Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 U 190/19

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer – Einzelrichter - des Landgerichts Stuttgart vom 18. April 2019 (Az.: 12 O 514/18) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung a b g e ä n d e r t und wie folgt n e u g e f a s s t:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4,54 EUR zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage auf Zinsen aus § 849 BGB abgewiesen worden ist. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 7.000,- EUR.

Tatbestand

 
A
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Erwerb eines Personenkraftwagens.
Der Kläger erwarb am 10. März 2012 einen gebrauchten Personenkraftwagen der Marke X... zum Preis von 12.300,- EUR. In dem Fahrzeug ist werksseitig ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor mit der herstellereigenen Typenbezeichnung EA 189 eingebaut, der die in der VO (EG) Nr. 715/2007 angeordneten Emissionsgrenzwerte bezüglich der Masse der Stickoxide zwar auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) einhält, jedoch im realen Straßenverkehr weit überschreitet, was darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte diesen Motor per Softwaresteuerung mit zwei Betriebsmodi versehen hat.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil verwiesen. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht und vom Kaufpreis des Fahrzeugs einen Nutzungswert für die unstreitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zurückgelegte Fahrleistung abgezogen. Bei dessen Berechnung ist es von einer zu erwartenden Fahrleistung von 300.000 km ausgegangen. Den Annahmeverzug hat das Landgericht ebenso bejaht wie die Ansprüche auf Deliktszinsen und anteilige Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten.
Sie trägt im Kern vor, die Voraussetzungen des § 826 BGB seien nicht erfüllt. Es sei von einer geringeren zu erwartenden Fahrleistung auszugehen. Ein Anspruch aus § 849 BGB bestehe in derartigen Fällen ohnehin nicht. Auch außergerichtliche Kosten könne der Kläger nicht erstattet verlangen.
Die Beklagte beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
10 
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil gegen die Angriffe der Berufung.
11 
Bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte das Fahrzeug unstreitig eine Laufleistung von über 259.000 km.
12 
Wegen des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07. Mai 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
B
13 
Die zulässige Berufung ist mit Ausnahme eines Zinsbetrages von 4,54 EUR begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
14 
Dem Kläger steht kein Kaufpreisrückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.
1.
15 
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens gemäß § 826 BGB. Indem die Beklagte das streitgegenständliche Kraftfahrzeug mit einer nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung (eingehend BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 6 bis 16) in Verkehr gebracht hat, hat sie dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt und ist ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet. Der Senat verweist zum Ganzen, um Wiederholungen zu vermeiden, beispielhaft auf sein Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rz. 18 ff., m.w.N., sowie auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19. Die Ausführungen des Senats in dem zitierten Urteil zum Zurechnungszusammenhang gelten in gleicher Weise, wenn ein betroffenes Fahrzeug, wie vorliegend, vom Erwerber an einen Dritten weiterverkauft wird.
2.
16 
Dem Kläger ist, indem er das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hat, ein Schaden entstanden (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 19; vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 41 und vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, juris Rn. 17 a.A. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 171). Dies bedarf hier keiner eingehenderen Erörterung.
3.
17 
Denn der Zahlungsanspruch des Klägers auf Kaufpreiserstattung ist durch den Wert der unstreitigen Fahrzeugnutzung, welche der Kläger gezogen hat, aufgebraucht.
a)
18 
Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dürfen dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Sind Ersatzanspruch und Vorteil gleichartig, wird die Vorteilsausgleichung durch Anrechnung bewirkt. Der Vorteil wird somit vom Schadensersatzanspruch abgezogen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung des Geschädigten bedarf. Bei fehlender Gleichartigkeit muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (BGH, Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 334/11, juris Rn. 21). Diese Grundsätze gelten selbst dann, wenn der Schädiger nicht die Herausgabe des Vorteils verlangt (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – XI ZR 536/14, juris Rn. 22).
