Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 E 7/15.N
Tenor
Die Verordnung über den Bebauungsplan R. vom 24. März 2014, rückwirkend in Kraft gesetzt durch die Verordnung vom 19. Dezember 2016, diese bekannt gemacht am 27. Dezember 2016, ist insoweit unwirksam, als
- auf dem Flurstück X der Gemarkung R. im östlichen Baufenster eine nördliche Baugrenze, eine Grundfläche von 200 m2 als Höchstmaß und öffentliche und private Grünflächen,
- auf dem Flurstück Y der Gemarkung R. eine nördliche Baugrenze, eine Grundfläche von 150 m2 als Höchstmaß und öffentliche und private Grünflächen,
- südlich der S. zwischen den Flurstücken … bis … der Gemarkung R. öffentliche Grünflächen und
- im Baublock mit der Ordnungsnummer 35 (A.-Straße 50-54, B.-Straße 19 und 23-27) ein Erhaltungsbereich
festgesetzt ist/sind.
Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragsteller wenden sich gegen die Wirksamkeit der Rechtsverordnung über den Bebauungsplan R..
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Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke A.-Straße 50 und 61 (Flurstücke X und Y der Gemarkung R.), die auf den beiden Straßenseiten einander gegenüber liegen. Die Grundstücke sind 2.446 m2 bzw. 1.809 m2 groß und jeweils mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus bebaut. Das Gebäude A.-Straße 50 wurde 1903 errichtet und zuletzt in 2011 im Norden um einen Anbau erweitert. Das Gebäude A.-Straße 61 wurde ebenfalls in der Gründerzeit errichtet und später im Osten um einen Anbau und eine Terrasse erweitert. Beide Gebäude grenzen im Norden an den Lauf der S., einem Bach mit einer Uferböschung.
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Der bislang geltende Baustufenplan R. vom 17. März 1953 (HmbGVBl. S. 237), erneut festgestellt am 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 61), wies das Grundstück A.-Straße 50 in einem nördlichen größeren, an der S. gelegenen Teil als Außengebiet - Grünflächen und landwirtschaftliche Flächen - i.S.d. § 10 Abs. 5 der Baupolizeiverordnung (BPVO) für die Hansestadt Hamburg vom 8. Juni 1938 (HmbVBl. S. 69) aus und im südlichen Teil als Wohngebiet „W 2 o“ gemäß § 10 Abs. 4 BPVO. Die Mindestgrundstücksgröße bei der offenen Bebauung sollte 1.000 m2 nicht unterschreiten mit dem Zusatz: je Grundstück werden bis zu zwei Wohnungen zugelassen unter der Voraussetzung, dass die Bestimmungen der Abwasserverordnung von 1940 eingehalten werden. Für nahezu das gesamte Grundstück A.-Straße 61 galt nach dem Baustufenplan die Ausweisung Außengebiet bis auf einen südlichen schmalen Streifen, der als Wohngebiet „W 2 o“ festgesetzt war.
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Das Bezirksamt W. leitete das Planverfahren mit dem Aufstellungsbeschluss W 1/10 am 27. Juli 2010 ein. Zur Begründung heißt es in der Bekanntmachung vom 3. August 2010 (Amtl. Anz. S. 1301), durch den Bebauungsplan-Entwurf R. sollten insbesondere die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Erhalt der städtebaulichen Struktur der gewachsenen Wohngebiete, die überwiegend von einer aufgelockerten, teilweise villenartigen, straßenbegleitenden Bebauung geprägt seien, geschaffen werden. Zum Schutz vor städtebaulichen Fehlentwicklungen durch eine gebietsuntypische Bebauung solle in diesen Gebieten insbesondere eine grundstücksbezogene höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden sowie eine am Bestand orientierte überbaubare Grundfläche und Geschossigkeit bzw. Höhe der Gebäude als Höchstmaß festgesetzt werden. Damit solle auch eine maßstäbliche städtebauliche Entwicklung unter Berücksichtigung der vorhandenen Bebauungsstruktur ermöglicht werden. Gleichzeitig solle auf städtebaulich geeigneten Flächen, insbesondere entlang von Hauptverkehrsstraßen und in baulich vorgeprägten Blockinnenbereichen, eine bauliche Weiterentwicklung bzw. Nachverdichtung des Bestands ermöglicht werden. Außerdem sollten in Teilbereichen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt Erhaltungsbereiche nach § 172 BauGB festgesetzt werden. Für erkannte Baudenkmäler solle der Bebauungsplan denkmalrechtliche Festsetzungen nach dem Denkmalschutzgesetz enthalten. Insbesondere im Bereich der Gewässer W., S. und N. sollten Grün- und Freiflächen gesichert werden.
