Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 1 W 11/15

Tenor

1.Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25.2.2015 wird zurückgewiesen.
2.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 200.000 EUR.

Gründe

 
A.
Die Antragstellerin möchte ein selbständiges Beweisverfahren durchführen und stellt mit am 30.9.2014 eingegangenem Schriftsatz vom 29.9.2014
„zu den Operationen vom
 a)   
 15. September 2009,
 b)    
 11. November 2009,
 c)    
 19. Januar 2011,
 d)    
 16. Februar 2011,
 e)    
 11. Mai 2011,
 f)    
 20. Oktober 2011,
 g)    
 29. Oktober 2011,
 h)    
 14. Juni 2012,
 i)    
 13. Dezember 2012,
 j)    
 24. Januar 2013,
 k)    
 7. März 2013
jeweils folgende Fragen (also sind insgesamt mindestens 121 Antworten zu erwarten):
1.a) War die Operation indiziert? Wenn ja, welche Indikation lag der Operation zugrunde? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
b) Gab es andere Möglichkeiten der Therapie, konnte die Operation vermieden werden? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
c) Über welche Behandlungsmöglichkeiten ist aufzuklären? Ist über diese Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt worden; wenn ja, wie? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
d) Über welche Risiken ist aufzuklären? Ist über diese Risiken aufgeklärt worden; wenn ja, wie? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
e) Welche Diagnostik ist erforderlich, um die Indikation/Diagnose abzuklären? Welche Diagnostik ist durchgeführt/unterlassen worden? Sind Röntgenaufnahmen erforderlich; sind diese ausreichend? Ist die durchgeführte Diagnostik ausreichend, insbesondere hinsichtlich der gewählten Technik und der Qualität der Aufnahmen? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
f) Welche Diagnostik ist erforderlich, um die Operation vorzubereiten/durchführen zu können? Welche Diagnostik ist durchgeführt/unterlassen worden? Sind Röntgenaufnahmen erforderlich; sind diese ausreichend? Ist die durchgeführte Diagnostik ausreichend, insbesondere hinsichtlich der gewählten Technik und der Qualität der Aufnahmen? Ist das ordnungsgemäß dokumentiert?
g) War abzusehen, dass sich durch die Operation die Schmerzen nicht verbessern oder gar verschlimmern? Hätte der Patienten die Schmerzhaftigkeit der Operation und ihrer Folgen verdeutlicht werden müssen?
h) Ist die Operation fachgerecht durchgeführt und dokumentiert worden?
i) Hätte die Operation verschoben werden sollen, insbesondere wegen erhöhter Entzündungsparameter unklarer Ursache?
j) War die Nachsorge der Operation fachgerecht und ordnungsgemäß dokumentiert? War die Wundheilung gesichert? Mussten Rehabilitationsmaßnahmen veranlasst werden; sind diese rechtzeitig veranlasst worden?
k) War der mit der Operation verbundene Krankenhausaufenthalt notwendig oder zu lange? War die Entlassung aus dem Krankenhaus verfrüht?
2.Waren die Entzündungsparameter erhöht, wenn ja, wie oft bzw. wann und wie lässt sich die Erhöhung der Entzündungsparameter im Einzelnen erklären?
a) Gibt es dafür Beweise? Wenn ja, welche?
b) Hätte der Ursache nachgegangen werden müssen? Wie wäre das möglich gewesen?
c) Welche Befunde hätten weiter erhoben werden müssen? Hätte insbesondere eine bakteriologische Urinuntersuchung erfolgen müssen?
d) Welche Aufklärung und Dokumentation wäre erforderlich gewesen? Hätte die Patientin auf die unklare Ursache und die damit einhergehenden Risiken für die Operation und/oder Wundheilung hingewiesen werden müssen?
e) War eine (symptomatische) Therapie angezeigt? Ist eine solche fachgerecht durchgeführt worden - war insbesondere die perioperative Antibiotika-Prophylaxe angezeigt und
regelgerecht? Welche Aufklärung hinsichtlich Alternativen und Risiken hätte erfolgen werden müssen -  ist diese erfolgt und dokumentiert?
