Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (16. Kartellsenat) - 16 U 166/21 Kart

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel vom 5. November 2021 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, die Verfahren zum Abschluss neuer Wegenutzungsverträge nach § 46 Abs. 2 EnWG für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu dem Elektrizitätsversorgungsnetz und zu dem Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in ihrem Gemeindegebiet gehören, auf der Basis der 1. Verfahrensbriefe vom 22. Januar 2021 fortzusetzen, soweit

1.

bei dem Kriterium der „Versorgungssicherheit“ die Aufgabe der Minimierung der Dauer von Versorgungsunterbrechungen allein anhand der Reaktionszeiten bei einer einzigen bestimmten Störung abgebildet wird,

2.

bei dem Unter-Kriterium „Reaktionszeit bei Störungen“

a)

die auf den Zeitraum zwischen dem Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen am Ort der Störung für die Tages- und die Nachtschicht abstellenden Unter-Unter-Kriterien mit jeweils 30 und insgesamt mit 60 Punkten gewichtet sind, während das Unter-Unter-Kriterium „Zeitraum zwischen Eintreffen am Ort der Störung und Wiederherstellung der Versorgung im Verteilernetz“ (bzw. im Fall des Gasnetzes das Unter-Unter-Kriterium „Zeitraum zwischen Eintreffen am Ort der Störung und Wiederherstellung der Versorgung bei Leckage im Verteilernetz“) nur mit 20 Punkten gewichtet ist,

b)

bei dem zugehörigen Unter-Unter-Kriterium „Wiederherstellung der Versorgung“ allein auf die Maximalzeit abgestellt wird.

Im Übrigen werden die Verfügungsanträge vom 22. Juli 2021 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Verfügungsbeklagte 7/18 und die Verfügungsklägerin 11/18.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfügungsklägerin, die aufgrund Ende 2021 ausgelaufener Konzessionsverträge das Strom- und das Gasnetz auf dem knapp 20.000 Einwohner umfassenden Gebiet der Verfügungsbeklagten betreibt, wendet sich zu fünf Aspekten gegen die Ausgestaltung des Verfahren zu deren Neuvergabe.

2

Nach öffentlicher Bekanntmachung der Absicht zu neuen Konzessionierungen bekundete die Verfügungsklägerin ihr Interesse. Sie erhielt daraufhin am 1. Februar 2021 die von den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten entworfenen sog. 1. Verfahrensbriefe (Anlage ASt 10, Bl. 43, und ASt 11, Bl. 66), aus denen sich jeweils die Auswahlkriterien sowie ein Muster-Konzessionsvertrag ergaben. In deren Abschnitten C. II. (Weitere Anforderungen und Ziele der Stadt) heißt es u.a.:

3

1. Versorgungssicherheit

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Von maßgeblicher Bedeutung für den künftigen Netzbetrieb ist aus Sicht der Stadt die Sicherstellung der Versorgungssicherheit des Netzbetriebs im Konzessionsgebiet. Es soll möglichst zu jeder Zeit und in jeder Lastsituation eine vollumfängliche Versorgung gewährleistet sein. Der Bewerber hat gemäß §§ 11, 14 EnWG ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben.

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1.1. Reaktionszeit bei Störungen

6

Zur Erbringung eines zuverlässigen Netzbetriebs ist eine möglichst kurze Reaktionszeit bei Störungen vom Bewerber zu gewährleisten. Bei eintretenden Störungen soll aus Sicht der Stadt so zügig wie möglich ein für die Störungsbeseitigung qualifizierter Mitarbeiter am Ort der Störung eintreffen. Bewertet wird ausschließlich der maximal zu erwartende Zeitraum zwischen dem Eingang der Störungsmeldung bis zum Eintreffen eines qualifizierten Mitarbeiters des Entstörungsdienstes am Ort der Störung. Der Bewerber soll anhand einzelner Schritte und deren jeweiliger maximaler Dauer den Prozessablauf vom Eingang der Störungsmeldung bis zum Eintreffen am Ort der Störung darstellen. Die Stadt erwartet eine für einen Dritten nachvollziehbare Darstellung des maximal zu erwartenden Zeitraums zwischen dem Eingang der Störungsmeldung bis zum Eintreffen eines qualifizierten Mitarbeiters des Entstörungsdienstes am Ort der Störung. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Angaben soll für die Darstellung unterstellt werden, dass sich der Ort der Störung im Netz der allgemeinen Versorgung vor dem Rathaus der Stadt befindet und die Störung nicht mittels Fernschaltung behoben werden kann. Des Weiteren soll unterstellt werden, dass sich die Störung werktags zwischen 9:00 Uhr – 12:00 Uhr (Montag bis Freitag) während der Tagesschicht bzw. werktags zwischen 0:00 Uhr – 3:00 Uhr (Montag bis Freitag) während der Nachtschicht ereignet. Für die Nachvollziehbarkeit der Darstellung ist das zugrunde gelegte Bereitschaftskonzept durch konkrete Angaben plausibel zu erläutern.

7

Weiterhin ist zu erläutern, mit welchen konkreten Maßnahmen der Bewerber eine möglichst kurze Reaktionszeit zwischen Eintreffen am Ort der Störung und Wiederherstellung der Versorgung bei einer Störung mit Versorgungsunterbrechung im Konzessionsgebiet erreichen wird. Bewertet wird ausschließlich der maximal zu erwartende Zeitraum zwischen dem Eintreffen am Ort der Störung und der Wiederherstellung der Versorgung. Es ist eine für einen Dritten nachvollziehbare Prognose des zu erwartenden Zeitraums zwischen dem Eintreffen eines qualifizierten Mitarbeiters am Ort der Störung bis zur Wiederherstellung der Versorgung abzugeben. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Angaben soll der Prognose unterstellt werden, dass es sich um eine Störung in der Niederspannungsleitung als inneren Kabelfehler im örtlichen Verteilungsnetz (bzw. im Falle des Gasnetzes: um eine Leckage im örtlichen Verteilungsnetz) handelt, die nicht auf Fremdeinwirkungen zurückgeführt werden kann und vor Ort behoben werden muss. Die Niederspannungsleitung ist unter einem gepflasterten Gehweg verlegt. Des Weiteren soll unterstellt werden, dass sich die Störung werktags zwischen 9:00 Uhr – 12:00 Uhr (Montag bis Freitag) vor dem Rathaus (…) ereignet und nicht bereits durch den Mitarbeiter vor Ort behoben werden kann. Für die Nachvollziehbarkeit der Darstellung ist das zugrunde gelegte Bereitschaftskonzept durch konkrete Angaben plausibel zu erläutern. Soweit sich der Bewerber bei den erforderlichen Tiefbaumaßnahmen Nachunternehmer (Dienstleister) bedient, ist darzustellen, wie der Bewerber die möglichst zügige Umsetzung der Maßnahme sicherstellt.

8

Nach den Gewichtungsübersichten, denen zufolge dem Kriterium der Versorgungssicherheit jeweils 250 von 1000 Punkten zukommen sollen, soll das Unter-Kriterium „Reaktionszeit bei Störungen“ mit 80 Punkten gewichtet werden, davon 60 für den „Zeitraum zwischen dem Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen am Ort der Versorgung“ (je 30 für Tagesschicht und Nachtschicht) und 20 Punkte für den „Zeitraum zwischen dem Eintreffen am Ort und der Wiederherstellung“; daneben sind die Unter-Kriterien „Investitionen“ (55 Punkte), „Instandhaltung“ (55 Punkte), „Vermeidung von Gefahren“ (45 Punkte) und „Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei Netzintegration von EEG-Anlagen (bzw. im Falle des Gasnetzes: Biomethan-Einspeiseanlagen)“ (15 Punkte) vorgesehen.

9

Bei dem mit insgesamt 130 Punkten gewichteten Kriterium der „Verbraucherfreundlichkeit“ ist das Unter-Kriterium „Zügige Bearbeitung von Kundenbeschwerden“ (20 Punkte) wie folgt beschrieben:

10

Der Bewerber soll alle Maßnahmen darstellen, die eine möglichst zügige Bearbeitung von Kundenbeschwerden der Netzkunden gewährleisten. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Angaben soll unterstellt werden, dass die Kundenbeschwerde in Textform (Brief oder E-Mail) eingegangen ist. Darzustellen ist der Prozessablauf unter Angabe maximaler Bearbeitungszeiten vom Eingang der Kundenbeschwerde bis zur fallabschließenden Klärung der Kundenbeschwerde. Zur Plausibilisierung der Angaben sind die Bearbeitungsdauern von Kundenbeschwerden in den letzten 5 Jahren zu nennen.

11

Das mit 140 Punkten gewichtete Kriterium „Effizienz“ ist aufgegliedert in die Unter-Kriterien

12

„Regulatorischer Effizienzwert“ (40 Punkte),

13

„Kosteneffizienz“ (70 Punkte, untergliedert in „Organisationsstruktur“ [25], „Wegeoptimierung im Versorgungsgebiet“ [15], „Effizienter Einkauf“ [15] und „Effiziente Lagerhaltung“ [15]) sowie

14

„Vermeidung von Netzverlusten (bzw. im Falle des Gasnetzes: Minimierung des Gasschwundes)“ (30 Punkte).

15

In einer Anmerkung heißt es, der regulatorische Effizienzwert könne nur berücksichtigt werden, wenn sämtliche Bewerber im sog. regulären Verfahren geprüft würden; andernfalls sei das Auswahlkriterium „regulatorischer Effizienzwert“ zu streichen und es kämen folgende Gewichtungen zur Anwendung:

16

„Kosteneffizienz“ (100 Punkte = + 30 , untergliedert in „Organisationsstruktur“ [30  = + 5 ], Wegeoptimierung im Versorgungsgebiet [20  = + 5 ], „Effizienter Einkauf“ [25  = + 10 ] und „Effiziente Lagerhaltung“ [25  = + 5 ]),

17

„Vermeidung von Netzverlusten (bzw. im Falle des Gasnetzes: Minimierung des Gasschwundes)“ (40 Punkte  + 10 ).

18

Das mit insgesamt 120 Punkten gewichtete Kriterium der „Umweltverträglichkeit“ ist aufgegliedert in die Unter-Kriterien „Schonung des Baumbestandes bei Leitungsverlegungen“, (möglichst weitgehende) „Erdverkabelung“, „Entfernung stillgelegter Anlagen“, „Vermeidung von Straßenaufbrüchen“ und „Netzanschluss von EEG-Anlagen (bzw. im Falle des Gasnetzes: von Biomethan-Einspeiseanlagen)“.

19

Mit zwei Schreiben vom 15. Februar 2021 (Anlage ASt 17, Bl. 96, und Anlage ASt 18, Bl. 105) brachte die Verfügungsklägerin hinsichtlich beider Verfahren Rügen an, u.a. die folgenden:

20

In Ansehung der Versorgungssicherheit sei über die genannten Unter-Kriterien hinaus von erheblicher Bedeutung, mit welcher technischen und personellen Ausstattung und mit welchen Maßnahmen die Bewerber Versorgungsunterbrechungen vermeiden und Unterbrechungen über den definierten Störfall hinaus beseitigen könnten. Maßgeblich seien u.a. die Ausstattung und Absicherung der Netzleitstelle, die IT-Sicherheit und die Möglichkeit, Unterbrechungen durch technische Features zu vermeiden oder zu minimieren. Zur Abbildung der Versorgungssicherheit gehörten auch anerkannte Kennzahlen, insbesondere die SAIDI- und ASIDI-Werte.

