Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 272/09 - 76; 4 U 272/06

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Mai 2009 – 4 O 75/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.716,35 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aus einem Verkehrsunfallereignis in Anspruch.

Der Kläger kollidierte am 19.11.2008 gegen 6.50 Uhr in H., die S.straße befahrend, im Kreuzungsbereich zur N. Straße, in die der Kläger nach rechts einbiegen wollte, mit dem von P. F. gesteuerten Fahrzeug, der die N. Straße aus Sicht des Klägers gesehen von links befuhr.

Gegenüber der Einmündung ist ein Verkehrsspiegel angebracht, der den Verkehrsteilnehmern aus der Fahrtrichtung des Klägers einen besseren Einblick in die N. Straße gewähren soll.

Der Kläger hat behauptet, er habe an der Einmündung angehalten und sich über den Spiegel vergewissert, dass er gefahrlos nach rechts in die N. Straße einbiegen könne. Er habe sich dann langsam in die Vorfahrtstraße vorgetastet und sich weiterhin durch Blick in den Verkehrsspiegel nach links über die Verkehrssituation vergewissert. Er habe dann sein Fahrzeug angehalten, als er das Fahrzeug des Herrn F. bemerkt habe. Dieser sei auf das klägerische Fahrzeug aufgefahren, als der Kläger bereits fast parallel zum Mittelstreifen in der N. Straße gewesen sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm auch das beklagte Land auf Schadensersatz hafte, weil der Verkehrsspiegel aufgrund eines älteren Knicks in der Haltekonstruktion falsch eingestellt gewesen sei und er das herannahende Fahrzeug nicht habe sehen können. Wegen der örtlichen Situation sei er auf einen ordnungsgemäß eingestellten Verkehrsspiegel angewiesen gewesen. Das beklagte Land hafte, weil es den von ihm aufgestellten Spiegel nicht ausreichend kontrolliert und nicht rechtzeitig repariert habe.

Der Kläger hat den behaupteten Sachschaden unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Firma Auto S. S. vom 25.11.2008 (Bl. 14 d. A.) auf 1.691,35 EUR beziffert. Daneben begehrt er die Zahlung einer Unkostenpauschale von 25 EUR.

Der Kläger hat zunächst neben dem beklagten Land auch den Fahrer und die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs vor dem Amtsgericht Ottweiler auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 12.2.2009 (Bl. 31 d. A.) hat sich das Amtsgericht Ottweiler hinsichtlich der gegen das beklagte Land gerichteten Klage für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gegen das beklagte Land an das Landgericht verwiesen.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger

1. 1.716,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2008 zu zahlen;
2. weitere 229,55 EUR außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat den vorgetragenen Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten und die Auffassung vertreten, dass dem Kläger eine Vorfahrtsverletzung vorzuwerfen sei. Der Verkehrsspiegel sei nicht vom beklagten Land, sondern von der Ortspolizeibehörde der Gemeinde I. errichtet worden. Bei den regelmäßigen Streckenkontrollen durch den Landesbetrieb für S. seien keine Beschädigungen festgestellt worden. In rechtlicher Hinsicht sei es von Relevanz, dass der Verkehrsspiegel kein Verkehrszeichen, sondern ein Sicherungsmittel sei, das den Kläger nicht davon entbinde, sich selbst um die Einhaltung der Vorfahrtsregeln zu kümmern.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfange weiter. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass sich die Verkehrssicherungspflicht auch auf die Funktion des Spiegels beziehen müsse. Ein Spiegel dürfe nicht seinerseits zur Gefahrenquelle werden, weil er, wie im vorliegenden Falle geschehen, in die falsche Richtung weise und den Verkehrsteilnehmern eine falsche Realität vorspiegele. Der Verkehrssicherungspflichtige müsse eine solche unfallverursachende Fehlfunktion sofort beseitigen.

Der Haltemast des Spiegels sei durch einen Verkehrsunfall am 14.11.2008 gegen 21.45 Uhr abgeknickt worden. Die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten hätten den beklagten Landesbetrieb als richtigen Eigentümer und Verkehrssicherungspflichtigen für den Spiegel ermittelt und diesen am 15.11.2009 per Faxschreiben über den Schaden informiert. Mithin habe der Beklagte mindestens vier Tage Zeit gehabt, um die unfallursächliche Gefahrenquelle zu beseitigen oder zumindest vor ihr zu warnen. Hinzu komme, dass die Streckenkontrolle des Beklagten im Rahmen seiner Kontrollpflicht kalendertäglich auf Mangelfreiheit kontrolliert habe. Bei diesen Kontrollen hätte den Mitarbeitern des Beklagten der Knick am Haltemast und die dadurch bedingte Gefahr nicht verborgen bleiben können.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 14.5.2009 – 4 O 75/09 – den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.716,35 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte macht sich den Vortrag des Klägers zur Ursache für den Knick am Ständer des Verkehrsspiegels zu Eigen und trägt nunmehr vor, dass zwischen der Beschädigung des Spiegels am Abend des 14.11.2008 und dem Schadenstag der Unfallbereich nicht abgefahren worden sei. Eine Nachfrage bei der Straßenmeisterei T. habe zu dem Ergebnis geführt, dass ein entsprechendes Fax nicht bekannt sei.

