Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 144/18

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.05.2018, Az. 35 O 62/17 KfH, wird zurückgewiesen. Die Anlage K3, auf die Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteilstenors Bezug nimmt, ist dem vorliegenden Urteil zur Klarstellung als Anlage beigefügt. (vom Abdruck wurde abgesehen)

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 40.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

____________________________________

Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.000 EUR

Gründe

 
I.
1.
Der Kläger ist ein Verein gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, dem u.a. 10 Anbieter von Tierbedarf, 20 Händler, die mit Waren aller Art Handel treiben, u.a. Otto, QVC und Home Shopping Europe GmbH, und 3 Lebensmittelfilialbetriebe angehören.
Die Beklagte betreibt ein Futtermittelunternehmen. Sie vertreibt im Internet unter ihrer Domain www.d....de (Anlage K3) u.a. das Ergänzungsfuttermittel „Anti-Zecken Snack“, das zu 1% aus Schwarzkümmelöl besteht. Auf ihrer Homepage ist dieser „Anti-Zecken Snack“ abgebildet. Auf den abgebildeten Packungen ist u.a. Folgendes aufgedruckt:
„Natürlicher Zecken- und Flohschutz
Mit wertvollem Schwarzkümmelöl
Die biozidfreie Zeckenabwehr“
Der Kläger mahnte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 23.01.2017 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K5). Die Beklagte lehnte dies ab, weil keine krankheitsbezogene Aussage vorliege und die beworbene Wirkung wissenschaftlich belegt sei (Anlage K6).
Der Kläger behauptet:
Der „Anti-Zecken Snack“ habe keine vorbeugende Wirkung gegen Zeckenbisse. Die fehlende vorbeugende Wirkung werde durch die zahlreichen kritischen Verbraucherrezensionen unter www.amazon.de belegt (Anlage K8).
Es handele sich um eine gesundheitsbezogene Werbebehauptung, weil zumindest mittelbar auf einen Zeckenbiss Bezug genommen werde, der schon für sich zu Rötungen, Hautschwellungen und grippeartigen Erscheinungen führe. Darüber hinaus sei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt, dass ein Zeckenbiss Krankheitserreger wie Borrelien oder den FSME-Virus übertrage.
Die Beklagte müsse daher den Beweis führen, dass die Wirkungsangabe „Anti-Zecken“ zutreffend sei. Diesen Beweis habe sie nicht geführt und könne sie auch nicht führen.
Der Kläger macht als Abmahnkostenpauschale einen Betrag von 150 EUR zzgl. Umsatzsteuer geltend.
10 
Der Kläger beantragt:
11 
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel „D… Anti-Zecken Snack“ unter der Bezeichnung „Anti-Zecken-Snack“ zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, sofern dies geschieht wie in Anlage K3 wiedergegeben.
12 
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
13 
Die Beklagte beantragt:
14 
Die Klage wird abgewiesen.
15 
Die Beklagte behauptet:
16 
Aufgrund seiner natürlichen Wirkstoffe, insbesondere aufgrund des enthaltenen Schwarzkümmelöls habe das streitgegenständliche Produkt eine natürliche, zeckenvorbeugende Wirkung, denn die in dem Produkt enthaltenen starken ätherischen Öle dünsteten durch die Haut des Hundes aus und verhinderten so, dass der Hund von Zecken befallen werde.
17 
Die Angabe „Anti-Zecken-Snack“ beinhalte keine Behauptung, dass das betreffende Futtermittel eine Krankheit verhindern, behandeln oder heilen könne, weil Zecken an sich keine Krankheit darstellten. Auch ein Zeckenbefall stelle per se noch keine Krankheit dar. Nicht jeder Biss führe zwangsläufig zum Ausbruch von Borreliose und/oder FSME. Auch einem Anti-Mücken-Mittel würde unter normalen Umständen niemand eine gesundheitsbezogene Wirkung beimessen oder behaupten, dass es geeignet sei, eine Krankheit zu verhindern, zu behandeln oder zu heilen. Nicht anders sei der vorliegende Fall zu beurteilen.