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Die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung fand auf der Grundlage der Bekanntmachung vom 12. Oktober 2010 (Amtl. Anz. S. 1892) am 1. November 2010 statt.
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Die erste öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs R. fand auf der Grundlage der Bekanntmachung vom 16. November 2012 (Amtl. Anz. S. 2234) in der Zeit vom 26. November 2012 bis 4. Januar 2013 statt. In der Bekanntmachung heißt es u.a., der Bebauungsplan R. sei ein einfacher Bebauungsplan i.S.d. § 30 Abs. 3 BauGB, da Straßenflächen nicht festgesetzt würden. Zu Umweltthemen lägen Stellungnahmen sowie insbesondere die lärmtechnische Untersuchung vor.
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Die Antragsteller gaben am 3. Januar 2013 im Rahmen der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung ihre erste Stellungnahme zu dem Bebauungsplan-Entwurf ab.
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Die erneute öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs R. fand auf der Grundlage der Bekanntmachung vom 5. Juli 2013 (Amtl. Anz. 1042) in der Zeit vom 15. Juli bis 23. August 2013 statt. In der Bekanntmachung heißt es u.a., Bestandteil der ausgelegten Unterlagen seien auch die bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen (Umweltbericht, lärmtechnische Untersuchung). Sie enthielten die folgenden Arten umweltbezogener Informationen mit folgenden wesentlichen Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch: Informationen zur Lärmsituation aufgrund des vorhandenen Verkehrsaufkommens (lärmtechnische Untersuchung). Während der öffentlichen Auslegung könnten gemäß § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB Anregungen nur zu dem gegenüber der ersten öffentlichen Auslegung geänderten Teil des ausliegenden Bebauungsplan-Entwurfs abgegeben werden.
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Die Antragsteller gaben am 5. August 2013 ihre zweite Stellungnahme zu der Bebauungsplanung ab.
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Die Bezirksversammlung W. stimmte dem Bebauungsplan-Entwurf R. am 19. November 2013 zu. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt erteilte mit Schreiben vom 27. Januar 2014 die Genehmigung für den Bebauungsplan-Entwurf. Der Bezirksamtsleiter stellte die Verordnung über den Bebauungsplan R. am 24. März 2014 fest. Am 1. April 2014 wurde die Rechtsverordnung verkündet (HmbGVBl. S. 115).
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Die Antragsgegnerin wies die beiden von den Antragstellern abgegebenen Stellungnahmen mit Schreiben vom 30. Januar 2015 zurück.
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Der Bebauungsplan R. trifft für die Grundstücke der Antragsteller, die dort auf Blatt 2 in Teilgebiet 3 liegen, nunmehr straßenseitig jeweils folgende Festsetzungen: WA II o, Bestimmung jeweils einer vorderen, hinteren und seitlichen Baugrenze, „(4)“ durch Anordnung der Baukörper oder durch geeignete Grundrissgestaltung sind die Wohn- und Schlafräume den lärmabgewandten Gebäudeseiten zuzuordnen (§ 2 Nr. 9 der Verordnung über den Bebauungsplan R. (im Folgenden kurz: VO B-Plan R.)) und Erhaltungsbereich nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB (§ 2 Nr. 1 VO B-Plan R.). Im nördlichen an die S. grenzenden Bereich der beiden Grundstücke gilt die Festsetzung von öffentlichen und privaten Grünflächen und die grundsätzliche Unzulässigkeit von Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauNVO innerhalb der privaten Grünanlagen (§ 2 Nr. 12 VO B-Plan R.).