19 
Allerdings gilt der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, nicht ausnahmslos. Es müssen die Grenzen der Zumutbarkeit beachtet werden. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58, juris Rn. 9). Damit handelt es sich bei der Frage des Vorteilsausgleichs um eine Frage der Bewertung, die nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 07. Februar 2019 – 2 U 129/18). Eine andere Bewertung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass gemäß § 475 Absatz 3 Satz 1 BGB bei der Geltendmachung eines Nachlieferungsanspruchs kein Wertersatz zu leisten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2008 – C-404/06 – Quelle). Für den Fall der Rückabwicklung des Vertrages gilt dies nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2009 – VIII ZR 243/08, juris Rn. 15).
20 
Von einer Vorteilsausgleichung ist auch nicht abzusehen, weil dies aus präventiven Gesichtspunkten zur Vermeidung von vorsätzlich sittenwidrigen Schädigungen geboten wäre und der Beklagte es durch eine verzögerte Rückabwicklung in der Hand hätte, weitere Vorteile in Abzug zu bringen (so aber Heese, VuR 2019, 123). Die präventive Funktion des Schadensrechts besteht nicht darin, den Geschädigten über den erlittenen Schaden hinaus zu bereichern. Der Schädiger hat es auch nicht ausschließlich in der Hand, den Schadensersatzanspruch durch eine verzögerte Regulierung zu beeinflussen. Vielmehr hängt die Höhe von der konkreten Nutzung durch den Geschädigten ab. Ein Nachteil entsteht ihm nicht, denn es werden lediglich die Vorteile, die er aus der Tat erlangt hat, zum Ausgleich gebracht.
21 
Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Rückabwicklung des Kaufvertrages durch den Hersteller (anstelle des Verkäufers) ebenfalls nur gegen Ausgleich der durch die Nutzung erlangten Vorteile durchzuführen (OLG Stuttgart Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rz. 53 ff., m.w.N. vgl. nun auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).
b)
22 
Die erlangten Nutzungsvorteile sind anhand einer zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94, juris Rn. 23). Der Senat geht in Ausübung seines ihm nach § 287 ZPO zustehenden Schätzungsermessens regelmäßig von einer erwarteten Gesamtleistung des Fahrzeugs von 250.000 km aus, ohne Rücksicht darauf, ob die Nutzung im konkreten Einzelfall tatsächlich diesen Wert erreicht oder überstiegen hat. Der Bewertung der Gebrauchsvorteile nach dem „Wertverzehr“ liegt die Erwägung zugrunde, dass derjenige, der eine erworbene eigene Sache nutzt, hierdurch Ausgaben erspart, weil der durch den Gebrauch eintretende Wertverlust nicht zu Lasten des eigenen, sondern des fremden Vermögens geht. Vergleichsmaßstab ist also die hypothetische Situation, dass der Geschädigte anstelle der erworbenen anderweit eine gleichartige und gleichwertige Sache angeschafft und diese für dieselbe Zeitspanne in derselben Weise genutzt haben würde (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 – VIII ZR 42/94, juris Rn. 16). Für den Anfangs- wie für den Restwert kommt es alleine darauf an, welchen Wert der Gegenstand in der Hand des Geschädigten zum jeweils maßgeblichen Zeitpunkt hat (BGH, a.a.O.). Da es mithin auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ankommt, sind nachfolgende Änderungen der Umstände, insbesondere der Beschaffenheit und des Nutzungsverhaltens, für die Schätzung nicht von Bedeutung (OLG Stuttgart, Urteil vom 02. April 2020 – 2 U 249/19, juris Rn. 56).
23 
Der Nutzungswert errechnet sich nach dem Bruttokaufpreis in Multiplikation mit den gefahrenen Kilometern, dividiert durch die erwartete Restlaufleistung (vgl. BGH, Urteil vom 08. September 2016 – IX ZR 52/15, juris Rn. 13, m.w.N.).
c)
24 
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises oder eines Teils desselben mehr zu. Unstreitig weist das streitgegenständliche Fahrzeug zum maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine Gesamtfahrleistung von über 259.000 km auf. Damit übersteigt der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen den von ihm gezahlten Kaufpreis.