21

Was die „Reaktionszeit bei Störungen“ angehe, betreffe das Teilziel der Zuverlässigkeit der Versorgung auch deren zügige Beseitigung, bei der Beschränkung auf die Reaktionszeiten in dem vorgegebenen Störungsfall fielen aber wichtige Qualitätsmerkmale unter den Tisch. Zu hoch sei im Verhältnis auch die Gewichtung der Zeit bis zum Eintreffen am Störungsort (60) zu der Wiederherstellung (20), das deutlich wichtiger sei und in der Regel eindeutig den größeren Teil des Gesamtzeitraums der Störungsbeseitigung einnehme. Es sei auch nicht sachgerecht, auf maximale Reaktionszeiten abzustellen; es komme vielmehr in erster Linie auf den zu erwartenden gewichteten Durchschnitt an.

22

Bei der Bearbeitung von Kundenbeschwerden sei das Abstellen auf maximale Bearbeitungszeiten sachlich nicht gerechtfertigt; auch hier könne es nur auf die gewichteten durchschnittlichen Bearbeitungszeiten ankommen. Zudem würden Betreiber größerer Netze benachteiligt, da bei ihnen Ausreißer wahrscheinlicher seien.

23

Sachlich nicht zu begründen sei es, die Gewichtung der Unter-Kriterien „regulatorischer Effizienzwert“ und „Kosteneffizienz“ davon abhängig zu machen, ob alle Bewerber über einen im regulären Verfahren ermittelten Effizienzwert verfügten; vielmehr müssten die auf den Effizienzwert entfallenden Punkte bei dessen Wegfall gleichmäßig auf die Unter-Unter-Kriterien zum Unter-Kriterium „Kosteneffizienz“ verteilt werden.

24

In Ansehung des Ziels der Umweltverträglichkeit fehlten zentrale Aspekte, die die Qualität eines Netzbetreibers ausmachten, wie etwa die Vermeidung von CO2-Emissionen und der Einsatz umweltverträglicher Materialien.

25

Mit zwei am 8. Juli 2021 bei der Verfügungsklägerin eingegangenen Schreiben vom 7. Juli 2021 (Anlagen ASt 20, Bl. 115, und Anlage ASt 21, Bl. 128) half die Verfügungsbeklagte zwei (zum Kriteriun der Preisgünstigkeit angebrachten) Rügen ab, nicht aber den vorbezeichneten, zu denen sie anführte:

26

Die Stadt verfüge (worauf bei jeder Rüge Bezug genommen wird) nach der Rechtsprechung über einen erheblichen und weiten Beurteilungsspielraum bei der Formulierung und Gewichtung der Auswahlkriterien.

27

Es habe ihr deswegen grundsätzlich freigestanden, wie sie (auch) das Ziel der Versorgungssicherheit untergliedere. Das Teilziel der Zuverlässigkeit der Versorgung sei insgesamt ausreichend abgebildet; es könne nicht jeder denkbare Gesichtspunkt abgefragt werden. Die in der Rüge angeführten Ausstattungsmerkmale würden nach den Verfahrensbriefen (zu II., vor 1.) mitlaufend berücksichtigt und flössen demgemäß bei allen gebildeten Unter-Kriterien mit ein. Spielraum habe die Stadt auch bei der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung der SAIDI- bzw. ASIDI-Werte, deren Vergleich weder die Rechtsprechung noch die Kataloge der Landeskartellbehörden forderten.

28

Bei der „Reaktionszeit bei Störungen“ gehe die Kritik, dass die Dauer der Störungsbeseitigung wichtiger sei, am Kriterienkatalog vorbei; denn Ziel sei nicht die schnelle Störungsbeseitigung, sondern die Reaktionszeit bei Störungen, wobei auch die Wiederherstellung der Versorgung berücksichtigt werde, zumal auch beim „Zeitraum vom Eingang der Meldung bis zum Eintreffen“ Aspekte der schnellen Störungsbeseitigung berücksichtigt würden. Die Reaktionszeit bis zum Eintreffen sei der wesentliche Aspekt, bei dem sich qualitative Unterschiede zwischen den Bewerbern feststellen ließen, welche belegbare Rückschlüsse auf die Ausstattung in Bezug auf das Konzessionsgebiet zuließen. Nur die Berücksichtigung von Maximalzeiten biete die Möglichkeit abzufragen, von welchem Zeitraum die Stadt in Störungsfällen schlimmstenfalls auszugehen habe, was insbesondere Rückschlüsse auf das Personalkonzept des Bewerbers zulasse. Auch könnten Maximalwerte, anders als Durchschnittswerte, konkret nachgeprüft werden, wohingegen bei einem gewichteten Durchschnitt unklar sei, wie die Gewichtung erfolgen solle.

29

Auch in Ansehung der Bearbeitung von Kundenbeschwerden biete die Berücksichtigung von Maximalzeiten die Möglichkeit abzufragen, von welchem Zeitraum der Letztverbraucher in Beschwerdefällen im schlimmstenfalls auszugehen habe, was konkrete Rückschlüsse auf das Personalkonzept des Bewerbers zulasse. Auch insoweit sei unklar, wie ein gewichteter Durchschnitt gebildet werden solle.

30

In Bezug auf die Gewichtung der Kosteneffizienz halte sich die Stadt, wenn sie die Effizienz mit 14 % und dabei die Kosteneffizienz mit 10 % bzw. 11 % gewichte, in dem durch die Rechtsprechung gesteckten Spielraum. Es stelle auch weder einen Rechtsfehler noch eine Diskriminierung dar, wenn bei Wegfall des ohnehin nicht zwingend zu berücksichtigenden Effizienzwerts die wegfallenden Punkte auf die übrigen Unter- und Unter-Unter-Kriterien verteilt würden.

31

Was die Rüge zur Umweltverträglichkeit angehe, sei es nicht zu beanstanden, sondern vom weiten Beurteilungsspielraum der Stadt gedeckt, dass nicht sämtliche denkbaren Aspekte, die diesem Ziel zuordenbar wären, als Kriterien ausgeformt worden seien.

32

Mit ihrem am 22. Juli 2021 eingereichten Antrag auf Erlass einstweiliger Verfügungen (jeweils zu Strom und Gas) hat die Verfügungsklägerin die vorbezeichneten Rügen weiterverfolgt. Die Gemeinde verletze, so hat sie geltend gemacht, ihre gesetzliche Bindung an die Ziele des § 1 EnWG, wenn die Auswahlkriterien oder ihre Gewichtung die Ziele, denen sie jeweils zugeordnet seien, nicht oder nicht sachgerecht abbildeten (Bl. 14).

33

Die Verfügungsbeklagte hat sich dem entgegengestellt und ihre Verfahrensgestaltung verteidigt. Nach der Rechtsprechung des BGH stehe es der Gemeinde frei, die Ziele des § 1 EnWG in ihr sachgerecht erscheinender Weise zu konkretisieren (Bl. 154,164, passim).

34

Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Energie und die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde, so hat es ausgeführt, falle unter ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, ein Recht, das durch den ihnen durch die §§ 1, 46ff. EnWG i.V.m. § 19 GWB aufgegebenen Wettbewerb um die Netze eingeschränkt werde. Aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts obliege es ihr, durch Konkretisierung und Gewichtung der Ziele des § 1 EnWG, Stellung weiterer netzbezogener kommunaler Anforderungen und die Möglichkeit, selbst am Wettbewerb teilzunehmen, die Qualität der Netze zu gestalten. Dabei habe sie lediglich die Grundsätze eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens zu beachten.

35

Was die Gestaltung des Auswahlverfahrens angehe, so müssten die Gemeinden nicht über die Fachkenntnisse eines optimalen Netzbetriebes verfügen. Sie hätten nur – im Rahmen des gesetzlich zulässigen – Zielvorgaben zu machen, für deren Erreichung die Bieter Maßnahmen im Sinne eines Ideenwettbewerbs vorzuschlagen hätten. Eine gerichtliche Überprüfung des Gewichtungskataloges sei daher nur eingeschränkt zulässig. Sie erstrecke sich auf die Transparenz (also die Verständlichkeit) der Kriterien, die angemessene Gewichtung der einzelnen Ziele des § 1 EnWG, darauf, ob die Unter-Kriterien sachlich dem Kriterium dienten, ob unverzichtbare Unter-Kriterien fehlten sowie darauf, ob durch willkürliche Fehlgewichtung das Kriterium sachlich verändert oder ausgehöhlt werde.

36

Die Auffassung der Verfügungsklägerin, dass aus dem Begriff der Sachgerechtigkeit eine Ausgestaltung herzuleiten sei, aufgrund der für jedes Kriterium der tatsächlich beste Bewerber bestimmt werden könne, sei unzutreffend. Dies würde eine immer genauere Beschreibung der Kriterien erfordern, die letztlich zu genauen, nur noch zu bepreisenden Vorgaben führe, was mit einer funktionalen Ausschreibung, einem Ideenwettbewerb und schließlich auch mit dem Gestaltungsspielraum der Gemeinde unvereinbar sei, da dann der beste Bewerber objektiv bestimmbar und somit in einer gerichtlichen Überprüfung anstelle der Gemeinde abschließend zu bestimmen sein müsse. Es gebe aber nicht nur eine richtige Ausgestaltung des Verfahrens, sondern einen Spielraum, der von den Gemeinden ohne Eingriffe wahrzunehmen und durch die Gerichte zu schützen sei.

37

Was das Rügeregime des § 47 EnWG angehe, so könne dessen Zweck, im Verfahren aufgetretene Fehler zügig zu korrigieren und dieses mit möglichst geringer zeitlicher Verzögerung fortzusetzen, nur erreicht werden, wenn der Gemeinde deutlich gemacht werde, was falsch sein solle und welche Maßnahmen sie zur Korrektur ergreifen müsse. Gerade zweiteres sei erheblich, da die Gemeinde sonst nicht zuverlässig erkennen könne, wie sie das Verfahren zukünftig rechtssicher ausgestalten solle.

38

Daran orientiert griffen die Rügen nicht durch.

39

Die Rügen zu den Unterkriterien der Versorgungssicherheit seien, da nicht angegeben worden sei, mit welcher Wertigkeit Ausstattung und SAIDI- bzw. ASIDI-Werte in die Kataloge aufgenommen werden sollten, bereits unzulässig. Sie seien auch unbegründet: Warum ein Unterkriterium „Vermeiden von Störungen“ zwingend erforderlich sein solle, sei nicht dargelegt, der Aspekt auch durch die Unter-Kriterien „Investitionen“ und „Instandhaltung“ abgedeckt. SAIDI- bzw. ASIDI-Werte seien als Werte der Vergangenheit ebenfalls nicht zwingend zu berücksichtigen.