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Für das Grundstück A.-Straße 50 (belegen im Baublock mit der Ordnungsnummer 35) sieht der Bebauungsplan darüber hinaus straßenseitig vor: „(D)“ Grundfläche von 200 m2 als Höchstmaß zulässig (§ 2 Nr. 7 VO B-Plan R.) und „3 Wo“ höchstens drei Wohnungen je Wohngebäude zulässig (§ 2 Nr. 8 VO B-Plan R.). Im rückwärtigen Teil des Grundstücks A.-Straße 50 wird ein zusätzliches durch eine vordere, hintere und seitliche Baugrenze bestimmtes Baufenster ausgewiesen, wo folgende weitere Festsetzungen gelten: WR I o, „(A“) Grundfläche von 120 m2 als Höchstmaß zulässig (§ 2 Nr. 7 VO B-Plan R.) und „2 Wo“ höchstens zwei Wohnungen je Wohngebäude zulässig (§ 2 Nr. 8 VO B-Plan R.).
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Für das Grundstück A.-Straße 61 (belegen in Baublock 36) gelten folgende weitere Festsetzungen: „(B)“ Grundfläche von 150 m2 als Höchstmaß zulässig (§ 2 Nr. 7 VO B-Plan R.) und „2 Wo“ höchstens zwei Wohnungen je Wohngebäude zulässig (§ 2 Nr. 8 VO B-Plan R.).
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Am 31. März 2015 haben die Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt. Einen Tag später ist der Antragsgegnerin der von ihnen als Rügeschreiben i.S.d. § 215 Abs. 1 BauGB zugesandte und im Einzelnen begründete Normenkontrollantrag zugegangen.
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Die Antragsgegnerin hat aufgrund einer durch einen Dritten erhobenen Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB - die Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar seien, seien bei der ersten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden - den Bebauungsplan-Entwurf in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB auf der Grundlage der Bekanntmachung vom 18. Dezember 2015 (HmbGVBl. S. 2111) in der Zeit vom 4. Januar bis 4. Februar 2016 erneut öffentlich ausgelegt. In dem ergänzenden Verfahren ist u.a. die Planbegründung teilweise überarbeitet worden und in der Bekanntmachung sind von der Antragsgegnerin zu den Arten umweltbezogener Informationen, die verfügbar sind, weitere Angaben gemacht worden.
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Die Antragsteller haben am 4. Februar 2016 erneut eine Stellungnahme abgegeben. Die Bezirksversammlung W. hat dem Bebauungsplan R. im ergänzenden Verfahren am 12. Mai 2016 zugestimmt. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen hat mit Schreiben vom 15. November 2016 die Genehmigung für den Bebauungsplan erteilt. Der Bezirksamtsleiter hat die rückwirkende Inkraftsetzung der Verordnung über den Bebauungsplan R. am 19. Dezember 2016 festgestellt. Die entsprechende Verkündung der Rechtsverordnung ist am 27. Dezember 2016 (HmbGVBl. S. 564) erfolgt.
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Die Antragsteller machen zur Begründung ihres Normenkontrollantrags u.a. geltend, die von der Antragsgegnerin angenommene Verletzung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB könne nicht in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden. Denn eine rückwirkende Heilung komme nur in Betracht, wenn durch den Mangel nicht der Kern der Abwägungsentscheidung betroffen werde. Dies sei aber im Fall einer fehlerhaften Auslegungsbekanntmachung der Fall. Denn bei einer ordnungsgemäßen Auslegungsbekanntmachung wäre eine Vielzahl zusätzlicher umweltrelevanter und sonstiger Stellungnahmen eingegangen. Das Abwägungsmaterial wie die -entscheidung wären dann anders ausgefallen.