4.
25 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Prozesszinsen (§§ 288, 291 BGB) in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 980,31 EUR für die Zeit vom 26. Januar 2019 bis zum 07. März 2019 zu (in der Summe 4,54 EUR), jedoch kein weitergehender Anspruch auf Verzugszinsen.
a)
26 
Verzugszinsen schuldet die Beklagte dem Kläger nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, die Beklagte vorgerichtlich zur Zahlung des geschuldeten Betrages aufgefordert und dabei zugleich die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs angeboten oder die Beklagte wenigstens in die Lage versetzt zu haben, durch die Mitteilung der Laufleistung den Vorteilsausgleich und damit die Höhe der berechtigten Forderung zu berechnen. Zu alledem fehlt es an Vortrag des Klägers.
b)
27 
Jedoch stehen dem Kläger nach Maßgabe seines vormaligen Hauptleistungsanspruchs Prozesszinsen zu.
aa)
28 
Da die Hauptforderung sich durch die Fahrleistung des Klägers sukzessive verringert hat, verringerte sich damit auch die Basis des Zinsanspruchs. Da es sich hierbei um eine Anspruchsvoraussetzung handelt, obliegt es dem Kläger, die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen.
29 
Verwertbarer Vortrag liegt lediglich über die Fahrleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und vor dem Senat vor. Dieser Vortrag ist zur Berechnung eines Mindestanspruchs heranzuziehen. Er ist unstreitig, und es ist ausgeschlossen, dass die Gesamtfahrleistung zu einem früheren Zeitpunkt höher gewesen sein könnte als zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Über die später gezogenen Nutzungsvorteile sagt er hingegen nichts aus, worauf der Senat eine Berechnung oder auch nur eine Schätzung stützen könne, und die dem Senat vorgetragene Gesamtfahrleistung erlaubt es auch nicht, einen Mindestanspruch für einen Zeitlauf nach dem Schluss der mündlichen ´Verhandlung vor dem Landgericht zu bestimmen.
bb)
30 
Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht errechnete sich der Kaufpreiserstattungsanspruch des Klägers auf 980,31 EUR. Unstreitig belief sich die Laufleistung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs, als der Kläger es kaufte, auf 102.500 km (LGU 17). Daraus errechnet sich eine zu erwartende Restlaufleistung von 147.500 km. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht belief sich die Laufleistung unstreitig auf 238.252 km (LGU 2). Der Kläger war also mit dem Wagen 135.752 km gefahren. Somit hatte er Nutzungen im Wert von 11.319,69 EUR gezogen, so dass noch ein Restzahlungsanspruch aus dem Kaufpreis in Höhe von 980,31 EUR bestand.
cc)
31 
Aus diesem Betrag stehen ihm Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit (Zustellungsdatum: 25. Januar 2019) bis zum Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu, also für die Zeit vom 26. Januar 2019 bis zum 07. März 2019, was einen Betrag von 4,54 EUR ergibt.
II.
32 
Der Kläger kann von der Beklagten keine Zinsen aus § 849 BGB auf den unstreitig entrichteten Kaufpreis verlangen.
1.
33 
Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte nach § 849 BGB Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird. Zwar ist die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt auch nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Auch fällt Geld in ihren Anwendungsbereich (BGH, Urteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 4 bis 6). Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann grundsätzlich vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen.
2.
