW 1985, 50108.08.1984, 3 StR 302/84; 12.06.1984, 3 StR 228/84; 04.05.1984, 3 StR 126/84, StV 1984, 330; ohne differenzierende Überlegungen zum neuen VersG insoweit auch Fischer, StGB, 63. Aufl. § 125a Rdn. 11 und S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl. § 125a Rdn. 32), kann dies für einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG n.F. keine Geltung beanspruchen, da der Schutzzweck letztgenannter Norm auf die Sicherung der Effizienz behördlicher Ermittlungs- und Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. Lk/v. Bubnoff, StGB, 11. Aufl. § 125 Rdn. 24), jedoch gerade nicht auf die potentielle Gefährlichkeit des Mitsichführens von Waffen (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 3 VersG) als eines mit § 125a Satz 2 StGB identischen Schutzzwecks gerichtet ist.

7

Soweit in der Literatur zum Grundtatbestand des § 125 StGB die Auffassung vertreten wird (Fischer, a.a.O. § 125 Rdn. 22; S/S-Sternberg-Lieben, a.a.O. § 125 Rdn. 31f.; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl. § 125 Rdn. 109 unter Verweis auf LK/v. Bubnoff, 11. Aufl., § 125 Rdn. 24, 27), § 27 Abs. 2 VersG trete als „Vorfelddelikt“ gegenüber dem Grundtatbestand des § 125 StGB insgesamt zurück, vermag der Senat dem jedenfalls für die Verwirklichung von § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG (“Vermummungsverbot“) nicht zu folgen. Die Vorverlagerung des Schutzzwecks des § 125 StGB in das Versammlungsgesetz mit der Folge der Konsumtion des Letzteren betrifft allein den Teil der von § 27 Abs. 1 und 2 VersG erfassten Tatbestandsalternativen, die der Abwehr der Gefahr des Tragens von Waffen oder sonstiger gefährlicher Gegenstände dienen (Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 lit.a.), jedoch gerade nicht das „Vermummungsverbot“ (so tendenziell auch LK/v. Bubnoff a.a.O. Rdn. 27: „diese Tatbestandsalternative steht in engem Zusammenhang mit dem Landfriedensbruch“; vgl. insoweit auch BT-DrS 11/2834, S. 12 re.Sp. “oder eine Aufmachung tragen, die geeignet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern“). Vielmehr verbietet der im Vergleich zu § 125 StGB divergierende Schutzzweck des § 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG die Annahme der Subsidiarität auch hinsichtlich des Grundtatbestands des Landfriedensbruchs.

III.

8

Die Revision des Angeklagten war daher insgesamt als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO), was ungeachtet der von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Teilaufhebung, die in der Sache jedoch auf eine reine Schuldspruchberichtigung hinausgelaufen wäre, möglich ist (Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl, § 349 Rdz. 22; § 354 Rdz. 12ff., 20).

9

Einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof bedurfte es nicht, weil dessen entgegenstehende Rechtsprechung sich auf die frühere Fassung von § 27 VersG bezieht.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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