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Die Festsetzung von privaten und öffentlichen Grünflächen auf ihren Grundstücken - und auch darüber hinaus - sei gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB städtebaulich nicht erforderlich. Das Ziel, die „Erlebbarkeit des Gewässerraumes für die Allgemeinheit“ zu sichern, genüge allenfalls den Anforderungen einer politischen Zielvorgabe, stelle aber keine tragfähige planerische Konzeption dar. Abgesehen davon sei die S. in niederschlagsarmen Monaten nahezu ausgetrocknet, so dass während dieser Zeit eine Erlebbarkeit des Gewässerraumes unmöglich sei. Eine Bedarfsanalyse, ob in der Umgebung ein zusätzlicher Wanderweg entlang der S. erforderlich sei, habe die Antragsgegnerin nicht angestellt. Ein öffentlicher Bedarf an der Schaffung von zusätzlichen Grünflächen bestehe aber nicht, weil entlang der S. bis zum K.-Stieg und weiter über den E.-Weg ohnehin schon die Möglichkeit bestehe, entlang des Baches bzw. in dessen unmittelbarer Nähe spazieren zu gehen oder Rad zu fahren. Der bereits bestehende Weg werde zudem wenig frequentiert und könne mangels hinreichender Befestigung und Beleuchtung auch nicht ganzjährig genutzt werden. Dieser Rückzugsraum für Amphibien und Tiere werde preisgegeben, wenn die Flächen zu Gunsten eines Fuß- und Radweges versiegelt würden. Die Zerstörung existenter und funktionsfähiger Lebensräume liege weder im Sinne des schonenden Umgangs mit Natur und Landschaft noch der rechtlich geschützten Interessen der Eigentümer. Die Grünflächenfestsetzung stünde auch im Widerspruch zu der städtebaulichen Zielvorstellung des Plangebers, die verbliebenen großen Grundstücke im Plangebiet zu erhalten. Schließlich spreche gegen die Schaffung eines Fuß- und Radweges, dass südlich der S. die A.-Straße an einer gefährlichen Kurve passiert werden müsste. Vor diesem Hintergrund hätte im Planaufstellungsverfahren eine Stellungnahme der zuständigen Straßenbehörde eingeholt werden müssen. Nicht zuletzt sei die Finanzierbarkeit der Anlage eines öffentlichen Fuß- und Radweges nicht gesichert, weil von der Antragsgegnerin für die Umsetzung dieser Maßnahme nur 400.000,-- Euro eingeplant worden seien.
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Die Bestandsbebauung auf ihren Grundstücken sei in der Planzeichnung nicht vollständig erfasst worden. Auf dem Grundstück A.-Straße 50 sei ein Anbau nicht eingezeichnet worden. Im Osten des Gebäudes A.-Straße 61 fehlten eine Terrasse und ein genehmigter Stellplatz. Die am Bestand orientierte Festsetzung der Baugrenzen müsste diese baulichen Anlagen umfassen. Die Antragsgegnerin hätte zudem berücksichtigen müssen, dass sich auf dem Grundstück A.-Straße 50 innerhalb des als private Grünfläche ausgewiesenen Bereichs vier Stellplätze, ein Schuppen, ein Hochbeet und eine Sitzecke befänden. Auf dem Grundstück A.-Straße 61 befänden sich im Bereich der öffentlichen Grünfläche eine Terrasse und ein Hochbeet. Ein weiterer Abwägungsmangel liege darin, dass eine private Grünfläche festgesetzt worden sei, ohne dass die Antragsgegnerin den exakten Verlauf der zukünftigen Grundstücksgrenze gekannt habe. Der Bebauungsplan habe sich zeitgleich mit dem Grenzfeststellungsverfahren in Aufstellung befunden, ohne dass eine Koordination der Verfahren erfolgt sei. Die Antragsgegnerin habe daher nicht hinreichend berücksichtigen können, in welchem Maß die Festsetzung der privaten Grünfläche eine belastende Wirkung für sie entfalten werde. Ebenso wenig seien ihre Vorbescheidsanträge hinreichend berücksichtigt worden, mit denen sie deutlich gemacht hätten, die rückwärtigen Grundstücksteile bebauen zu wollen.
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Anders als in den Baublöcken 34 und 35 werde für das Grundstück A.-Straße 61 kein zusätzliches Baufenster im hinteren Grundstücksbereich ausgewiesen, obwohl dieses aufgrund seiner Größe ebenfalls geeignet sei, ein zusätzliches Baufenster aufzunehmen. Die hinteren Grundstücksbereiche im Baublock 36 seien auch nicht vollständig von Bebauung frei. Das Flurstück … sei nicht straßennah bebaut, sondern das Gebäude rage in den hinteren Grundstücksteil hinein. Auf dem Flurstück ... werde ein zusätzlicher Baukörper ermöglicht. Aufgrund der Festsetzungen des früheren Baustufenplans seien Vorhaben in den rückwärtigen Grundstücksteilen grundsätzlich genehmigungsfähig gewesen. Im Baublock 36 wäre eine rückwärtige Bebauung zumindest mit § 34 BauGB zu vereinbaren gewesen.
