Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 319/10 - 94

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 20. Mai 2010 – 3 O 27/08 – mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 4.019,38 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.5.2008 sowie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 374,90 EUR zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt 57%, die Beklagte 43% von den Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.324,25 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Bauunternehmen die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohnes u.a. für die Herstellung einer Treppenanlage in Anspruch.

Die Beklagte beauftragte das Architektenbüro F. Architektur und Urbanistik mit der Planung einer Treppenanlage zum Anwesen in H. Am 21.1.2007 erteilte die Beklagte der Klägerin den Auftrag zur Durchführung der Bauarbeiten. Der Auftragserteilung lagen ein Angebot der Klägerin vom 10.12.2007 (GA I Bl. 9 ff.) und Pläne des Architekturbüros zugrunde. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

Am 28.1.2008 fand eine förmliche Abnahme der Baumaßnahme im Beisein der Beklagten, des Architekten K. sowie des Geschäftsführers der Klägerin statt. Das schriftliche Abnahmeprotokoll (GA I Bl. 16) bestätigt die Mangelfreiheit der Werkleistung.

Am 30.1.2008 erteilte die Klägerin Schlussrechnung (GA I Bl. 18 ff.), die mit einem Gesamtbetrag von 27.025,04 EUR endete. Abzüglich bereits geleisteter Abschlagszahlungen in Höhe von 19.213,28 EUR wies die Rechnung einen verbleibenden Restbetrag von 7.811,76 EUR aus.

Im Berufungsrechtszug steht zwischen den Parteien außer Streit, dass sich die offenstehende Werklohnforderung aus dem Bauvertrag und einem Zusatzauftrag – vorbehaltlich der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen – auf 9.324,25 EUR beläuft.

Mit Schreiben 7.2.2008 (GA I Bl. 52 f.) meldete die Klägerin gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B „Bedenken gegen die vorgesehene Ausführungsart aufgrund der hier einschlägigen technischen Ausführungsvorschriften DIN 18065“ an. Das Schreiben lautet im Auszug:

„Nach der für den Treppenbau maßgeblichen DIN-Vorschrift 18065 sind jedoch für Treppenanlagen spezielle Grenzmaße, Fertigmaße im Endzustand, einzuhalten. Diese schreiben … eine maximale Treppensteigung von 21 cm vor. Bei der vorhandenen Treppe ist das Maximalmaß mit einer relativen Treppensteigung von circa 18 cm eingehalten. Jedoch erlaubt die vorliegende Konstruktion der Treppe dem Benutzer, die Treppe quer zu begehen, wobei in dieser Benutzungsweise zwei Stufen auf einmal genommen werden. Hier ergibt sich jedoch eine Treppensteigung von circa 36 cm. Dabei ist das durch DIN 18065 vorgeschriebene Maximalmaß der Treppensteigung überschritten und die Treppenanlage entspricht nicht den einschlägigen technischen DIN-Bestimmungen.“

Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 18.2.2008 unter Fristsetzung zum 10.3.2008 auf, den angezeigten Mangel zu beseitigen. Mit Anwaltsschreiben vom 10.7.2008 (GA I Bl. 46 f.) forderte die Beklagte die Klägerin auf, die im Bereich der Eingangstür und an einer Rand-Fertigteil-Stufe der Rampenbegrenzung aufgetretenen Mängel bis zum 25.7.2008 zu beseitigen.