34 
Der Zweck der Vorschrift verlangt eine andere Beurteilung allerdings in Fällen, in denen der Geschädigte durch den Täter im Gegenzug für die Hingabe des Geldes eine als gleichwertig anzusehende Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes erhalten hat. § 849 BGB will dem Geschädigten die Beweislast dafür abnehmen, welchen Schaden er durch die Einbuße an Nutzbarkeit der Sache erlitten hat, indem er ihm ohne Nachweis eines konkreten Schadens - als pauschalierten Mindestbetrag des Nutzungsentgangs - Schadensersatz in Form von Zinszahlungen zuerkennt (BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – VI ZR 191/81, juris Rn. 8). Soll allerdings der Zinsanspruch mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann, ist vorliegend maßgebend zu beachten, dass der Kläger im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises ein Fahrzeug erhalten hat, das zunächst im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar war. Von einer Betriebsstilllegung war das Fahrzeug bislang nicht betroffen. Der Kläger hat zwar als Geschädigter einer deliktischen Handlung Geld weggegeben, hierfür allerdings die uneingeschränkte Nutzung über ein gleichwertiges vermögenswertes Gut erhalten. Die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit ändert zwar nichts daran, dass ein Vermögensschaden eingetreten ist. Bei der Beurteilung einer in Deliktszinsen zum Ausdruck kommenden pauschalierten Nutzungsentschädigung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Nutzung des Vermögenswertes tatsächlich nicht beeinträchtigt war (i.E. ebenfalls OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 99; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 110; OLG Oldenburg, Urteil vom 02. Oktober 2019 – 5 U 47/19, juris Rn. 47; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 27. Juni 2019 – 27 U 14/19, juris Rn. 35).
3.
35 
Zwar folgt aus diesem Ansatz, dass Deliktszinsen zu leisten sind, wenn der Geschädigte in Folge der sittenwidrigen Handlung lediglich einen wertgeminderten Gegenstand erhalten hat, was im Falle eines unerwünschten Kaufvertrages nach den Maßstäben des § 441 Absatz 3 BGB ermittelt werden kann (OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 84). Auch dann hält es der Senat jedoch für erforderlich, dass sich die Wertminderung für den Geschädigten ausgewirkt haben muss. Dies ist vorliegend allenfalls für die Zeit nach dem öffentlichen Bekanntwerden der rechtswidrigen Motorsteuerungssoftware am 22. September 2015 denkbar, jedoch selbst dann nicht ersichtlich, wenn – wie hier – der Ersatz des geleisteten Kaufpreises verlangt wird.
36 
Der bloße Gebrauch des Fahrzeugs war auch nicht dadurch gemindert, dass das Fahrzeug im Falle eines (gar nicht angestrebten Verkaufes) einen geringeren Erlös erzielt hätte.
4.
37 
Die Fragen nach einem Verzehr der Verzinsungsbasis durch die Nutzung des Fahrzeugs und nach einer daraus in Betracht zu ziehenden Darlegungslast des Klägers zur Zunahme seiner Gesamtnutzung im Laufe seiner Besitzzeit nach Abschluss des Kaufvertrages stellt sich damit nicht.
III.
38 
Annahmeverzug ist weder vorgerichtlich, noch durch die Klageerhebung (dazu BGH, Urteil vom 15. November 1996 – V ZR 292/95, juris Rn. 11) eingetreten. Der Eintritt des Annahmeverzuges scheitert daran, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt nur dasjenige von der Beklagten gefordert hat, was von dieser geschuldet war. Eine Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04, juris Rn. 30; OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 100, m.w.N.; zum Meinungsstand Niemeyer/König, NJW 2013, 3213).
39 
Von daher kann dahinstehen, ob das Begehren des Klägers nicht ohnehin dadurch obsolet geworden ist, dass ihm weder ein Zahlungsanspruch zusteht, gegen den die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht einreden könnte, noch von der Beklagten ein isolierter Herausgabeanspruch nach Rücktritt erhoben worden ist.
IV.
40 
Der Kläger kann von der Beklagten keinen Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass er seinen Rechtsanwalt mit der vorgerichtlichen Schadensregulierung beauftragt habe. Es ist nicht dargetan, dass der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten einen separaten Auftrag erteilt gehabt hätte, die Sache zunächst außergerichtlich zu klären. Gegen einen solchen Auftrag spricht zudem das Anwaltsschreiben vom 24. November 2018 (K 5). Es endet mit der Ankündigung „unmittelbar nach Fristablauf“ Klage zu erheben.