18 
Die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung der fehlenden Wirksamkeit liege bei der Klägerin. Selbst wenn sie bei der Beklagten liegen sollten, seien die Anforderungen geringer als bei der Werbung mit gesundheitsfördernder Wirkung von Arznei- oder Lebensmittel im Humanbereich, wie sich aus Erwägungsgrund 16 der VO (EG) Nr. 767/2009 ergebe. Vorsorglich biete die Beklagte Beweis an für die Wirksamkeit der entsprechenden Substanzen durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. D.
19 
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
2.
20 
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
21 
Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus § 3a UWG, § 20 Abs. 3 LFGB i.V.m. Art. 13 Abs. 3a VO (EG) 767/2009.
22 
Art. 13 Abs. 3a VO (EG) 767/2009 verbiete, für Einzel- und Mischfuttermittel zu behaupten, dass sie eine Krankheit verhindern, behandeln oder heilen. Der Begriff der Krankheit sei weit auszulegen. In den streitgegenständlichen Werbeaussagen werde nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis des durchschnittlichen Verbrauchers damit geworben, dass die Verabreichung des Anti-Zecken-Snacks Krankheiten verhüte, weil jedem durchschnittlich informierten Verbraucher bekannt sei, dass ein Zeckenbiss die ganz erhebliche Gefahr in sich berge, dass damit Krankheiten wie Borreliose, Anaplasmose, Babiose, FSME, Zeckenparalyse und weitere übertragen werden können. Die Beklagte könne sich nicht auf einen Vergleich mit einem Mückenschutzmittel berufen, weil Mückenstiche nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Deutschland üblicherweise nicht dazu führten, dass gefährliche Krankheiten übertragen werden können.
23 
Der Unterlassungsanspruch ergebe sich ferner auch aus § 3a UWG, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. § 19 LFGB und Art. 11 Abs. 1b VO (EG) 767/2009.
24 
Nach diesen Vorschriften sei es verboten, mit Angaben zu gesundheitsfördernden Wirkungen zu werben, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert seien. Die Grundsätze des § 3 HWG seien auf eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Futtermittel übertragbar, weil der Verbraucher den Angaben im Veterinärbereich ein vergleichbar großes Vertrauen entgegenbringe wie im Humanbereich (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.03.2014, 6 U 3/12, Magazindienst 2014, 1149). Deshalb obliege der Wirksamkeitsnachweis bzw. der Nachweis der hinreichenden wissenschaftlichen Absicherung der Beklagten. Die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe nicht vorgetragen, dass und auf welche fachlich gesicherten Erkenntnisse sich ihre Werbung stütze. Das Beweisangebot für die Wirksamkeit der einzelnen Substanzen durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. D. ersetze nicht den erforderlichen Vortrag. Zudem gehe es nicht um die Wirksamkeit der entsprechenden Substanzen, sondern um die Frage, ob gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die vorbeugende Wirkung des beworbenen „Anti-Zecken-Snack“ vorlägen. Die unzulässige Gesundheitswerbung sei geeignet, den einschlägigen Markt für Tierfutter wesentlich zu beeinträchtigen. Aus der geschäftlichen Relevanz sei auf eine spürbare Beeinträchtigung des Verbrauchers zu schließen.
3.
25 
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Antrag auf Klagabweisung weiter. Zur Begründung führt sie aus:
a)
26 
Das Landgericht gehe unzutreffend von einem weiten Krankheitsbegriff aus. Die Grundsätze des Lebensmittelrechts, in dem der weite Krankheitsbegriff gelte, seien auf das Futtermittelrecht nicht übertragbar.
