Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 1 Ausl 326/15

Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zur dortigen Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil Nummer 333 (Aktenzeichen: 62011/3/2010) vom 11. April 2011 des Gerichtshofs Bukarest - II. Strafabteilung -, geändert durch den Strafbeschluss Nummer 347 des Berufungsgerichts Bukarest - I. Strafabteilung - vom 8. Dezember 2011, rechtskräftig mit Beschluss des Obersten Kassations- und Gerichtshofs - Strafabteilung - Nr. 1370 vom 30. April 2012 ist

nicht zulässig.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 29. Dezember 2015 wird

aufgehoben.

Gründe

 
I.
1. Durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem und Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls, ausgestellt von dem Gerichtshof Bukarest - I. Strafabteilung - am 29. Oktober 2015 (Aktenzeichen: 4627/3/2014), ersuchen die rumänischen Justizbehörden um Festnahme und Auslieferung des türkischen Staatsangehörigen C. zum Zwecke der Strafvollstreckung. Der Verfolgte wurde von dem Gerichtshof Bukarest - II. Strafabteilung - durch Strafurteil Nummer 333 (Aktenzeichen: 62011/3/2010) am 11. April 2011, geändert durch den Strafbeschluss Nummer 347 des Berufungsgerichts Bukarest - I. Strafabteilung - vom 8. Dezember 2011, rechtskräftig mit Beschluss des Obersten Kassations- und Gerichtshofs - Strafabteilung - Nr. 1370 vom 30. April 2012, zu der Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt, von der die Untersuchungshaft vom 14. August 2010 bis zum 30. April 2012 abgezogen wurde. Durch Strafurteil Nr. 783 des Gerichtshofs Bukarest - I. Strafabteilung - vom 18. März 2014 (Aktenzeichen 4627/3/2014), rechtskräftig durch den Strafbeschluss Nr. 225/C/LPF des Berufungsgerichts Bukarest - II. Strafabteilung - vom 7. Mai 2014, wurde die zuvor festgesetzte Sicherungsmaßregel der Ausweisung aufgehoben und der zuvor bestehende Haftbefehl ersetzt. Die Verurteilung erfolgte wegen „gewerbsmäßigen Handels mit illegalen Drogen, die ein hohes Risiko haben“, gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 143/2000, unter Anwendung des Art. 41 Abs. 2 des rumänischen Strafgesetzbuchs. Der Verurteilung liegt der Vorwurf zugrunde, dass der Verfolgte in der Umgebung von B. zusammen mit I. am 6. August 2010 versucht habe, „3 Kilogramm Heroin von dem Angeklagten A. infolge des von diesem letzten von dem türkischen Staatsangehörigen O. empfangenen Befehls zu beschaffen, und am 13.08.2010 hat er mittels des Angeklagten I. die gleiche Quantität von 3 Kilogramm Heroin von dem Angeklagten A. immer infolge des von diesem Letzten von dem türkischen Staatsangehörigen O. empfangenen Befehls beschafft“. Unklar bleibt - insoweit ist der Sachverhalt der Übersetzung des Tatvorwurfs nicht eindeutig -, ob der Versuch vom 13. August 2010 erfolgreich war (vgl. Bl. 32 d.A.).
2. Der Verfolgte wurde, nachdem der Senat zum Zweck seiner Ergreifung auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart die Überwachung der Telekommunikation des Verfolgten angeordnet hatte, am 16. Dezember 2015 von Beamten der Zielfahndung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg bei den Bushaltestellen am Hauptbahnhof K. beim Verlassen eines Busses festgenommen; er hatte 11.000 Euro in bar bei sich sowie Ausweispapiere, die auf den Namen G. lauteten und - bis auf die Mitgliedskarte eines Fitnessstudios, die sein Lichtbild trug, - das Bild einer Person tragen, die dem Verfolgten ähnlich sieht. Er wurde am 17. Dezember 2015 dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Karlsruhe vorgeführt, der eine Festhalteanordnung gemäß § 22 Absatz 3 Satz 2 IRG erließ. Bei seiner in Anwesenheit seines Beistands erfolgten richterlichen Anhörung machte er zum Tatvorwurf und zu seiner Verurteilung keine Angaben.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Deutschland erklärte er, dass er sich seit dem 20. Januar 2015 in L. zusammen mit seiner Frau aufhalte. Er habe zudem bei der Fa. D., einem Logistikunternehmen, einen „Job“ als Fahrer. Mit einer vereinfachten Auslieferung erklärte er sich nicht einverstanden; auch verzichtete er nicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes.