C
41 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
42 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
43 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Wert des Berufungsverfahrens setzt sich zusammen aus dem vom Landgericht als Kaufpreiserstattung zuerkannten Betrag sowie den zuerkannten Deliktszinsen aus dem darüber hinausgehenden Kaufpreis; dieser Teil der Zinsforderung steht im Berufungsverfahren von Anfang an nicht als Nebenforderung zu einem Hauptanspruch im Streit.
44 
Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nur zu der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage einer Anwendung des § 849 BGB in derartigen Fällen vor. In Bezug auf diesen abtrennbaren Anspruch war die Revision daher zuzulassen, im Übrigen nicht.

Gründe

 
B
13 
Die zulässige Berufung ist mit Ausnahme eines Zinsbetrages von 4,54 EUR begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
14 
Dem Kläger steht kein Kaufpreisrückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.
1.
15 
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens gemäß § 826 BGB. Indem die Beklagte das streitgegenständliche Kraftfahrzeug mit einer nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung (eingehend BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 6 bis 16) in Verkehr gebracht hat, hat sie dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt und ist ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet. Der Senat verweist zum Ganzen, um Wiederholungen zu vermeiden, beispielhaft auf sein Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rz. 18 ff., m.w.N., sowie auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19. Die Ausführungen des Senats in dem zitierten Urteil zum Zurechnungszusammenhang gelten in gleicher Weise, wenn ein betroffenes Fahrzeug, wie vorliegend, vom Erwerber an einen Dritten weiterverkauft wird.
2.
16 
Dem Kläger ist, indem er das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hat, ein Schaden entstanden (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 19; vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 41 und vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, juris Rn. 17 a.A. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 171). Dies bedarf hier keiner eingehenderen Erörterung.
3.
17 
Denn der Zahlungsanspruch des Klägers auf Kaufpreiserstattung ist durch den Wert der unstreitigen Fahrzeugnutzung, welche der Kläger gezogen hat, aufgebraucht.
a)
18 
Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dürfen dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Sind Ersatzanspruch und Vorteil gleichartig, wird die Vorteilsausgleichung durch Anrechnung bewirkt. Der Vorteil wird somit vom Schadensersatzanspruch abgezogen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung des Geschädigten bedarf. Bei fehlender Gleichartigkeit muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (BGH, Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 334/11, juris Rn. 21). Diese Grundsätze gelten selbst dann, wenn der Schädiger nicht die Herausgabe des Vorteils verlangt (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – XI ZR 536/14, juris Rn. 22).
19 
Allerdings gilt der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, nicht ausnahmslos. Es müssen die Grenzen der Zumutbarkeit beachtet werden. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58, juris Rn. 9). Damit handelt es sich bei der Frage des Vorteilsausgleichs um eine Frage der Bewertung, die nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 07. Februar 2019 – 2 U 129/18). Eine andere Bewertung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass gemäß § 475 Absatz 3 Satz 1 BGB bei der Geltendmachung eines Nachlieferungsanspruchs kein Wertersatz zu leisten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 2008 – C-404/06 – Quelle). Für den Fall der Rückabwicklung des Vertrages gilt dies nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2009 – VIII ZR 243/08, juris Rn. 15).