27 
Der Krankheitsbegriff in Art. 13 Abs. 3a VO (EG) 767/2009 müsse in einer Gesamtschau mit den Absätzen 1 und 2 des Art. 13 ausgelegt werden. Art. 13 Abs. 3 regele einen Ausnahmetatbestand zu den grundsätzlich zulässigen Angaben über die Optimierung der Ernährung und die Unterstützung oder die Sicherung physiologischer Bedürfnisse nach Absatz 2, weshalb ein enges Verständnis des Krankheitsbegriffs geboten sei. Abs. 1 bestimme, dass die Aufmerksamkeit auf einen Stoff, ein Merkmal oder eine Funktion gelenkt werden dürfe, sofern die Angabe objektiv, durch die zuständigen Behörden nachprüfbar und für den Verwender des Futtermittels verständlich sei. All diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Eine wissenschaftliche Begründung müsse erst auf Anfrage der zuständigen Behörde vorgelegt werden.
b)
28 
Das Landgericht lehne zu Unrecht den Vergleich mit Mückenstichen ab.
29 
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse das Landgericht bei seiner Behauptung, Mückenstiche in Deutschland führten üblicherweise nicht zur Übertragung gefährlicher Krankheiten, zugrunde gelegt habe, sei nicht ersichtlich; diese Annahme entbehre jeglicher Grundlage.
30 
Nicht jeder Zeckenbiss führe zwangsläufig zu einer Infektion. Da Zecken unterschiedliche Krankheiten übertragen würden, sei auch nicht klar, gegen welche der Krankheiten hier eine verhütende Wirkung angenommen werden solle. Die Werbeaussage beziehe sich daher auf keine bestimmte Krankheit und sei bereits zu unbestimmt, um das Verständnis einer bestimmten krankheitsverhütenden Wirkung hervorrufen zu können.
c)
31 
Das Landgericht gehe auch unzutreffend von einer irreführenden Werbung aus.
32 
Das Landgericht berücksichtige nicht, dass Art. 13 Abs. 1b VO (EG) 767/2009 lex specialis zu § 5 UWG sei. Die von der Beklagten gemachte Angabe gelte deshalb erst dann als irreführend, wenn die zuständige Behörde zu dem Schluss gekommen sei, dass die Angabe nicht ausreichend begründet sei.
d)
33 
Das Gericht verkenne zudem die Beweislastverteilung. Eine Beweislastumkehr ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik. Die für den Bereich gesundheitsbezogener Werbung entwickelte Rechtsprechung sei nicht ohne Weiteres auf den Bereich des Futtermittelrechts anwendbar.
34 
Selbst wenn die Beklagte die Darlegungslast haben sollte, müsse die Beklagte nur substantiiert darlegen, dass ihre Werbung sich auf fachlich gesicherte Erkenntnisse stütze. Die Beklagte habe bereits in der Klageerwiderung zum Wirkstoff und zur Wirkungsweise vorgetragen. Nicht jede Wirkungsweise sei zwangsläufig mit einer Studie belegbar. Insofern habe die Beklagte Beweis durch sachverständigen Zeugen angeboten. Dass das Landgericht das Beweisangebot mit der Begründung abgelehnt habe, die Einvernahme ersetze nicht den erforderlichen Vortrag, und der Beklagten ein Schriftsatzrecht versagt habe, verletze deren Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Landgericht hätte die Beklagte auf die abweichende Beweislastverteilung hinweisen müssen und ihr Gelegenheit geben müssen, ihren Vortrag zu ergänzen.
35 
Die Beklagte/Berufungsklägerin beantragt:
36 
Das Urteil des LG Stuttgart, Az: 35 O 62/17 KfH vom 17.05.2018 wird aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
37 
Der Kläger/Berufungsbeklagte beantragt,
38 
die Berufung zurückzuweisen.
39 
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig.