Im ersten Rechtszug standen unter anderem der Umfang der erteilten Werkleistung und die Berechtigung der gemachten Stundenlohnarbeiten im Streit.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.324,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.811,76 EUR seit dem 20.5.2008 und aus 1.512,49 EUR seit dem 22.5.2008 zu zahlen;

2. an die Klägerin nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 555,60 EUR zu zahlen.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass von der Bruttoabrechnungssumme in jedem Fall ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 1.351,25 EUR in Abzug zu bringen sei. Hinsichtlich der von der Klägerin errichteten Treppenanlage sei die Werkleistung insgesamt unbrauchbar und gar nicht abnahmefähig. So habe die Klägerin selbst ausgeführt, dass die Treppenanlage das zulässige Maximalmaß der Treppensteigung nicht einhalte. Eine Pflichtverletzung der Klägerin liege jedenfalls darin, dass sie nicht rechtzeitig Bedenken angemeldet habe. Die gesamte Treppenanlage müsse abgerissen, entsorgt, neu geplant und wieder neu aufgebaut werden. Der Mangel könne nicht durch das Anbringen weiterer Handläufe beseitigt werden, da dies der planerischen und designtechnischen Gesamtkonzeption der Treppenanlage zuwiderlaufe.

Im Bereich der Eingangstür sei eine Randplatte des Belags gebrochen. Dort würden Plattenteile aus dem Verlegeverbund ausbrechen. An einer Rand-Fertigteilstufe der Rampenbegrenzung würden sich die Risse zeigen. Auch habe die Klägerin vertragliche Nebenpflichten verletzt, indem sie den Mangel ungefragt und ohne Absprache mit der Beklagten bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde gemeldet habe.

Die Beklagte hat mit den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen die Aufrechnung gegen die Werklohnforderung erklärt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt: Zwar stehe der Klägerin ein Werklohnanspruch in Höhe von 9.324,25 EUR zu. Dieser sei jedoch durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erloschen. Hinsichtlich der Risse in der Randstufe stehe der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.750 EUR zu. Selbst unter Berücksichtigung eines der Beklagten wegen der fehlerhaften Planung zuzurechnenden Mitverschuldens von einem Drittel stehe der Beklagten wegen der fehlerhaften Ausführung der Treppenanlage ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 9.333,33 EUR zu, der die Klageforderung übersteige.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Die Berufung wendet sich ausschließlich gegen die als berechtigt angesehenen Schadensersatzansprüche wegen der fehlenden DIN-Konformität der Treppenanlage. Die Klägerin behauptet hierzu im Einzelnen:

Die Treppe sei nicht mangelhaft, da die sechs Einzeltreppen bauordnungsrechtlich unabhängig voneinander zu beurteilen seien. Soweit das Landgericht einen Verstoß gegen § 38 LBO angenommen habe, habe das Landgericht keine eigene rechtliche Würdigung vorgenommen, sondern sich der Einschätzung des Sachverständigen angeschlossen. Ein Verstoß gegen § 38 LBO liege bereits deshalb nicht vor, weil es nach § 34 Abs. 5 LBO genüge, wenn nur ein Handlauf vorhanden sei. Da das Anbringen von Handläufen außerhalb der Werkleistung der Klägerin liege, könne das fehlende Anbringen von Handläufen keinen Werkmangel begründen.

Sofern die Treppe – entgegen der Auffassung der Beklagten – dennoch bauordnungsrechtlich zu beanstanden sei, müsse der Aufrechnung dennoch ein Erfolg vorenthalten werden: Entgegen der Einschätzung des Landgerichts sei eine Mangelbeseitigung durch das Anbringen von drei Handläufen möglich. Diese Art der Mangelbeseitigung sei der Beklagten auch zumutbar, da ein rechtskonformer Zustand allein auf diese Art und Weise geschaffen werden könne.

Das Landgericht habe der Klägerin zu weitgehende Prüfpflichten auferlegt: Der gerügte Mangel springe keineswegs ins Auge. Der Geschäftsführer der Klägerin, ein gelernter Gärtner, besitze nicht die erforderlichen Kenntnisse, um den gerügten Mangel der Treppenanlage zu erkennen. Hierbei sei insbesondere von Belang, dass die Beklagte für die Treppenanlage eine Baugenehmigung erhalten habe, weshalb die Klägerin darauf habe vertrauen dürfen, dass die öffentlichrechtlichen Vorschriften eingehalten worden seien. Erst nach Fertigstellung des Werkes hätte die Klägerin erkennen können, dass lediglich ein einziger Handlauf montiert worden sei.