Der Verkehrsunfall sei einzig und allein auf eine Vorfahrtsverletzung des Klägers zurückzuführen, weshalb ein etwaiges Mitverschulden einer Behörde im Sinne einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dahinter vollkommen zurücktrete. Der Kläger, der die Strecke offenkundig öfter befahre, kenne deren Gefährlichkeit. Er hätte daher in erster Linie seine eignen Pflichten als Verkehrsteilnehmer in idealer Weise erfüllen müssen, bevor er daran denken dürfe, für das Unfallereignis Dritte verantwortlich zu machen. Bereits in erster Instanz habe der Kläger nicht hinreichend vorgetragen, wie es zu dem Unfall gekommen sei. Insbesondere habe der Kläger keine Angaben zu der gefahrenen Geschwindigkeit und zur Geschwindigkeit des Unfallgegners gemacht. Der Kläger begebe sich in einen Widerspruch, indem er einerseits den Beklagten als vermeintlichen Verkehrssicherungspflichtigen in Anspruch nehme, andererseits aber vor dem Amtsgericht Ottweiler Fahrer und Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Pkws mit der Begründung in Anspruch nehme, der Unfallgegner habe den Unfall verursacht und verschuldet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 26.5.2009 (Bl. 73 ff. d. A.) und der Berufungserwiderung vom 29.6.2009 (Bl. 78 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.7.2009 (Bl. 83 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.

II.

A. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zu Grunde legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Allerdings streiten die besseren Argumente dafür, dass der vom Kläger dargelegte Schadenszusammenhang in die Verantwortung des für die Verkehrsicherung zuständigen Amtsträgers fällt.

a) Gemäß § 9 SaarlStrG obliegt dem Träger der Straßenbaulast die Verkehrssicherung hinsichtlich öffentlicher Straßen als öffentliche Aufgabe. Nach einer allgemeinen Definition muss der Verkehrssicherungspflichtige den Verkehr vor den Gefahren schützen, die ihm bei einer zweckentsprechenden Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen aus deren Zustand entstehen (OLG Saarbrücken NZV 1998, 284; Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 45 Rdnr. 51). Die Verkehrssicherungspflicht umfasst nicht nur den Straßenkörper selbst, sondern auch Einrichtungen am Straßenrand, solange diese geeignet sind, Gefahren in den Verkehrsraum zu tragen. Kommt der Verkehrssicherungspflichtige der gebotenen Verkehrssicherungspflicht nicht nach, so ist er nach Maßgabe des § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG zum Schadensersatz verpflichtet.

Hierbei ist die Verkehrssicherungspflicht von der Verkehrsregelungspflicht zu unterscheiden: Diese ebenfalls als Amtspflicht ausgestaltete Pflicht gebietet es, den Verkehr durch Verkehrszeichen und Verkehrsregeln gefahrlos zu lenken (BGH, Urt. v. 15.3.1990 – III ZR 149/89, VersR 1990, 739; Hentschel/König/Dauer, aaO, § 45 Rdnr. 51). Die Verkehrsregelung obliegt den Straßenverkehrsbehörden. Sie hat etwa in § 45 Abs. 3 StVO eine spezialgesetzliche Ausprägung erfahren, wonach die Straßenverkehrsbehörde darüber bestimmen muss, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen sind. Einschränkend bestimmt § 45 Abs. 9 StVO, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Die Verantwortungsbereiche der Verkehrsicherung und Verkehrsregelung sind im Grundsatz voneinander getrennt: Der Träger der Straßenbaulast muss im Regelfall verkehrsregelnde Anordnungen weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüfen (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 12 Rdnr. 31). Allerdings darf der mit der Wahrung der Verkehrssicherungspflicht betraute Amtsträger nicht die Augen vor einer in seine Zuständigkeit fallenden Gefahrenquelle verschließen: Auch der Träger der Straßenbaulast kann im Einzelfall als Verkehrssicherungspflichtiger verpflichtet sein, auf eine Änderung der Verkehrsregelung hinzuwirken, wenn er die von einer unzulänglichen Beschilderung ausgehenden Gefahren erkennt oder eine derartige Verkehrsgefährdung so offensichtlich ist, dass sich die Notwendigkeit alsbaldiger Maßnahmen geradezu aufdrängt (BGH, Urt. v. 15.6.2000 – III ZR 302/99, MDR 2000, 1073; Greger, aaO, § 12 Rdnr. 31; vgl. auch Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 45 Rdnr. 15).

