Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Vergabesenat) - 17 Verg 3/20
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Entscheidung der Vergabekammer vom 20.03.2020 - 3 VK 10/19 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Fall der Wiederholung der Ausschreibung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten ist.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Im Übrigen erfolgt keine Erstattung.
3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 650.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Durchführung von Krankentransporten mit Hubschraubern erfordert nach den §§ 26,17 ff. Rettungsdienstgesetz M-V (RDG M-V) eine Genehmigung. Genehmigungen sind für verschiedene Standorte u.a. der Antragstellerin und den Beigeladenen erteilt. Seit dem 01.05.2019 ist der Intensivtransport gesetzlich als neuer Leistungsbereich geregelt. Gegenstand des Intensivtransportes ist die arztbegleitete Verlegung von Patientinnen oder Patienten unter intensivmedizinischen Bedingungen und von Hochrisikopatientinnen oder -patienten in eine andere Behandlungseinrichtung (Legaldefinition nach § 2 Abs. 4 RDG M-V). Bei Inkrafttreten der Regelung bestehende Genehmigungen berechtigten übergangsweise bis zu deren Auslaufen auch zu Intensivtransporten. Darüber hinaus werden derzeit Intensivtransporte ohne Genehmigung geduldet.
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Der Antragsgegner beabsichtigt, für das Versorgungsgebiet M-V eine Konzession zur Durchführung von Intensivtransporten im Rettungsdienst mit einem Intensivtransporthubschrauber für die Dauer von vier Jahren zu erteilen. Die Bekanntmachung 2019/S 211-518848 vom 31.10.2019 lautet auszugsweise:
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I.3)
Kommunikation
Die Auftragsunterlagen stehen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang
gebührenfrei zur Verfügung unter: https://www.dtvp.de/Satellite/notice/CXP4Y0UDR17/documentsII.2.4)
Beschreibung der Beschaffung:
...Der Konzessionsgeber beabsichtigt die Konzession für den Intensivtransporthubschrauber für 4 Jahre
zu erteilen. Der Konzessionsgeber behält sich ausdrücklich vor, entsprechend der Bedarfsentwicklung
auch während der genannten Laufzeit weitere Konzessionen/Genehmigungen für
Intensivtransporthubschrauber zu erteilen. ...III.1.1)
Befähigung zur Berufsausübung, einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem
Berufs- oder Handelsregister
Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen, Angabe der erforderlichen Informationen und Dokumente:
— E-1.1 Eigenerklärung der Bietergemeinschaft (nur für Bietergemeinschaften),
— E-1.2 Bietereckdaten (A. I. 1 der Anlage 2 der Vergabeunterlagen),
— E-1.3 Eigenerklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen gemäß §§ 123,124 GWB (A. II. 1),
— E-1.6 Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (Führungszeugnis) (A. II. 2),
— Auszug aus dem Gewerbezentralregister und dem Wettbewerbsregister (vorzulegen erst vor
Zuschlagserteilung) (A. II. 3),
— E-1.7 Berufs- oder Handelsregisterauszug (A. III. 1),
— E-1.8 Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister für die Piloten (A. II. 4),
— E-1.9 Allgemeinerlaubnis des Luftfahrtbundesamtes (A. III. 2),
— E-1.10 Betriebsgenehmigung des Luftfahrtbundesamtes für das Luftfahrtunternehmen (A. III. 3),
— E-1.11 Luftverkehrsbetreiberzeugnis (A. III. 4),
— E-1.11a Betriebsgenehmigung der Landesluftfahrtbehörde für den Stationsstandort (A. III. 5).III.1.2)
Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit
Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien, Angabe der erforderlichen Informationen und Dokumente:
— E-1.12 Eigenerklärung zu Umsatzzahlen (A. IV. 1),
— E-1.13 Jahresabschlüsse 2017 und 2018 (A. IV. 2),
— E-1.14 Versicherungsnachweise (A. IV. 3).III.1.3)
Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien, Angabe der erforderlichen Informationen und Dokumente:
— E-1.4 Liste der für Eignungsleihe herangezogenen Nachunternehmer (nur bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe),
— E-1.5 Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen für den Fall der Eignungsleihe
(nur bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe),
— E-1.15 Referenz (A. V. 1),
— E-1.16 Formblatt Zur Führung der Geschäfte bestellte Personen (A. V. 2),
— E-1.17 Nachweise der fachlichen Eignung der zur Führung der Geschäfte bestellten Personen (A. V. 3),
— E-1.18 Formblatt Personalbedarfsberechnung (A. V. 4),
— E-1.19 Formblatt Beschäftigtenzahlen (A. V. 5),
— E-1.20 Formblatt Intensivrettungshubschrauber und Betriebslizenz der Werft sowie aktuelle
Bescheinigung der Lufttüchtigkeitsprüfung (A. V. 6),
— E-1.21 Stationsplan (A. V. 7).