Schließlich wendet sich die Klägerin gegen die Schadensberechnung und trägt vor, dass für den Rückbau der Treppenanlage allenfalls Kosten in Höhe von 900 EUR entstünden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 20.5.2010 – 3 O 27/08 – nach Maßgabe der zuletzt gestellten erstinstanzlichen Anträge zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Da es der Beklagten auch um gestalterische Gesichtspunkte gegangen sei, sei es ihr nicht zumutbar, den Mangel durch das Anbringen von drei weiteren Handläufen zu beheben. Das Anbringen von Handläufen sei auch keineswegs erforderlich, um einen baurechtskonformen Zustand herzustellen: Es sei vielmehr möglich, die Einzeltreppen dergestalt miteinander zu verbinden, dass die Stufen um die Ecken herum geführt würden, wie dies der Sachverständige W. auf Seite 9 seines Gutachtens beschrieben habe.

Soweit die Klägerin vortrage, ihr Geschäftsführer habe als Gärtner gar nicht die Möglichkeit und Fähigkeit besessen, die Baurechtswidrigkeit der errichteten Treppe zu erkennen, sei dieser Vortrag verspätet. Er treffe überdies in der Sache nicht zu, da die Klägerin als Unternehmen auftrete, das mit Steinen gestalte und insbesondere Schwerpunkte im Garten- und Landschaftsbau sowie im Straßen- und Tiefbau habe. Sie werbe auch mit entsprechenden, ihr u. a. von Kommunen erteilten Großaufträgen, die die bauliche Gestaltung ganzer Straßen beziehungsweise Plätze zum Gegenstand hätten. Von einem derart auftretenden Unternehmen könne man die entsprechende Sach- und Fachkenntnis erwarten. Die Bedenkenanmeldung vom 7.2.2008 belege, dass der Geschäftsführer die Baurechtswidrigkeit habe beurteilen können.

Entgegen dem Vortrag der Klägerin habe die Klägerin von Anfang an ersehen können, dass lediglich ein Handlauf vorgesehen gewesen sei. Der Klägerin seien anlässlich der Auftragserteilung sowohl der „Vorabzug“ (GA I Bl. 76) als auch die perspektivische Darstellung (GA I Bl. 77) ausgehändigt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 30.7.2010 (GA II Bl. 247 ff.), der Berufungserwiderung vom 8.9.2010 (GA II Bl. 270 ff.) sowie auf den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 15.4.2011 (GA II Bl. 301 f.) Bezug genommen. Bezüglich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 5.4.2011 (GA II Bl. 295 ff.) verwiesen.

II.

A. Die zulässige Berufung hat im tenorierten Umfang teilweise Erfolg: Im Berufungsrechtszug steht außer Streit, dass sich die Restwerklohnforderung der Klägerin unter Berücksichtigung der Tagelohnarbeiten auf 9.324,25 EUR beläuft. Soweit das Landgericht den Aufrechnungseinwand der Beklagten in vollem Umfang für durchgreifend erachtet hat, bedarf die Entscheidung der Korrektur, da die angefochtene Entscheidung nicht frei von Rechtsfehlern erscheint (§ 513 Abs. 1 ZPO): Bei der Gewichtung des Mitverschuldens an der Mangelhaftigkeit der Werkleistung überwiegt die der Beklagten zuzurechnende Verantwortlichkeit des planenden Architekten, weshalb es der Billigkeit entspricht, den Schadensersatzanspruch der Beklagten um 2/3 zu kürzen. Unter Berücksichtigung dieses Mitverschuldens und des nicht um ein Mitverschulden zu kürzenden Schadensersatzanspruchs hinsichtlich der defekten Randstufe hat die Aufrechnung lediglich in Höhe eines Betrages von 5.304,87 EUR Erfolg.