40

Auch die Rügen zur Gewichtung „Eintreffen am Ort“ und „Wiederherstellung der Versorgung“ seien bereits unzulässig, da eine anderweitige Mindestgewichtung nicht angegeben worden sei. Ohnehin stehe es, sofern eine Gewichtung nicht gesetzeswidrig sei, der Gemeinde frei zu entscheiden, wie wichtig ihr die einzelnen Kriterien seien. Die Rügen seien auch unbegründet. Es sei schon zweifelhaft, ob die genannten Aspekte überhaupt zwingend in den Katalog aufzunehmen seien. Jedenfalls sei es nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde meine, aus dem Zeitraum zwischen dem Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen einer qualifizierten Person des Störungsdienstes zuverlässigere Schlüsse auf die Qualität des Störungsdienstes und der Reaktionszeit bei Störungen schließen zu können.

41

Was das Abstellen auf Maximalzeiten beim beispielhaften Störungsfall angehe (eine zulässige Rüge), bewege sich die Verfügungsbeklagte in ihrem Beurteilungsspielraum. Es sei zulässig, dass sie bei der Festlegung der Kriterien deren Überprüfbarkeit berücksichtige; sie müsse sich daher nicht auf nur schwer nachvollziehbare bzw. nicht überprüfbare gewichtete Durchschnittswerte einlassen.

42

In Ansehung der „Zügigen Bearbeitung von Kundenbeschwerden“ seien die Rügen schon unzulässig; die Verfügungsbeklagte habe die Bewertung der Angebote nicht ausschließlich auf die Angabe der Maximalzeiten reduziert, sondern erwarte eine Gesamtdarstellung der letzten fünf Jahre. Deswegen seien die Rügen zudem auch unbegründet. Ohnehin bewege sich die Verfügungsbeklagte im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums, denn es sei nachvollziehbar, dass für den Letztverbraucher die Bearbeitungszeiten maßgeblich seien, mit denen er maximal rechnen müsse.

43

Die zulässige Rüge zur Gewichtung der Kriterien bei der Effizienz sei unbegründet. Die zwei Teilziele „Kosteneffizienz“ und „Energieeffizienz“ seien sowohl im Verhältnis zueinander als auch im Verhältnis zur „Preisgünstigkeit“ angemessen gewichtet.

44

In Bezug auf das Kriterium der „Umweltverträglichkeit“ seien die Rügen unzulässig, da die Angabe fehle, welche Gewichtung die verlangten weiteren Unter-Kriterien erhalten sollten. Die Rügen seien auch unbegründet. Unter-Kriterien der Vermeidung von CO2-Emissionen und des Einsatzes umweltverträglicher Materialien seien nicht schlechthin unverzichtbar. Diese könnten nur dann wesentliche Aspekt darstellen, wenn es beim Betrieb eines Netzes zu erheblichen Emissionen komme bzw. aktuell in erheblichem Umfang nicht umweltverträgliche Materialien eingesetzt würden.

45

Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

46

Sie bringt vor, das Landgericht verkenne schon im Ansatz, dass die mit dem subjektiven Recht der Bewerber korrespondierende Pflicht der Gemeinden zur Durchführung eines Konzessionswettbewerbes nicht der Verwirklichung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts diene, sondern der Verwirklichung der Ziele des § 1 EnWG (Bl. 247/48). Entsprechend beinhalte das Gebot der Sachgerechtigkeit der Kriterien und ihrer Gewichtung die Pflicht, zu den einzelnen Zielen und Teilzielen des § 1 EnWG Auswahlkriterien zu bilden, die geeignet sein, den Bewerber zu ermitteln, der die größte Gewähr für die Erreichung des betreffenden Ziels oder Teilziels biete, wobei die Auswahlkriterien die für die Beurteilung relevanten Aspekte berücksichtigen müssten. Das widerspreche auch weder einer funktionalen Ausschreibung noch dem Ideenwettbewerb; denn diese erforderten keine konkrete Leistungsbeschreibung, die nur noch „zu bepreisen“ sei; Spielraum für Gewichtung und Bewertung bestehe immer noch (Bl. 248ff.).

47

Unrichtig sei auch, dass Rügen zur Vermeidung einer Präklusion deutlich machen müssten, welche Maßnahmen die Gemeinde ergreifen müsse. Das gehe über den Wortsinn der „Rüge“ hinaus und sei auch nicht mit deren Sinn und Zweck zu rechtfertigen, Verfahrensfehler nicht zu korrigieren. Die Gemeinde sei an die Einschätzung des rügenden Bewerbers nicht gebunden und auch nach Abhilfe nicht vor Rügen eines anderen Bewerbers gefeit; die Notwendigkeit einer erneuten Abwägung könne ihr nicht erspart werden, sie sei letztlich Ausdruck ihrer auch die Fehlerbehebung umfassenden Entscheidungsfreiheit (Bl. 251ff.). Richtigerweise seien danach alle ihre Rügen zulässig (Bl. 258f., 263f., 267, 269).

48

In der Sache habe die Verfügungsbeklagte das Teilziel der Zuverlässigkeit der Versorgung unzureichend abgebildet. Es treffe nicht zu, dass ein Unter-Kriterium „Vermeiden von Störungen“, da (so das Landgericht) „Unterbrechungen am effektivsten durch ein technisch hochwertiges Netz vermieden“ würden, durch die Unter-Kriterien Investitionen und Instandhaltung abgedeckt seien; das Landgericht verkenne, dass die Rüge auf das Fehlen einer Abfrage zur Störungsbeseitigung bei anderen als dem in der Ausschreibung bezeichneten Störfall ziele, bei der regelmäßig die Ausstattung (Netzleitstelle, IT-Sicherheit, Umschaltmaßnahmen) Bedeutung habe, wohingegen die Kriterien Investitionen und Instandhaltung auf Investitionsbudgets und Instandhaltungszyklen abstellten (Bl. 259ff.). Die Ausblendung der Ausstattung ziele ersichtlich darauf, den (auch vom Senat [im Urteil vom 16. April 2018, 16 U 110/17 Kart, S. 32] angenommenen) Vorteil der Verfügungsklägerin in dieser Hinsicht zu eliminieren (Bl. 261f.). Soweit das Landgericht meine, SAIDI-Werte, die bei dem bisher fehlenden Auswahlkriterium „Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen“ berücksichtigt werden könnten (Bl. 259), bezögen sich nur „rückwirkend auf ein bestimmtes Netz“, übersehe es, dass die Verfügungsbeklagte an anderen Stellen selbst auf historische Werte zur Plausibilisierung der Angebote zurückgreife (etwa bei der Bearbeitung von Kundenbeschwerden), ferner, dass gerade die SAIDI-Werte eine Aussage zum Erfolg der Bemühungen um Versorgungssicherheit ermöglichten, wenn sie zutreffend interpretiert würden, weshalb sie auch von der Bundesnetzagentur als geeigneter Indikator angesehen würden (Bl. 262).

49

Was die Rüge der Reaktionszeit bei Störungen (Gewichtung) angehe, könnten die vom Landgericht im Hinblick auf unterschiedliche Ursachen und Umstände von Störungen angeführten Schwierigkeiten bei der Prognose der Entstörungszeit das völlige Absehen von der Abfrage der Kompetenzen der Bewerber nicht rechtfertigen; es sei vielmehr Aufgabe der Gemeinde geeignete Kriterien zu entwickeln; mit der Beschränkung auf die Reaktionszeiten bis zum Eintreffen eines Mitarbeiters springe sie zu kurz (Bl. 264f.). Soweit das Landgericht meine, die Gemeinde könne aus den Zeitraum zwischen Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen einer qualifizierten Person vor Ort zuverlässigere Schlüsse auf die Qualität des Störungsdienstes ziehen, so blende das nicht nur alle Maßnahmen aus, mit denen Versorgungsunterbrechung von vornherein vermieden würden, sondern auch alle, mit denen eine Unterbrechung ohne einen Mitarbeiter vor Ort (z.B. durch Schalthandlungen) beendet werden könne; es werde so allein auf ein Teilzeitraum im unteren zweistelligen Minutenbereich abgestellt, der für die Gesamtdauer der Versorgungsunterbrechungen nicht entscheidend sei und in dem sich die Bieter in der Regel ohnehin nicht maßgeblich unterschieden (Bl. 265f.).

50

In Ansehung des Abstellens auf Maximalzeiten bei den Reaktionszeiten bei Störungen treffe nicht zu, dass gewichtete Durchschnittswerte nur schwer nachvollziehbar bzw. nicht überprüfbar seien. Grundlage sei die Summe der mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Reaktionszeiten, die während der Vertragslaufzeit ohne weiteres anhand der störungsspezifischen Erfassung/Dokumentation nachvollzogen und überprüft werden könnten. Auch führe die Orientierung an Maximalwerten zu einem Fehlanreiz, weil er nur zu einer Optimierung der schlechtesten Zeit und nicht des durchschnittlichen Leistungsniveaus führe (Bl. 266f.) und weil sich – entgegen dem branchenüblichen und effizienten „Start aus der Fläche“ von Mitarbeitern, die aufschiebbare Arbeiten ausführten – Bieter veranlasst sehen könnten, einen Mitarbeiter von einem festen Schreibtischarbeitsplatz starten zu lassen (Bl. 315).

51

Was ihre Rüge gegen die Maßgeblichkeit der maximalen Bearbeitungszeiten bei der „Zügigen Bearbeitung von Kundenbeschwerden“ angehe, so treffe nicht zu, dass für den Letztverbraucher nachvollziehbar die maximale Zeit maßgeblich sei; diesem komme es vielmehr auf die durchschnittliche Zeit an. Auch führten Maximalzeiten, da sie von dem (bei den Bewerbern womöglich verschiedenen) jeweiligen Gegenstand der Beschwerde abhingen, zu keiner besseren Vergleichbarkeit (Bl. 268).

52

Im Hinblick auf die Abhängigkeit der Gewichtung der Kosteneffizienz vom Vorhandensein eines regulären Effizienzwertes gehe die Argumentation des Landgerichts an ihrer Rüge vorbei, die darauf gerichtet gewesen sei, dass die auf den regulatorischen Effizienzwert entfallenden Punkte bei Wegfall dieses Kriteriums vollständig auf die Kosteneffizienz verteilt werden müssten, um sicherzustellen, dass diese in jedem Fall gleich stark gewichtet sei (Bl. 269).

53

Bezüglich der Kriterien zur Umweltverträglichkeit verkenne das Landgericht, dass die Vermeidung von CO2-Emissionen und der Einsatz umweltverträglicher Materialien für das Ziel eines umweltverträglichen Netzbetriebs von erheblicher Bedeutung seien (Bl. 270).