b) Angewandt auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt steht zunächst mit den Argumenten des Landgerichts außer Zweifel, dass die Verkehrssicherung alle diejenigen Gefahren abwenden muss, die dem Verkehr aus der Substanz eines Verkehrsspiegels drohen. Hierbei ist vor allem an die vom Landgericht beschriebene Gefahr zu denken, die aus einer nicht hinreichenden Standfestigkeit des Mastes resultiert. Auch einem möglichen Herabfallen des Spiegels selber gilt es im Rahmen der Verkehrssicherung zu begegnen (zur Kasuistik: OLGR Koblenz 2004, 367; OLG Nürnberg, NJW 2000, 3075; OLGR Hamm 2000, 173; OLG Zweibrücken, VersR 1986, 821). Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt verhelfen diese Rechtsgrundsätze der Berufung nicht zum Erfolg: Die Standfestigkeit des Spiegels war nicht beeinträchtigt.

c) Darüber hinaus sprechen die besseren Argumente dafür, dass der Träger der Straßenbaulast auch die Funktionalität eines Verkehrsspiegels gewährleisten muss:

aa) Ein Verkehrsspiegel zählt weder zu den Verkehrszeichen im Sinne des § 39 StVO, noch zu den Verkehrseinrichtungen im Sinne des § 43 StVO, sondern wird lediglich als allgemeines Sicherungsmittel qualifiziert (vgl. Hentschel/König/Dauer, aaO, § 39 StVO Rn. 31). Es kann dahinstehen, ob die Entscheidung zum Aufstellen eines Verkehrsspiegels als Maßnahme der Verkehrsregelung Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde oder als Maßnahme der Verkehrssicherung Aufgabe des Trägers der Straßenbaulast ist. Diese Frage bedarf einer differenzierten Betrachtung: Mit einem Verkehrsspiegel sind keine verkehrsregelnden Funktionen verbunden. Vielmehr bezweckt ein Verkehrsspiegel allein, eine in einer eingeschränkten Einsehbarkeit begründete Gefahrenstelle zu entschärfen. Bei dieser Betrachtungsweise dient der Spiegel im Sinne einer echten Verkehrssicherung der Gefahrenabwehr. Andererseits obliegen die Beobachtung des fließenden Verkehrs und die Einschätzung der hieraus resultierenden Gefahren in erster Linie den Straßenverkehrsbehörden. Bei dieser Betrachtungsweise sollte die Entscheidung über das Aufstellen eines Verkehrsspiegels vordringlich Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde sein. Letztlich bedarf die Frage keiner abschließenden Beantwortung:

bb) Aus § 45 Abs. 3 StVO folgt, dass die Straßenbaubehörden vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden über die Art der Anbringung und Ausgestaltung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen bestimmen. Gem. § 45 Abs. 5 StVO ist der Träger der Straßenbaulast zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung von Verkehrseinrichtungen und Verkehrszeichen und deren Betrieb verpflichtet. Diese Aufgabenzuweisung konnotiert, dass der Träger der Straßenbaulast sowohl beim Anbringen von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen als auch bei deren Unterhaltung zugleich die Funktionalität des Verkehrszeichens oder der Verkehrseinrichtung gewährleisten muss. Diese Rechtspflicht muss der Träger der Straßenbaulast erst recht hinsichtlich solcher Hilfsmittel wahren, die keinen unmittelbaren verkehrsregelnden Bezug besitzen und deren Anordnung nicht zwingend der Straßenverkehrsbehörde vorzubehalten ist.

cc) Dem steht die Rechtsauffassung, wonach Verkehrsspiegel nicht auf Beschlagen, Verschneien oder Vereisen überwacht werden müssen (Hentschel/König/Dauer, aaO, § 45 StVO Rdnr. 53 aE (S. 936); OLG Frankfurt, NJW-RR 1989, 344), nicht entgegen: Die Beseitigung von witterungsbedingten Einflüssen auf Verkehrsspiegeln würde einen ganz erheblichen Aufwand erfordern. Dieser ist dem Verkehrssicherungspflichtigen in Anbetracht dessen, dass ein Verkehrsspiegel nur ein Hilfsmittel darstellt und keine den Verkehr regelnde Funktion besitzt, nicht zumutbar. Überdies beeinträchtigen die Witterungsbedingungen den Spiegel nur innerhalb eines überschaubaren Zeitintervalls. Solche Beeinträchtigungen kann der Verkehr daher eher hinnehmen als einen dauerhaften Ausfall der Hilfsfunktion.

