Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (11. Zivilsenat) - 11 U 51/12

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28. März 2012 – 17 O 168/11 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich wegen eines Glatteisunfalls ihrer Versicherungsnehmerin, der Zeugin J., auf Schadensersatz für Heilbehandlungskosten in Höhe von insgesamt 10.763,09 € zzgl. Zinsen in Anspruch genommen. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:

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Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei festzustellen, dass die Zeugin J. am 19. Januar 2010 gegen 11.20 Uhr auf dem Bussteig des ZOB im Bereich K./.B. in N. auf dort vorhandenem Schneematsch und hierdurch bedingter Glätte ausgerutscht und zu Fall gekommen sei. Infolgedessen sei es zu Verletzungen gekommen, welche die streitgegenständlichen Heilbehandlungskosten ausgelöst hätten. Die Beklagte sei am 19. Januar 2010 zu einer weiteren winterdienstlichen Behandlung der ZOB Bahnsteige verpflichtet gewesen. Bereits seit Ende Dezember 2009 seien die Außentemperaturen dauerhaft unter dem Gefrierpunkt gewesen. Selbst wenn die Lufttemperatur am Vormittag des Unfalltages, wie von der Beklagten behauptet, bei 3 °C gelegen hätte, habe damit gerechnet werden müssen, dass die antauende Feuchtigkeit auf dem Boden jederzeit wieder habe überfrieren können, da über mehrere Wochen Dauerfrost geherrscht habe. Da es sich bei dem Unfallort, einem Busbahnsteig des ZOB N. um einen zentralen Verkehrspunkt mit hohem Verkehrsaufkommen gehandelt habe, sei dieser vorrangig und bei Bedarf im Tagesverlauf auch wiederholt winterdienstlich zu behandeln gewesen. Diese Pflicht habe die Beklagte verletzt. Aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin J. stehe fest, dass am Unfalltag eine teilweise ca. 5 cm dicke Schicht Schneematsch auf dem roten Klinkerpflaster des Busbahnsteigs vorhanden gewesen sei. Nachdem an dem Unfalltag vormittags seit längerer Zeit erstmals wieder Temperaturen von über 0 °C aufgetreten seien, sei die feste Schneedecke teilweise angetaut gewesen. Dies sei möglicherweise auch durch den Einsatz von Taumitteln begünstigt worden. Hierdurch sei eine unebene Fläche mit einem schmierigen und rutschigen Film entstanden, auf dem die besondere Gefahr des Ausrutschens bestanden habe. Da die Beklagte auf Grund der amtlichen Warnung des DWD gewusst habe, dass die Temperatur jederzeit wieder unter 0 °C habe fallen können, seien auch im weiteren Tagesverlauf noch Räum- und Streuarbeiten erforderlich gewesen. Insbesondere habe der angetaute und unebene Schneematsch entweder entfernt oder zumindest mit Sand oder ähnlichen abstumpfenden Mitteln gestreut werden müssen.

4

Ein zurechenbares Mitverschulden der Zeugin J. sei nicht festzustellen. Die Zeugin sei auf dem griffigen Belag der Straße gegangen und habe nicht ahnen können, dass der Bussteig derart glatt gewesen sei, als sie diesen bestieg. Auch habe sie hinreichend auf die Bodenverhältnisse geachtet. Immerhin sei sie in der Lage gewesen, im Rahmen der Beweisaufnahme eine detaillierte Schilderung der Bodenverhältnisse abzugeben.