54

Die Verfügungsklägerin beantragt,

55

das angefochtene Urteil abzuändern und die folgenden einstweiligen Verfügungen zu erlassen:

56

Die Verfügungsbeklagte hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, das Verfahren zum Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages nach § 46 Abs. 2 EnWG für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die (1.) zum Elektrizitätsversorgungsnetz bzw. (2.) zum Gasversorgungsnetz) der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet der Verfügungsbeklagten gehören, auf der Basis der 1. Verfahrensbriefe vom 22. Januar 2021 fortzusetzen, soweit

a)

57

das Ziel der Zuverlässigkeit des Netzbetriebs als Teilziel der „Versorgungssicherheit“ nur über die Unter-Kriterien „Reaktionszeit bei Störungen“, „Investitionen“, „Instandhaltung“ und „Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei Netzintegration von EEG-Anlagen“ (bzw. im Fall des Gasnetzes „Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei Netzintegration von Biomethan-Einspeiseanlagen“) abgebildet wird,

b)

58

zu dem Unter-Kriterium „Reaktionszeit bei Störungen“

aa)

59

die auf den Zeitraum zwischen dem Eingang der Störungsmeldung und dem Eintreffen am Ort der Störung für die Tages- und Nachtschicht abstellenden Unter-Unter-Kriterien mit jeweils 30 und insgesamt mit 60 Punkten gewichtet sind, während das Unter-Unter-Kriterium „Zeitraum zwischen Eintreffen am Ort der Störung und Wiederherstellung der Versorgung im Verteilernetz“ (bzw. im Fall des Gasnetzes das Unter-Unter-Kriterium „Zeitraum zwischen Eintreffen am Ort der Störung und Wiederherstellung der Versorgung bei Leckage im Verteilernetz“) nur mit 20 Punkten gewichtet ist,

bb)

60

bei den drei Unter-Unter-Kriterien nach den hierzu in Teil C. II.1.1 der 1. Verfahrensbriefe (Strom und Gas) formulierten „Anforderungen und Zielen der Stadt“ auf Maximalzeiten abgestellt wird,

c)

61

bei dem Unter-Kriterium „Zügige Bearbeitung von Kundenbeschwerden“ nach den hierzu in Teil C. II. 3.6. der 1. Verfahrensbriefe (Strom und Gas) formulierten „Anforderungen und Zielen der Stadt“ auf die maximalen Bearbeitungszeiten vom Eingang der Kundenbeschwerden bis zur Fall abschließenden Klärung der Kundenbeschwerde abgestellt wird,

d)

62

zum Kriterium der „Effizienz“ die Gesamtgewichtung der auf das Teilziel der Kosteneffizienz gerichteten Unter-Unter-Kriterien „regulatorischen Effizienzwert“ und „Kosteneffizienz“ mit 110 oder 100 Punkten davon abhängt, ob alle Bewerber über einen regulatorischen Effizienzwert verfügen,

e)

63

das Ziel der Umweltverträglichkeit nur in den Unter-Kriterien „Schonung des Baumbestandes bei Leitungsverlegungen“, „Erdverkabelung“, „Entfernung stillgelegter Anlagen“, „Vermeidung von Straßenaufbrüchen“ und „Netzanschluss von EEG Anlagen“ (bzw. im Fall des Gasnetzes „Beratung zum Netzanschluss von Biomethan-Einspeiseanlagen“) abgebildet wird.

64

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

65

die Berufung zurückzuweisen.

66

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

67

Das (vom Landgericht richtig ausgelegte, Bl. 282ff.) Rügeregime, so bringt sie vor, könne nicht dazu missbraucht werden, dass jeder Bewerber der Kommune die für ihn vermeintlich günstigsten Auswahlkriterien vorschreibe, was die Verfügungsklägerin aber gerade (z.B. bezüglich der SAIDI-Werte) versuche (Bl. 277). Einziges Interesse der Verfügungsbeklagten sei eine rechtssichere Vergabe der Konzessionen und zwar möglichst unter Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden (Bl. 277).

68

Im rechtlichen Ansatz zur Sache sei das Normenverständnis der Verfügungsklägerin verfehlt. Der BGH habe bereits in der Berkenthin-Entscheidung die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in den Mittelpunkt gestellt. Die den Kommunen durch § 46 EnWG auferlegte Pflicht zur Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens habe sich daher an Art. 28 Abs. 2 GG zu orientieren und nicht umgekehrt. Allein die Gemeinden entschieden über Ausgestaltung und konkrete Durchführung des Konzessionsverfahrens (Bl. 278). Wolle man den Anforderungen der Verfügungsklägerin an das Gebot der Sachgerechtigkeit nachkommen, würde der den Kommunen zustehende Beurteilungsspielraum auf Null schrumpfen und die Aufstellung der Kriterien zu einem rein formellen Akt ohne ihre Einflussnahme verkommen. Richtig sei allein, dass die Gemeinde die Kriterien in einer ihr sachgerecht erscheinenden Weise konkretisieren dürfe (Bl. 279). Insoweit sei sie frei, solange nicht Auswahlkriterien objektiv falsch aufgestellt oder durch das Gesetz (etwa durch die Hervorhebung der Kosteneffizienz in § 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG) präformiert würden. Die Verfügungsklägerin reduziere den Spielraum der Gemeinde auf die Bewertung der Angebote (Bl. 280f.).

69

Was im Einzelnen die Rügen angehe, so habe die Verfügungsklägerin nicht dargelegt, weshalb ein Unter-Kriterium „Vermeiden von Störungen“ zwingend erforderlich sein solle; die Ausgestaltung der Verfügungsbeklagten bewege sich innerhalb des Beurteilungsspielraums, der nach der obergerichtlichen Rechtsprechung erst überschritten sei, wenn die Bedeutung eines Kriteriums so grundlegend von dessen Bedeutung nach den energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen abweiche, dass daraus eine Verkennung des Kriteriums offenkundig werde, weil von einer angemessenen Bewertung auch im Lichte des Spielraums nicht mehr ausgegangen werden könne. Das könne nicht mit Verweis auf einen früheren Kriterienkatalog derselben Ersteller und eine vermeintlich beabsichtigte zukünftige Bewertung begründet werden (Bl. 289 ff.). Richtigerweise würden mit dem Landgericht Versorgungsunterbrechungen am effektivsten durch ein technisch hochwertiges Netz vermieden, was mit den Unter-Kriterien „Investitionen“ und „Instandhaltung“ abgedeckt sei (Bl. 291).

70

Auch die Rüge bezüglich der Nicht-Berücksichtigung des SAIDI-Werts sei unklar und wechselnd. Soweit die Verfügungsklägerin diese nurmehr noch als einen Aspekt zur Plausibilisierung fordere, so lasse sich das – namentlich vor dem Hintergrund der gegen die Berücksichtigung der Werte vorgebrachten Bedenken – aus dem Blickwinkel der Sachgerechtigkeit nicht herleiten (Bl. 294f.).

71

Was die „Reaktionszeit bei Störungen“ angehe, so stehe es der Gemeinde frei zu entscheiden, wie wichtig einzelnen Kriterien seien und wie stark sie diese deshalb gewichte, solange nicht andere Kriterien, die nach der Verfassung oder dem EnWG eine entsprechende Bedeutung hätten, zu niedrig gewichtet würden (Bl. 295f.).

72

Spielraum habe die Gemeinde auch beim Kriterium des „Zeitraums zwischen dem Eintreffen am Ort“ und der „Wiederherstellung der Versorgung“. Gesetzliche Vorgaben, Rechtsprechung, kartellrechtliche Stellungnahmen oder auch nur Literaturmeinungen könne die Verfügungsklägerin nicht vorbringen. Dass sie, die Verfügungsbeklagte, das Ziel der zügigen Störungsbeseitigung, das dem EnWG nicht zu entnehmen sei, „völlig unberücksichtigt“ lasse, sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass bereits aus dem Zeitraum vom Eingang der Störungsmeldung bis zum Eintreffen einer qualifizierten Person vor Ort zuverlässige Schlüsse auf die Qualität des Störungsdienstes gezogen werden könnten. Unberücksichtigt lasse die Verfügungsklägerin zudem, dass die Störungsbeseitigung nach für alle Bieter verbindlichen Regelwerken erfolge, sodass oftmals bewertbare Unterschiede nicht feststellbar seien. Tatsächlich ergäben die abgefragten Reaktionszeiten häufig auch sehr unterschiedliche Angaben, allein zufälligerweise im Fall des Senats (16 U 66/19 kart) nicht (Bl. 296ff.).

73

Was die (ebenfalls schon unzulässige) Rüge zum Abstellen auf Maximalzeiten bei dem Unter-Unter-Kriterium „Reaktionszeit bei Störungen“ angehe, sei der Hinweis der Verfügungsklägerin auf Fehlanreize unverständlich, da die kritisierte Optimierung der schlechtesten Zeit tatsächlich zu schnelleren Durchschnittszeiten führe (Bl. 301f.).

74

In Ansehung der (gleichfalls schon unzulässigen) Rüge zum Abstellen auf Maximalzeiten zum Unter-Unter-Kriterium „Bearbeitung von Kundenbeschwerden“ sei daran zu erinnern, dass die Verfügungsklägerin bereits eingeräumt habe, dass deren Abfrage zulässig sei, was allein schon belege, dass ein Verstoß nicht vorliege (Bl. 302). Dass Verbraucher mit durchschnittlichen Zeiten rechneten, sei eine nicht näher belegte Vermutung; diese tröste es im Hinblick auf ihre konkreten Beschwerden wenig, wenn ihnen die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten über 20 Jahre mitgeteilt würden. Richtigerweise sei die maximale Bearbeitungszeit – orientiert an der gesetzlichen Vorgabe einer Maximalbearbeitungszeit von vier Wochen – ein geeigneter Maßstab, dies zumal, da nach den Verfahrensbriefen ausschlaggebend sein solle, wie zukünftig mit Kundenbeschwerden umgegangen werde (Bl. 303f.).

75

Im Hinblick auf die Gewichtung der Kosteneffizienz gebe die Verfügungsklägerin keinen zwingenden Grund für die von ihr gewünschte Verteilung an (Bl. 304f.).

76

Was schließlich die Umweltverträglichkeit angehe, so liege es innerhalb des der Gemeinde zukommenden Spielraums, wenn sie dieses Ziel mit insgesamt sechs verschiedenen Wertungskriterien erfasse (Bl. 305).

II.

77

Die Berufung der Verfügungsklägerin hat teilweise Erfolg, § 513 Abs. 1 ZPO.

78

Die Verfügungsklägerin kann verlangen, dass die Verfügungsbeklagte die Fortsetzung des Vergabeverfahrens in seiner derzeitigen Ausgestaltung unterlässt, §§ 46, 47 EnWG. Ein Teil ihrer Rügen – 2 1/3 von 6 (bzw. 4 2/3 von 12, wenn man die inhaltsgleichen Rügen zu „Strom“ und „Gas“ einzeln zählte) – erweist sich als berechtigt, und zwar diejenigen

79

–  zur Beschränkung auf die Reaktionszeit bei einer einzigen bestimmten Störung [1. a) bzw. 2. a)]

80

–  zum Verhältnis von Dauer bis zum Eintreffen zur Dauer bis zur Wiederherstellung [1. b) aa) bzw. 2. b) aa)]

81

–  und zum Abstellen auf Maximalzeiten bei der Zeit zur Wiederherstellung der Versorgung. [1 b) bb) bzw. 2. b) bb)], nicht aber bei der Zeit bis zum Eintreffen.

A.