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Durch die Ausweisung der privaten Grünfläche und mit der Festsetzung der Baufenster durch Baugrenzen würden die Entwicklungsmöglichkeiten auf ihren Grundstücken erheblich beeinträchtigt. Die Wohnbaufläche werde so jeweils um bis zu 400 m2 spürbar reduziert. Die im Baustufenplan getroffene Ausweisung ihrer Grundstücke als Außengebiet sei funktionslos. Denn die Ausweisung großflächiger Gebiete als Außengebiet i.S.d. § 10 Abs. 5 BPVO sei nach der Rechtsprechung des Normenkontrollgerichts regelmäßig funktionslos geworden. Die planungsrechtliche Zulässigkeit der Bebaubarkeit ihrer Grundstücke habe sich daher nach § 34 Abs. 1 BauGB gerichtet. Eine Bebaubarkeit auf den rückwärtigen Grundstücksteilen sei danach unter Berücksichtigung der prägenden Umgebung, die ebenfalls eine Bebauung der hinteren Grundstücke zugelassen habe, gegeben gewesen. Sie hätten mit anderen Worten eine Erweiterung der bestehenden Wohngebäude und einen Neubau an anderer Stelle realisieren können.
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Der Bebauungsplan bereite mit der Festsetzung der öffentlichen Grünfläche eine enteignende Maßnahme vor, die unverhältnismäßig sei. Die Antragsgegnerin habe die Bedeutung einer öffentlichen Grünfläche auf ihren Grundstücken überbewertet und die entgegenstehenden Eigentümerbelange falsch gewichtet. Bereits jetzt befinde sich südlich der S. und östlich ihres Grundstücks ein Spazierweg und zwar bis zu der Höhe des K.-Stiegs. Passanten könnten entlang des K.-Stiegs in nordöstliche Richtung gehen und über den E.-Weg wieder an die S. gelangen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass im nördlichen Lauf der S. auf dem Flurstück … öffentliches Eigentum bestehe. Nach dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung privaten Eigentums wäre es folgerichtig gewesen, wenn der Spazierweg nördlich der S. verliefe. Dann wären anstelle von sechs Grundstücken (Flurstücke …) nur drei Grundstücke (Flurstücke …) von einer enteignenden Maßnahme betroffen gewesen. Ebenso sei bei der Abwägung unberücksichtigt geblieben, dass die Zugangsmöglichkeit eines Grundstücks zum Gewässer ein wertbildender Faktor sei. Das Grundstück stelle sich dadurch als ein von einer Seite vor Betreten und vor der Einsichtnahme von Dritten geschützter Bereich dar. Ihre Grundstücke verlören nicht nur an Größe, sondern auch den „parkähnlichen“ Charakter, der durch den Bebauungsplan gerade geschützt werden solle. Außerdem sei es möglich gewesen, eine kleinere Fläche als öffentliche Grünfläche festzusetzen. Der Stellungnahme der Wasserbehörde vom 18. September 2012 sei zu entnehmen, dass für die Errichtung eines 2,50 m breiten Fuß- und Radweges - auch unter Berücksichtigung der bautechnischen und gewässerschutzrechtlichen Anforderungen - ein insgesamt 4,50 m breiter Grünstreifen ausreichend gewesen wäre.
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Darüber hinaus sei nicht berücksichtigt worden, dass die Ausweisung der privaten Grünfläche im nördlichen Bereich des Grundstücks A.-Straße 50 dazu führe, dass keine Zufahrt zu dem zweiten Baufenster auf dem rückwärtigen Grundstücksteil ermöglicht werde. Das Bestandsgebäude auf dem Grundstück sei in nördlicher Richtung erweitert worden, was auf der Planzeichnung allerdings nicht ersichtlich sei. Zwischen der als private Grünfläche ausgewiesenen Fläche und der Außenwand dieses Gebäudes sei kein ausreichender Raum vorhanden, um hier eine Durchfahrt zu dem rückwärtigen Grundstücksteil zu ermöglichen.