20 
Von einer Vorteilsausgleichung ist auch nicht abzusehen, weil dies aus präventiven Gesichtspunkten zur Vermeidung von vorsätzlich sittenwidrigen Schädigungen geboten wäre und der Beklagte es durch eine verzögerte Rückabwicklung in der Hand hätte, weitere Vorteile in Abzug zu bringen (so aber Heese, VuR 2019, 123). Die präventive Funktion des Schadensrechts besteht nicht darin, den Geschädigten über den erlittenen Schaden hinaus zu bereichern. Der Schädiger hat es auch nicht ausschließlich in der Hand, den Schadensersatzanspruch durch eine verzögerte Regulierung zu beeinflussen. Vielmehr hängt die Höhe von der konkreten Nutzung durch den Geschädigten ab. Ein Nachteil entsteht ihm nicht, denn es werden lediglich die Vorteile, die er aus der Tat erlangt hat, zum Ausgleich gebracht.
21 
Nach alledem ist in der vorliegenden Konstellation eine Rückabwicklung des Kaufvertrages durch den Hersteller (anstelle des Verkäufers) ebenfalls nur gegen Ausgleich der durch die Nutzung erlangten Vorteile durchzuführen (OLG Stuttgart Urteil vom 30. Januar 2020 – 2 U 306/19, juris Rz. 53 ff., m.w.N. vgl. nun auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).
b)
22 
Die erlangten Nutzungsvorteile sind anhand einer zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94, juris Rn. 23). Der Senat geht in Ausübung seines ihm nach § 287 ZPO zustehenden Schätzungsermessens regelmäßig von einer erwarteten Gesamtleistung des Fahrzeugs von 250.000 km aus, ohne Rücksicht darauf, ob die Nutzung im konkreten Einzelfall tatsächlich diesen Wert erreicht oder überstiegen hat. Der Bewertung der Gebrauchsvorteile nach dem „Wertverzehr“ liegt die Erwägung zugrunde, dass derjenige, der eine erworbene eigene Sache nutzt, hierdurch Ausgaben erspart, weil der durch den Gebrauch eintretende Wertverlust nicht zu Lasten des eigenen, sondern des fremden Vermögens geht. Vergleichsmaßstab ist also die hypothetische Situation, dass der Geschädigte anstelle der erworbenen anderweit eine gleichartige und gleichwertige Sache angeschafft und diese für dieselbe Zeitspanne in derselben Weise genutzt haben würde (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 – VIII ZR 42/94, juris Rn. 16). Für den Anfangs- wie für den Restwert kommt es alleine darauf an, welchen Wert der Gegenstand in der Hand des Geschädigten zum jeweils maßgeblichen Zeitpunkt hat (BGH, a.a.O.). Da es mithin auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ankommt, sind nachfolgende Änderungen der Umstände, insbesondere der Beschaffenheit und des Nutzungsverhaltens, für die Schätzung nicht von Bedeutung (OLG Stuttgart, Urteil vom 02. April 2020 – 2 U 249/19, juris Rn. 56).
23 
Der Nutzungswert errechnet sich nach dem Bruttokaufpreis in Multiplikation mit den gefahrenen Kilometern, dividiert durch die erwartete Restlaufleistung (vgl. BGH, Urteil vom 08. September 2016 – IX ZR 52/15, juris Rn. 13, m.w.N.).
c)
24 
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises oder eines Teils desselben mehr zu. Unstreitig weist das streitgegenständliche Fahrzeug zum maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine Gesamtfahrleistung von über 259.000 km auf. Damit übersteigt der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen den von ihm gezahlten Kaufpreis.
4.
25 
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Prozesszinsen (§§ 288, 291 BGB) in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 980,31 EUR für die Zeit vom 26. Januar 2019 bis zum 07. März 2019 zu (in der Summe 4,54 EUR), jedoch kein weitergehender Anspruch auf Verzugszinsen.
a)
26 
Verzugszinsen schuldet die Beklagte dem Kläger nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, die Beklagte vorgerichtlich zur Zahlung des geschuldeten Betrages aufgefordert und dabei zugleich die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs angeboten oder die Beklagte wenigstens in die Lage versetzt zu haben, durch die Mitteilung der Laufleistung den Vorteilsausgleich und damit die Höhe der berechtigten Forderung zu berechnen. Zu alledem fehlt es an Vortrag des Klägers.
b)
27 
Jedoch stehen dem Kläger nach Maßgabe seines vormaligen Hauptleistungsanspruchs Prozesszinsen zu.
aa)
28 
Da die Hauptforderung sich durch die Fahrleistung des Klägers sukzessive verringert hat, verringerte sich damit auch die Basis des Zinsanspruchs. Da es sich hierbei um eine Anspruchsvoraussetzung handelt, obliegt es dem Kläger, die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen.