3.Zur radiologischen Beurteilung:
a) Ist die Diagnose »symptomatischen Varusgonarthrose am rechten Kniegelenk« aus radiologischer Sicht richtig gestellt worden?
b) Rechtfertigen die erhobenen radiologischen Befunde die Diagnose einer »symptomatischen Varusgonarthrose am rechten Kniegelenk«?
c) Wäre eine weitere radiologische Diagnostik zur Abklärung der Diagnose »symptomatischen Varusgonarthrose am rechten Kniegelenk« erforderlich gewesen?
d) Wäre eine weitere radiologische Diagnostik zur Vorbereitung der vorstehenden Operationen erforderlich gewesen?
e) Wäre eine weitere radiologische Diagnostik zur Nachbereitung der vorstehenden Operationen erforderlich gewesen?
f) Erklären die radiologischen Befunde die Schmerzen der Patientin?
4. Zur Allergie der Patientin:
a) Sind Allergien gegen Prothesen üblich? Wenn nein: Hätte frühzeitiger eine Allergie auf die Prothese in Betracht gezogen werden müssen?
b) Ist vorab auf Allergien zu testen? Wenn ja, ist ein solcher Test fachgerecht durchgeführt und dokumentiert worden?
c) Erklären sich die Fragen zu Nr. 2 (Entzündungsparameter) insbesondere aus allergologischer Sicht?
d) Ist gegen eindeutig bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen worden, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, als die Erhöhung der Entzündungsparameter ignoriert und nicht dem Verdacht hinsichtlich einer etwaigen Allergie gegen die Prothese nachgegangen worden ist?
5.Zur Rehabilitation der Patientin:
a) Sind nach den einzelnen Operationen die notwendigen Rehabilitationstherapien verordnet worden? Sind diese fachgerecht durchgeführt und dokumentiert worden?
b) Sind die Rehabilitationsmaßnahmen verfrüht begonnen worden?
c) War die Dauer der Rehabilitation und/oder der Aufenthalt in den Rehabilitationseinrichtungen zu kurz oder zu lang?
d) Ist die Patientin heute noch rehabilitationsfähig? Wenn ja, welche Rehabilitationsleistungen sollten durchgeführt werden?
10 
6.Zur Psyche der Patientin:
a) Können die Schmerzen im Knie eine andere Ursache gehabt haben, zum Beispiel eine psychosomatische? Wenn ja, ist dies vorab abgeklärt worden?
b) Ist die Patientin durch die zahlreichen Operationen und ihren Folgen psychisch beeinträchtigt oder erkrankt?
c) Wenn ja, wie erheblich ist die Beeinträchtigung oder Erkrankung, wie wirkt diese sich auf den Alltag und die Erwerbsfähigkeit aus?
d) Bedarf die Patientin einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung aufgrund der Operationen bzw. ihrer Folgen?
11 
12 
Das Gericht wird gebeten, einen oder mehrere geeignete Sachverständige zu bestellen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Fragen verschiedene Fachgebiete betreffen. Die Fragen sollten danach von Fachärzten folgender Fachgebiete beantwortet werden:
13 
1.Die Fragen zu Nr. 1 und 2 von einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (S. 46, 7.5 im Abschnitt B der Weiterbildungsordnung LÄK BW, Stand: 01.02.2014);
14 
2.die Fragen zu Nr. 2 und 3 von einem Facharzt für Radiologie …;
15 
3.die Fragen zu Nr. 2 und 4 von einem Facharzt mit der Zusatzbezeichnung »Allergologe« …;
16 
4.die Fragen zu Nr. 5 von einem Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin …;
17 
5.und die Fragen zu Nr. 6 von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie … mit Schwerpunkt Forensische Psychiatrie …“
18 
Das Landgericht hat die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit Beschluss vom 25.2.2015 abgelehnt, der der Antragstellerin  am 9.3.2015 zugestellt wurde. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO nicht vor, da das Verfahren nur der Ausforschung diene und der Zweck der vorprozessualen Beweissicherung - die Gerichte von Prozessen zu entlasten und die Parteien unter Vermeidung eines Rechtsstreits zu einer raschen und kostengünstigen Einigung zu bringen - angesichts der ausufernden Fragestellungen und der beantragten Begutachtung durch zahlreiche verschiedene Sachverständige nicht erreichbar scheine.