Die Ermittlungen zu seinem Vorbringen ergaben, dass der Verfolgte unter Verwendung der genannten, auf den Namen G. ausgestellten rumänischen Identitätskarte bei einem Transportunternehmer in K. Gelegenheitsarbeiten verrichtete und in einer Personalunterkunft in L. polizeilich gemeldet war, sich tatsächlich aber jedenfalls teilweise bei einem Bekannten in F. aufhielt.
3. Der Senat erließ am 29. Dezember 2015 einen Auslieferungshaftbefehl, der dem Verfolgten am 18. Januar 2016 vom Amtsgericht Stuttgart eröffnet wurde. Dabei machte der Verfolgte keine weiteren Angaben. Mit Verfügung vom 12. Januar 2016 wurde sein gewählter Beistand auf seinen Antrag nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG, 141 Abs. 4 StPO gerichtlich bestellt.
4. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2016, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen.
Sie hat am 21. Januar 2016 gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 IRG entschieden, es sei nicht beabsichtigt, Bewilligungshindernisse gemäß § 83b IRG geltend zu machen. Wegen des Inhalts der Entscheidung wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 29. Februar 2016 Bezug genommen.
5. Mit Schriftsatz seines Beistands vom 31. Januar 2016 wandte sich der Verfolgte gegen seine Auslieferung. Er hat beanstandet, dass die noch zu verbüßende Strafe den Unterlagen konkret nicht zu entnehmen war. Zu den konkreten Verteidigungsmöglichkeiten des Verfolgten verhalte sich der Europäische Haftbefehl nicht. Aus Sicht der Beistandschaft unter Hinweis auf OLG Bremen, Beschluss vom 08.12.2015 - 1 Ausl. A 23/15 - sei derzeit wegen unzureichender Haftbedingungen eine Auslieferung an die Republik Rumänien ohnehin unmöglich. Zudem habe der Verfolgte inzwischen einen Formasylantrag an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichtet.
Nachdem er auf die diesbezügliche Darlegungslast des asylantragstellenden Verfolgten (Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny/Gless/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 6 IRG, Rn. 38a) hingewiesen worden war und Einsicht in die beigezogene Akte der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe - 6 Ausl. A 162/14 - sowie weitere Aktenteile genommen hatte, übersandte der Beistand mit Schriftsatz vom 24. Februar 2016 eine Kopie eines an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichteten fünfseitigen Anwaltsschriftsatzes vom selben Tag, auf den er für das Auslieferungsverfahren Bezug nahm und in dem ausführlich und substantiiert Tatsachen vorgetragen werden, auf die der Asylantrag - vorbehaltlich näherer und eingehender Befragung - gestützt werden soll. Danach werden der Verfolgte und seine Herkunftsfamilie als Kurden von der türkischen Regierung seit 1935 aus politischen Gründen verfolgt. Mit dem (unwahren) Vorwurf des Handelns mit Heroin, den der Verfolgte bestreite, wollten die türkischen Behörden seiner habhaft werden; mit Überstellung des Verfolgten an die türkische Regierung sei mit anschließender unmenschlicher Behandlung zu rechnen.
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Zudem stehe das Auslieferungsbegehren im Widerspruch zu der unbedingt erfolgten Auslieferung nach Deutschland im Jahre 2014, weshalb dieses rechtsmissbräuchlich und die Auslieferung daher unzulässig sei.