29 
Verwertbarer Vortrag liegt lediglich über die Fahrleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und vor dem Senat vor. Dieser Vortrag ist zur Berechnung eines Mindestanspruchs heranzuziehen. Er ist unstreitig, und es ist ausgeschlossen, dass die Gesamtfahrleistung zu einem früheren Zeitpunkt höher gewesen sein könnte als zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Über die später gezogenen Nutzungsvorteile sagt er hingegen nichts aus, worauf der Senat eine Berechnung oder auch nur eine Schätzung stützen könne, und die dem Senat vorgetragene Gesamtfahrleistung erlaubt es auch nicht, einen Mindestanspruch für einen Zeitlauf nach dem Schluss der mündlichen ´Verhandlung vor dem Landgericht zu bestimmen.
bb)
30 
Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht errechnete sich der Kaufpreiserstattungsanspruch des Klägers auf 980,31 EUR. Unstreitig belief sich die Laufleistung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs, als der Kläger es kaufte, auf 102.500 km (LGU 17). Daraus errechnet sich eine zu erwartende Restlaufleistung von 147.500 km. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht belief sich die Laufleistung unstreitig auf 238.252 km (LGU 2). Der Kläger war also mit dem Wagen 135.752 km gefahren. Somit hatte er Nutzungen im Wert von 11.319,69 EUR gezogen, so dass noch ein Restzahlungsanspruch aus dem Kaufpreis in Höhe von 980,31 EUR bestand.
cc)
31 
Aus diesem Betrag stehen ihm Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit (Zustellungsdatum: 25. Januar 2019) bis zum Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu, also für die Zeit vom 26. Januar 2019 bis zum 07. März 2019, was einen Betrag von 4,54 EUR ergibt.
II.
32 
Der Kläger kann von der Beklagten keine Zinsen aus § 849 BGB auf den unstreitig entrichteten Kaufpreis verlangen.
1.
33 
Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte nach § 849 BGB Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird. Zwar ist die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt auch nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Auch fällt Geld in ihren Anwendungsbereich (BGH, Urteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 4 bis 6). Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen oder zu übergeben, kann grundsätzlich vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen.
2.
34 
Der Zweck der Vorschrift verlangt eine andere Beurteilung allerdings in Fällen, in denen der Geschädigte durch den Täter im Gegenzug für die Hingabe des Geldes eine als gleichwertig anzusehende Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes erhalten hat. § 849 BGB will dem Geschädigten die Beweislast dafür abnehmen, welchen Schaden er durch die Einbuße an Nutzbarkeit der Sache erlitten hat, indem er ihm ohne Nachweis eines konkreten Schadens - als pauschalierten Mindestbetrag des Nutzungsentgangs - Schadensersatz in Form von Zinszahlungen zuerkennt (BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – VI ZR 191/81, juris Rn. 8). Soll allerdings der Zinsanspruch mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann, ist vorliegend maßgebend zu beachten, dass der Kläger im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises ein Fahrzeug erhalten hat, das zunächst im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar war. Von einer Betriebsstilllegung war das Fahrzeug bislang nicht betroffen. Der Kläger hat zwar als Geschädigter einer deliktischen Handlung Geld weggegeben, hierfür allerdings die uneingeschränkte Nutzung über ein gleichwertiges vermögenswertes Gut erhalten. Die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit ändert zwar nichts daran, dass ein Vermögensschaden eingetreten ist. Bei der Beurteilung einer in Deliktszinsen zum Ausdruck kommenden pauschalierten Nutzungsentschädigung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Nutzung des Vermögenswertes tatsächlich nicht beeinträchtigt war (i.E. ebenfalls OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 99; a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 110; OLG Oldenburg, Urteil vom 02. Oktober 2019 – 5 U 47/19, juris Rn. 47; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 27. Juni 2019 – 27 U 14/19, juris Rn. 35).