19 
Dagegen hat die Antragstellerin  am 12.3.2015 Beschwerde eingelegt, der das Landgericht am 16.3.2015 nicht abgeholfen hat.
20 
Auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.
B.
21 
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem es den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen hat, ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
I.
22 
Nach § 485 Abs. 1 ZPO kann die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Eine Zustimmung liegt hier nicht vor. Im Übrigen betreffen die Beweisfragen im Wesentlichen die Beurteilung von elf vergangenen Operationen aus den Jahren 2009 bis 2013, bei denen ein Beweismittelverlust - insbesondere von Krankenakten - nicht droht. Soweit zur Beantwortung eine Untersuchung der 19-- geborenen Antragstellerin erforderlich ist, spricht für die - von ihrer Anwältin behaupteten - Möglichkeit des baldigen Versterbens konkret nichts, insbesondere nicht das Lebensalter der Antragstellerin. Die von der Beschwerde betonte Möglichkeit, dass die Antragstellerin stürzt oder sich erneut operieren lässt und dass dadurch die Folgen der streitgegenständlichen Operationen überdeckt werden könnten, würde - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - allenfalls die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zum derzeitigen Zustand des Knies rechtfertigen, nicht aber die vorgelegten Beweisfragen. Mit der Rüge, das Landgericht hätte auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO hinweisen müssen, trägt die Beschwerde nicht vor, welcher noch weitergehende, erhebliche Vortrag auf einen solchen Hinweis hin gehalten worden wäre.
II.
23 
Nach § 485 Abs. 2 ZPO kann eine Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen u.a. auch dann beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass entweder der Zustand einer Person (Nr. 1) oder die Ursache eines Personenschadens (Nr. 2) festgestellt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Arzthaftungsrecht ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalles verneint werden (BGHZ 153, 302, juris Rn. 10; BGHZ 198, 237, juris Rn. 18).
24 
1.Weder den Zustand einer Person noch die Ursache eines Personenschadens betreffen aber Fragen zur ärztlichen Aufklärung. Sie sind deshalb grundsätzlich kein tauglicher Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens (Pauge in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 2. Aufl., § 485 ZPO Rn. 4; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. B 522; OLG Oldenburg GesR 2010 76, juris Rn. 11; a.A. OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.9.2011 - 12 W 24/11 - juris Rn.29). Von vornherein unzulässig sind damit die hier gestellten Fragen zur Alternativen- (1 b, c; 2 e) oder zur Risiko- und Folgenaufklärung (1 d, g; 2 d).
25 
2.Die Behauptung, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler  vorliegt, kann zwar grundsätzlich Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein. Dazu muss der Antragsteller aber unter Bezeichnung gewisser Anhaltspunkte die Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers aufstellen. Denn im selbständigen Beweisverfahren findet zwar keine Erheblichkeits- oder Schlüssigkeitsprüfung statt (BGH NJW 2004, 3488, juris Rn. 5) und es ist auch auf die Informationsnot der beweispflichtigen Partei Rücksicht zu nehmen. Jedoch gilt im Rahmen des § 487 Nr. 2 ZPO das Verbot des Ausforschungsbeweises bei unsubstantiiertem Vortrag (BAG NJOZ 2009, 281 Tz. 28; OLG Oldenburg MDR 2008, 1059, juris Rn. 8; GesR 2010, 76, juris Rn. 7; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 487 Rn. 4; Martis/Winkhart aaO, Rn. B 507, 519).