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Aufgrund von diversen Bieterfragen und Rügen erfolgten vier Korrekturbekanntmachungen (13.11.2019, 04.12.2019, 22.01.2020, 07.02.2020), die insbesondere die Angebotsfrist und den voraussichtlichen Leistungszeitraum betrafen, zudem eine Ergänzung der Eignungsanforderungen unter III.1.3 (“E-1.18a Angaben zur Deckung des Personalbedarfssolls (A. V. 4)“) und weitere Änderungen. In der Leistungsbeschreibung ist angegeben, die Hubschrauber müssten die Anforderungen nach DIN EN 13718-1 und 13718-2 erfüllen. Zunächst war zudem - nach Anpassung wegen Redaktionsversehens auf Bieterfrage Nr. 28 - formuliert, es werde angestrebt, einen Hubschrauber des Typs H 145 oder gleichwertig einzusetzen. Ein H 145 oder gleichwertig solle bei der Bewertung 100 Punkte erhalten, ein H 155 oder gleichwertig 80 Punkte und andere Hubschraubertypen 60 Punkte. Die Rangfolge folge der Einschätzung des Konzessionsgebers über die Geeignetheit im Hinblick auf den verfügbaren Innenraum, die Reichweite und die Anforderungen an die Landeplätze. Nach weiteren Änderungen lautet die Formulierung in der Leistungsbeschreibung nunmehr:
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Der eingesetzte Intensivhubschrauber muss für das medizinische Personal und gegebenenfalls erforderliche zusätzliche medizinische Geräte mindestens über den Platz verfügen, wie er in einem Intensivtransporthubschrauber des Typs H 145 zur Verfügung steht. ...
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Als Ersatzhubschrauber muss ein Intensivtransporthubschrauber zur Verfügung stehen, der für das medizinische Personal und gegebenenfalls erforderliche zusätzliche medizinische Geräte mindestens über den Platz verfügt, wie er in einem Intensivtransporthubschrauber des Typs H 145 vorhanden ist.
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Eine abgestufte Bewertung ist in der Bewertungsmatrix nicht mehr vorgesehen. In der letztmalig bis zum 21.02.2020 verlängerten Angebotsfrist gaben beide Beigeladene, nicht aber die Antragstellerin ein Angebot ab.
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Die Antragstellerin ließ unter dem 10.11.2019 anwaltlich die grundsätzliche Zulässigkeit des Vergabeverfahrens rügen (Anlage BF8 GA II 1). Sie vertrat die Auffassung, der Intensivtransport mit Rettungshubschraubern sei einer Ausschreibung nicht zugänglich. Es handele sich nicht um eine Dienstleistungskonzession, weil es am Merkmal der Betrauung, der wechselseitigen Verpflichtungen und der Entgeltlichkeit fehle. Die Genehmigung des Intensivtransports mit Rettungshubschraubern sei ein gebundener Verwaltungsakt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen bestehe Anspruch auf Erteilung, wenn der Versagungsgrund des § 18 Abs. 2 Rettungsdienstgesetz M-V nicht greife. Weil sie als Erste die Genehmigung beantragt habe, werde durch die Genehmigung der öffentliche Rettungsdienst nicht beeinträchtigt. Erst bei weiteren Anträgen müsse die Frage der Kapazität beachtet werden. Es gelte insoweit das Prioritätsprinzip.
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Mit Schreiben ihrer nunmehrigen Bevollmächtigten vom 22.11.2019 (GA II 5) ließ die Antragstellerin zahlreiche weitere vermeintliche Vergaberechtsverstöße rügen, insbesondere hinsichtlich der Zulässigkeit und Bekanntgabe der Eignungskriterien und weiterer Anforderungen. Zudem gehe es nicht um eine Dienstleistungskonzession, sondern um eine Rahmenvereinbarung. Mit Schreiben vom 27.11.2019 (GA II 40) ließ sie die Vorgabe eines Hubschraubermodells rügen, bevor sie mit Schreiben vom 30.12.2019 (GA II 42) weitere Fragen stellen ließ. Bereits unter dem 28.11.2019 hat sie Nachprüfungsantrag stellen lassen (Anlage BF10 GA II 48) und die Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens beantragt. Sie wolle ein wertungsfähiges Angebot abgeben, sehe sich aber durch die Vergabeunterlagen daran gehindert.
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Mit Beschluss vom 20.03.2020 hat die Vergabekammer dem Antragsgegner aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren beginnend mit der Bekanntmachung zu wiederholen. Auf die Entscheidung wird wegen der Feststellungen und der Anträge Bezug genommen. Zur Begründung hat die Vergabekammer im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Das fehlende Angebot sei kein zwingendes Indiz dafür, dass die Antragstellerin sich nicht ernsthaft auf die Konzession bewerben wolle. Diese Vermutung des Antragsgegners finde in der Vergabeakte und den Schriftsätzen der Antragstellerin keine Stütze.
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In der Sache sei der Nachprüfungsantrag begründet, weil die Eignungskriterien entgegen § 122 Abs. 4 S. 2 GWB nicht in der Auftragsbekanntmachung, sondern erst in den Vergabeunterlagen aufgeführt seien. Zudem seien die Voraussetzungen für den Vorbehalt einer weiteren Konzessionserteilung bei entsprechender Bedarfsentwicklung nicht eng genug gefasst. Schließlich sei die Dokumentation hinsichtlich der Gründe für bestimmte, den Wettbewerb verengende Entscheidungen im Vergabeverfahren unvollständig, dies könne aber nachgeholt werden. Zwar sei nach dem Vorbringen im Nachprüfungsverfahren davon auszugehen, dass eine Verengung des Wettbewerbs nicht ohne gut erwogene Gründe in Kauf genommen sei. Dies müsse sich allerdings zur Wahrung der Transparenz in der Vergabeakte niederschlagen. Die Vergabestelle müsse deshalb den konkreten Ablauf des Vergabeverfahrens aktenmäßig festhalten, zunächst den Gegenstand und Wert der Konzession, sodann die den Wettbewerb verengenden Entscheidungen zu Leistungsgegenstand, Binde- und Ausführungsfristen, Beleg über eine Auskunft der Kostenträger, Erfordernis der Namensnennung, Mindestgröße der Hubschrauber, Offenlegung der Interessenkonflikte. Hinsichtlich der Interessenkonflikte sei der mit Schriftsatz vom 10.02.2020 eingereichte Vermerk nicht ausreichend. Die weiteren Rügen der Antragstellerin seien unzulässig bzw. unbegründet.