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6. Mit Beschluss vom 29. Februar 2016 erklärte der Senat die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten unter Aufrechterhaltung des Auslieferungshaftbefehls für derzeit nicht entscheidungsreif, ordnete Haftfortdauer an und bat die Generalstaatsanwaltschaft, die rumänischen Behörden zu ersuchen,
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a. um Mitteilung, weshalb der Verfolgte aufgrund des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 12. Dezember 2007 - 45 Js 23782/05 - am 11. Juli 2014 vorbehaltlos an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert wurde, obwohl noch ein - beträchtlicher - Teil der gegenständlichen Strafe zu verbüßen war, und weshalb nunmehr gleichwohl mit dem Europäischen Haftbefehl des Gerichtshofs Bukarest - I. Strafabteilung - vom 29. Oktober 2015 die Auslieferung zur weiteren Strafvollstreckung betrieben wird,
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b. um Übersendung einer Ausfertigung des Urteils (beziehungsweise der Urteile), aus welchem sich der genaue Tatvorwurf und die den Verfolgten belastenden Umstände ergeben, oder die belastenden Umstände darzulegen,
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c. um Mitteilung, wieviel von der auf 12 Jahre festgesetzten Freiheitsstrafe rechnerisch (und ggf. tatsächlich) noch zu verbüßen ist,
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d. um Mitteilung, ob gewährleistet ist, dass der Verfolgte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht in die Türkei abgeschoben werden wird,
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e. um Zusicherung, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung durchgehend in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht wird, deren Standards den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen entsprechen und dort jederzeit von deutschen Konsularbeamten besucht werden darf.
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Außerdem wurde die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart gebeten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
18 
a. unter Hinweis auf die Haftprüfungsfristen des § 26 Abs. 1 IRG um Auskunft zu ersuchen, wann mit der Anhörung des Verfolgten und mit einer Entscheidung über den Asylantrag gerechnet werden kann,
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b. darum zu ersuchen, die Generalstaatsanwaltschaft über den Fortgang des Asylverfahrens stets auf dem Laufenden zu halten.
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7. Die Generalstaatsanwaltschaft unterbreitete den rumänischen Behörden die gestellten Fragen mit Schriftsatz vom 3. März 2016.
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a. Der oben unter 6.a. aufgeworfenen Frage lag folgendes Geschehen zugrunde:
22 
Der Verfolgte war im Juli 2014 aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, der auf einem Haftbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.12.2007 - 12 Gs 277/07 beruhte, von Rumänien nach Deutschland ausgeliefert und in deutsche U-Haft genommen worden. Dem Haftbefehl liegen zwei Taten nach dem BtMG aus dem Jahr 2005 zugrunde, bei denen es um Transporte von Heroin aus Südosteuropa nach Italien (8 kg) bzw. Spanien (14 kg) ging, wobei letztere Menge beim Transport auf einem Autobahnparkplatz in M. am 20.10.2005 sichergestellt worden war. Der Haftbefehl vom 10.12.2007 wurde am 8.1.2015 aufgehoben, weil Auskünfte aus Rumänien auf sich warten ließen. Das Ermittlungsverfahren soll noch offen sein.
23 
Die Auslieferungsbewilligung der rumänischen Behörden beruhte auf einem Gerichtsprotokoll vom 26.2.2008 (AS. 23), in dem erklärt wird, dass zunächst der Abschluss des Verfahrens 389/D/P/2006 des Landgerichts Bukarest abzuwarten sei.
24 
In Rumänien soll der Verfolgte zuvor zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sein durch Urteil des LG Bukarest I Strafkammer - 844/08.11.2010 -; seine Berufung wurde durch Urteil Nr. 144/A/28.03.2013 zurückgewiesen. Die Strafe soll später auf 13 Jahre reduziert worden sein. Es wird dann noch mitgeteilt, es sei Untersuchungshaft vom 17.12.2007 bis 6.2.2008 abzuziehen (AS. 33).
25 
Nachdem die türkischen Behörden über die Inhaftierung in Deutschland informiert worden waren, ging bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe am 16.7.2014 eine Fahndungsnotierung der Türkei um Auslieferung des Verfolgten ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe erließ auf Antrag am 12.9.2014 Auslieferungshaftbefehl (AK 95/14 - 6 Ausl. A 162/14), den es mit Beschluss vom 20. Januar 2015 aufhob, nachdem von den türkischen Behörden die für erforderlich erachtete Weiterlieferungsbewilligung der rumänischen Behörden nicht beigebracht worden war.
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Geklärt werden sollte, weshalb der Verfolgte am 11. Juli 2015 vorbehaltlos nach Deutschland ausgeliefert wurde, obwohl gerade das Urteil rechtskräftig geworden war, dessen Vollstreckung jetzt mit dem aktuellen Ersuchen um Auslieferung erreicht werden soll. Möglicherweise ist der Grund darin zu suchen, dass die Auslieferungsbewilligung auf dem Gerichtsprotokoll vom 26.2.2008 (s.o.) beruht und zu diesem Zeitpunkt der Vorwurf, der dem jetzigen Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, möglicherweise noch nicht bekannt war.