d) Ist mithin der Träger der Straßenbaulast auch für den Fortbestand der Funktionalität eines Verkehrsspiegels verantwortlich, so kann sich der Beklagte nicht mit dem Hinweis entlasten, dass der Verkehrsspiegel im vorliegenden Fall einer Ortsstraße zuzuordnen sei. Diese Betrachtungsweise verengt den Blick: Der Verkehrsspiegel bezweckte ein erleichtertes Einfahren in die bevorrechtigte Landesstraße und beeinflusste gewissermaßen mit Notwendigkeit sowohl den auf der Ortsstraße als auch den auf der Landesstraße fließenden Verkehr. Die Gefahren, denen der Spiegel vorbeugen will, betreffen beide Straßen, weshalb es im Dienste einer effektiven Verkehrssicherung interessengerecht erscheint, beide Straßenbaulastträger gesamtschuldnerisch zur Gewährleistung der Funktionalität des Verkehrsspiegels zu verpflichten.

2. Dennoch ist es dem Kläger nicht gelungen, einen objektiven Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des beklagten Landes schlüssig darzulegen: Die Verkehrssicherungspflicht besteht nur in den Grenzen der Zumutbarkeit. Diese verlangt keine lückenlose, kalendertägliche Überwachung aller öffentlichen Straßen. Vielmehr genügt der Verkehrssicherungspflichtige seiner Verkehrssicherungspflicht schon dann, wenn er den Straßenraum engmaschig kontrolliert.

a) Ob der Beklagte in Erfüllung dieses Gebots gehalten gewesen wäre, die fragliche Landstraße im kurzen Intervall zwischen der Beschädigung des Spiegels (im Berufungsrechtszug ist unstreitig, dass der Schaden am Mast am 14.11.2008 gegen 21:45 Uhr entstand) und dem hier zu beurteilenden Unfallgeschehen (am 19.11.2008 gegen 6.50 Uhr) zu kontrollieren, erscheint zweifelhaft. Die erforderliche Kontrolldichte richtet sich nach der Verkehrsbedeutung der Straße, insbesondere nach der Art und Häufigkeit ihrer Benutzung (BGH, NJW 1980, 2194; OLG Celle NJW-RR 2007, 972). Die Kasuistik ist nicht einheitlich: Während zumindest in der Frost- und Tauperiode bei extremer Belastung der Straße durch Schwerverkehr eine wöchentliche Kontrolle geboten sein kann (OLG Brandenburg, DtZ 1997, 97, 98), soll es bei Landstraßen mit allenfalls regionaler Verkehrsbedeutung ausreichend sein, in Abständen von drei Tagen zu kontrollieren (OLG Karlsruhe NZV 1988, 20, 21; Greger, aaO, § 13 Rdnr. 50, weitere Nachweise bei Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 E 88). Mit Blick auf das zwischen der Beschädigung und dem Unfallereignis liegende Wochenende war dem Beklagten im kurzen Intervall die Durchführung einer Kontrollfahrt nicht aufzuerlegen.

b) In jedem Fall ist nicht ersichtlich, dass dem Straßenbetrieb bei der gebotenen Routinekontrolle die vom Kläger behauptete eingeschränkte Funktionstauglichkeit des Verkehrsspiegels hätte auffallen müssen: Der Knick am Mast des Verkehrsspiegels ist minimal. Es gab aus Sicht der mit der Routinefahrt betrauten Mitarbeiter des Straßenbetriebes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Blickwinkel des Spiegels in relevanter Weise durch die Beschädigung verändert wurde. Um eine zeitnah möglichst vollständige Kontrolle durchzuführen, muss sich die Kontrolle bei Routinefahrten – freilich ohne sorglos zu sein – auf das Aufdecken solcher Schäden beschränken, die bei geübter flüchtiger Betrachtung erkennbar sind. Unter Beachtung dieses Maßstabs wäre der vom Kläger gerügte Missstand nur dann aufgefallen, wenn die Mitarbeiter des Straßenbetriebes eine eingehende Kontrolle des Sichtfeldes durchgeführt hätten. Zu einer solchen Maßnahme waren die Mitarbeiter des Landesbetriebes auch dann nicht verpflichtet, wenn der Straßenmeisterei T. – so die Behauptung des Klägers – ein Telefax über die Beschädigung des Mastes zugegangen wäre. Denn diese Mitteilung diente dem Zweck, Schadensersatzansprüche des Landes gegen den Unfallverursacher zu sichern. Aus dem Text der Verkehrsunfallanzeige lässt sich nicht entnehmen, dass die Funktionalität des Verkehrsspiegels in irgendeiner Weise beeinträchtigt war.

Zusammenfassend läge eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht allenfalls dann vor, wenn der Beklagte trotz konkreter Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Spiegels untätig geblieben wäre. Solche Hinweise werden vom Kläger nicht dargelegt.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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