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Die Belange des Artenschutzes seien nicht hinreichend berücksichtigt und fehlerhaft abgewogen worden. Die Ausführungen in der Begründung zum Bebauungsplan würden der Bedeutung des Lebensraums für geschützte Arten entlang der S. nicht gerecht. Die S. verlaufe entlang ihrer Grundstücksgrenzen bisher weitgehend in ihrer ursprünglichen Form. Anders als in der Planbegründung ausgeführt werde die S. nicht seit langem intensiv genutzt. Es lebten dort insbesondere Eisvogelpaare, die an anderer Stelle im Stadtgebiet (künstlich) erst angesiedelt werden müssten. Auf ihren Grundstücken - wie auch in der Nachbarschaft - lägen große - natürliche oder künstlich angelegte - Teiche, die Lebensraum für Kleinfische böten und daher von Eisvögeln frequentiert würden. Jedenfalls der Teich auf ihrem Flurstück X sei in dem Bebauungsplan nicht eingezeichnet worden. Durch die Schaffung eines Fuß- und Radweges werde die bestehende Grünachse entlang der S. zerstört und der Rückzugsraum der Tiere gefährdet. Im Übrigen sei bei der Planaufstellung im Rahmen des Umweltberichtes nicht berücksichtigt worden, dass die Realisierung des Fuß- und Radweges südlich der S. notwendigerweise zur Fällung von Bäumen führen werde.
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Die Festsetzung von Erhaltungsbereichen auf ihren Grundstücken sei materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des §§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht vorlägen. Nach der Begründung zum Bebauungsplan sei davon auszugehen, dass die Erhaltungsverordnung ausschließlich dem Ensembleschutz i.S.d. § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BauGB diene und nicht dem Schutz der baulichen Anlagen aufgrund ihrer besonderen geschichtlichen oder künstlerischen Bedeutung. Eine Prägung des Ortsbildes durch die Gebäude innerhalb der Erhaltungsbereiche bestehe aber nicht. Ihre Gebäude könnten nicht als Bestandteil eines ortsbildprägenden Ensembles angesehen werden. Denn nicht jede Gruppe von baulichen Anlagen stelle ein städtebauliches Ensemble dar. Ein Ensemble setze vielmehr ein einheitliches gestalterisches Bindeglied i.S. einer einheitlichen baulichen Aussage voraus. Die Vielfalt unterschiedlicher Baustile sei i.S.d. § 172 BauGB nicht schützenswert. Ihre Gebäude verfügten allenfalls in Ansätzen über die prägenden Elemente der Erhaltungsbereiche. Das Gebäude A.-Straße 50 sei zwar 1903 errichtet worden und habe ein Satteldach. Aufgrund des modernen Holzanbaus mit einem Flachdach und einer äußeren Verkleidung, die im Jahr 2011 entstanden sei, werde aber der vermeintlich prägende Baustil aus dem Jahr 1903 vollständig verdrängt. Das benachbarte Mehrfamilienhaus A.-Straße 52 sei in den 1950er Jahren errichtet worden und könne keinem „prägenden“ Baustil zugerechnet werden. In der A.-Straße 55/57 stehe ein Doppelhaus in Fertigbauweise, dass in den 1990er Jahren errichtet worden sei. Die Bebauung B.-Straße 27 bestehe aus einem Flachdach-Bungalow, der in den 1960er Jahren errichtet worden sei. Das moderne kubistische Flachdachhaus A.-Straße 59 sei im Jahr 2012 erbaut worden und stehe dem Baustil des beginnenden 20. Jahrhunderts entgegen. Das Grundstück A.-Straße 61 befinde sich in einem Baublock, in dem auch Bauten vorhanden seien, die keines der in der Begründung zum Bebauungsplan ausgewiesenen Elemente aufwiesen. Auf dem Grundstück E.-Weg 42 stehe ein schlichtes Einfamilienhaus aus den 1950er Jahren, das offensichtlich nichts zu dem geschützten Charakter des Erhaltungsbereichs beitragen könne.