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Gegen den am 25.03.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 08.04.2020 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde.
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Er macht geltend, die Antragstellerin sei bereits nicht antragsbefugt. Sie habe offensichtlich kein Interesse an der Auftragserteilung, sondern wolle das Vergabeverfahren zu Fall bringen oder zumindest längstmöglich hinauszögern. Offenbar wolle sie den derzeitigen Zustand perpetuieren, in dem sie Intensivtransporte durchführen dürfe, aber keine Übernahme- und Bereitstellungspflicht habe. Dies genüge den Sicherstellungsanforderungen im Rahmen der Daseinsvorsorge nicht. Die Verhinderung des Vergabeverfahrens sei jedoch kein im Sinn des § 160 GWB statthaftes Ziel eines Nachprüfungsantrags.
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Hinsichtlich der Bekanntmachung der Eignungskriterien sei der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig gewesen, weil ein drohender Schaden weder dargelegt noch sonst erkennbar sei. Auch materiell sei es zulässig, die in der Bekanntmachung aufgeführten Eignungsanforderungen in den Vergabeunterlagen weiter zu präzisieren. Die Standardformulare ließen maximal 4.000 Zeichen zu. Selbst wenn die Bekanntmachung teilweise unzureichend gewesen wäre, habe die Vergabekammer anstelle der Zurückversetzung des Verfahrens nur anordnen dürfen, dass unzureichend bekannt gemachte Anforderungen keine Berücksichtigung finden dürften.
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Der Vorbehalt weiterer Konzessionserteilungen während der Laufzeit stelle kein unzumutbares Risiko dar. Es fehle bereits an einem Vertrauen auf ein bestimmtes Mindestaufkommen. Ein wirtschaftliches Risiko bestehe im Übrigen gar nicht, weil die Vergütung durch den Kostenträger unabhängig von der Fallzahl kostendeckend sein müsse. Dies umfasse Gemein- und Vorhaltekosten. Eine Besitzstandswahrung sei auch faktisch nicht möglich. Ereignisbedingt (zB Großereignisse, Pandemie) könne es auch temporär zu Bedarfserhöhungen kommen, die nach der Entscheidung der Vergabekammer nicht abgedeckt werden könnten. Zu einer Anpassung der Kapazitäten sei er auch gesetzlich nach § 8 Abs. 1 RDG M-V verpflichtet.
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Auch ein Verstoß gegen Dokumentationspflichten liege nicht vor.
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Der Antragsgegner beantragt,
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1. den Beschluss der Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern, 3. Vergabekammer, vom 19.03.2020 zum Aktenzeichen 3 VK 10/19 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
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2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners für notwendig zu erklären,
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3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung seitens des Antragsgegners aufzuerlegen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1. die Beschwerde zurückzuweisen,
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2. die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Ihr Interesse an der Konzession habe sie durch die verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die Rügeschreiben und den Nachprüfungsantrag deutlich gemacht. An einer Angebotsabgabe habe sie sich aufgrund der Vergabeunterlagen gehindert gesehen. Sie sei in der Lage, die verfahrensgegenständlichen Leistungen anzubieten.
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Die Eignungskriterien seien fehlerhaft bekannt gemacht. Die Rüge sei zulässig, weil - auch ohne konkrete Angabe, sie erfülle einzelne dieser Kriterien nicht - ein Schaden nicht ausgeschlossen sei. Die Bekanntgabe genüge § 122 Abs. 4 S. 2 GWB nicht.
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Der Vorbehalt einer weiteren Konzessionserteilung sei unzulässig. Eine Kalkulation sei auf dieser Basis nicht möglich. Eine weitere Konzession könne die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin gefährden.
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Zutreffend sei die Vergabekammer auch von einem Verstoß gegen Dokumentationspflichten ausgegangen (produktneutrale Ausschreibung in Bezug auf erläuternden Vermerk in den Vergabeakten, Interessenkonflikte, allgemeine Dokumentation). Auch weitere Bereiche seien unzureichend dokumentiert (produktneutrale Ausschreibung, Begründung für Binde- und Ausführungsfristen, Beleg über Auskunft der Kostenträger, Erfordernis der Namensnennung, Mindestgröße der Hubschrauber, Offenlegung von Interessenkonflikten). Eine produktneutrale Ausschreibung verbiete die Angabe eines bestimmten Hubschrauber-Typs oder einer Mindestgröße. Geeignet sei ein Hubschrauber, der bezüglich Flugleistung, Abmessungen und medizinischer Ausrüstung/Ausstattung den Anforderungen an die DIN-Norm entspricht. Eine Übererfüllung der DIN-Normen bedinge Einschränkungen. Eine Nachholung der Dokumentation sei nicht erfolgt. Es sei auch nicht beantwortet, ob der Hubschrauber der Antragstellerin MD 900/902 MD Explorer Performance Class 1 CAT A den Anforderungen genüge. Die Binde- und Ausführungsfristen seien rechtswidrig. Die Mitwirkung der Kostenträger müsse mit Blick auf das wirtschaftliche Risiko dokumentiert werden. Eine Namensnennung der Piloten dürfe nicht verlangt werden. Interessenkonflikte seien nicht offengelegt.