1. Frei von Beanstandungen hat das Landgericht einen Mangel der Werkleistung i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, § 13 Nr. 1 S. 1 VOB/B darin erblickt, dass die von der Klägerin errichtete Treppenanlage in ihrer gegenwärtigen Ausführung nicht verkehrssicher ist, weil sie ein diagonales Begehen ermöglicht. Entgegen der Auffassung der Berufung kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die konkrete Ausführungsart der Treppe den planerischen Vorgaben des Architekten, mithin im Sinne des § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, § 13 Nr. 1 S. 2 VOB/B der vereinbarten Beschaffenheit entspreche:

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 174, 110, 115 f.; Palandt/Sprau, BGB, 70. Auflage, § 633 Rdnr. 4) entfaltet § 633 Abs. 2 S. 1 BGB keine Sperrwirkung mit der Maßgabe, dass eine Mangelhaftigkeit der Werkleistung nach § 633 Abs. 2 S. 2 BGB nur dann zu prüfen ist, wenn die Werkleistung nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht: Nach richtigem Verständnis des Regelungszusammenhangs bestimmt sich der vertraglich geschuldete Erfolg nicht allein nach der vereinbarten Ausführungsart, sondern danach, welche Funktionen das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Demnach ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Zweck primärer Gegenstand der vertraglichen Beschaffenheit, weshalb ein Werk die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit stets dann vermissen lässt, wenn es die vereinbarte Funktionstauglichkeit nicht aufweist. Diese für den Bereich des BGB-Werkvertrags entwickelten Rechtsgrundsätze beanspruchen auch im Anwendungsbereich des insoweit wortgleichen § 13 Nr. 1 VOB/B Geltung.

b) Angewandt auf den vorliegenden Sachverhalt, gewährleistet die Treppe die vereinbarte Funktionstauglichkeit nicht, da die Treppenanlage in ihrer gegenwärtigen Ausführungsart den Anforderungen der Landesbauordnung nicht entspricht:

aa) Nach § 34 Abs. 5 LBO müssen Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf besitzen. Für Treppen sind Handläufe an beiden Seiten und Zwischenhandläufe vorzusehen, soweit die Verkehrssicherungspflicht dies erfordert. Diesen, der Verkehrssicherung dienenden Anforderungen wird auch in der Musterbauordnung (MBO, in der Fassung von November 2002) Ausdruck verliehen: Nach § 34 Abs. 6 MBO sind die freien Seiten einer Treppe zu umwehren; nach § 38 Abs. 1 Nr. 6 MBO können die freien Seiten einer Treppe anstelle einer Umwehrung mit einer Brüstung versehen werden.

bb) Unter Beachtung dieser Vorgaben ist die Treppenanlage nicht verkehrssicher. Denn die Treppenanlage lädt den Benutzer geradezu zu einer Querbegehung ein. Bei einer solchen Benutzung besteht die nicht fern liegende Gefahr, dass ein Benutzer den auf GA I Bl. 132 lichtbildlich dokumentierten Stufenversatz übersieht und stürzt. Unabhängig von der Frage, ob die Treppenanlage als Einheit oder als aus sechs Einzeltreppen bestehende Anlage zu betrachten ist, war der in der Gestaltung der Treppenanlage angelegten Gefahr durch das zusätzliche Anbringen von Zwischenhandläufen zu begegnen.

cc) Dem steht nicht entgegen, dass der baurechtswidrige Zustand nicht rechtskräftig durch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung festgestellt ist. Die Verkehrssicherheit der Treppe ist im Rahmen der zivilrechtlichen Gewährleistung autonom zu beurteilen. Ebenso wenig ist es für die Annahme eines Werkmangels von Relevanz, ob seitens der Kreisstadt H. eine Abrissverfügung gegenüber der Beklagten erlassen wurde. Eine eventuelle Untätigkeit der Ordnungsbehörde ändert nichts daran, dass die Treppenanlage in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht hinreichend verkehrssicher ist. Ergänzend ist anzumerken, dass auch die Kreisstadt H. die Bedenken des Senats an der Verkehrssicherheit der Treppe teilt. Denn diese hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.4.2008 (GA I Bl. 78 f.) dazu aufgefordert, unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 5 LBO zwei weitere Handläufe anzubringen.