40 
Der Begriff „Krankheit“ sei weit auszulegen. Ausreichend sei, dass die angesprochenen Verkehrskreise Angaben mit einem pathologischen Symptom assoziierten. Mit ihrer Werbung mache die Beklagte nach ihren eigenen Angaben auf die Funktion der Vorbeugung vor Zeckenbissen aufmerksam. Ein Zeckenbiss sei indes für den Durchschnittsverbraucher mit der Übertragung von Krankheitserregern wie Borrelien oder FSME-Viren verbunden.
41 
Die Werbung sei auch irreführend, weil die Beklagte die Wirksamkeit nicht substantiiert dargelegt habe. Vielmehr habe sie in der Verhandlung eingeräumt, dass sie keine eigene Prüfung auf die Wirksamkeit vorgenommen habe und keinen schriftlichen Wirksamkeitsnachweis des Herstellers besitze. Sie trete folglich mit der Wirkungsbehauptung im Markt auf, obwohl ihr keine Unterlagen vorlägen, die diese Behauptung auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten. Bestritten bleibe weiterhin, dass der Inhaltsstoff Schwarzkümmelöl einem Zeckenbiss vorbeugen könne.
42 
Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
43 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG zu.
1.
44 
Der Kläger ist zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt. Einwände gegen seine in der Klageschrift schlüssig dargelegte Aktivlegitimation werden von der Beklagten nicht erhoben.
2.
45 
Der Kläger macht zur Begründung des Klageantrags, der auf die Unterlassung der konkreten Verletzungsform gerichtet ist, einen Verstoß der Beklagten gegen Art. 11 Abs. 1 lit. b) und Art. 13 Abs. 3 lit. a) der Verordnung (EG) 767/2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln geltend. Beide Vorschriften sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG (Meyer in Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 19, Rn. 8 und § 20, Rn. 4).
3.
46 
Der Anwendungsbereich der VO (EG) 767/2009 ist eröffnet. Die Verordnung legt die Bestimmungen über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln sowohl für Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen, als auch für nicht der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere sowie die Vorschriften über Kennzeichnung, Verpackung und Aufmachung fest (Art. 2 Abs. 1). Hunde sind als nicht der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere mit umfasst. Gleiches gilt für die Aufmachung bzw. Kennzeichnung eines Hunde-Snacks (vgl. die Definition in Art. 3 Abs. 2 lit. s) bis u)).
4.
47 
Die Beklagte ist für die Kennzeichnung bzw. Aufmachung des „Anti-Zecken-Snacks“ verantwortlich.
48 
Für die Kennzeichnung verantwortlich ist gem. Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 767/2009 der Futtermittelunternehmer, der ein Futtermittel zum ersten Mal in den Verkehr bringt, oder ggf. der Futtermittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firmennamen das Futtermittel vermarktet wird. Wie sich aus dem Internet-Auftritt der Beklagten ergibt und wie die Beklagte in der Verhandlung in erster Instanz selbst angegeben hat, ist sie auf dem „Anti-Zecken Snack“ als Herstellerin ausgewiesen. Unter ihrem Namen wird das Futtermittel mithin vermarktet.
5.
49 
Offen bleiben kann, ob ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 3 lit. a) VO (EG) 767/2009 - wie vom Landgericht angenommen - vorliegt.
50 
Nach Art. 13 Abs. 3 lit. a) der Verordnung darf durch eine Kennzeichnung - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht behauptet werden, dass ein Einzel- oder Mischfuttermittel eine Krankheit verhindert, behandelt oder heilt.
a)
51 
Das Verbot des Art. 13 Abs. 3 lit. a) VO (EG) 767/2009 gilt nur für Einzel- oder Mischfuttermittel. Von den Parteien und im landgerichtlichen Urteil nicht erörtert wurde, ob es sich bei dem „Anti-Zecken Snack“ überhaupt um ein solches Einzel- oder Mischfuttermittel handelt.