82

Gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG haben Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Nach § 46 Abs. 2 S. 1 EnWG dürfen solche Verträge höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Nach § 46 Abs. 3 EnWG haben die Gemeinden den durch Zeitablauf notwendig gewordenen Neuabschluss eines solchen Vertrages öffentlich bekannt zu machen. Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Gemeinde den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet; unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden; bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen, § 46 Abs. 4 EnWG (Hervorhebung vom Senat).

83

Danach sind die Gemeinden als marktbeherrschender Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb der Energieversorgungsnetze in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Das Auswahlverfahren muss deshalb so gestaltet werden, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Nur dann ist gewährleistet, dass diese Entscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das daraus folgende Transparenzgebot verlangt dementsprechend, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden; außerdem ist die Gewichtung der Kriterien offenzulegen, damit die Bewerber erkennen können, wie die einzelnen Kriterien die Entscheidung beeinflussen.

84

In der Sache ist die Auswahl des Netzbetreibers vorrangig an den Kriterien auszurichten, die die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 EnWG konkretisieren, also an der Gewährleistung einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht. § 1 Abs. 1 EnWG vereint mehrere Einzelziele, die unterschiedlicher Konkretisierung, Gewichtung und Abwägung gegeneinander durch die Gemeinde zugänglich sind; damit wird auch der Planungshoheit der Gemeinde als einer wesentlichen Ausprägung der Teilnahme der Gemeindebürger an den Angelegenheiten des örtlichen Gemeinwesens Rechnung getragen. Zulässig sind dabei auch Auswahlkriterien, die qualitative Eigenschaften und Unterschiede der Angebote bei Netzbetrieb und Netzverlegung bewerten.

85

Ob ein fehlerhaftes Auswahlverfahren Bewerber um die Konzession unbillig behindert, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf eine Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist (vgl. zu alldem BGH, Urteile vom 17. Dezember 2013, KZR 65/12, – Stromnetz Heiligenhafen, Rn 43ff., und KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin, Rn 34ff., 55, (Hervorhebungen vom Senat).

1.

86

Ein gesetzmäßiges Auswahlverfahren, das auf einen „Wettbewerb um die Netze“ zielt, muss danach darauf ausgerichtet sein, den für die zukünftige Laufzeit erwartbar besten Bewerber auszuwählen, wobei sich die Entscheidung nach dem Gesetz vorrangig an den Kriterien des § 1 Abs. 1 EnWG zu orientieren hat. Im Rahmen des Ideenwettbewerbes haben die Kriterienkataloge die Funktion, die in § 1 EnWG vorgegebenen Ziele in Form von Unter-Kriterien in einzelne Leistungen auszudifferenzieren, deren Erbringung für die Erfüllung des Ziels bedeutsam sind (Senat, Urteil vom 23. Mai 2019, 16 U 2/19, S. 23). Zu beanstanden ist unter diesen Vorzeichen die Ausschreibung für ein Vergabeverfahren nicht erst dann, wenn durch eine bestimmte Auslegung der Vergabe ein Bieter konkret benachteiligt wird. Eine Ausschreibung ist vielmehr dann schon nicht zu billigen, wenn sie nicht hinreichend sachgerecht ist; denn jeder einzelne Bieter hat ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Chancen auf Erteilung einer Konzession durch ein gesetzmäßiges Auswahlverfahren gewährleistet werden (BGH a. a. O., Stromnetz Berkenthin, Rn. 57), und das umfasst, wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, (vgl. etwa Urteil vom 25. Juni 2018, 16 U 3/18 Kart, S. 27f.; Urteil vom 23. Mai 2019, 16 U 2/19 Kart, S. 24ff., 26; Urteil vom 19. Dezember 2019, 16 U 73/19 Kart, S. 19), nicht nur verfahrensmäßige, sondern auch sachliche Anforderungen, die sich aus dem gesetzlichen Auftrag ergeben, den nach wettbewerblichen Maßstäben besten Bewerber zu ermitteln.

87

Was die Frage der Sachgerechtigkeit angeht, so gibt es freilich – und zwar nicht nur im Hinblick auf die Belange der örtlichen Gemeinschaft, sondern auch im Hinblick auf die Operationalisierung der Ziele des § 1 EnWG – keinen allein richtigen Kriterienkatalog und auch keine allein richtige Gewichtung der Kriterien. Vielmehr hat insoweit die Gemeinde einen durchaus weiten Spielraum. Andererseits ist sie nach dem Gesetz bei der Auswahl – und dementsprechend auch bei der Anlage ihrer Ausschreibung – den Zielen des § 1 EnWG verpflichtet, an denen sie sich vorrangig zu orientieren hat. Ihr Ausgestaltungsspielraum findet daher seine Grenze dort, wo die Kriterien bzw. die dazu aufgestellten Maßstäbe die objektiven Anforderungen an den Netzbetrieb – die Versorgungsaufgabe in den gesetzlich vorgegebenen Dimensionen – ersichtlich unzureichend abbilden. Verfehlt eine auf die Ermittlung des besten Bewerbers zu richtende Ausschreibung die genügende Abbildung der Versorgungsaufgabe, besteht kein Grund, einen Spielraum der Gemeinde zu schützen, der etwas anderes bezweckt.

88

Für einen weitergehenden Spielraum kann sich die Verfügungsbeklagte auch nicht auf die von ihr angeführte Stelle in der Berkenthin-Entscheidung des BGH (Rn. 49) stützen, in der es heißt, „die Gemeinde kann daher durch die konkreten Kriterien, die sie der Auswahlentscheidung zugrunde legt, und deren Gewichtung ihren Auftrag zur Daseinsvorsorge erfüllen und in der ihr sachgerecht erscheinenden Weise konkretisieren“. Daraus ergibt sich nicht, dass eine Ausschreibung schon dann zu billigen wäre, wenn nur die Kriterien und deren Gewichtung subjektiv der Gemeinde sachgerecht erschienen sind. Nach dem Kontext (Rn. 43ff., 47ff.) geht es dort vielmehr darum, dass die Gemeinde bei der Vergabe neben den Zielen des § 1 EnWG, denen sie Rechnung tragen muss, auch den Angelegenheiten des örtlichen Gemeinwesens Rechnung tragen darf, und dieses Recht zur kommunalen Selbstverwaltung gewährt ihr die Möglichkeit, neben den ihr vorgegebenen Zielen sowie bei der Gewichtung aller Ziele untereinander diesen Belangen Geltung zu verschaffen. Der zitierte Satz bezieht sich mithin auf die Auflösung des Interessenwiderspruchs (Rn. 44) zwischen der Bindung an die Ziele des § 1 EnWG und den gemeindlichen Interessen, und nur in dieser zweiteren Hinsicht kann die Gemeinde in den Katalog und bei der Gewichtung einstellen, was ihr im Hinblick auf ihre konkreten örtlichen Gegebenheiten und das Interesse ihrer Bürger bedeutsam erscheint. Im Hinblick auf die Durchführung des Ideenwettbewerbes, der auf die Ermittlung des besten Bewerbers auszurichten ist und außerhalb ihres Selbstverwaltungsrechtes liegt, kann sie derartige Freiheitsgrade nicht haben.

89

Entsprechend erachtet, was den Maßstab der Überprüfung des sachlichen Gehalts einer Ausschreibung angeht, der Senat die von der Verfügungsbeklagten (Bl. 158) für sich reklamierte Auffassung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 27. Januar 2021, 6 U 95/20 Kart, Rn. 82 bei juris; Urteil vom 28. August 2019, 6 U 109/18 Kart, Rn. 137 bei juris), des OLG Frankfurt (Urteil vom 3. November 2017, 11 U 51/17 Kart, Rn. 47) und des OLG Stuttgart (Urteil vom 5. Januar 2017, 2 U 66/16, Rn. 85 bei juris) als zu großzügig. Danach soll der Spielraum der Gemeinde erst dort überschritten sein, wo die Bedeutung eines Kriteriums in der Ausschreibungsgewichtung so grundlegend von dessen Bedeutung nach den energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen abweicht, dass daraus eine Verkennung des Kriteriums offenkundig wird, weil von einer angemessenen Bewertung auch im Lichte des Spielraums nicht mehr ausgegangen werden könne. Das ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gedeckt. Das OLG Stuttgart, auf dessen Entscheidung vom 5. Januar 2017 (a.a.O.) sich die anderen Oberlandesgerichte beziehen, verweist für seine Auffassung auf die Ausführungen des BGH in der Berkenthin-Entscheidung in Rn. 85f. Dort diskutiert indes der BGH einen Katalog, der allein die zwei Hauptkriterien „Wegenutzungsvertrag“ (100 Punkte) und „Geschäftsmodell Netzgesellschaft“ (70 Punkte) enthielt, wobei in ersterem Ziele des EnWG nur höchst sporadisch (Beseitigung von Verteilanlagen 5 Punkte, Bemühung um störungsfreien Netzbetrieb 10 Punkte, im Übrigen Fehlanzeige) vertreten waren, und führt aus, dass u.a. auch das Kriterium der Preisgünstigkeit, das die Gemeinde mit dem Unter-Kriterium des „Gemeinderabattes“ (5 Punkte) hat repräsentiert sehen wollen, nicht berücksichtigt worden sei. Den Ausführungen des BGH an dieser Stelle (zu einem rückblickend krass erscheinenden Fall aus der Frühzeit der Wegerechtsvergabe) ist nicht zu entnehmen, dass erst bei derart fundamentalen Verfehlungen wie dem Ausfall von gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien eine Ausschreibung als fehlerhaft beurteilt werden dürfte, ebenso wenig ist seinen bisherigen Entscheidungen zu entnehmen, dass über den „Ausfall“ hinaus in der Sache nur Mängel bei der Gewichtung beanstandet werden dürften. Für richtig erachtet der Senat vielmehr, dass, wie es in der Entscheidung des OLG Karlsruhe (6 U 109/18) auch zuvor (Rn. 137) heißt, die gewählten Zuschlagskriterien die netzwirtschaftlichen Anforderungen wahren müssen.

2.

90

Mit Rücksicht auf diese Vorzeichen – der Aufgabe der Ermittlung des nach wettbewerblichen Maßstäben besten Bewerbers einerseits und des der Gemeinde dabei zukommenden Gestaltungsspielraums andererseits – sind auch die Bestimmungen des § 47 EnWG zu lesen.

91

Nach § 47 Abs. 1 EnWG kann jedes beteiligte Unternehmen eine Rechtsverletzung durch Nichtbeachtung der Grundsätze eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens rügen.

92

Die Geltendmachung der Beeinträchtigung eigener Rechte und/oder Chancen ist danach nicht erforderlich. Zweck der gestaffelten Rügeobliegenheiten ist es, dass der Konzessionsgeber durch die Rüge die Möglichkeit erhält, etwaige Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren. Es soll verhindert werden, dass am Vergabeverfahren beteiligte Bieter erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht sammeln und so lange mit einer Beanstandung warten, bis klar ist, dass ihre Spekulation, den Zuschlag zu erhalten, nicht aufgegangen ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Juni 2019, 2 U 218/18, Rn. 73). Entsprechend soll das Konzessionierungsverfahren durch Abschichtung von Streitpunkten gestrafft und beschleunigt werden, wobei primär die Gemeinde in die Lage versetzt werden soll, auf begründete Beanstandungen durch entsprechende Änderungen beispielsweise im Rahmen der Auswahlkriterien zu reagieren (KG, Urteil vom 25. Oktober 2018, 2 U 18/18, Rn. 53).