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Die Antragsteller beantragen,
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die Verordnung über den Bebauungsplan R. vom 24. März 2014, rückwirkend in Kraft gesetzt durch die Verordnung vom 19. Dezember 2016, diese bekannt gemacht am 27. Dezember 2016, für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung trägt sie vor, die Festsetzung von privaten und öffentlichen Grünflächen entlang der S. entbehre nicht der städtebaulichen Erforderlichkeit. Nur durch diese Festsetzung könne eine zukünftige Erlebbarkeit des Gewässerraumes in dessen Zusammenhang für die Allgemeinheit in geeigneter Weise gesichert werden. Ein (mehrfaches) Verlassen des Gewässerraumes (z.B.) am K.-Stieg und ein späteres Wiederaufnehmen des Weges an anderer Stelle wäre hierfür kein gleichwertiger Ersatz. Die Festsetzung öffentlicher Grünflächen südlich der S. bezwecke, entlang des Baches zwischen der R. Straße und dem E.-Weg einen ausreichend breiten Weg für Fußgänger und Radfahrer anzulegen und so das Gewässer erlebbar zu machen. Ein „Ausweichen“ der Grünzug- bzw. Wegeführung teilweise auf die Nordseite der S. könnte nicht allein auf das städtische Flurstück … beschränkt werden, sondern es wären dann aufgrund des zum Teil sehr schmalen, nicht hinreichenden Zuschnitts dort andere private Grundeigentümer betroffen. Außerdem wäre der Anschluss an die bereits im angrenzenden Bebauungsplan R. südlich der S. festgesetzten öffentlichen Grünflächen nicht sichergestellt. Die Festsetzung folge daher einem plangebietsübergreifenden schlüssigen Freiflächenkonzept. In der Abwägung komme dem Interesse der Allgemeinheit an einer zusammenhängenden Erlebbarkeit und Zugänglichkeit des Gewässergrünzuges ein höheres Gewicht zu als dem privaten Interesse an der vollständigen Einheit des heutigen Grundstückszuschnittes.
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Hinsichtlich der Lage der Baugrenzen sei es nicht erforderlich, dass der Plangeber selbst kleinteiligste Ermittlungen anstelle, um jegliche im Plangebiet vorhandenen Nebenanlagen, wie etwa Terrassen und Stellplätze, der technischen Grundlage des Bebauungsplans, also dem Katasterplan, zugänglich zu machen. Nebenanlagen seien innerhalb der Baugebiete grundsätzlich außerhalb der Baugrenzen zulässig. Hinsichtlich der Lage der Grundstücksgrenzen habe der Plangeber von der katastermäßigen Grundlage ausgehen dürfen und sei nicht gehalten gewesen, grundstücksbezogene Individualermittlungen ohne konkreten Anlass anzustellen. Für die Plankonzeption, die Lage der festgesetzten öffentlichen und privaten Grünflächen und der Baugebietsflächen im Nahbereich der S., sei nicht die Lage der Grundstücksgrenzen maßgebend gewesen, sondern der städtebauliche Maßstab der Schaffung einer öffentlichen Wegeverbindung entlang des Gewässerlaufes, der daraus resultierenden Erfordernisse und die daran orientierte Abstaffelung und Dimensionierung der verschiedenen Flächenkategorien.
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Die Bebauungsmöglichkeiten für die Grundstücke der Antragsteller seien vom Plangeber zutreffend eingeschätzt worden. Das Grundstück A.-Straße 50 sei im Baustufenplan R. zu großen Teilen und das Grundstück A.-Straße 61 nahezu vollständig als Außengebiet ausgewiesen gewesen. Straßenbegleitend sei im Bereich der vorhandenen Gebäude nach den örtlichen Verhältnissen das Vorhandensein eines unbeplanten Innenbereichs anzunehmen gewesen; jedoch habe keine bauliche Vorprägung der rückwärtigen Grundstücksteile bestanden, die dort eine Bebauung dem Grunde nach ermöglicht hätte. Insbesondere im Nahbereich der S. sei eine Bebaubarkeit der Grundstücke unter Berücksichtigung von § 15 HmbBNatSchAG nie gegeben gewesen. Die Bebaubarkeit der Grundstücke werde durch den Bebauungsplan erstmals positiv gesichert und im Falle des Grundstücks A.-Straße 50 werde erstmals eine angemessene, städtebaulich geordnete rückwärtige Baumöglichkeit eröffnet. Dass das Grundstück A.-Straße 50 einen zusätzlichen rückwärtigen Bauplatz erhalten habe, das Grundstück A.