Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ravensburg vom 1.12.2003
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht – Familiengericht – Ravensburg
Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
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Die Parteien haben am 00.7.1985 geheiratet und sie leben seit September 2001 getrennt. Aus ihrer Ehe ist die zwischenzeitlich volljährige Tochter L., geboren am 00.11.1985, hervorgegangen.
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Im angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Ravensburg die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich abgetrennt. Zur Begründung wurde angeführt, der Antragsgegner habe sich dem Scheidungsbegehren entzogen und habe sich weder durch eine Verhängung noch eine anschließende Vollstreckung von Zwangsgeldern motivieren lassen, seiner prozessualen Mitwirkungspflicht zu genügen. Deshalb lasse sein Verhalten eine außergewöhnlich lange Verfahrensdauer befürchten.
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Der Scheidungsantrag war dem Antragsgegner gleichzeitig mit einer Ladung zur ersten mündlichen Verhandlung am 4.1.2003 durch Niederlegung zugestellt worden. In deren Anschluss war gegen den Antragsgegner wegen unentschuldigten Fernbleibens ein Zwangsgeld verhängt und später beigetrieben worden. Eine erneute Festsetzung erfolgte am 26.3.2003, nachdem der Antragsgegner auch zu den weiteren Terminen am 5.5.2003 und am 22.9.2003 nicht erschienen war und weder den angeforderten Fragebogen V 1 zur Vorbereitung der Auskunftsersuchen im Rahmen des Versorgungsausgleichs noch die gewünschte Heiratsurkunde innerhalb der gesetzten Fristen vorgelegt hatte. Mit Verfügung des Amtsgerichts vom 8.8.2003 wurde dem Antragsgegner im Falle eines erneuten unentschuldigten Fernbleibens im nächsten Verhandlungstermin eine zwangsweise Vorführung durch den Gerichtsvollzieher in Aussicht gestellt. Dennoch wurde im Verhandlungsprotokoll vom 22.9.2003 dem Antragsgegner eine Einlassungsfrist von weiteren zwei Monaten gesetzt und es wurde angekündigt, nach Fristablauf den Versorgungsausgleich abzutrennen und die Ehe zu scheiden. Nachdem sich der Antragsgegner wieder nicht geäußert hatte, wurde das angefochtene Urteil verkündet. Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners.
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Er trägt vor, er sei aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, sich auf das Scheidungsbegehren einzulassen. Unabhängig hiervon fehle es an einer außergewöhnlichen Verzögerung, da die bisherige Dauer von neun Monaten eher als unterdurchschnittlich zu bewerten sei. Eine Aufhebung des Scheidungsurteils und eine Zurückverweisung an die erste Instanz zur Herstellung des Verbundes sei im übrigen deshalb erforderlich, da neben dem noch ausstehenden Versorgungsausgleich auch der nacheheliche Unterhalt und der Zugewinnausgleich einer Klärung zuzuführen seien.
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Die Berufung ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Wird einem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache gegen den Willen des Betroffenen stattgegeben, so liegt darin eine selbständige, durch Rechtsmittel rügbare Beschwer (BGH, FamRZ 1996, 1070; BGH, FamRZ 1986, 898).
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Die Berufung des Antragsgegners führt nach § 538 Absatz 2 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht. Es bedarf einer erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Scheidungsantrag und den Versorgungsausgleich als Folgesache im Verbund (§§ 623 Absatz 1 Satz 1, 621 Absatz 1 Nr. 6 ZPO), weil entgegen § 301 ZPO ein Teilurteil über das Scheidungsbegehren erlassen worden ist, obwohl die Voraussetzungen des § 628 Nr. 4 ZPO nicht gegeben waren (Zöller/Philippi, 24. Aufl., § 628 RN 14).
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Nach § 628 Nr. 4 ZPO kann das Gericht dem Scheidungsantrag vor einer Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Die Regelung gilt für alle Folgesachen im Sinn von § 623 ZPO, also auch für den Versorgungsausgleich.