93

Von der Rügeobliegenheit sind sämtliche Rechtsverletzungen umfasst, welche aus dem Inhalt der entsprechenden Verlautbarung der Gemeinde erkennbar sind. Dabei sind wegen der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 GG keine hohen Anforderungen zu stellen (OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2019, 2 U 218/18, Rn. 74). Indes muss sich aus der Rüge ergeben, dass der Bewerber eine bestimmte Vorgehensweise als rechtswidrig ansieht, sodass bloße Nachfragen insoweit nicht ausreichend sind. Um eine Gemeinde in die Lage zu versetzen, den beanstandeten Fehler zu erkennen und zu korrigieren, muss die Rüge eine konkrete Beanstandung enthalten. Diese Zielsetzung kann nur erreicht werden, wenn die Rüge eine substantiierte Begründung enthält, welche es der Gemeinde erlaubt, im Einzelnen nachzuvollziehen, wodurch und inwieweit ein beteiligtes Unternehmen eine Rechtsverletzung zu erkennen glaubt. Es muss für die Gemeinde erkennbar sein, welcher Sachverhalt der Rüge konkret zugrunde gelegt wird und woraus die Rechtsverletzung abgeleitet wird. Eine detaillierte rechtliche Würdigung muss dabei nicht enthalten sein. Zudem muss für die Vergabestelle klar sein, dass der Bieter ein bestimmtes Verhalten als vergaberechtswidrig beanstandet und eine Abhilfe erwartet (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 54 m.w.N.). Kürzer gefasst: Eine genügende Rüge erfordert, dass der Bewerber, soweit Fehler für ihn erkennbar sind, konkret darlegt, welche Vorgaben und/oder Maßnahmen er angreifen möchte und aus welchen Gründen diese aus seiner Sicht rechtswidrig sind (KG, Urteil vom 25. Oktober 2018, 2 U 18/18, Rn. 53; LG Kiel, Urteil vom 23. März 2018 - 14 HKO 166/17 Kart, Rn 21; Senat, Urteil vom 6. Juli 2020, 16 U 16/20 Kart, S. 16f.).

94

Dagegen ist entgegen der jetzigen Auffassung des Landgerichtes nicht erforderlich, dass die Rüge auch zugleich angibt, in welcher Weise genau der vermeintliche Fehler zu beheben sei. Zutreffend verweist die Verfügungsklägerin darauf, dass eine solche Vorgabe, die die Gemeinde ohnehin nicht binden könnte, mit dem Ausgestaltungsspielraum der Gemeinde nicht zu vereinbaren ist. Es genügt nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Gesetzes vielmehr vollauf, dass dargelegt wird, warum die Ausgestaltung so, wie sie liegt, zu beanstanden sei.

B.

95

Nach diesen Maßgaben sind die Rügen der Verfügungsklägerin sämtlich zulässig. Sie sind zum Teil auch begründet; das Vergabeverfahren der Verfügungsbeklagten ist in der Sache nicht in jeder Hinsicht zu billigen.

96

1. „Unzureichende Abbildung des Ziels der Versorgungssicherheit“

97

Die diesbezügliche Rüge der Verfügungsklägerin ist (a) zulässig und (b) auch begründet (b).

a)

98

Die Verfügungsklägerin hat in den beiden Schreiben vom 15. Februar 2021 (jeweils S. 2) ausdrücklich gerügt, dass für die Gewährleistung einer vollumfänglichen Versorgung zu jeder Zeit von erheblicher Bedeutung sei, mit welchen Maßnahmen die Bewerber Versorgungsunterbrechungen vermeiden (…) könnten, wofür unter anderem maßgeblich seien die Ausstattung und Absicherung der Netzleitstelle, die IT-Sicherheit, die Möglichkeit Versorgungsunterbrechungen durch Umschaltmaßnahmen, den Einsatz von Ersatzstromaggregaten, den Einsatz mobiler Schaltanlagen oder den Einsatz von Kabelmesswagen zur Kabelprüfung und Fehlerortung zu vermeiden oder zu minimieren. Zudem hat sie das Fehlen der Abfrage anerkannter Kennzahlen für die Versorgungssicherheit gerügt.

99

Das ist eine hinreichend konkrete Begründung, die es der Verfügungsbeklagten erlaubt hat nachzuvollziehen, wodurch und inwieweit die Verfügungsklägerin eine Rechtsverletzung zu erkennen glaubt. Tatsächlich wird deutlich, was die Verfügungsklägerin konkret vermisst, und worum sie den Kriterienkatalog ergänzt sehen will. Die Verfügungsbeklagte hat sich auch durchaus in der Lage gesehen, sich – ohne die Frage der Zulässigkeit der Rüge überhaupt zu thematisieren – zu dieser Rüge in der Sache zu verhalten, nämlich ausgeführt, es könne nicht jeder denkbare Gesichtspunkt im Rahmen der Unter-Unter-Kriterien abgefragt werden, und es sei vom Beurteilungsspielraum der Stadt gedeckt, nicht noch weitere Teilaspekte explizit abzufragen, insbesondere, u.a. weil mit der Reaktionszeit bei Störungen wesentliche Aspekte der Versorgungssicherheit abgebildet würden und die aufgeführte Ausstattung mitlaufend mit berücksichtigt werde.

b)

100

Die Rüge, die die Verfügungsklägerin in der Antragsschrift (S. 15, Bl. 17) wiederholt hat, erscheint – was das Fehlen eines Kriteriums der Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen angeht – auch als berechtigt.

101

Der Verfügungsbeklagten kommt es ausweislich ihrer Verfahrensbriefe (vgl. die einleitenden Ausführungen zu „1. Versorgungssicherheit“) darauf an, dass möglichst zu jeder Zeit eine vollumfängliche Versorgung gewährleistet sein soll. Entsprechend versteht sich, dass es ihr bei dem Unter-Unter-Kriterium „Reaktionszeit bei Störungen“ darum gehen muss, dass die Dauer von Versorgungsunterbrechungen möglichst minimiert wird, und eben deshalb soll offensichtlich auch die geringste Zeit am besten bewertet werden. Vor diesem Hintergrund trifft offensichtlich zu, dass mit der Beschränkung auf die Reaktionszeit bei einer einzigen bestimmten Störung die hinter dem Unter-Kriterium steckende Aufgabe, die Dauer von Versorgungsunterbrechungen zu minimieren, sachlich nicht hinreichend erfasst wird. Denn es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, auf eine Störung zu reagieren, und zu solchen Reaktionsmöglichkeiten gehören ohne Frage neben der Wiederherstellung einer defekten Stelle auch „workaround“-Methoden und Maßnahmen zur vorübergehenden Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Netzes. Diese geraten bei der vorliegenden Ausschreibung nicht genügend in den Blick.

102

Insoweit ist auch beachtlich, dass der BGH (in der Berkenthin-Entscheidung, Rn. 38) davon gesprochen hat, dass im Vergabeverfahren „derjenige (neue) Netzbetreiber ermittelt werden solle, der nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung, seiner fachlichen Kompetenz und seinem Betriebskonzept am besten geeignet sei, beim Netzbetrieb eine sichere (usw.) Versorgung (…) zu gewährleisten“. Freilich trifft (mit der Verfügungsbeklagten) zu, dass die Ausstattung nicht als solche abzufragen ist, weil der Ideenwettbewerb nicht auf Mittel ("Input"), sondern auf Leistung bzw. Aufgabenerfüllung ("Output") zu richten ist, sodass die Mittel „nur“ als gleichsam mitlaufende Beurteilungskriterien für die Gewährung der Zielerreichung bei den jeweils abgefragten Leistungen bzw. Zielen fungieren (std. Rspr. des Senats seit dem Urteil vom 25. Juni 2018, 16 U 3/18 Kart, S. 27ff.). Das ändert aber nichts daran, dass, wenn der Beste ermittelt werden soll, der Kriterienkatalog so anzulegen ist, dass die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Minimierung von Unterbrechungszeiten umfassend und so abgefragt werden, dass sich für bei allen Bewerbern notwendig vorhandene diesbezügliche Sachmittel ein angemessener Ort findet. Das ist hier nicht der Fall:

103

Es erschließt sich dem Senat nicht, wie mit der Darstellung der Leistungen zur Behebung eines einzigen definierten Störfalls die Leistungsfähigkeit der Bewerber zur Minimierung von Unterbrechungszeiten insgesamt zureichend abgebildet werden könnte, noch weniger, wie sich daraus insoweit "zuverlässigere" Schlüsse ziehen lassen sollten.

104

Und es trifft nach den Erfahrungen des Senats auch nicht zu, dass die angeführten Mittel bereits bei den weiteren Unter-Kriterien "Investitionen" und "Instandhaltung" in sachangemessener Weise ver- und bewertet würden. In ersterer Hinsicht geht es regelmäßig um die ganz anderen Aspekte des Asset-Managements, der Analyse der Netzqualität, der Zielnetzplanung, der Investitionsstrategie und der geplanten Investitionen. In zweiterer Hinsicht geht es regelmäßig um die ebenfalls ganz anderen Aspekte des Work-Force- Managements, der Erfassung und Analyse von Störungen und Lastflüssen, um Gerätewartungs- und Instandhaltungszyklen und das Vorgehen bei konkreten Instandhaltungen. Bei diesen Kriterien spielt danach die hier in Rede stehende Ausstattung praktisch keine Rolle und wird auch nicht etwa in irgendeiner Weise "mitlaufend" beachtet. Vielmehr handelt es sich augenscheinlich um disparate Leistungsbereiche. Daher lässt sich ein Verzicht auf ein weiteres Kriterium zur Minimierung der Dauer von Versorgungsunterbrechungen, das den richtigen Ort für die hier angeführten Merkmale bildet, auch nicht gut damit begründen, dass Kabelmesswagen sowohl bei diesem als auch bei Instandhaltungsmaßnahmen Verwendung finden.

105

Der Verzicht auf das von der Verfügungsklägerin nach all dem zu Recht vermisste Kriterium der „Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen“ ist umso weniger verständlich, als die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten, die die Ausschreibung für sie entworfen haben, ein solches Kriterium in früheren Ausschreibungen (etwa den Fällen des Senats 16 U 110/17 Kart [16 U 66/19 Kart] und 16 U 45/18 Kart) verwendet haben. Dort haben daraufhin die Bieter genau zu den eben hier in Rede stehenden Ausstattungsmerkmalen und Fähigkeiten vorgetragen. Die Verfügungsbeklagte hat auch im Termin vor dem Senat keinen plausiblen Grund dafür zu Gehör bringen können, warum darauf nunmehr hat verzichtet werden sollen; der Hinweis auf den gemeindlichen Gestaltungsspielraum allein vermag insoweit nicht zu überzeugen und muss den von der Verfügungsklägerin diesbezüglich geäußerten Verdacht, dass die Verfügungsbeklagte durch diese Gestaltung Wettbewerbsvorteile der Verfügungsklägerin zu eliminieren versuche, als keineswegs abwegig erscheinen lassen.

c)

106

Im Rahmen der Operationalisierung eines weiteren Unter-Kriteriums der Minimierung der Dauer von Versorgungsunterbrechungen (annehmbar der „Vermeidung von Versorgungsunterbrechungen“) wird es Sache der Verfügungsbeklagten sein, geeignete Vergleichsmaßstäbe zu entwickeln.