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Mit Schriftsatz vom 29.06.2020 teilt der Antragsgegner mit, er habe am 20.03.2020 eine ergänzende Dokumentation zur Anzahl der Intensivtransporthubschrauber, zum Standort, zum Hubschraubertyp, zum Vorbehalt einer weiteren Konzession, zu den Angebots- und Bindefristen und zur namentlichen Benennung der Piloten vorgenommen. Darüber hinaus werde nunmehr die Auskunft der Kostenträger über die Kosten der Intensivtransporte in den Jahren 2015 bis 2018 zur Akte gereicht, allerdings mit einem Sperrvermerk nach § 165 Abs. 2 GWB versehen.
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Nach der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2020 hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24.07.2020 ergänzend ausgeführt und vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf den zur Akte gelangten Schriftsatz verwiesen.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach Zustellung vom 25.03.2020 am 08.04.2020 und damit innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 172 Abs. 1 GWB eingelegt. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, weil der Nachprüfungsantrag teilweise zulässig und begründet ist und die angeordnete Zurückversetzung im Rahmen der §§ 168, 178 GWB rechtfertigt.
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1. Ein Nachprüfungsantrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller ein Interesse an der Konzession hat (§ 160 Abs. 2 S. 1 GWB). Das Interesse bekundet ein Bieter in der Regel durch Abgabe eines Angebots. Ohne ein solches ist der Antrag nur zulässig, wenn angesichts der reklamierten Vergaberechtsverstöße - als zutreffend unterstellt - die Ausarbeitung eines Angebots unmöglich war oder sich als ein nutzloser Aufwand dargestellt hätte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. September 2003 – VII-Verg 26/03 –, Rn. 5, juris).
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Die Antragstellerin hat mit Rügeschreiben vom 10.11.2019 die Ausschreibung als solche gerügt und geltend gemacht, ihr müsse eine Genehmigung außerhalb eines Vergabeverfahrens erteilt werden. Auf dieser Grundlage hätte sie kein Interesse gerade an der Konzession. Insoweit wird vertreten, ein Nachprüfungsantrag dürfe nicht allein auf die Verzögerung oder Verhinderung der Vergabe abzielen (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB (Stand: 27.03.2020), Rn. 61_1; aA VK Bund v. 15.05.2018 - VK 1 - 41/18). Letztlich kann die Zulässigkeit einer solchen Zielsetzung - ggf. beschränkt auf die Geltendmachung der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Vergabe, um den eigenen Genehmigungsanspruchs zu sichern - offen bleiben. Denn bereits mit Schreiben vom 22.11.2019 und auch im Nachprüfungsantrag macht die Antragstellerin geltend, sie wolle ein Angebot abgeben und sehe sich hieran nur durch rechtswidrige Vergabebedingungen gehindert. Für die Antragsbefugnis genügt dies.
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2. Im Weiteren setzt die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags voraus, dass die Antragstellerin darlegt, ihr sei gerade durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden bzw. drohe zu entstehen (§ 160 Abs. 2 S. 2 GWB). Zudem muss sie den Vergabeverstoß rechtzeitig gerügt haben (§ 160 Abs. 3 GWB). Beide Voraussetzungen beziehen sich insoweit auf die einzelnen Rügen. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit im Rahmen des auf dieser Grundlage zulässigen Antrags eine Verletzung des Vergaberechts tatsächlich vorliegt.
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a) Hinsichtlich der Bekanntmachung der Eignungskriterien ist die Nachprüfung danach bereits unzulässig.
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Zwar erfolgte die Rüge innerhalb der Angebotsfrist und damit rechtzeitig (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB). Für ein früheres Erkennen des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB) bestehen keine Anhaltspunkte.
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Allerdings zeigt die Antragstellerin nicht auf, sie erfülle einzelne Eignungsanforderungen nicht bzw. habe sie nicht oder nicht rechtzeitig erkannt und ihre Zuschlagchancen seien dadurch verschlechtert. Auf dieser Grundlage ist nicht zu erkennen, ihr drohe durch unzureichend bekannt gemachte Anforderungen ein Schaden (§ 160 Abs. 2 S. 2 GWB). Die Situation unterscheidet sich grundlegend von derjenigen nach Ausschluss eines Bieters wegen Nichterfüllung fehlerhaft bekanntgemachter Eignungsanforderungen. Während in jener Konstellation ein drohender Schaden auf der Hand liegt, fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten einer Benachteiligung der Antragstellerin. Von der Darlegung eines drohenden Schadens gerade durch die unzureichende Bekanntmachung ist sie nicht befreit. Dies gilt unabhängig davon, ob der Nachprüfungsantrag in Bezug auf andere Rügen zulässig ist. Eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle ohne Rücksicht auf eine Beeinträchtigung der Antragstellerin ist auch dann nicht eröffnet.
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Im Hinblick auf eine eventuell anstehende Neubekanntmachung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass zwar einzelne Eignungskriterien hinreichend in der Bekanntmachung „aufgeführt“ (§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB) sein dürften und allenfalls noch punktueller - zulässiger - Konkretisierungen bedürfen, andere Eignungskriterien allerdings in der Bekanntmachung lediglich „anklingen“, wiederum andere überhaupt erst durch die weitergehende Erläuterung in den Vergabeunterlagen verständlich werden und gegen den „analogen“ Verweis auf diese Teile der Vergabeunterlagen ohne Direktlink („Deeplink“) Bedenken bestehen könnten (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 24/18 –, Rn. 49, 53, 56, juris; Beschluss vom 16. November 2011 – Verg 60/11 –, Rn. 18, juris; Beschluss vom 23. Juni 2010 – Verg 18/10 –, Rn. 32, juris; OLG München, Beschluss vom 25. Februar 2019 – Verg 11/18 –, Rn. 58, juris; BKartA Bonn, Beschluss vom 04. Oktober 2019 – VK 1 - 73/19 –, Rn. 40, 44, juris; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 GWB (Stand: 23.01.2020), Rn. 53, 54_7, 54_9; großzügiger OLG Dresden, Beschluss vom 15. Februar 2019 – Verg 5/18 –, Rn. 17, juris). Fehlen hinsichtlich einzelner Merkmale die erforderlichen Angaben in der Auftragsbekanntmachung, sind die Eignungsanforderungen nicht wirksam aufgestellt und die Nachweise nicht wirksam gefordert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 24/18 –, Rn. 58, juris). Sie können dann bei der Eignungsbeurteilung keine Berücksichtigung finden.
