Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (11. Zivilsenat) - 11 U 91/21

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 18.06.2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Amtshaftungsansprüche wegen einer Körperverletzung anlässlich einer Verkehrskontrolle.

2

Der Beklagte zu 1 ist das Land, die Beklagten zu 2 und 3 sind Polizeibeamte des Landes. Sie führten bei dem Kläger eine Verkehrskontrolle durch. Der Kläger beschuldigte den Beklagten zu 3, ihn bei einem Streit anlässlich der Kontrolle geschlagen zu haben.

3

Der Kläger hat zunächst nur gegen die Beklagten zu 1 und 2 Klage erhoben, diese hat das Landgericht durch Versäumnisurteil abgewiesen. Der Kläger hat dagegen fristgerecht Einspruch eingelegt und die Klage um den Beklagten zu 3 erweitert. Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung durch Teilurteil das Versäumnisurteil gegenüber dem Beklagten zu 2 aufrechterhalten und die Klage gegen den Beklagten zu 3 abgewiesen.

4

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird abgesehen. Nach §§ 313a Abs. 1 S. 1, 540 Abs. 2 ZPO bedarf es weder einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil noch einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, denn nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil, das die Beklagten nicht mit mehr als 20.000,00 € beschwert, unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

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Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Dies wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO kurz begründet.

6

Das angefochtene Teilurteil ist gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Kläger hat dies beantragt, eines solchen Antrags bedarf es allerdings nicht, § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO.

1.

7

Über die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 durfte nicht durch Teilurteil entschieden werden.

8

Zulässig ist nach § 301 Abs. 1 S.1 ZPO ein Teilurteil nur dann, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder andere entscheidungsreif ist. Mehrere Ansprüche in diesem Sinne liegen vor, wenn mehrere Personen – wie hier – als einfache Streitgenossen verklagt werden.

9

Zur Endentscheidung reif ist ein Rechtsstreit u.a. dann, wenn die Entscheidung gegenüber den Streitgenossen nicht von einer gemeinsamen Vorfrage abhängt, also widerspruchsfrei über beide Ansprüche entschieden werden kann (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Auflage, § 301 ZPO, Rn. 12), wenn sie also unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich einen der Streitgenossen berühren (vgl. BGH, VI ZR 436/16 Rn. 7).

10

Diese Voraussetzungen eines Teilurteils fehlen. Die Entscheidungen hängen von einer gemeinsamen Vorfrage ab und sie können sich widersprechen.

11

Gemeinsame Vorfrage ist die, ob die Beklagten in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelten. Denn nur dann haften die Beamte nicht persönlich, sondern die Körperschaft, in deren Dienst sie stehen (Art. 34 GG).

12

Das Landgericht hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass die Beklagten zu 2 und 3 in Amtsausübung bei der Verkehrskontrolle gehandelt haben. Würde man diese Frage indessen anders beantworten, entfiele der Amtshaftungsanspruch gegen das Land, eine Überleitung der Haftung auf den Staat nach Art. 34 GG wäre nicht möglich. Eine deliktische Haftung aus §§ 823 Abs.1, 2 BGB käme dann nur für die Beklagten zu 2 und 3 in Frage. Bei unterschiedlicher Beantwortung der Vorfrage drohen damit einander widersprechende Entscheidungen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vorfrage im Teilurteil richtig beantwortet ist, wofür aus Sicht des Senats viel spricht. Die Vorfrage stellt sich dem Senat im hier anhängigen Verfahren, dem Landgericht im dort verbliebenen Teil des Rechtsstreits gegenüber dem Land, dem Senat in einem etwaigen weiteren Berufungsverfahren und möglicherweise dem Bundesgerichtshof in einem Revisionsverfahren. Abhängig vom Vorbringen der Parteien und dem Ergebnis einer Beweisaufnahme kann sie jeweils abweichend vom angefochtenen Teilurteil entschieden werden.

2.

13

Der Rechtsstreit ist nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.

14

Zwar wäre eine Entscheidung durch den Senat grundsätzlich möglich, wenn durch Heraufziehen des noch beim Landgericht anhängigen Streitteils abschließend ohne großen Aufwand entschieden werden könnte (vgl. Zöller/Hessler a.a. O., § 538 ZPO, Rn. 8). Die Sache wäre indessen auch bei einer einheitlichen Verhandlung durch den Senat noch nicht entscheidungsreif, es müsste vielmehr in eine umfangreiche Beweisaufnahme eingetreten werden. Der Kläger hat dafür, dass einer der Beklagten ihn grundlos geschlagen hat, fünf Zeugen benannt. Diese wären noch zu vernehmen. Ebenso sind die Beklagten zu 2 und 3 im Rahmen der Beweisaufnahme persönlich anzuhören, ggfs auch als Parteien zu vernehmen.

3.

15

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.


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