Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 Ss 198/2007; 4 Ss 198/07

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Künzelsau vom 15. November 2006, soweit der Angeklagte wegen mittelbarer Falschbeurkundung schuldig gesprochen wurde, mit den Feststellungen

a u f g e h o b e n .

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Künzelsau

z u r ü c k v e r w i e s e n .

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Künzelsau sprach den Angeklagten wegen mittelbarer Falschbeurkundung schuldig und erteilte ihm die Auflage, einen Geldbetrag von 300,00 Euro zugunsten des Hilfs- und Wohltätigkeitsvereins … zu zahlen. Wegen des Vorwurfs des wiederholten Verstoßes gegen die räumliche Beschränkung auf den Hohenlohekreis sprach es ihn frei. Der Angeklagte hat gegen das Urteil beschränkt auf seine Verurteilung (Sprung-) Revision eingelegt. Er rügt Mängel der Anklageschrift und darauf beruhend einen fehlerhaften Eröffnungsbeschluss sowie die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil, soweit der Revisionsführer wegen mittelbarer Falschbeurkundung verurteilt wurde, gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Künzelsau zurückzuverweisen.
II.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Künzelsau. Der Schuldspruch wegen mittelbarer Falschbeurkundung gemäß § 271 Abs. 1 StGB infolge unrichtiger Angaben in der Duldung vom 17. Februar 2005 blieb nicht im Rahmen der zugelassenen Anklage vom 18. April 2006 bzw. des Eröffnungsbeschlusses vom 31. August 2006. Das Rechtsmittel hat im Übrigen mit der Sachrüge Erfolg. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die erhobene Verfahrensrüge durchdringt.
1. Das Amtsgericht Künzelsau hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte stellte am 14. Januar 2003 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in … einen Asylantrag und gab dabei bewusst wahrheitswidrig an, in … geboren zu sein. Dadurch hatte er die Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden und für den Fall der Ablehnung wegen ungeklärter Herkunft die Aussetzung der Abschiebung zu erreichen. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass ihm daraufhin am 17. Februar 2005 eine Duldung erteilt wurde, in welcher der falsche Geburtsort und die falsche Staatsangehörigkeit festgehalten sind.
Demgegenüber lautet die zugelassene Anklage vom 18. April 2006, auf welcher der Eröffnungsbeschluss vom 31. August 2006 beruht, auszugsweise wie folgt:
"Am 06. Januar 2003 reiste der Angeklagte, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein, in das Bundesgebiet ein. Am 14. Januar 2003 stellte er in … einen Asylantrag und gab hierbei bewusst der Wahrheit zu wider an, in … geboren zu sein. Die bewusst falschen Angaben des Angeklagten führten dann - wie vom Angeklagten auch bezweckt - dazu, dass er mit den falschen Personalien als Asylbewerber registriert und in der Folgezeit in Registern und Dateien der mit ihm befassten Behörden geführt wurde und ihm Personaldokumente ausgestellt wurden, die ihn als in … auswiesen."
Der dem Schuldspruch wegen mittelbarer Falschbeurkundung gem. § 271 Abs. 1 StGB zugrundeliegende Sachverhalt (unrichtige Angaben zum Geburtsort und zur Staatsangehörigkeit in der Duldung vom 17. Februar 2005) ist nicht mehr von dem in der Anklage bzw. dem Eröffnungsbeschluss bezeichneten Verfahrensgegenstand umfasst. Hinreichend nach Zeit und Ort identifizierbares historisches Ereignis als Gegenstand der Anklage gem. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO und damit der Urteilsfindung gem. § 264 Abs. 1 StPO ist vielmehr nur die Asylantragstellung am 14. Januar 2003, infolge der dem Angeklagten von Gesetzes wegen eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§§ 63, 64 AsylVfG) ausgestellt wurde. Das Urteil enthält hierzu jedoch keine Feststellungen, weshalb die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Künzelsau zurückzuverweisen ist.
2. Die Verurteilung wegen mittelbarer Falschbeurkundung wird darüber hinaus auch nicht von den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zu den unrichtigen Angaben in der Duldung vom 17. Februar 2005 getragen. Denn die Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a AufenthG stellt keine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 Abs. 1 StGB dar. Die Duldung muss gemäß § 78 Abs. 7 Satz 2 AufenthG den Hinweis enthalten, dass der Inhaber mit ihr nicht der Passpflicht genügt. Sie kann überdies mit dem Zusatz versehen werden, "die Personalangaben beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers" (§ 78 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG); hierzu enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen. Daher erstreckt sich die Beweiskraft der Duldung gerade nicht auf die Personalien des Ausländers. Dem steht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. November 1976 (bei Holtz, MDR 1977, 283) entgegen, der die Urkunde über die Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers nach § 17 Abs. 1 AuslG a.F. als öffentliche Urkunde im Sinne von § 271 StGB qualifizierte und deren Beweiskraft auch auf die Identität der darin als Empfänger benannten Person erstreckte, mit der Folge, dass die Merkmale des § 271 StGB auch dann erfüllt seien, wenn die Personalangaben falsch sind. Denn diese Entscheidung erging zum Ausländergesetz a.F., welches für die Duldung - anders als das neue AufenthG in § 78 Abs. 7 Satz 2 - gemäß § 23 AuslG a.F. lediglich Schriftform vorschrieb, nicht jedoch den Hinweis, dass der Ausländer mit ihr nicht der Passpflicht genüge. Damit ist diese Entscheidung auf die neue Rechtslage nicht übertragbar. Gleiches gilt für die Entscheidung des Amtsgerichts Bremen vom 23. Januar 2003 (87 (72) Ds 290 Js 15959/02, zitiert nach juris), welches die Qualifizierung der Duldung als öffentliche Urkunde im Sinne von § 271 Abs. 1 StGB zum einen auf deren Funktion als Ausweisersatz und zum anderen darauf stützte, dass sie gerade keinen Hinweis enthalte, die aufgenommenen Personalien beruhten allein auf den Angaben des Betroffenen.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Bescheinigung nach § 63 AsylVfG auch hinsichtlich der Personalangaben eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 271 StGB darstellt (vgl. BGHSt 42, 131; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 06. Dezember 2001 - 2 Ss 19/01, zitiert nach juris; aus der Lit.: LK-Gribbohm, StGB, 11. Aufl. 2001, § 271 Rn. 52; a.A. MK-Freund, StGB, 2006, § 271 Rn. 28).

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