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b) Die Nachprüfung betreffend den Vorbehalt weiterer Konzessionserteilungen während der Laufzeit ist zulässig (aa), aber unbegründet (bb).
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aa) Zutreffend führt die Vergabekammer aus (S. 34 f. des Beschlusses), dass der Vorbehalt weiterer Konzessionserteilungen während der Laufzeit kalkulationsrelevant ist, weil durch eine Aufteilung auf mehrere Unternehmen das Transportaufkommen des Konzessionärs sinken könnte, also weniger Flugzeit zur Verfügung stünde, um die Kosten zu amortisieren und Gewinne zu erwirtschaften. Auf dieser Grundlage musste die Antragstellerin ein Angebot nicht abgeben. Ist der Vorbehalt vergaberechtswidrig, würde er die Zuschlagchancen der Antragstellerin insoweit verschlechtern.
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bb) Mit Blick auf die Kalkulationsrelevanz erscheint auf den ersten Blick plausibel, dass die Vergabekammer engere Vorgaben für die Ausübung des Vorbehalts verlangt. Allerdings führt der Vorbehalt tatsächlich nicht zu einer Änderung der Rechtslage, sondern hat nur deklaratorische Bedeutung. Bereits aus dem RDG M-V ergibt sich, dass der Krankentransport durch den Antragsgegner sicherzustellen ist. Die gesetzliche Regelung wird durch die Vergabe nicht berührt, sie gilt auch nach Erteilung der Konzession. Der bundesrechtlichen Vorschrift des § 97 GWB steht die landesrechtliche Regelung abweichend von der Auffassung der Antragstellerin nicht im Sinn des Art. 31 GG entgegen. § 18 Abs. 2 RDG M-V lautet (Hervorhebung nur hier):
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Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass durch ihren Gebrauch der öffentliche Rettungsdienst beeinträchtigt wird. Hierbei sind insbesondere die bedarfsgerechte Vorhaltung und Auslastung im Rettungsdienstbereich, vor allem die Einsatzzahlen, die Eintreffzeiten, die Einsatzdauer und die Entwicklung der Kosten- und Ertragslage zu berücksichtigen. Zur Feststellung der Auswirkungen früher erteilter Genehmigungen soll die Genehmigungsbehörde vor der Entscheidung über neue Anträge einen Beobachtungszeitraum einhalten. Der Beobachtungszeitraum soll höchstens ein Jahr seit der letzten Erteilung einer Genehmigung betragen. Satz 3 und 4 gelten nicht für die Wiedererteilung abgelaufener Genehmigungen, wenn der Genehmigungsumfang und der Einsatzbereich unverändert bleiben.
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Danach ergeben sich einerseits Einschränkungen für die Befugnis, weitere Konzessionen bzw. Genehmigungen zu erteilen: Transportaufträge dürfen dem Konzessionär nicht schrankenlos entzogen werden. Andererseits verpflichtet die Regelung den Antragsgegner zur Erteilung weiterer Genehmigungen, wenn der Konzessionär die Transporte - wegen steigender Fallzahlen oder aus sonstigen Gründen - nicht mehr vollständig absichern kann.
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Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass - anders als bei einer bloßen Genehmigung - mit der Ausschreibung eine Betriebspflicht verbunden ist. Auch dies ist im Rahmen des § 18 Abs. 2 RDG M-V bei der Erteilung weiterer Genehmigungen zu berücksichtigen. Ein unzumutbares Risiko oder eine unangemessene Risikoverteilung stellt dies nicht dar.
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Auf dieser Grundlage kann offen bleiben, ob - wie der Antragsgegner ausführt - die Gemein- und Vorhaltekosten ohnehin unabhängig von den Fallzahlen durch den Kostenträger zu vergüten sind und schon deshalb das wirtschaftliche Risiko begrenzt wird. Demgegenüber ist das Argument des Antragsgegners, es fehle bereits an einem Vertrauen auf ein bestimmtes Mindestaufkommen, zweifelhaft. Eine Einflussnahme des Antragsgegners auf die Zuweisung ginge über natürliche Schwankungen des Flugaufkommens hinaus.
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c) Die vermeintlich unzureichende Dokumentation eröffnet bei isolierter Betrachtung nicht die Nachprüfung. Dokumentationsmängel im Vergabevermerk beinhalten in der Regel per se noch keine Rechtsverletzung (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB (Stand: 27.03.2020), Rn. 91), Dokumentationspflichten sind kein Selbstzweck. Sie werden erst dann relevant, wenn wegen der unzureichenden Dokumentation nicht nachvollzogen werden kann, ob die Rechte der Bieter verletzt sind. Auf Dokumentationsmängel kommt es deshalb lediglich im Zusammenhang mit den einzelnen Rügen an.
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d) Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich der aktuellen Fassung der Leistungsbeschreibung zulässig (aa) und begründet (bb).