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Die Aufwendung der Klägerin für die stationäre Behandlung der Zeugin J. im FEK N. in Höhe von 10.421,75 € sowie für Bandagen in Höhe von 100,24 € seien zwischen den Parteien unstreitig. Darüber hinaus bestehe für die Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der Pauschale für eine ambulante Behandlung in Höhe von 126,00 €. Dies folge aus den § 116 Abs. 8 SGB X i.V.m. § 18 SGB IV. Überdies habe die Klägerin nachgewiesen, dass ihr für Physiotherapie der Versicherten Aufwendungen in Höhe von 115,10 € entstanden seien. Für die krankengymnastische Behandlung seien nämlich in der Zeit vom 23. März bis zum 19. April 2010 sogar 125,10 € abgerechnet worden. Hiervon mache die Klägerin einen Betrag von 115,10 € geltend. Dies sei nicht zu beanstanden.

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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie greift das Urteil mit folgenden Erwägungen an:

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- Die Klägerin habe den Beweis nicht geführt, dass die Zeugin J. zu einer Zeit, als eine Streupflicht für die Beklagte bestanden habe, auf Grund der Verletzung dieser Pflicht zu Fall gekommen sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, nach 09.30 Uhr weiteren Winterdienst bzw. erneute Streumaßnahmen zu veranlassen, und zwar auch nicht im Hinblick darauf, dass auf dem Busbahnsteig mit erhöhtem Verkehrsaufkommen zu rechnen sei. Weitere Winterdienstmaßnahmen seien nicht erforderlich gewesen.

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- Die Räumdienstkräfte der Beklagten seien den ganzen Tag im Einsatz gewesen und hätten hierbei die Witterungs- und Wegeverhältnisse beobachten können. Eine von ihnen der Beklagten zu meldende Glättebildung sei nicht festgestellt worden.

9

- Das Landgericht hätte nicht auf amtlichen Warnungen bzw. Hinweise des Deutschen Wetterdienstes (DWD) abstellen dürfen. Es handele sich hierbei lediglich um Vorhersagen bzw. Prognosen. Tatsächlich hätten die Temperaturen am Unfalltag bei 3,3 °C gelegen, und es habe keine allgemeine Glätte bestanden. Die Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass antauende Feuchtigkeit auf dem Boden wieder überfrieren würde.

10

- Die Beklagte sei auch nicht dazu verpflichtet gewesen, den nach Aussage der Zeugin J. zum Teil auf dem Bussteig vorhandenen Schneematsch zu beseitigen. Vielmehr seien die sich hieraus ergebenen Gefahren für jeden Nutzer ohne weiteres erkennbar gewesen und hätten von jedem aufmerksamen Fußgänger gemeistert werden können.

11

- Der Zeugin J. sei ein Mitverschulden zuzurechnen. Wenn ein Passant auf einem erkennbar nicht geräumten oder abgestumpften Weg zu Fall komme, spreche schon ein Anscheinsbeweis für dessen mangelnde Aufmerksamkeit. Selbst wenn die Zeugin J. stabiles Schuhwerk getragen habe und auf den Untergrund geachtet haben sollte, entfalle dadurch nicht ein Mitverschulden. Immerhin habe die Zeugin J. gesehen, dass sie auf Schneematsch habe treten müssen und hätte deshalb entsprechende Vorsicht walten lassen müssen. Bei einer angepassten Gehweise wäre der Sturz für die Zeugin J. vermeidbar gewesen.

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und weist auf Folgendes hin:

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- Im Hinblick auf die der Beklagten zugegangenen amtlichen Warnungen des Deutschen Wetterdienstes vor Schneefall und die weitere Warnung für den Unfalltag vor Glätte habe die Beklagte den Bussteig des zentralen Omnibusbahnhofes wiederholt abzustreuen gehabt.