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Mit Schreiben vom 21. März 2016, dem eine kaum verständliche Übersetzung in die deutsche Sprache beigefügt war, legte das Gericht von Bukarest den prozessualen Sachverhalt dar, ohne - soweit ersichtlich - eine Begründung dafür abzugeben, worauf das widersprüchliche Verhalten beruht.
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b. Soweit erkennbar übersandten die rumänischen Behörden jetzt die maßgeblichen Urteile und Beschlüsse. Übersetzungen liegen nicht vor.
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c. Nach Mitteilung der rumänischen Behörden sind von der zwölfjährigen Freiheitsstrafe, die den Gegenstand des vorliegenden Auslieferungsverfahrens bildet, noch 8 Jahre, 1 Monat und 12 Tage zu vollstrecken. Die Frage nach der tatsächlich noch zu erwartenden Vollstreckungsdauer wurde nicht beantwortet. Diese Frage liegt auch nahe, nachdem der Verfolgte (auch) von der ursprünglich auf 15 Jahre festgesetzten Freiheitsstrafe offenbar nur einen Teil verbüßen musste.
30 
d. Zur Frage, ob gewährleistet ist, dass der Verfolgte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht in die Türkei abgeschoben werden wird, liegt keine Antwort vor.
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e. Zur Frage der Haftbedingungen in Rumänien teilen die Behörden mit detaillierter und nachvollziehbarer Begründung zunächst mit, dass im Voraus nicht festgelegt werden kann, in welchen Haftanstalten der Verfolgte untergebracht wird, weil es auf Sicherheitsaspekte und die konkrete Einschätzung individueller Umstände und Verhältnisse ankommt. Zugesichert könne aber werden, dass der Betroffene die Strafe „in einer untergeordneten Einheit absitzt, die ihm, je nach der ihm zugeordneten Vollstreckungsweise, 2 m² oder 3 m² persönlichen Raum, einschließlich Bett und entsprechende Möbel gewährleistet.“
32 
8. Bei der für die Entscheidung über den Asylantrag (Az.: 6668625-163) des Verfolgten zuständigen Außenstelle R. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge war am 28. April 2016 auf telefonische Anfrage von Frau R. in Erfahrung zu bringen, dass ein Anhörungstermin noch nicht bestimmt worden ist.
33 
9. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Auslieferung für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen.
II.
34 
Da seit Erlass der letzten Entscheidung (vom 29. Februar 2016) über die Fortdauer der Haft zwei Monate vergangen sind, ist nunmehr gemäß § 26 Abs. 1 IRG über die Fortdauer der Haft zu entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls, da dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung des Verfolgten gemäß § 29 Abs. 1 IRG gerichtlich für zulässig zu erklären, nicht entsprochen werden kann. Die Auslieferung ist nicht zulässig.
35 
1. Der übermittelte Europäische Haftbefehl genügt den Voraussetzungen von § 83a Abs. 1 IRG. Für die beiderseitige Strafbarkeit der dem Verfolgten im Urteil zur Last gelegten Tat und damit für die Frage des Vorliegens der Auslieferungsvoraussetzungen kommt es nicht darauf an, ob der Verfolgte in beiden Fällen erfolglos versuchte, in den Besitz von 3 kg Heroin zu kommen, oder ob es ihm im zweiten Fall gelang. Hinsichtlich des Vorliegens der Auslieferungsvoraussetzungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen die Auslieferungshaft anordnenden Beschluss vom 29. Dezember 2015, welcher insoweit unverändert fort gilt. Die konkret noch zu verbüßende Reststrafe steht inzwischen fest.