107

Freilich kann ihr – was die Verfügungsklägerin auch gar nicht beantragt – nicht vorgeschrieben werden, dass sie in diesem Zusammenhang die sog. SAIDI-Werte (System Average Interruption Duration Index) abfragt. Zutreffend weist die Verfügungsbeklagte darauf hin, dass es eine entsprechende gesetzliche Vorgabe nicht gibt und sie insofern einen Ausgestaltungsspielraum hat. Nicht ganz treffend ist allerdings, dass sich weder in der Rechtsprechung noch in den Vorgaben der Landeskartellbehörden eine Forderung nach einem zwingend erforderlichen Vergleich dieser Werte finde; denn immerhin empfiehlt etwa der Musterkriterienkatalog des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (zuletzt geändert am 5. März 2015) die Erfassung der „durchschnittlichen Zeit von Versorgungsunterbrechungen eines Bewerbers – bezogen auf die jeweiligen Netzebenen –z.B. in Gestalt des SAIDI-Werts“ mit der Maßgabe, dass Bewerbern Gelegenheit gegeben werden solle, ihre Ausfallzeiten zu erläutern, insbesondere Sondersituationen. Ebenso empfiehlt der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (Stand Juni 2014), übernommen von der Landeskartellbehörde Niedersachsen, eine Abfrage von „Ausfallzeiten“. Gleichermaßen empfiehlt auch das Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie des Landes Schleswig-Holstein aus dem Herbst 2015 die Abfrage von „Störungshäufigkeit, Ausfallzeiten und - dauer, angemessenen technischen Standards, bspw. SAIDI-Wert“. Nur begrenzt tragfähig ist auch der weitere Verweis der Verfügungsbeklagten auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 30. Oktober 2018 (11 U 62/17 Kart); dieses erachtet nicht etwa die Heranziehung von SAIDI-Werten als sachwidrig, sondern wendet sich (Rn. 84ff.) allein gegen den uneingeschränkten Vergleich des sog. SAIDI-Werts des Versorgungsunternehmens mit dem von der Bundesnetzagentur für alle Netzbetreiber veröffentlichten SAIDI-Wert und hält es demgegenüber für erforderlich zu berücksichtigen, dass Betreiber von sog. Flächennetzen in erheblichem Maße störungsanfällige Freileitungen einsetzen müssten und daher ein anderes Risikoprofil hätten als sog. Stadtversorger, die ein nahezu ausschließlich erdverkabeltes innerstädtisches Stromnetz betrieben. Damit ist in der Tat ein Problem aufgeworfen, dem die Verfügungsbeklagte womöglich (je nach der Struktur der ihr bekannten Bewerber) ihre Aufmerksamkeit wird schenken müssen. Ein weiteres Problem sieht sie (Bl. 159f.) berechtigterweise auch darin, dass Bieter sich (nach den Erfahrungen in der Vergangenheit) Zeiten des Netzes heraussuchten, in denen keine Unterbrechungen zu verzeichnen gewesen seien, und tatsächliche Unterbrechung als nicht bewertbar darstellten. Die eine wie die andere Schwierigkeit mag es begründen können, von der Abfrage von SAIDI- und/oder anderen diesbezüglichen Werten abzusehen. Das vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Verfügungsbeklagte gehalten ist, einen Maßstab zu verwenden, anhand dessen sich die Qualität der Bewerber im Hinblick auf die Minimierung von Unterbrechungszeiten bemessen lässt (vgl. zu dem ähnlich gelagerten, wohl eher noch schwierigeren Problem der Überprüfung der Preisprognosen der Bewerber; Senat, Urteil vom 19. Dezember 2019,16 U 73/19 Kart u.a., S. 19ff.).

108

2. „Reaktionszeiten bei Störungen“ (Gewichtung und Abstellen auf Maximalzeiten)

109

Die diesbezüglichen Rügen sind (a) zulässig und (b) teilweise berechtigt.

a)

110

Die Rügen sind zulässig. In den Schreiben vom 15. Februar 2021 heißt es ganz ausdrücklich, dass die Gewichtung für das Eintreffen vor Ort (mit insgesamt 60 Punkten) sowohl absolut als auch im Verhältnis zu dem mit nur 20 Gewichtungspunkten bewerteten Zeitraum zwischen dem Eintreffen am Ort der Störung und der Wiederherstellung der Versorgung „zu hoch“ sei. Ebenso heißt es, es sei nicht sachgerecht, bei den Angaben zu den Reaktionszeiten nur auf Maximalzeiten abzustellen. Die Verfügungsbeklagte hatte auch keinerlei Schwierigkeiten damit, die Zielrichtung dieser Rügen zu verstehen. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes bedarf es, wie eingangs (zu A. 2.) ausgeführt, im Hinblick auf die erstgenannte auch keiner näheren Darlegung dahin, in welcher Weise die Gemeinde ihr konkret abzuhelfen habe.

b)

111

Die Rügen sind auch teilweise begründet.

aa)

112

Dass der Zeitraum bis zum Eintreffen am Störungsort dreimal so hoch bewertet wird wie die Zeit für die Wiederherstellung der Versorgung ist ersichtlich nicht sachgerecht.

113

Die von einer Unterbrechung der Versorgung betroffenen Bürger und Unternehmen sind naturgemäß in erster Linie daran interessiert sind, dass diese Unterbrechung möglichst rasch endet. Darüber hinaus ergibt sich das auch aus dem Verfahrensbrief, in dem es, wie schon erwähnt, einleitend zur Versorgungssicherheit heißt, dass möglichst zu jeder Zeit eine vollumfängliche Versorgung gewährleistet sein soll. Wenn – unstreitig – im Gesamtzusammenhang der Behebung der Störung die Zeit bis zum Erscheinen vor Ort wesentlich kürzer ist als die Zeit, die es dann für die Wiederherstellung der Versorgung braucht, so ist es sachwidrig, dem ersteren Zeitraum das größere Gewicht beizumessen. Diese Schieflage lässt auch sich nicht dadurch begradigen, dass auf das Eintreffen einer qualifizierten Person abgestellt werden soll, die unstreitig selbst die Störung nicht beseitigt, und es ist auch nicht nachvollziehbar, wie allein aus der Zeit bis zum Eintreffen einer solchen Person genügende, geschweige denn „zuverlässigere“ Schlüsse auf die Qualität der Entstörung insgesamt sollten gezogen werden können. Denn für die Qualität bei der Leistung „Wiederherstellung der Versorgung“ kommt es nicht nur auf eine solche Person, sondern auf die gesamten personellen, sächlichen und organisatorischen Mittel an, mit denen die Zeit der Unterbrechung möglichst klein gehalten werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass „Ursachen und Umfang von Störungen unterschiedlich sein können“ und die angegebenen Wiederherstellungszeiten daher mit einem Prognoserisiko behaftet sind, das schon deshalb nicht, weil die Verfügungsbeklagte – unter Beschreibung eines ganz bestimmten Störfalls – auf das Kriterium gar nicht insgesamt verzichtet hat, im Übrigen deshalb nicht, weil, wie die Verfahren um die Konzessionsvergabe zeigen, sachgerechte Vergleiche und plausible Bewertungen in vielerlei Hinsicht schwierig sind; diese Schwierigkeiten vermögen aber eine sachwidrige Gewichtung nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig kann schließlich der Hinweis überzeugen, dass die Störungsbeseitigung nach für alle Bieter verbindlichen Regelwerken erfolge und meistens von externen Bauunternehmen durchgeführt werde, sodass tatsächlich oftmals erhebliche bewertbare Unterschiede nicht feststellbar seien (Antragserwiderung S. 18, Bl. 167). Es kann dahingestellt bleiben, ob das – die Verfügungsklägerin (Schriftsatz vom 10. September 2021, S. 10, Bl. 195) hat das in Abrede genommen – zutrifft oder nicht. Auch wenn dem so wäre, wäre es im Hinblick darauf, dass es im Ergebnis auf die Dauer der Unterbrechungszeit ankommt, ersichtlich nicht sachgerecht, wenn aus im Vergleich zur Gesamtzeit verhältnismäßig feinen Unterschieden erhebliche Punktedifferenzen resultieren könnten.

bb)

114

Ebenfalls ist das ausschließliche Abstellen auf Maximalzeiten bei dem Unter-Kriterium „Reaktionszeiten bei Störungen“ zu beanstanden, allerdings nur im Hinblick auf die Wiederherstellung der Versorgung.

(1)

115

Die Abfrage von Maximalzeiten bei den beiden Unter-Unterkriterien „Zeitraum zwischen Störungsmeldung und Eintreffen“ (Tag und Nacht) ist nicht zu beanstanden.

116

Allerdings ist der Verfügungsklägerin zuzugeben, dass das Abstellen auf einen gewichteten Durchschnitt der vorzugswürdige Maßstab sein mag. Nach Meinung des Senats dürfte es für einen Bürger, eine Bürgerin oder ein Unternehmen, der, die oder das von einer Versorgungsunterbrechung betroffen ist, weniger entscheidend sein, wann schlimmstenfalls ein Mitarbeiter an der Störungsstelle eintrifft; vielmehr dürfte es näher liegen, dass er, sie oder es – abstrakt und im Vorhinein – eher daran interessiert ist, wann – Ausnahmen gibt es immer – in der Regel ein solcher Mitarbeiter erscheint.

117

Andererseits erscheint das Rekurrieren auf eine maximale Zeit aber auch nicht als gänzlich sachfremd. Man mag eben auch dafür halten können, dass gerade bei Beteiligung eines Flächennetzbetreibers der worst case den Maßstab bilden soll, der diesen dazu anhält, bei seiner Planung der „Starts aus der Fläche“ insbesondere die Interessen der Verfügungsbeklagten zu wahren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bildung von Durchschnittswerten nicht notwendig allen Bewerbern gleichermaßen möglich ist. Gewisslich wird die Verfügungsklägerin selbst, die langjährig die betroffenen Netze betreibt, aufgrund ihrer Aufzeichnungen dazu verlässliche Angaben machen. Wie das dagegen ein "ortsfremder" Bieter, der günstigstenfalls ein nahegelegenes Netz betreibt, bewerkstelligen sollte, hat sie im Termin vor dem Senat nicht erläutern können. Darüber hinaus kann dem Kriterium – wie im vorigen Abschnitt ausgeführt – bei sachgerechter Anlage der Gewichtungsmatrix nur ein überaus geringes Gewicht beigemessen werden. Unter diesem Vorzeichen müsste eine Beanstandung als sehr fein gewogen erscheinen. Das Rügerecht ist indes kein Mittel zur Perfektionierung der Ausschreibung. Insgesamt kann sich danach der Senat nicht zu der Beurteilung verstehen, dass insoweit bei der Anlage der Ausschreibung der gemeindliche Ausgestaltungsspielraum in dem oben (A. 1.) genannten Sinne überschritten wäre, dass die Anforderungen an den Netzbetrieb ersichtlich unzureichend abgebildet würden.