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aa) Zweifel an der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags in Bezug auf die Frage der produktneutralen Ausschreibung resultieren zwar daraus, dass die Antragstellerin nicht konkret aufzeigt, ihr Hubschrauber MD 900/902 MD Explorer Performance Class 1 CAT A genüge den gestellten Anforderungen im Hinblick auf den verfügbaren Innenraum nicht und deshalb drohe ihr ein Schaden. Allerdings ist dieser in einzelnen Spezifikationen etwas kleiner als ein H 145 (Rotordurchmesser 10,34 m gegenüber 11 m, Abfluggewicht 2,948 t gegenüber 3,585 t) und hat der Antragsgegner die Bieterfrage zur Gleichwertigkeit dieses Modells - zu recht - nicht beantwortet. Es ist auch nicht dokumentiert, ob mit der Ausschreibung über die §§ 15 Abs. 5 RDPVO M-V, 3 Abs. 3, 18 Abs. 1 Nr. 3 RDG M-V in Verbindung mit DIN EN 13718-1 und EN 13718-2 hinausgehende Anforderungen gestellt sind. Hiervon ist indes auszugehen, weil die Angabe der Mindestgröße sonst überflüssig wäre und in der ersten Korrekturfassung der Bewertungsmatrix ein H 145 mit 100 Punkten, ein anderer DIN-konformer Hubschrauber nur mit 60 Punkten bewertet werden sollte. Insoweit besteht für die Antragstellerin eine Unsicherheit hinsichtlich der Gleichwertigkeit und ist eine Verschlechterung der Zuschlagchancen nicht auszuschließen. Dies genügt für die Zulässigkeit. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin gar kein Angebot abgab. Die Erstellung eines Angebots mit einem ggf. vergaberechtswidrig geforderten, größeren Hubschrauber wäre ein unnützer und damit unzumutbarer Aufwand gewesen.
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bb) Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er beschaffen will. Solange er dabei die Grenzen beachtet und nicht - offen oder versteckt - ein bestimmtes Produkt bevorzugt und andere Anbieter diskriminiert, ist er bei dieser Bestimmung im Grundsatz weitgehend frei. Er bestimmt über die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden technischen und ästhetischen Anforderungen. Es ist grundsätzlich keine Markterforschung oder Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist; die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschluss vom 17. Juli 2019 – 17 Verg 1/19 –, Rn. 59, juris mwNachw.).
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Mit der Vergabekammer (S. 33 f. des Beschlusses) ist die Leistungsbeschreibung dahin zu verstehen, dass lediglich eine bestimmte Mindestgröße des Hubschraubers vorgesehen ist. Eine gegen § 15 Abs. 3 S. 1 KonzVgV verstoßende produktgebundene Ausschreibung liegt darin nicht, weil gerade nicht ein bestimmter Hubschraubertyp verlangt wird, sondern nur Vorgaben hinsichtlich des verfügbaren Raums gemacht werden. Die Vorgaben bedeuten auch keine faktische Einschränkung auf nur einen Typ. Vielmehr werden die Anforderungen von mehreren Hubschraubern erfüllt.
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Insoweit kommt es lediglich darauf an, ob sich die Vorgabe im Rahmen des weiten, von den Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüfbaren Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers bewegt. Dabei ist - wie oben unter aa) ausgeführt - davon auszugehen, dass die Leistungsbeschreibung hinsichtlich des verfügbaren Raums über die DIN-Anforderungen hinausgeht und die Ausschreibung deshalb zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führt. Zwar handelt es sich bei dem verfügbaren Innenraum offensichtlich um eine sachbezogene Anforderung. Es fehlt aber an einer Dokumentation der Erwägungen, so dass nicht festgestellt werden kann, eine Einengung des Wettbewerbs liege entweder gar nicht vor, sie entspreche den objektiven Mindestanforderungen oder - insoweit entgegen der Auffassung des Antragsgegners - die Begründung für die strengere Anforderung sei zumindest nachvollziehbar. Der Vergabevermerk enthält unter Nr. 10 ausdrücklich keine Gründe für die Vorgabe. Die Angabe in der aktuellen Leistungsbeschreibung, die Mindestgröße sei wegen der personellen und materiellen Ausstattung notwendig, genügt in dieser Pauschalität - davon ist bereits die Vergabekammer auf Seite 34 des Beschlusses (es fehle ein erläuternder Vermerk) ausgegangen - nicht. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Anlage BF12 ist ebenfalls zu pauschal und zudem nicht plausibel, also ebenfalls nicht nachvollziehbar. In diesem auf den 20.03.2020 und damit nach Ablauf der Angebotsfrist datierten, mehr als drei Monate später zur Gerichtsakte gereichten Vermerk ist ausgeführt, bei dem H 145 handele es sich um den am häufigsten für Intensivtransporte verwendeten Hubschrauber, gegenüber als Rettungshubschraubern teilweise eingesetzten kleineren Modellen zeichne er sich durch mehr Platz zur Behandlung/Versorgung der Patienten und zur Unterbringung ggf. erforderlicher Zusatzgeräte aus, das Platzangebot werde daher auch von erfahrenen Begleitärzten als für eine optimale Versorgung erforderlich angesehen, zudem verfügten Hubschrauber dieser Klasse bereits über eine erhöhte Reichweite und höhere Nutzlast, die Vorgabe entspreche auch den Anforderungen in vergleichbaren Vergabeverfahren. Hinsichtlich der Reichweite und der Nutzlast werden Vorgaben in der Leistungsbeschreibung aber gar nicht gemacht, ggf. mag es auch größere Modelle geben, die eine geringere Reichweite aufweisen, und kleinere mit größerer Reichweite und Nutzlast. Auch sind Grundlagen dieser Erkenntnisse nicht angegeben, Einschränkungen bei den Landeplätzen mit zeitrelevanten Auswirkungen auf die Landtransportwege der Intensivpatienten offenbar nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für das Platzangebot. Es mag zwar sein, dass das Platzangebot angenehm, vielleicht sogar