26 
Unzulässige Ausforschung liegt z.B. vor, wenn sich der Antragsteller auf die schlichte Frage beschränkt, ob ein Behandlungsfehler vorliegt (Pauge aaO; Martis/Winkhart aaO, Rn. B 520; Wenzel in ders., Der Arzthaftungsprozess, Rn. 3537). Entsprechendes gilt, wenn Anträge auf eine umfassende Klärung der Frage abzielen, welcher mehrerer Antragsgegner den Antragsteller in jeweils welcher konkreten Weise fehlerhaft behandelt hat, um herauszufinden, ob möglicherweise die Voraussetzungen für eine Klage gegen einen oder mehrere Antragsgegner vorliegen könnten oder nicht (vgl. Pauge aaO; H. Prütting in FAKomm-MedR, 3. Aufl., § 485 Rn. 2;  OLG Jena, Beschluss vom 19.12.2005 - 4 W 503/05 - juris Rn. 50; OLG Köln VersR 2009, 1515, juris Rn. 16 ff.; OLG Hamm GesR 2010, 254, juris Rn. 9; eher großzügig aber OLG Karlsruhe MedR 2012, 261, juris Rn. 12-13)
27 
a)Nach diesen Grundsätzen unzulässig sind diejenigen allgemein gehaltenen Fragen, bei denen die Antragstellerin keinerlei - nicht einmal „gewisse“ - Anhaltspunkte bezeichnet und erst recht keinen Behandlungsfehler behauptet, z.B.:
28 
1.c) Über welche Behandlungsmöglichkeiten ist aufzuklären? …
d) Über welche Risiken ist aufzuklären? …
e) Welche Diagnostik ist erforderlich, um die Indikation/Diagnose abzuklären? …
f) Welche Diagnostik ist erforderlich, um die Operation vorzubereiten/durchführen zu können? …
29 
2.d) Welche Aufklärung und Dokumentation wäre erforderlich gewesen?
e) War eine (symptomatische) Therapie angezeigt?
30 
4.a) Sind Allergien gegen Prothesen üblich? …
b) Ist vorab auf Allergien zu testen? …
31 
5.c) War die Dauer der Rehabilitation und/oder der Aufenthalt in den Rehabilitationseinrichtungen zu kurz oder zu lang?
32 
6.a) Können die Schmerzen im Knie eine andere Ursache gehabt haben, zum Beispiel eine psychosomatische? …
33 
Dazuhin ist es nicht Aufgabe des selbständigen Beweisverfahrens, über die Zustandsfeststellung und die Ursächlichkeit hinaus die weiteren Folgen für die Lebensführung eines Antragstellers festzustellen (Rosenberger in Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 3. Aufl., Kap. 7 Rn. 449). Unzulässig sind damit auch die Fragen
34 
6.c) Wenn ja, wie erheblich ist die Beeinträchtigung oder Erkrankung, wie wirkt diese sich auf den Alltag und die Erwerbsfähigkeit aus?
d) Bedarf die Patientin einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung aufgrund der Operationen bzw. ihrer Folgen?
35 
b)Damit sind aber schon mehrere der - nach Zählung der Antragstellerin 121(Nach Zählung des Senats zumindest 374: Fragen 1 a bis k = 11 Fragen; 2 a bis e = 5 Fragen; 3 a bis f = 6 Fragen; 4 a bis d = 4 Fragen; 5 a bis d = 4 Fragen; 6 a bis d = 4 Fragen; zusammen jeweils zumindest 34 Fragen zu 11 Operationen.) - Anträge unzulässig. Dem Senat ist es grundsätzlich verwehrt, die Beweisfragen inhaltlich so zu verändern und umzuformulieren, dass sie sich im Rahmen des Zulässigen bewegen (OLG Köln GesR 2011, 157, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2009 -1 W 11/09 - juris Rn. 9). Das gilt jedenfalls dann, wenn es nicht nur um die Streichung einer einzelnen unzulässigen Frage, sondern um eine weitreichende Umformulierung eines komplexen, vorformulierten Beweisthemas geht.