3.
35 
Zwar folgt aus diesem Ansatz, dass Deliktszinsen zu leisten sind, wenn der Geschädigte in Folge der sittenwidrigen Handlung lediglich einen wertgeminderten Gegenstand erhalten hat, was im Falle eines unerwünschten Kaufvertrages nach den Maßstäben des § 441 Absatz 3 BGB ermittelt werden kann (OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 84). Auch dann hält es der Senat jedoch für erforderlich, dass sich die Wertminderung für den Geschädigten ausgewirkt haben muss. Dies ist vorliegend allenfalls für die Zeit nach dem öffentlichen Bekanntwerden der rechtswidrigen Motorsteuerungssoftware am 22. September 2015 denkbar, jedoch selbst dann nicht ersichtlich, wenn – wie hier – der Ersatz des geleisteten Kaufpreises verlangt wird.
36 
Der bloße Gebrauch des Fahrzeugs war auch nicht dadurch gemindert, dass das Fahrzeug im Falle eines (gar nicht angestrebten Verkaufes) einen geringeren Erlös erzielt hätte.
4.
37 
Die Fragen nach einem Verzehr der Verzinsungsbasis durch die Nutzung des Fahrzeugs und nach einer daraus in Betracht zu ziehenden Darlegungslast des Klägers zur Zunahme seiner Gesamtnutzung im Laufe seiner Besitzzeit nach Abschluss des Kaufvertrages stellt sich damit nicht.
III.
38 
Annahmeverzug ist weder vorgerichtlich, noch durch die Klageerhebung (dazu BGH, Urteil vom 15. November 1996 – V ZR 292/95, juris Rn. 11) eingetreten. Der Eintritt des Annahmeverzuges scheitert daran, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt nur dasjenige von der Beklagten gefordert hat, was von dieser geschuldet war. Eine Zuvielforderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04, juris Rn. 30; OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 100, m.w.N.; zum Meinungsstand Niemeyer/König, NJW 2013, 3213).
39 
Von daher kann dahinstehen, ob das Begehren des Klägers nicht ohnehin dadurch obsolet geworden ist, dass ihm weder ein Zahlungsanspruch zusteht, gegen den die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht einreden könnte, noch von der Beklagten ein isolierter Herausgabeanspruch nach Rücktritt erhoben worden ist.
IV.
40 
Der Kläger kann von der Beklagten keinen Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass er seinen Rechtsanwalt mit der vorgerichtlichen Schadensregulierung beauftragt habe. Es ist nicht dargetan, dass der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten einen separaten Auftrag erteilt gehabt hätte, die Sache zunächst außergerichtlich zu klären. Gegen einen solchen Auftrag spricht zudem das Anwaltsschreiben vom 24. November 2018 (K 5). Es endet mit der Ankündigung „unmittelbar nach Fristablauf“ Klage zu erheben.
C
41 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
42 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
43 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Wert des Berufungsverfahrens setzt sich zusammen aus dem vom Landgericht als Kaufpreiserstattung zuerkannten Betrag sowie den zuerkannten Deliktszinsen aus dem darüber hinausgehenden Kaufpreis; dieser Teil der Zinsforderung steht im Berufungsverfahren von Anfang an nicht als Nebenforderung zu einem Hauptanspruch im Streit.
44 
Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nur zu der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage einer Anwendung des § 849 BGB in derartigen Fällen vor. In Bezug auf diesen abtrennbaren Anspruch war die Revision daher zuzulassen, im Übrigen nicht.

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