erforderlich ist. Es fehlen aber fundierte Angaben zur Größe und den Quellen. In ihrer Pauschalität erscheint die Begründung nicht nachvollziehbar, vielmehr ist nicht auszuschließen, dass durch den im Verfahren nachgeholten Vermerk lediglich die Ausschreibung „gerettet“ werden sollte. Bei der im Rahmen der Nachholung von Dokumentationen erforderlichen Abwägung zwischen dem Transparenzgebot und dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz (dazu Senat, Beschluss vom 06. Februar 2019 – 17 Verg 6/18 –, Rn. 42, juris; BGH, Beschluss vom 08. Februar 2011 – X ZB 4/10 –, BGHZ 188, 200-233, Rn. 73; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. November 2018 – Verg 31/18 –, Rn. 46 - 47, juris; Schneevogl in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 97 GWB, Rn. 51) erscheint auf dieser Grundlage eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung nicht hinreichend gewährleistet. Wollte man derart nachgeholte Dokumentationen - tatsächlich ergibt sich mit Blick auf die mehrfache Änderung der Leistungsbeschreibung und die erstmalige Dokumentation sogar der Eindruck, die Überlegung zur Leistungsbestimmung selbst und nicht nur deren Dokumentation sei nachgeholt worden - genügen lassen, würde einer willkürlichen, dem Wettbewerbsgrundsatz zuwider laufenden Leistungsbestimmung keinerlei Korrektiv gegenüberstehen und der Rechtschutz durch die Nachprüfungsinstanzen in dieser Beziehung weitgehend leerlaufen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist der Senat auch nicht im Rahmen der Amtsermittlung gehalten, die unzureichende Dokumentation selbst nachzuholen bzw. durch Beauftragung eines Sachverständigen zu klären, ob die Leistungsbestimmung wenigstens objektiv nachvollziehbar ist.
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Das ergänzende Vorbringen des Antragsgegners nach der mündlichen Verhandlung ist nicht zu berücksichtigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 15. November 2007 – Verg 10/07 –, Rn. 43, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 07. August 2007 – 11 Verg 3/07 –, Rn. 81, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019 – VII-Verg 66/18 –, Rn. 67, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 06. April 2005 – 1 Verg 1/05 –, Rn. 55, juris; Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 175 Rn. 10) und bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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e) Hinsichtlich der Binde- und Ausführungsfrist ist die Nachprüfung zulässig, aber unbegründet.
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Soweit die Antragstellerin die Bindefrist bis zum 30.09.2020 als zu lang beanstandet, ist mit der Vergabekammer (Seite 29 f. des Beschlusses) davon auszugehen, dass der Dauer vergaberechtliche Bedenken nicht entgegenstehen. Der Vertragsbeginn war nicht fix festgelegt, sondern lediglich angestrebt, und mit Verzögerungen war - auch nach Einschätzung der Antragstellerin - zu rechnen. Der tatsächliche Ablauf des Vergabeverfahrens, in dem bis heute ein Zuschlag nicht hat erteilt werden können, belegt, dass die Frist nicht zu lang bemessen ist.
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Hinsichtlich der als zu knapp bemessen gerügten Ausführungsfrist ist die Vergabekammer (Seite 30 des Beschlusses) davon ausgegangen, durch Beantwortung der Bieterfrage Nr. 16, es werde eine Ausführungsfrist von 2,5 Monaten gewährleistet, sei der Rüge abgeholfen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, diese Frist sei zu kurz, zumal die Antragstellerin entsprechende Leistungen bereits ausführt und die ausgeschriebenen Leistungen von ihrem derzeitigen Standort erbringen dürfte, so dass sie hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
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f) Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin einwendet, die Mitwirkung der Kostenträger habe mit Blick auf das wirtschaftliche Risiko dokumentiert werden müssen. Die Antragstellerin zeigt nicht auf, ihr seien kalkulationsrelevante Informationen vorenthalten oder der Antragsgegner sei von unzutreffenden Zahlen ausgegangen. Dann ist aber nicht ersichtlich, inwieweit ihr ein Schaden drohen soll. Insoweit kommt es auf die nunmehr zur Akte gelangte, mit einem Sperrvermerk versehene Auskunft des Kostenträgers nicht an.
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g) Hinsichtlich der geforderten Namensnennung der Piloten ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.
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Den Ausführungen der Vergabekammer (Seite 19 ff. des Beschlusses) ist zu folgen. Die Ausschreibung ist nicht dahin auszulegen, die Piloten müssten bereits bei Angebotsabgabe vertraglich gebunden sein. Eine solche Vorgabe wäre unzulässig. Kann aber bei den zu vergebenden Dienstleistungen, für die auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Mitarbeitern zur Verfügung steht, von einer jederzeitigen Verfügbarkeit nicht ohne weiteres ausgegangen werden, bedarf es der konkreten Darlegung, aus welchen Gründen dem Bieter das zur Auftragserfüllung erforderliche Personal bei Vertragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019 – VII-Verg 52/18 –, Rn. 48, juris). Mit diesen Erwägungen steht es im Einklang, bereits bei Angebotsabgabe die Namen der Piloten und Auszüge aus dem Verkehrszentralregister zu verlangen. Anlass zur Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof besteht nicht. Eine Bevorzugung des Ansässigen bzw. des „Vertragsinhabers“ zulasten der Antragstellerin liegt in der Anforderung im Übrigen bereits deshalb nicht, weil auch sie entsprechende Leistungen bereits erbringt und die ausgeschriebenen Leistungen vom bisherigen Standort aus erbringen dürfte.