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- Das Landgericht habe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festgestellt, dass die Beklagte am Unfalltag zwischen 06.00 und 09.30 Uhr ihre Räum- und Streuarbeiten durchgeführt und dabei Taumittel verwendet habe. Vielmehr sei lediglich unstreitig, dass die Beklagte um 06.00 Uhr des Unfalltages mit den Winterarbeiten in der Bahnhofstraße ZOB begonnen habe und diese Arbeiten in der K. um 09.30 Uhr geendet hätten. Dazwischen hätten weitere 15 Objekte gelegen, bei denen der Winterdienst durchzuführen gewesen sei. Dies folge bereits aus dem Streuplan (Anlage B 3). Streitig sei ferner auch, dass die Beklagte gegen 06.00 Uhr mittels Taumitteln den Winterdienst durchgeführt habe. Dieses habe sie nicht getan. Tatsächlich sei nach dem Winterdienst gegen 06.00 Uhr ein erneutes Abstreuen bis zur Unfallzeit erforderlich gewesen.

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- Ein Mitverschulden sei im Hinblick auf die Aussage der Zeugin J. keinesfalls festzustellen. Es sei nicht ersichtlich, was die Zeugin habe besser machen können oder müssen.

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Der Senat hat nach Maßgabe der prozessleitenden Verfügungen des Vorsitzenden vom 9. August 2012 und vom 7. Januar 2013 Beweis durch Vernehmung der Zeugen F., H., S., R., K. und J. erhoben. Diesbezüglich wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 4. Dezember 2012 und vom 17. April 2013 Bezug genommen.

II.

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Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

22

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG i.V.m. § 116 SGB X einen Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten für die Zeugin J.. Denn die Beklagte hat die ihr obliegenden Räum- und Streupflichten zum Zeitpunkt des Unfalls gegen 11.20 Uhr am Bussteig des ZOB Ecke K./B. in N. am 19. Januar 2010 verletzt; ein Mitverschulden der Zeugin J. ist hingegen nicht festzustellen.

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a. Nach dem Ergebnis der vor dem Senat wiederholten und ergänzten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Zeugin J., wie von der Klägerin vorgetragen, am 19. Januar 2010 gegen 11:20 Uhr am Bussteig des ZOB Ecke K./B.in N. stürzte und sich dabei verletzte. Den Sturz hat die Zeugin in glaubhafter Weise geschildert. Sie hat angegeben, dass sie nach einem Arztbesuch mit dem Bus habe nach Hause fahren wollen. Sie sei einigermaßen gut über die Straße gekommen, da Autos Rillen in den Schneematsch gefahren hätten, auf denen sie habe gehen können. Sie sei auf den Bussteig getreten, bei ihrem zweiten Schritt zur Seite weggerutscht und auf ihre Schulter geschlagen. Sie sei am Kopf aufgestoßen, ihre Brille sei beschädigt worden. Ein Ehepaar habe ihr aufgeholfen. Sie habe sogleich starke Schmerzen verspürt. Ein Busfahrer habe sie zum Bus geführt. Die Zeugin hat weiter angeben, dass der Sturz gegen 11:20 Uhr kurz vor Abfahrt ihres Busses passiert sei. Diese Schilderung schätzt der Senat als anschaulich nachvollziehbar und glaubhaft ein. Es besteht zudem in der Schilderung des Unfallhergangs eine erhebliche Konstanz zu den Angaben der Zeugin in der ersten Instanz.

24

Zwar ließ sich eine gewisse Unsicherheit darüber, über welchen Straßenbelag die Zeugin unmittelbar vor ihrem Sturz ging, nicht vollständig aufklären. Die Zeugin J. blieb auch vor dem Senat dabei, über Asphalt gegangen zu sein, während der Zeuge R. ausgeführt hat, dass die Straße im fraglichen Bereich mit Kopfsteinpflaster gepflastert sei. Entscheidend ist insoweit allerdings nur, dass die Zeugin nach ihrem Eindruck sicher über die Straße gehen konnte. Dies hat sie so übereinstimmend sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Senat geschildert und ist deswegen nachvollziehbar, weil die Zeugin sich auf der Straße in normaler Gangart fortbewegte und nicht stürzte.

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b. Der Sturz der Zeugin J. ist auf eine Streu- bzw. Räumpflichtverletzung der beklagten Stadt zurückzuführen.