52 
Ein Einzelfuttermittel liegt gem. Art. 3 Abs. 2 lit. g) der Verordnung nur vor, wenn es vorrangig zur Deckung des Ernährungsbedarfs von Tieren dient (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 171. EL Juli 2018, § 3 LFGB, Rn. 44). Dies ist im vorliegenden Fall zweifelhaft: Der für ein „Hunde-Leckerli“ zu hohe Preis und die Dosierungsangaben (in den ersten drei Wochen täglich fünf Stück pro zehn kg Körpergewicht etc.) könnten dafür sprechen, dass der Snack vorrangig der Zeckenabwehr dient und nicht der Deckung des Ernährungsbedarfs des Hundes. Auch die Bewerbung des Präparats spricht hierfür.
53 
Für Mischfuttermittel gilt kein weiterer Anwendungsbereich, denn ein Mischfuttermittel besteht nach der Definition in Art. 3 Abs. 2 lit. h) der Verordnung aus mindestens zwei Einzelfuttermitteln mit oder ohne Futtermittelzusatzstoffe, so dass sich dieselben Fragen stellen.
b)
54 
Zweifelhaft ist ferner, ob die Bezeichnung als „Anti-Zecken Snack“ die Behauptung enthält, dass der Snack eine Krankheit verhindert.
aa)
55 
Der Begriff Krankheit ist weder im Allgemeinen noch im medizinischen Sprachgebrauch einheitlich. Deshalb ist der in anderen Rechtsgebieten maßgebende Krankheitsbegriff nicht ohne weiteres auf das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung im Lebensmittel- oder Futtermittelrecht anwendbar.
56 
Der Begriff Krankheit ist – ebenso wie bei dem Verbot in der Werbung für Lebensmittel – weit auszulegen. Krankheit ist jede, auch jede unerhebliche oder vorübergehende, Beeinträchtigung der körperlichen Beschaffenheit oder der üblichen Funktionen des Organismus (Zipfel/Rathke, aaO., § 20 LFGB, Rn. 4). Maßgebliche Erwägung für den Krankheitsbegriff ist, dass der Verbraucher nicht nur vor unsachgemäßer Selbstbehandlung geschützt werden soll, sondern dass über diesen Zweck hinausgehend auch jegliche Anlehnung an die Arzneimittelwerbung unterbunden werden soll (Zipfel/Rathke, aaO., Art. 7 LMIV, Rn. 430).
bb)
57 
Es bestehen Bedenken, ob auch unter Berücksichtigung dieses weiten Krankheitsbegriffs die Beklagte mit der Bezeichnung „Anti-Zecken Snack“ behauptet, dass der Snack eine Krankheit verhindere.
(i)
58 
Weder eine Zecke noch ein Zeckenbiss stellen für sich genommen eine Krankheit dar. Das Argument des Klägers, dass schon der Zeckenbiss für sich genommen Krankheitscharakter habe, weil er zu Rötungen, Hautschwellungen und grippeartigen Erscheinungen führe, erscheint zweifelhaft. Rötungen und Hautschwellungen sind normale Reaktionen der Haut auf einen Zeckenbiss und haben – ebenso wie die Reaktionen auf einen Mückenstich – für sich genommen keinen Krankheitscharakter, sondern entsprechen vielmehr den üblichen Funktionen des Organismus. Für grippeartige Erscheinungen gilt dies zwar nicht, allerdings dürfte es auch nicht richtig sein, dass ein Zeckenbiss zu derartigen Symptomen führt, wenn mit dem Biss nicht gleichzeitig die Infizierung mit Krankheitserregern verbunden ist. Der Zeckenbiss kann auch nicht dem dauerhaften Befall mit einem Parasiten gleichgesetzt werden, denn Zecken lassen sich nach Beendigung ihrer Blutmahlzeit von ihrem Wirt abfallen.