36 
2. Nach § 6 Satz 2 AsylG gilt die Allgemeinverbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen (§ 6 Satz 1 AsylG) nicht im Auslieferungsverfahren, sodass gegenwärtig ein „Wettlauf zwischen Oberlandesgericht [sowie Bewilligungsbehörde] und Verwaltungsbehörde/Verwaltungsgericht“ (so Schomburg/Hackner, aaO, § 6 IRG, Rn. 56) besteht, wobei eine „informatorische Verbindung“ beider Verfahren besteht und eine Übung der Bewilligungsbehörde bestehen soll, eine Bewilligungsentscheidung regelmäßig vom Abschluss des - nicht offensichtlich unbegründeten - Asylverfahrens abhängig zu machen. Vorliegend besteht die Besonderheit, dass es sich um die Auslieferung an einen Drittstaat handelt (aaO, Rn. 57, 34, 52a). Insoweit ist daher von Interesse, ob der Verfolgte in Rumänien einen gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status hat. Vorliegend kommt hinzu, dass das Oberlandesgericht kaum in der Lage sein wird, das detailreiche Vorbringen des Verfolgten durch Hinterfragen zu verifizieren oder zu falsifizieren, sodass es für den Senat nahe liegt, den Gang des Asylverfahrens zu begleiten, wobei der Senat davon ausgeht, dass die Dauer der Auslieferungshaft auf die Strafe angerechnet werden wird. Indes dauert die Auslieferungshaft bereits seit 16. Dezember 2015, mithin seit viereinhalb Monaten an, ohne dass seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge trotz des Hinweises auf die Eilbedürftigkeit als Auslieferungshaftsache auch nur ein Anhörungstermin über den seit 24. Februar 2016 anhängigen Asylantrag anberaumt worden wäre.
37 
Nachdem der Verfolgte allerdings nicht in die Türkei ausgeliefert werden soll, in der er politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein behauptet, sondern an die Republik Rumänien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, von der eine Auslieferung an die Türkei infolge der Spezialitätsbindung nicht erfolgen darf, und durch den Strafbeschluss Nr. 225/C/LPF des Berufungsgerichts Bukarest - II. Strafabteilung - vom 7. Mai 2014 die zuvor festgesetzte Sicherungsmaßregel der Ausweisung aufgehoben wurde, könnte in Erwägung gezogen werden, dass mit einer Zusicherung seiner Nichtabschiebung in die Türkei der Gefahr einer dortigen politischen Verfolgung begegnet werden kann. Denn vor seiner dortigen Inhaftierung in anderer Sache hielt er sich offensichtlich aus freien Stücken in Rumänien auf. Indes haben sich die rumänischen Behörden zu der diesbezüglichen Frage einer entsprechenden Zusicherung nicht geäußert. Eine Auslieferung ist in absehbarer Zeit angesichts des nicht offensichtlich unbegründeten Asylantrags nicht zu erwarten.
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3. Auch ein weiteres Zuwarten auf den Gang des Asylverfahrens kann allerdings nicht dazu führen, dass die Auslieferung für zulässig erklärt werden kann, denn ein Haftraum der bezeichneten Größe genügt den Standards den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. denen der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze nicht (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 22.03.2016 - 2 BvR 566/15 - juris, zu allerdings inländischen Haftbedingungen). Eine (weitergehende) individuelle Zusicherung besserer Haftbedingungen ist nicht zu erwarten, sodass es einer Fristsetzung entsprechend der Vorgaben im Urteil des EuGH vom 05.04.2016 - C-404/15 -, ergangen auf Vorabentscheidungsersuchen des OLG Bremen (Beschluss vom 08.12.2015 - 1 Ausl. A 23/15 - je zit. nach juris) nicht bedarf.
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4. Auf die Frage, weshalb der Verfolgte im Juli 2014 aufgrund des bezeichneten Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Heidelberg vorbehaltlos aus Rumänien ausgeliefert wurde, obwohl beträchtliche Teile der gegenständlichen Freiheitsstrafe von 12 Jahren und (wohl auch) einer weiteren Freiheitstrafe aus einem Urteil Nr. 144/A/28.05.2013 in Verbindung mit einem Urteil Nr. 844/08.11.2010 des Berufungsgerichts Bukarest - I. Strafkammer - in Höhe von 15 Jahren Freiheitsstrafe, die später auf 13 Jahre Freiheitsstrafe reduziert wurde (AS 33 d. A. der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe) noch nicht verbüßt waren, kommt es nach alldem nicht mehr an.
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5. Da es nach alldem auch nicht mehr darauf ankommt, dass die belastenden Umstände - dem Vorbringen des Verfolgten nach - von türkischen Behörden gleichsam konstruiert gewesen sein sollen, um seiner habhaft zu werden und ihn sodann politisch verfolgen zu können, bedurfte es keiner Übersetzung der übersandten Urteile und Beschlüsse.

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