(2)

118

Anders liegt es indes bezüglich des ausschließlichen Abstellens auf Maximalzeiten bei dem Unter-Unter-Kriterium der Wiederherstellung der Versorgung. Dies ist zu beanstanden.

119

Bei einer Ausschreibung, für die es – auch nach Meinung der Verfügungsbeklagten – im Hinblick auf die Störungsbeseitigung maßgeblich ist, Störungen so schnell wie möglich zu beseitigen ([Nicht-]Abhilfeschreiben vom 7. Juli 2021, S. 6 bzw. 7, Bl. 121 bzw. 135) ist es ersichtlich sachwidrig, die Qualitäten der Bewerber allein an ihrer denkbar schlechtesten Leistung zu bemessen. Vielmehr bedarf es fairerweise einer umfassenden Abwägung der jeweiligen Fähigkeiten und Mittel der Bewerber, bei der die Höchstzeiten lediglich ein Element unter mehreren/vielen sein können. Die Verfügungsbeklagte nennt insoweit – anders als im Hinblick auf die Maximalzeiten bei den Reaktionszeiten – auch keinen und schon gar keinen nachvollziehbaren Grund dafür, der diesen Maßstab bei dem in Rede stehenden Kriterium der Wiederherstellung als ihr auch nur "sachgerecht erscheinend" zu erklären vermöchte. Der allgemeine Hinweis auf den Ausgestaltungsspielraum der Gemeinde genügt unter den gegebenen Umständen nicht, auch nicht der (von ihr allerdings auch gar nicht ins Feld geführte) Gedanke einer vereinfachten Auswertungsmöglichkeit.

120

3. Kundenbeschwerden (Maximalzeiten)

121

Diese Rüge ist (a) zulässig, aber (b) unbegründet, jedenfalls unbegründet geworden.

a)

122

In ihren Rügeschreiben vom 15. Februar 2021 bringt die Verfügungsklägerin vor, nach der Ausschreibung sollten maßgeblich für die Bewertung der Angebote die maximalen Bearbeitungszeiten vom Eingang der Kundenbeschwerde bis zu deren abschließenden Klärung sein, was sachlich nicht gerechtfertigt sei. Darauf springt die Verfügungsbeklagte in ihren (Nicht-)Abhilfeschreiben (jeweils S. 8, Bl. 123 und 136) an und verteidigt sich dahin, dass sie darauf abstellen dürfe, von welchem Zeitraum Letztverbraucher in Beschwerdefällen im schlimmsten Fall auszugehen hätten. Sie räumt damit ein, dass sie dem Gewicht beimessen will. Nachdem erkennbar die Verfügungsklägerin genau das für falsch hält, liegt eine verständliche Rüge vor.

b)

123

Die Rüge ist indessen in der Sache nicht (mehr) berechtigt.

124

Aus dem maßgeblichen Blickwinkel des Ausschreibungstextes handelt es sich bei den Maximalzeiten nicht um ein ausschlaggebendes Kriterium. Nach den Vorgaben in den Verfahrensbriefen geht es der Verfügungsbeklagten um die Gewährleistung einer möglichst zügigen Bearbeitung von Beschwerden der Netzkunden. Dabei sollen die Bewerber den Prozessablauf bei der Bearbeitung von Kundenbeschwerden darstellen. Das wird ihnen Anlass geben, ihre diesbezügliche personelle und sachliche Ausstattung und ihre organisatorischen Vorkehrungen im Einzelnen zu erläutern. Ebenfalls werden sie verschiedene Fälle und Typen von Beschwerden und ihr darauf bezogenes Beschwerdemanagement schildern. Dass sie dabei – u.a. – auch Angaben zu den maximalen Bearbeitungszeiten machen sollen, hindert sie nicht, zu durchschnittlichen Zeiten und auch etwa zu fallbezogen unterschiedlichen Zeiten vorzutragen; dergleichen dürfte sogar geboten sein, wenn es nach dem Eingangssatz um die Abarbeitung des Beschwerdeaufkommens insgesamt geht (und dementsprechend keine Beschränkung auf einen bestimmten Beschwerdefall vorgegeben wird). Zur Plausibilisierung sollen sie die Bearbeitungsdauer von – verschiedenen – Kundenbeschwerden in den letzten fünf Jahren nennen.

125

Unter diesen Vorzeichen ist der Ausschreibung nicht zu entnehmen, dass für die Bewertung am Ende die Angabe der maximalen Bearbeitungszeiten ausschlaggebend sein könnte. Zu bewerten ist vielmehr – worauf denn auch die Verfügungsbeklagte im Prozess (Antragserwiderung S. 28, Bl. 177) kommt – das Netzbetriebskonzept der Bieter zu dieser Aufgabe insgesamt unter dem Aspekt, wie zukünftig mit Beschwerden umgegangen wird. An dieser – aufgrund einer unvoreingenommenen Lektüre des Textes auch nur naheliegenden – Lesart wird sich die Verfügungsbeklagte festhalten lassen müssen. In dem damit aufgespannten Bewertungsrahmen insgesamt erscheint es nicht (mehr) als beanstandenswert, wenn auch (und dann verständigerweise mit überschaubarem Gewicht) etwaige unterschiedliche maximale Bearbeitungszeiten mit in die Bewertung eingehen. Wie durch die Leistungsbeschreibung konkret nennenswerte Fehlanreize (im Sinne einer Verkürzung maximaler Bearbeitungszeiten zulasten regelmäßiger Bearbeitungszeiten) bewirkt werden könnten, erscheint dem Senat als nicht verständlich.

126

4. Gewichtung der Kosteneffizienz

127

Die Rüge der Verfügungsklägerin ist (a) zulässig, hat aber (b) in der Sache keinen Erfolg.

a)

128

Die Rüge ist zulässig. Aus den Rügeschreiben der Verfügungsklägerin geht klar hervor, dass sie es für sachlich ungerechtfertigt hält, dass die Kosteneffizienz unterschiedlich (mit 10 % oder mit 11 %) gewichtet werden soll, je nachdem, ob das Unter-Kriterium des „regulatorischen Effizienzwerts“ in die Auswertung mit eingeht oder nicht.

b)

129

Die Rüge greift indessen in der Sache nicht durch.

130

Allerdings ist der Verfügungsklägerin zuzugeben, dass der Verfügungsbeklagten bei den alternativen Gewichtungen der Unter-(Unter-) Kriterien zum Effizienz-Ziel ein sachgedanklicher Lapsus unterlaufen ist: Der regulatorischen Effizienzwert bildet ein Moment der Kosteneffizienz und keines der Energieeffizienz. Fällt er weg, so wäre es nur konsequent, die „freigewordenen“ 40 Punkte, die auf ihn entfielen, allein auf die vier Unter-Unter-Kriterien zur Kosteneffizienz zu verteilen und nicht auch auf die Unter-Unter-Kriterien der Vermeidung von Netzverlusten bzw. der Minimierung des Gasschwundes, welche Momente der Energieeffizienz darstellen.

131

Gleichwohl kann die Verfügungsbeklagte mit ihrer Rüge nicht durchdringen. Denn es ist bei einer fraglos angemessenen Berücksichtigung der Effizienz mit 140 Punkten insgesamt weder erkennbar sachwidrig, die Kosteneffizienz einschließlich des regulatorischen Wertes mit 110 Punkten und die Energieeffizienz mit 30 Punkten zu bewerten, noch ist es sachwidrig, in einer Matrix ohne den regulatorischen Effizienzwert, der nicht notwendig abgefragt werden muss, die Kosteneffizienz mit 100 Punkten und die Energieeffizienz mit 40 Punkten zu bewerten. Dann kann auch nicht gut die durch das Vorhandensein des Effizienzwertes bedingte Koppelung beider Gewichtungsschemata als ersichtlich sachwidrig zu bezeichnen sein. Das Rügerecht ist, wie schon erwähnt, kein Instrument zur – in diesem Fall : logischen – Perfektionierung der Ausschreibung.

132

5. Unzureichende Abbildung der Umweltverträglichkeit

133

Die diesbezügliche Rüge ist (a) zulässig, aber (b) ebenfalls nicht begründet.

a)

134

Die Rüge ist zulässig. Aus den Schreiben der Verfügungsklägerin ergibt sich unmissverständlich, dass sie den Kriterienkatalog um die Aspekte der „Vermeidung von CO2- Emissionen“ und den „Einsatz umweltverträglicher Materialien“ erweitert sehen möchte. Die Angabe, mit welcher Gewichtung diese Unter-Kriterien in den Katalog einzugehen hätten, ist (s.o. A. 2.) nicht erforderlich.

b)

135

Die Rüge ist aber nicht begründet.

136

Die Umweltverträglichkeit ist mit 120 Punkten angemessen gewichtet. Sie ist mit den Momenten „Schonung des Baumbestands bei Leitungsverlegungen“, „Entfernung stillgelegter Anlagen, „Vermeidung von Straßenaufbrüchen“, „Beratung zum Netzanschluss von EEG-Anlagen (bzw. im Falle des Gasnetzes: von Biomethan-Einspeise-Anlagen)“ sowie (nur beim Strom) „Bearbeitung des Antrags auf Netzanschluss von EEG-Anlagen“ und „Erdverkabelung“ auch hinreichend sachgerecht abgebildet. Der Verfügungsklägerin ist zuzugeben, dass die von ihr weiter verlangten Kriterien durchaus Sinn ergeben (was die Verfügungsbeklagte schon deshalb nicht gut in Abrede stellen kann, weil die Verfasser ihres Kriterienkataloges, ihre Prozessbevollmächtigten, eben diese beiden Elemente in früheren Ausschreibungen verwendet haben (vgl. erneut die Fälle des Senats 16 U 66/19 Kart und 16 U 45/18 Kart). Gleichwohl trifft – insoweit mit der Verfügungsbeklagten – zu, dass angesichts des schon erheblichen Umfangs des Kriterienkataloges nicht sämtliche denkbaren Aspekte, die dem Ziel zuordbar wären, als Kriterien ausgeformt werden müssen. Das Rügerecht ist – erneut – kein Instrument zur Perfektionierung der Ausschreibung. Und – insoweit mit dem Landgericht (U 20), und etwas anderes bringt konkret auch nicht die Verfügungsklägerin vor – weder die Entstehung von CO2-Emissionen noch die Verwendung umweltschädlicher Materialien stellen für den Netzbetrieb wirklich relevante Probleme dar, ohne deren Abfrage die Versorgungsaufgabe nicht mehr angemessen abgebildet würde. Ihre Vermeidung bzw. Eindämmung ist, wenngleich sich dadurch Unterschiede ebenso wie Vorzüge durchaus begründen lassen, keine derart bedeutsame Leistung eines Netzbetreibers, dass ohne entsprechende Abfragen ein bester Bewerber nicht mehr sachgerecht ermittelt werden könnte.

137

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Das Urteil ist rechtskräftig, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.


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