(ii)
59 
Auch der Umstand, dass ein Zeckenbiss dazu führen kann, dass Krankheitserreger in den Körper eindringen, führt nicht dazu, dass schon der Zeckenbiss als solcher als Krankheit bezeichnet werden könnte, denn gleiches müsste für den Mückenstich gelten. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang argumentiert, dass der „Anti-Zecken Snack“ nicht mit einem Mückenschutzmittel vergleichbar sei, weil – jedenfalls nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen – ein Mückenstich nicht dazu führe, dass gefährliche Krankheiten übertragen werden können, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil im Zuge der Klimaerwärmung Mückenarten nach Deutschland einwandern, die durchaus in der Lage sind, Krankheitserreger zu übertragen, wie beispielsweise die asiatische Tigermücke, die u.a. das Dengue- und das Zika-Virus übertragen kann.
60 
(iii)
61 
Angesichts der nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. 6. kann offenbleiben, ob der Umstand, dass eine zeckenvorbeugende Wirkung dazu führt, dass der Körper nicht der Gefahr ausgesetzt wird, mit den von der Zecke übertragenen Krankheitserregern infiziert zu werden, genügt, um der Bezeichnung „Anti-Zecken Snack“ eine krankheitsverhindernde Bedeutung beizumessen. Eine solche Auslegung könnte unter Berücksichtigung des Zwecks, der mit dem weiten Krankheitsbegriff verfolgt wird, zu weit gehen. Denn mit der Bezeichnung „Anti-Zecken Snack“ ist gerade keine Anlehnung an die Arzneimittelwerbung verbunden, weil ein Schutz vor Insektenstichen nach allgemeinem Verständnis kein Arzneimittel darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn der Schutz nicht äußerlich aufgetragen, sondern – wie beispielsweise Knoblauchpräparate u.ä. – oral eingenommen wird. In Anbetracht der nur vorbeugenden Wirkung erscheint auch fraglich, ob der Zweck, einer unsachgemäßen Selbstbehandlung vorzubeugen, einschlägig sein kann.
6.
62 
Es liegt aber jedenfalls ein Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 lit. b) VO (EG) 767/2009 vor. Nach dieser Vorschrift dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln den Verwender nicht irreführen, insbesondere nicht durch die Angabe von Wirkungen, die das Futtermittel nicht besitzt.
a)
63 
Unter die Angabe von Wirkungen fällt auch eine Bezeichnung, die, wie hier der „Anti-Zecken Snack“, darauf schließen lässt, dass das Futtermittel eine über das tatsächliche Fütterungsspektrum hinausgehende Eignung hat (Rathke in Zipfel/Rathke, aaO., § 19 LFGB, Rn. 31).
b)
64 
Die Beklagte erweckt durch die Bezeichnung als „Anti-Zecken-Snack“, die im Rahmen der konkreten Verletzungsform im Kontext mit weiteren Aussagen wie „natürlicher Zeckenschutz“ und „die biozidfreie Zeckenabwehr“ steht, den Eindruck, dass das von ihr beworbene Produkt die zugeschriebene zeckenvorbeugende Wirkung hat. Aufgrund dieser einschränkungslos aufgestellten Behauptung geht der Verbraucher davon aus, dass es für diese Aussage eine qualifizierte Grundlage gibt, d.h. dass die Aussage wissenschaftlich abgesichert ist (nachfolgend aa)). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dieses Verständnis des Verbrauchers richtig ist, d.h. dass die Aussage wissenschaftlich abgesichert ist, trägt die Beklagte (nachfolgend bb)). Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht nachgekommen (nachfolgend cc)).
aa)
65 
Eine Irreführung kann nicht nur darin liegen, dass das Produkt nicht die angegebene Wirkung hat, sondern auch darin, dass die angegebene Wirkung wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist (Rathke in Zipfel/Rathke, aaO., § 19 LFGB, Rn. 32). Die Irreführung liegt in diesen Fällen bereits darin begründet, dass der Verkehr die Aussage dahin verstehen wird, dass niemand sie ohne qualifizierte Grundlage aufstellen wird, die Aussage mithin wissenschaftlich abgesichert ist, und in der streitgegenständlichen Werbung nicht richtig über den fehlenden wissenschaftlichen Nachweis informiert wird (Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 5, Abschnitt M Rn. 18).