dd) Auch scheidet eine gewährleistungsrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin für die fehlende Funktionstauglichkeit der Treppe nicht deshalb aus, weil die Klägerin die berechtigte Vertragserwartung hegen durfte, dass die Anbringung von Handläufen und Sicherungseinrichtungen von anderen Bauhandwerkern realisiert werden würde, weshalb die Treppe nach ihrer abschließenden Herstellung durch die Klägerin nicht dasjenige Erscheinungsbild zeigen würde, wie sich die Treppenanlage dem Verkehr darbieten würde. Vielmehr ist der gegenteilige Schluss zu ziehen:

Im Berufungsrechtszug steht außer Streit, dass der Klägerin bereits bei Erteilung des Auftrages die planerischen Vorgaben GA I Bl. 76 f. überreicht wurden. Auf der planerischen Skizze GA I Bl. 76 ist zu ersehen, dass lediglich am linksseitigen Rand (gesehen vom Betrachter der Skizze) ein einziger Handlauf vorgesehen war. Anhaltspunkte dafür, dass der planende Architekt den linksseitigen Handlauf nur beispielhaft, gewissermaßen als Teil für ein nicht zeichnerisch dargestelltes, umfassendes Sicherungskonzept, eingezeichnet haben mochte, sind nicht ersichtlich. Der sachverständige Bauhandwerker musste die planerische Vorgabe des Architekten in dem Sinne verstehen, dass die Skizze die später anzubringenden Sicherungseinrichtungen und Handläufe abschließend beschreibt. Dass auch die Klägerin dies nicht anders verstanden hat, folgt mit Klarheit aus dem nur kurz nach der Abnahme verfassten Schreiben vom 7.2.2008 (GA I Bl. 52 f.), in dem die Klägerin Ausführungen zur fehlenden DIN-Konformität der Treppe macht und hierbei explizit die Gefahren einer Querbegehung beschreibt. Die in diesem Schreiben aufgezeigten Bedenken wären gegenstandslos, wenn die Klägerin davon ausgegangen wäre, dass die von ihr errichtete Treppenanlage noch nicht endgültig fertig gestellt gewesen wäre und vor ihrer Widmung für den öffentlichen Verkehr mit weiteren, eine Querbegehung hindernden Sicherheitseinrichtungen ausgestattet werden sollte.

ee) Dieselben Erwägungen lassen es nicht gerechtfertigt erscheinen, die Klägerin aus ihrer Gewährleistungspflicht deshalb zu entlassen, weil die Kenntnisse über die fehlende Verkehrssicherheit der Treppe das von der Klägerin zu erwartende Fachwissen überstiegen hätten (vgl. BGHZ 174, 110, 121).

Es bedarf keiner Entscheidung, ob ein Gärtner, der Treppenanlagen konstruiert, im Allgemeinen und Grundsätzlichen mit den Feinheiten der DIN 18065 und den Vorschriften der LBO vertraut sein muss. Allerdings neigt der Senat dazu, eine solche Kenntnis jedenfalls bei einem Fachunternehmen vom Zuschnitt der Klägerin zu verlangen, das nach dem unbestrittenen Vortrag der Berufungserwiderung des Öfteren und in größerem Stil auch Außenanlagen gestaltet. Die Frage nach generalisierenden Prüf- und Hinweispflichten eines Gartenbauunternehmens kann dahinstehen, da das Schreiben der Klägerin vom 7.2.2008 mit Klarheit entsprechende Kenntnisse über die fehlende Verkehrssicherheit beim Querbegehen belegt. An dieser Kenntnis ist die Klägerin festzuhalten.