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h) Die Antragstellerin beanstandet, Mitarbeiter von Konkurrenten (ein Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1, ein Mitarbeiter eines nicht am Verfahren beteiligten Konkurrenten) seien an einer dem Vergabeverfahren vorgeschalteten Arbeitsgruppe Luftrettung beteiligt gewesen und hätten sich in Einzelfragen mit der Beigeladenen zu 2 abgestimmt, dies habe mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte offengelegt werden müssen.
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Die Nachprüfung ist hier bereits unzulässig. Die Arbeitsgruppe und ihr Tätigkeitsfeld sind bereits auf Seite 3 der Leistungsbeschreibung aufgeführt. Jedenfalls jetzt ist auch bekannt, wer daran mitgewirkt hat.
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Der Antrag bliebe auch ohne Erfolg, würde er tatsächlich nicht auf die Dokumentation der Beteiligung an der Arbeitsgruppe abzielen, sondern auf den Ausschluss von Konkurrenten wegen Vorbefasstheit. Den ablehnenden Ausführungen der Vergabekammer (Seite 37 f. des Beschlusses) ist insoweit zu folgen. § 5 KonzVgV trifft nur Regelungen zur Mitwirkung von Personen in einem Vergabeverfahren auf Seiten des Konzessionsgebers (Wagner/Pott in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 5 KonzVgV (Stand: 01.10.2016), Rn. 4). Auf Bieterseite kommt lediglich ein Ausschluss nach den §§ 124 Abs. 2 Nr. 6, 154 Nr. 2 GWB in Betracht, wenn eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann. Die Beratung im Vorfeld des Vergabefahrens kann also zum Angebotsausschluss des jeweiligen Unternehmens führen, diese Option ist indes ultima ratio (Wagner/Pott in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 5 KonzVgV (Stand: 01.10.2016), Rn. 6).
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Nach § 14 Abs. 2 RDG M-V sind Vertreter der Leistungserbringer in den Landesbeirat für das Rettungswesen zu entsenden. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 RDG M-V hat das Gremium beratende Funktion. Dies und die Einrichtung der Arbeitsgruppe wird durch die Antragstellerin auch nicht in Zweifel gezogen. Bereits aus der Leistungsbeschreibung (S. 3) ergibt sich zudem, dass der Antragsgegner die Entscheidung zur Ausschreibung und zu deren Inhalt selbst getroffen und die Arbeitsgruppe lediglich eine Empfehlung abgegeben hat. Eine Wettbewerbsverzerrung durch Einflussnahme auf die Vergabebedingungen oder ein Wissensvorsprung der Beigeladenen durch die Tätigkeit in der Arbeitsgruppe ist auf dieser Grundlage nicht zu erkennen. Die Antragstellerin zeigt nicht auf, es bestehe Bedarf für mehr als einen Intensivhubschrauber oder die betreffenden Mitglieder der Arbeitsgruppe hätten in Realisierung eines vermeintlichen Interessenkonflikts auf eine nicht erforderliche Mindestgröße hingewirkt. Dies scheidet bereits deshalb aus, weil die Mindestgröße erst im Lauf des Verfahrens gefordert wurde und die Arbeitsgruppe hieran nicht beteiligt war.
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3. Der Nachprüfungsantrag ist danach lediglich hinsichtlich der Leistungsbestimmung begründet. Insoweit erweist sich die Entscheidung der Vergabekammer - wenn auch aus anderen Gründen - als zutreffend. Die sofortige Beschwerde ist zurückzuweisen (§ 178 GWB). Die Zurückversetzung in den Stand vor Ablauf der Angebotsfrist - um der Antragstellerin die bislang unzumutbare Angebotsabgabe zu ermöglichen - und zur Überarbeitung der Leistungsbeschreibung genügt nicht, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine vergaberechtskonforme Leistungsbestimmung noch nicht erfolgt und auch nicht sicher war, dass diese hinsichtlich der Mindestgröße noch wirksam erfolgen kann. Bei dieser Konstellation ist nicht abzuwarten, ob dem Antragsgegner die nachträgliche Herstellung der Vergaberechtskonformität nun doch noch gelingt, zumal bei Anpassung der Leistungsbeschreibung eventuell weitere potentielle Bieter Interesse haben könnten. Vielmehr ist das Verfahren einschließlich der Bekanntmachung insgesamt aufzuheben. Hierdurch wird dem Antragsgegner zugleich ermöglicht, die Eignungsanforderungen und die dafür geforderten Nachweise vergaberechtskonform in der Bekanntmachung aufzuführen (s.o.) und so zu vermeiden, dass einzelne Anforderungen keine Berücksichtigung finden bzw. deren Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen eines weiteren Nachprüfungsverfahrens zu klären ist, soweit sie entscheidungserheblich ist.
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4. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 78, 175 Abs. 2 GWB. Nachdem die Beigeladenen im Beschwerdeverfahren Anträge nicht gestellt und insoweit nicht das Risiko eigener Kostentragung übernommen haben, entspricht es der Billigkeit, von der Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten abzusehen (dazu Bracher in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/ Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 92. Lieferung 11.2018, § 78 GWB, Rn. 24 ff.). Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Antragsgegners hat der Senat mit Blick auf die Kostenentscheidung nicht zu befinden.
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Der Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
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