66 
Was unter „wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert“ zu verstehen ist, ist im Verkehr mit Futtermitteln allerdings anders zu beurteilen als im Verkehr mit Lebensmitteln. Im Verkehr mit Lebensmitteln geht es um die menschliche Gesundheit, im Verkehr mit Futtermitteln um die tierische Gesundheit, der rechtlich nicht derselbe Stellenwert zukommt wie der menschlichen Gesundheit. Es ist deshalb nicht vertretbar, bei Futtermitteln Auslobungen generell auszuschließen, wenn sie in der Wissenschaft kontrovers beurteilt werden oder Gegenstand einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung sind. Vielmehr kann bei Futtermitteln eine Aussage über Wirkungen auch dann wissenschaftlich hinreichend gesichert sein, wenn sie der herrschenden Meinung entspricht, jedoch auch Gegenmeinungen ohne besonderes wissenschaftliches Gewicht bestehen (Rathke in Zipfel/Rathke, aaO., § 19 LFGB, Rn. 33; OLG Schleswig, Urteil vom 20.03.2014, 6 U 3/12, BeckRS 2014, 22321, Rn. 50). Hierfür spricht auch der Erwägungsgrund 16 zur VO (EG) 767/2009, nach dem eine Angabe bereits dadurch wissenschaftlich begründet werden kann, dass alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Erkenntnisse abgewogen werden.
bb)
67 
Die Beweislast dafür, dass die angegebene Wirkung wissenschaftlich hinreichend gesichert ist, trägt die Beklagte.
(i)
68 
Stützt sich der Werbende bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angabe übernommen. Er muss sie dann auch im Streitfall beweisen, wenn die Gegenseite das Fehlen der wissenschaftlichen Grundlage hinreichend substantiiert vorgetragen hat (BGH GRUR 1958, 485 (486) – Odol; BGH GRUR 1965, 368 (372 f.) – Kaffee C; BGH GRUR 1991, 848 (849) – Rheumalind II; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 32 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 5 Rn. 1.248; Köhler, aaO., § 12, Rn. 2.95). Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, darlegen können, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt und dass die gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis für die Werbeaussage bereits in dem Zeitpunkt vorgelegen hat, in dem sie aufgestellt wurde; der erst im Prozess angebotene Beweis, dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen, das den Nachweis der behaupteten Wirkungsweise überhaupt erst ergeben soll, genügt nicht und ist nicht zu erheben (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO., § 5, Rn. 1.248; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, aaO., § 5, Abschnitt M Rn. 18).
69 
Diese Grundsätze gelten zwar insbesondere bei Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO., § 5, Rn. 1.247), beanspruchen aber auch für andere fachlich umstrittene, wissenschaftlich nicht abgesicherte Behauptungen Geltung (OLG Naumburg, Urteil vom 29.05.2009, 10 U 56/08, BeckRS 2009, 22016; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, aaO., § 5, Abschnitt M Rn. 18 mwN). An ihrer Anwendbarkeit im vorliegenden Fall, in dem der Bereich der Tiergesundheit betroffen ist, bestehen daher keine Zweifel.
(ii)
70 
Der Kläger hat eine wissenschaftliche Absicherung der zeckenvorbeugenden Wirkung des streitgegenständlichen Produkts hinreichend in Abrede gestellt, indem er vorgetragen hat, dass keine Futtermittel bekannt seien, die gegen Zeckenbisse wirkten. Weiterer Vortrag des Klägers hierzu ist nicht erforderlich, weil die von der Beklagten behauptete Wirkung - soweit ersichtlich - in der Wissenschaft noch nicht umfassend untersucht wurde (vgl. Weidert in Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, aaO., § 5, Abschnitt C, Rn. 146). Angesichts dessen obliegt es der Beklagten, entsprechend den obigen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass bzw. welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es für die Wirksamkeit ihres „Anti-Zecken Snacks“ gibt.
cc)
71 
Dieser ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast hat die Beklagte nicht genügt.