36 
c)Ohnehin aber sind nicht nur einzelne Beweisfragen, sondern ist der Antrag insgesamt unzulässig. Denn soweit die Antragstellerin überhaupt die Behauptung eines Behandlungsfehlers aufstellt, geschieht dies nicht unter Bezeichnung „gewisser Anhaltspunkte“. Vielmehr ist der Vortrag der Antragstellerin in keiner Weise einzelfallbezogen und unternimmt sie keinen Versuch zu differenzieren, welcher Antragsgegner in welcher konkreten Art und Weise gehandelt und möglicherweise einen Fehler begangen hat. Das belegt insbesondere der Schriftsatz vom 27.10.2014. Dort wird auf S. 4 zunächst scheinbar konkreter Vortrag zu einer Operation am 15.6.2009 gehalten (38 Zeilen), auf die sich die Beweisfragen aber nicht beziehen. Sodann folgt auf S. 5 Vortrag zur Operation am 15.9.2009 (38 Zeilen), der mit dem Vortrag zur Operation am 15.6.2009 nahezu identisch ist. Sodann erfolgt aus S. 6 Vortrag zur Operation am 11.11.2009, auf S. 7 zur Operation vom 19.1.2011, auf S. 8 zur Operation vom 16.2.2011, auf S. 9 zur Operation vom 20.10.2011, auf S. 11 zur Operation vom 14.6.2012, auf S. 12 zur Operation vom 13.12.2012, auf S. 13 zur Operation vom 24.1.2013 und auf S. 14 zur Operation vom 7.3.2013 - jeweils ebenfalls nahezu identisch mit dem Vortrag zur erstgenannten Operation. Entsprechender, für verschiedene Operation mehrfach kopierter Vortag findet sich auch auf den nachfolgenden Seiten des Schriftsatzes (z.B. S. 15 ff. [Entzündungsparameter], S. 21 ff. [Radiologie], S. 25 ff. [Allergie] etc.). Damit stellt die Antragstellerin nicht konkret dar, welcher der Antragsgegner sie in welcher Weise behandelt hat, und zielen die Beweisfragen in unzulässiger Weise auf eine umfassende Klärung der Frage ab, ob möglicherweise die Voraussetzungen für eine Klage gegen einen oder mehrere Antragsgegner vorliegen könnten oder nicht (vgl. Pauge aaO; H. Prütting aaO). Dabei ist auch nicht ersichtlich, dass die Informationsgewinnung und -filterung auf andere Weise nicht erreichbar wäre, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines (Fach-) Anwalts, im Hinblick auf den neuen § 66 SGB V (vgl. zu möglichen Unterstützungsleistungen der Krankenkassen BeckOK SozR/Scholz, Ed. 36, § 66 SGB V Rn. 3-4) oder im Hinblick auf weitere Möglichkeiten, die Teile der Literatur sogar als gegenüber dem Beweisverfahren vorzugswürdig ansehen (vgl. Rosenberger aaO, Kap. 7 Rn. 453).
37 
3.Dazuhin ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der  Sinn und Zweck der vorprozessualen Beweissicherung nach § 485 Abs. 2 ZPO, die Gerichte von Prozessen zu entlasten und die Parteien unter Vermeidung eines Rechtsstreits zu einer raschen und kostensparenden Einigung zu bringen (BGHZ 153, 302, juris Rn. 14). Dadurch, dass die Antragstellerin ihre Krankengeschichte ab dem Jahre 2009 ungefiltert in mindestens 374 Fragen zur Überprüfung durch sechs verschiedene Sachverständige stellt, sind diese Ziele jedenfalls unter den vorliegenden Umständen schlechterdings nicht zu erreichen (vgl. OLG Hamm GesR 2010, 254, juris Rn. 6).
38 
4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes auf 200.000 EUR orientiert sich an der Wertangabe der Antragstellerin in der Antragsschrift vom 29.9.2014.
39 
5.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO. Die Zulassung dient der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen in Bezug auf Fragen der ärztlichen Aufklärung (oben B. II. 1) und der Ausforschung (oben B. II. 2), zumal auch Teile der Literatur die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte insoweit als „nicht einheitlich und teilweise allzu restriktiv“ bezeichnen (H. Prütting aaO, § 485 Rn. 3).

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