3. Hinsichtlich der Gewichtung des Mitverschuldens bedarf die Entscheidung des Landgerichts der Korrektur.

a) Das Landgericht hat das Mitverschulden der Beklagten, die sich den Planungsfehler ihres Architekten zurechnen lassen muss (vgl. BGHZ 179, 55, 66; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 278 Rdnr. 28), lediglich mit einem Drittel veranschlagt und hierzu ausgeführt: Es sei zwar nicht davon auszugehen, dass die Klägerin den Fehler vor Ausführung der Werkleistung positiv kannte. Dennoch sei die fehlerhafte Planung so eindeutig gewesen, dass „es sich um eine massive Hinweisaufforderung an den Unternehmer gehandelt“ habe.

b) Diese Erwägungen vermögen nicht zu überzeugen: Die Beurteilung der bauordnungsrechtlichen Rechtskonformität ist zuvörderst Aufgabe des bauplanenden Architekten. Mithin darf sich der bauausführende Unternehmer im Grundsatz darauf verlassen, dass der Verwirklichung der Planung – erst recht nach ihrer Genehmigung – keine Bedenken entgegenstehen. Wenngleich die Genehmigung der Planung die Prüf- und Hinweispflichten des Werkunternehmers nicht vollständig suspendiert, muss der für die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Belange beauftragte Sonderfachmann die überwiegende Verantwortung für die Nichteinhaltung der bereits bei der Planung zu beachtenden Aspekte tragen. Aus diesen Erwägungen erscheint es interessengerecht, mit umgekehrter Quote zum Nachteil der Beklagten zu gewichten.

4. Hinsichtlich der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes ergibt sich Folgendes:

a) Der Klägerin steht gem. § 13 Nr. 5, Nr. 7 Abs. 3 VOB/B nach mit Schreiben vom 18.2.2008 erfolgter erfolgloser Nachfristsetzung ein Anspruch auf Erstattung der an der Anlage entstandenen Schäden zu, die jedenfalls den Mangelbeseitigungsaufwand umfassen. Dieser orientiert sich im vorliegenden Fall nicht an den Kosten für die Anbringung zusätzlicher Sicherungseinrichtungen, sondern an demjenigen Aufwand, der für den Rückbau der Treppenanlage erforderlich ist. Denn die Anbringung zusätzlicher Geländer und Handläufe stellt keine für die Beklagte zumutbare Mängelbeseitigung dar, da es ihrer berechtigten Vertragserwartung entsprach, eine im wesentlichen barrierefreie Treppenanlage zu schaffen. Diese Vertragserwartung ist auch für die Ausgestaltung des Schadensersatzes maßgeblich, da die Beklagte als Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs Herrin des Restitutionsverfahrens bleiben muss. Dazu im Einzelnen:

b) Die Beklagte hatte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.11.2008 vorgetragen, dass das Anbringen weiterer Handläufe der planerischen und designtechnischen Gesamtkonzeption der Gesamtanlage zuwiderlaufe, der darin bestehe, die Treppenanlage in der Gesamtschau zu dem angebundenen Kanzleieingang mit Fahrstuhlraum anzubinden. Die Beklagte habe unter designtechnischen Gesichtspunkten großen Wert auf die Gesamtkonzeption gelegt. Um zu dem Haupteingang zu gelangen, hätte es der aufwändigen Anlage nicht bedurft (GA I Bl. 100 f.). Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Sie hat zwar im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.2.2010 den Einwand erneuert, ein Abriss der Treppenanlage sei unverhältnismäßig (GA I Bl. 174), nicht jedoch prozesswirksam bestritten, dass der Treppenanlage die von der Beklagtenseite bezeichnete Gesamtkonzeption zu Grunde lag. Ist mithin unstreitig, dass die Beklagte den Auftrag in der Erwartung erteilte, eine möglichst barrierefreie Treppenanlage zu errichten, so stellt der Vorschlag der Klägerin, zusätzliche Handläufe anzubringen, keine geeignete, der Beklagten zumutbare Mängelbeseitigungsmaßnahme dar. Es ist ihr deshalb unbenommen, den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Schadensersatzanspruch an die Kosten des Rückbaus anzulehnen.