72 
Die Beklagte hat sich in ihrer Klageerwiderung darauf beschränkt zu behaupten, dass das Produkt insbesondere aufgrund des enthaltenen Schwarzkümmelöls eine natürliche repellierende, also zeckenvorbeugende Wirkung habe, weil die darin enthaltenen starken ätherischen Öle durch die Haut des Hundes ausdünsteten und so verhinderten, dass der Hund von Zecken befallen werde. Die Beklagte konnte aber auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keinen einzigen schriftlichen Wirksamkeitsnachweis nennen. Es gibt keine wissenschaftliche Literatur bzw. es ist der Beklagten jedenfalls keine derartige Literatur bekannt, die eine derartige Wirkung bestätigt.
73 
Es gibt nach dem Sachvortrag der Beklagten allein eine telefonisch und per Mail erfolgte Aussage des von der Beklagten benannten sachverständigen Zeugen Dr. D., dass nach oraler Aufnahme des Schwarzkümmelöls durch Ausdünstung eine zeckenabwehrende Wirkung hervorgerufen werde. Es ist aber noch nicht einmal behauptet, dass sich diese Aussage auf ein Produkt bezieht, das einen vergleichbaren Anteil an Schwarzkümmelöl aufweist wie der streitgegenständliche „Anti-Zecken Snack“. Vor allem aber hat die nicht veröffentlichte Aussage einer einzelnen Person keine wissenschaftliche Relevanz, ungeachtet der Frage, ob diese Person über die erforderliche Sachkunde verfügt.
74 
Für die beanstandete Wirkungsbehauptung gibt es daher keine hinreichende tatsächliche Grundlage. Schon gar nicht handelt es sich um eine wissenschaftlich hinreichend gesicherte Erkenntnis. Insoweit ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es nicht ausreichen kann, dass eine zeckenvorbeugende Wirkung grundsätzlich denkbar ist, wenn und weil Zecken von den ätherischen Ölen des Schwarzkümmelöls abgeschreckt werden. Denn ob bzw. in welchem Ausmaß es bei der oralen Aufnahme zu einer Ausdünstung durch die Haut kommt und ab welchem Maß dieser Ausdünstung Zecken abgeschreckt werden, ist auch dann noch offen.
75 
Die Behauptung der Beklagten ist daher irreführend, weil sie den Verbraucher im Unklaren darüber lässt, dass es für die behauptete Wirkangabe überhaupt keine beweiskräftigen Belege gibt.
c)
76 
Die unzulässige Werbung ist i.S.d. § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, denn der Verbraucher misst Wirkangaben im Gesundheitsbereich regelmäßig eine große Bedeutung bei. Dies gilt auch dann, wenn es nicht um die Gesundheit von Menschen geht, sondern um die Gesundheit von Tieren.
7.
77 
Da der Unterlassungsanspruch begründet ist, kann der Kläger auch Ersatz seiner Abmahnkosten verlangen (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG). Der Kläger hat die Höhe der geltend gemachten Abmahnkostenpauschale plausibel begründet. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben. Solche Einwendungen sind auch nicht ersichtlich.
78 
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.
III.
79 
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80 
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht. Auf die Frage, ob eine Werbung mit der Behauptung, das Produkt beuge Zeckenbissen vor, eine krankheitsbezogene Aussage i.S.d. Art. 13 Abs. 3 lit. a) VO 767/2009 ist, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Hinsichtlich der Beweislastverteilung bei Werbung mit fachlich umstrittenen Behauptungen im Gesundheitsbereich folgt der Senat der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

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