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Für die Annahme einer außergewöhnlichen Verzögerung des Scheidungsverfahrens wird als Richtschnur das Überschreiten einer Dauer von zwei Jahren ab Rechtshängigkeit angenommen. Nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes erledigen die Familiengerichte innerhalb eines Jahres zwischen 66 und 69 % der Ehesachen (Zöller/Philippi, 24. Aufl., § 628 RN 5). Vor diesem Hintergrund kann eine außergewöhnliche Verfahrensdauer nur dann angenommen werden, wenn der übliche Zeitraum um mehr als das Doppelte überschritten ist (BGH, FamRZ 1986, 898; OLG Nürnberg, FamRZ 1997, 763; OLG Zweibrücken, FamRZ 2002, 334). Dies ist hier nicht der Fall. Denn das vorliegende Scheidungsverfahren ist rechtshängig seit 4.1.2003 und bei Verkündung des angefochtenen Urteils am 1.12.2003 währte das Verfahren elf Monate. Selbst wenn die mittlerweile im Berufungsrechtszug verstrichene Zeit in die Betrachtung einbezogen und der Aufwand für die angekündigten Anträge zur Regelung des Zugewinnausgleichs und eines etwaigen nachehelichen Unterhaltes einkalkuliert wird, ist nicht ausgeschlossen, dass noch im Jahr 2004 Entscheidungsreife für ein Verbundurteil herbeigeführt werden kann.
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Unabhängig von der tatsächlichen oder voraussichtlichen Verfahrensdauer ist eine Abtrennungsentscheidung nur dann zu billigen, wenn Härtegründe vorliegen, die einen isolierten Scheidungsausspruch rechtfertigen. Da die Vorschriften über den Verbund dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten dienen und dieser Zweck nicht vereitelt werden darf, ist § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes liegen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten betreffen. Im wesentlichen gilt insoweit folgendes: Die Eheleute sollen sich einem neuen Lebensweg zuwenden, ohne ständige Auseinandersetzungen wegen ihrer früheren Ehe hinsichtlich offen gebliebener Ansprüche befürchten zu müssen. Sie sollen vor übereilten Scheidungen, bei denen häufig die Konsequenzen nicht hinreichend übersehen werden, abgehalten werden. Der Verbund soll schließlich den sozial schwächeren Ehegatten, der an der Ehe festhalten will, schützen. Danach ist Sinn und Zweck des Verbundes die Vermeidung der Rechtslage, die dadurch eintreten kann, dass eine Streitpartei ihren Status als Ehegatte durch die Rechtskraft des Scheidungsurteils verliert, ohne dass eine Regelung der Folgen getroffen ist (OLG Köln, FamRZ 1998, 301). Die Gewährleistung dieses Zweckes ist aber gerade für den Antragsgegner von besonderer Bedeutung, weil er Interesse bekundet hat, das Miteigentum der Antragstellerin am vormals ehelich genutzten und nunmehr vom Antragsgegner allein bewohnten Haus zu übernehmen, außergerichtliche Einigungsbemühungen aber bislang gescheitert sind. Durch eine vorzeitige Ehescheidung würde die gegenwärtige Lebenssituation des Antragsgegners deshalb unmittelbar und nachhaltig berührt Darüber hinaus hat der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse daran, seine behaupteten Ansprüche auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt im Verbund klären zu lassen. Im Gegensatz hierzu hat die Antragstellerin keine Gründe dargetan, aus denen sich ergeben würde, dass sie eine Verzögerung des Scheidungsausspruchs unzumutbar hart treffen würde. Die im angefochtenen Urteil gegebene Begründung, der Antragsgegner habe sich kategorisch dem Scheidungsverfahren entzogen, vermag eine unbillige Härte nicht zu rechtfertigen. Zwar kann ein Parteiverhalten, das der prozessualen Förderungspflicht nicht entspricht, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden (BGH, FamRZ 1986, 898; OLG Frankfurt/M, FamRZ 1986, 921; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 458). Indessen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Vorliegend hätte eine Verzögerung des Versorgungsausgleichs bereits durch prozessleitende Maßnahmen vermieden werden können. Dem Gericht bleibt es nämlich unbenommen, auch ohne Versendung eines unterschriebenen Fragebogens Auskünfte bei den beteiligten Rentenversicherungsträgern einzuholen und etwaige Lücken im Versicherungsverlauf mit Hilfe des antragstellenden Ehegatten aufzuklären. Erst wenn das Gericht das Verfahren nicht mehr weiter fördern kann, weil alle prozessualen Mittel, insbesondere auch eine zwangsweise Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nach § 1587 e BGB, erschöpft sind, kann eine Entscheidung nach § 628 Nr. 4 BGB erwogen werden. Vorliegend hat sich das Amtsgericht aber lediglich auf eine Ermittlung der Rentenanwartschaften der Antragstellerin beschränkt.
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Die Niederschlagung der Gerichtsgebühren beruht auf § 8 Abs. 1 GKG; im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Amtsgericht vorbehalten.
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