26

Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflichten einer Stadt richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Art und die Wichtigkeit des Verkehrswegs sind dabei ebenso zu berücksichtigen, wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muss sich der Straßenverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1990 – III ZR 217/89 – Juris, Rn. 11). Zum Schutze des Fußgängerverkehrs sind an die Streupflicht strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit gilt der Grundsatz, dass innerhalb der geschlossenen Ortschaft die belebten Fußwege und auch die über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden müssen. Soweit es um die Sicherung von Örtlichkeiten geht, an denen – wie vor Bahnhöfen und an Haltestellen – regelmäßig oder zu bestimmten Zeiten starker Fußgängerverkehr herrscht, trifft den Pflichtigen ebenfalls eine gesteigerte Sicherungspflicht. Zu den besonders gefahrenträchtigen Stellen zählen namentlich Bussteige an Omnibusbahnhöfen, wo ein- und aussteigende Fahrgäste bei winterlicher Glätte in erhöhtem Maße sturzgefährdet sind (BGH, Urt. v. 1. Juli 1993 – III ZR 88/92 – Juris, Rn. 8). Dies gilt umso mehr an besonders gefährlichen Stellen mit ungünstigen Wintereigenschaften etwa der verwendeten Pflastersteine (Senat, Urt. v. 30. April 2003 – 11 U 141/01 – S. 6, n. v.).

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Damit stellten sich der beklagten Stadt an den Bussteigen des innerstädtischen Busbahnhofs erhöhte Räum- und Streupflichten. Zum einen herrschte dort bestimmungsgemäß ein erhöhter Publikumsverkehr durch Busfahrkunden und sonstige Passanten, zum anderen waren und sind die Bussteige mit roten Klinkersteinen versehen, die insbesondere bei Nässe und Schneematsch in hohem Maße glätteanfällig sind. Dies hat nicht nur die Zeugin J. bestätigt, sondern auch die als Zeugen gehörten Mitarbeiter der Stadt, die Zeugen F. und R., die für den Reinigungsdienst der beklagten Stadt zuständig sind. Durch Schneematsch erhöht sich die Rutschgefahr auf glatten Klinkersteinen nicht unmaßgeblich, da dieser einen schmierigen Film bildet, der unter einer Schuhsohle über die Klinkersteine gleiten und so zu Stürzen führen kann.

28

Aus der glaubhaften Aussage der Zeugin J. hat sich zudem der klägerische Vortrag bestätigt, dass zum Unfallzeitpunkt der Omnibussteig mit einer etwa 5 cm dicken Schicht von Schneematsch bedeckt war. Dieses hat die Zeugin sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Senat bekundet. Dem stehen nicht die Aussagen der Zeugen F., H., S., R. und K. entgegen. Keiner von ihnen hatte an den Unfalltag, der nunmehr über 2 ½ Jahre zurückliegt, noch eine konkrete Erinnerung. Allerdings ergibt sich aus den Aussagen dieser Zeugen, dass am Unfalltage lediglich eine einmalige Räumung des Busbahnhofs von Schnee und Glätte am frühen Morgen stattfand. Die Zeugen haben sich insoweit auf die seinerzeit geltenden Dienstpläne und die Dokumentationen bezogen, die sie anlässlich ihrer Vernehmung eingesehen hatten.

29

Soweit der Zeuge R. in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass er am Unfalltage keinen zweiten Einsatz unmittelbar nach der ersten Räumtour angeordnet habe und er eine etwaige Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme selbst durch eine Fahrt durch die Stadt kontrolliert habe, spricht dies nicht gegen die Richtigkeit der Aussage der Zeugin J. über den Zustand des Omnibussteigs. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge R. bei seiner Kontrollfahrt den am Bussteig vorhandenen Schneematsch übersah oder aber dass die Kontrollfahrt zu einem Zeitpunkt erfolgte, als nach dem Unfall der Schneematsch bereits weggetaut war. Der Zeuge selbst stellte auf Nachfrage diese Möglichkeit nicht in Abrede.