c) Der Schadensersatzanspruch ist gem. § 287 Abs. 1 ZPO auf 5.285,04 EUR zu schätzen.

aa) Hierbei sind zuvörderst auf der Grundlage der sachverständigen Begutachtung durch den Sachverständigen B. W. in dessen Ergänzungsgutachten vom 15.9.2009 (GA I Bl. 147 ff.) die eigentlichen Rückbaukosten anzusetzen: Hierunter fallen die Kosten für die Baustelleneinrichtung (Positionen Nr. 01: 160 EUR), für den Abriss der Treppenläufe Nr. 2 bis 5 (Position 02: 900 EUR), den Rückbau der noch vorhandenen Asphaltschicht (Position 06: 288,84 EUR) sowie für die Demontage und Entsorgung des vorhandenen Handlaufes (Position 08: 50 EUR). Zuzüglich der Umsatzsteueranteile verbleiben 1.664,61 EUR.

bb) Mit Recht hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass bei der an den Rückbaukosten orientierten Schadensberechnung auch der Werklohnanspruch für die Errichtung der wertlosen Treppenanlage entfällt. Das Landgericht hat diese Mehrkosten für die Errichtung der rückzubauenden 5 Treppenläufe unter Auswertung des beiderseitigen Sachvortrags unstreitig mit 9.000 EUR festgestellt, nachdem die Klägerin dem entsprechenden Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.12.2009 (GA I Bl. 166) nicht entgegen getreten ist. Der besseren Verständlichkeit halber werden auch diese Kosten der Werklohnforderung im Wege des Aufrechnungseinwandes gegenüber gestellt. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens beläuft sich der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch für die unter aa) und bb) abgehandelten Positionen auf 3.554,86 EUR.

cc) Hinzutritt ein nicht zu mindernder Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.750 EUR für die mangelhafte, vom Rückbau nicht betroffenen Randstufe, weshalb die Aufrechnung in Höhe eines Gesamtbetrages von 5.304,87 EUR zum Erlöschen der Werklohnforderung führte (§§ 387, 389 BGB).

5. Schließlich steht der Beklagten kein Recht zum Einbehalt der vereinbarten Sicherheit (Nr. 4 der Auftragserteilung) zu: Gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 1 S. 3 VOB/B hat der Auftraggeber den einbehaltenen Betrag binnen 18 Werktagen nach der Mitteilung des Einbehalts auf ein Sperrkonto bei dem vereinbarten Geldinstitut einzuzahlen. Zahlt der Auftraggeber den einbehaltenen Betrag nicht rechtzeitig ein, so kann ihm der Auftragnehmer gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B hierfür eine angemessene Nachfrist setzen. Lässt der Auftraggeber auch diese Frist verstreichen, so kann der Auftragnehmer die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages verlangen. Diese Situation liegt hier vor: Die Beklagte hat der Klägerin in der Klageerwiderung Mitteilung von der Vornahme des Sicherheitseinbehalts gemacht. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.9.2008 die Beklagte unter Fristsetzung binnen 10 Tagen aufgefordert, den Einbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Diese Fristsetzung ließ die Beklagte verstreichen, indem sie mit Schriftsatz vom 21.11.2008 – lange nach Ablauf der gesetzten Frist – lediglich ihre Rechtsauffassung von der Berechtigung zur Vornahme eines Sicherheitseinbehalts erneuerte.

6. Die Zinsforderung und die auf der Grundlage der Urteilssumme berechneten vorprozessualen Anwaltskosten waren aus Verzugsgesichtspunkten zu erstatten (§ 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB).

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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