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Bei einer Tagestemperatur von 3,3 °C, wie sie ausweislich des Tagesprotokolls des Räumdienstes am Unfalltage in N. geherrscht haben soll, war es aufgrund der vorangegangen Frostperiode und des vorhandenen Schnees nicht ausgeschlossen, dass auch am späten Vormittag noch Schnee bzw. Schneematsch an Straßenrandbereichen vorhanden war und von vorbeifahrenden Bussen auf die Bussteige geschleudert wurde. Außerdem konnten Passanten vorhandenen Schneematsch mit ihrem Schuhwerk auf die Bussteige tragen. Die von dem Zeugen R. bekundete Anweisung an die Busfahrer, im Bereich der Bushaltestellen langsam zu fahren, ändert an dieser Möglichkeit nichts.

31

Da die Mitarbeiter der Stadt allesamt keine konkrete Erinnerung an den Unfalltag mehr hatten, ergeben sich damit aus ihren Aussagen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte die geeignet wären, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin J. zu erschüttern.

32

Damit genügte der Räum- und Streudienst der beklagten Stadt am Unfalltage nicht den Anforderungen, die an ihn durch die Gefährdungslage an jenem Tage gestellt waren. Da sich nach der Räumung des Busbahnhofs am frühen Morgen ausweislich der Aussage der Zeugin J. bis in die Mittagszeit hinein an den Omnibussteigen wieder Schneematsch angesammelt hatte, wäre die beklagte Stadt gehalten gewesen, diese Bereiche im Laufe des Vormittags ein weiteres Mal räumen zu lassen. Dafür nicht gesorgt zu haben, stellt eine vorwerfbare Pflichtverletzung dar, weil den Mitarbeitern der beklagten Stadt die besondere Rutschanfälligkeit des Bodenbelags der Omnibussteige bekannt war.

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c. Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Zeugin J. (§ 254 Abs. 1 BGB) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Es ist nicht erkennbar, welcher Umstand im Verhalten der Zeugin gefahrerhöhend gewirkt haben soll. Die Zeugin hat vor dem Senat ausgeführt, über eine aus ihrer Sicht griffige Straße gegangen zu sein, um sodann den Bussteig zu betreten, der infolge des Pflasters und des dort vorhandenen Schneematsches glatt gewesen sei. Bereits beim zweiten Schritt sei sie trotz der von ihr getragenen grobstolligen Schuhe gestürzt. Es ist nicht ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen, welche weiteren Vorsichtsmaßnahmen die Zeugin hätte erfüllen müssen. Daraus, dass sie die Rutschanfälligkeit des Belages auf dem Bussteig kannte, ergibt sich nichts anderes, denn der Sturz passierte unmittelbar am Beginn ihres Weges auf dem Bussteig, sodass keine Anhaltspunkte für eine unvorsichtige Gangweise der Zeugin sprechen. Schließlich ist es der Zeugin nicht anzulasten, dass sie den Bussteig überhaupt betrat. Der Weg war für sie notwendig und unvermeidbar, denn sie war auf der Rückkehr von einem unaufschiebbaren Arztbesuch und benötigte die Busverbindung, um wieder nach Haus zu gelangen. Sie hätte mithin den Weg über den Busbahnhof nicht vermeiden können.

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d. Hinsichtlich der Schadenshöhe kann auf die nachvollziehbaren Ausführungen auf S. 8 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen werden. Es hat damit bei dem ausgeurteilten Betrag von 10.763,09 € nebst Zinsen zu bleiben.

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2. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

36

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Vorliegend geht es allein um die Bestimmung des Umfangs und der Grenzen der Räum- und Streupflicht einer Stadt, die bereits höchstrichterlich geklärt sind, und um die Anwendung dieser Maßstäbe auf einen Einzelfall.


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