-Straße 61 jedoch nicht, beruhe auf unterschiedlichen Sachverhalten. Die meisten Grundstücke im Baublock 35 wiesen zwischen B.-Straße und S. einschließlich der festgesetzten Grünflächen eine maßgebende Tiefe von ca. 75 m auf. Angesichts dieser erheblichen Tiefe und von bereits vorhandenen einzelnen rückwärtigen, jedoch nicht prägenden, Baukörpern sei es Ergebnis der Abwägung gewesen, dass den Grundeigentümern dort zusätzliche rückwärtige Baumöglichkeiten eröffnet werden konnten, auf die zuvor kein Anspruch bestanden habe. Anders verhalte es sich mit dem Baublock 36: Dort wiesen die Grundstücke wesentlich unterschiedliche und überwiegend auch geringere Grundstückstiefen auf (mehrheitlich unter 50 m), die eine regelhafte, einem einheitlichen und ortstypischen Strukturprinzip folgende rückwärtige Bebauung nicht zuließen. Überdies sei der dortige Blockinnenbereich bisher von einer rückwärtigen Bebauung vollständig freigehalten und sei es ein mit dem Bebauungsplan verfolgtes städtebauliches Ziel, dieses Strukturprinzip dort zu erhalten. Daran ändere nichts der Umstand, dass die Bebauung auf dem Flurstück ... einige Meter von der faktischen Baulinie an der B.-Straße zurücktrete; dies entfalte städtebaulich keine prägende Wirkung auf den rückwärtigen Bereich des Baublockes. Die von den Antragstellern für beide Grundstücke gestellten Bauvoranfragen, die sich auf eine zusätzliche Bebauung im rückwärtigen Bereich bezogen hätten, seien noch nicht beschieden worden.
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Die Festsetzung von privaten Grünflächen sei abwägungsfehlerfrei erfolgt. Der Baustufenplan R. habe an dieser Stelle auf den Grundstücken der Antragsteller ebenso wie auf den restlichen Grundstücken südlich der S. im jeweils nördlichen Grundstücksteil Außengebiet festgesetzt. Diese Festsetzung werde durch die Festsetzung von öffentlichen und privaten Grünflächen nachvollzogen. Die nunmehr als Grünfläche festgesetzten Grundstücksteile seien bisher nur in einigen Fällen bebaut gewesen. Die Festsetzung privater Grünflächen schränke jedenfalls nicht die „Wohnbaufläche“ auf den jeweiligen Grundstücken ein. Denn die Bebaubarkeit der Grundstücke werde nunmehr in den überwiegenden Fällen - insbesondere bei den Grundstücken der Antragsteller - über die Festsetzung einer bestimmten Grundfläche bestimmt, bei der es nicht auf die Größe des Baugrundstücks ankomme. Die private Grünfläche bleibe als solche privat nutzbar.
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Eine Querung der A.-Straße im Lauf der S. wäre auch bei der von den Antragstellern alternativ vorgeschlagenen nördlichen Führung des Gewässergrünzuges erforderlich und läge dann voraussichtlich sogar näher an der vorgeblich „gefährlichen“ Straßenverschwenkung (Kurve) der A.-Straße. Nach den konkreten örtlichen Verhältnissen bestehe kein Zweifel, dass eine gefahrlose Querung der Straße möglich sei bzw. bei zukünftigen Erfordernissen innerhalb des vorhandenen Straßenquerschnittes die Querungsmöglichkeit verbessert werden könnte. Soweit die Antragsteller die mangelnde Zugänglichkeit des Gewässerlaufs vom Grundstück bzw. von den anschließenden privaten Grünflächen rügten, bleibe diese auch nach einer Umsetzung der festgesetzten öffentlichen Grünfläche gewährleistet.
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Die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche in ausreichender Breite sei erforderlich, weil allein dadurch eine zukünftige Erlebbarkeit des Gewässerraumes für die Allgemeinheit in geeigneter Weise gesichert werden könne. Die Stellungnahme der Wasserbehörde vom 18. September 2012 beziehe sich auf den Abstand eines im Lauf des Aufstellungsverfahrens zwischenzeitlich vorgesehenen Gehrechts zur Oberkante der Gewässerböschung. Die öffentliche Grünfläche umfasse jedoch auch den Böschungsbereich. Unter Abwägung aller eingegangenen Stellungnahmen sei auf das Gehrecht zugunsten einer öffentlichen Grünfläche verzichtet worden und stattdessen zur Verwirklichung des geplanten Weges an dieser Stelle eine öffentliche Grünfläche festgesetzt worden. Um eine entsprechende öffentliche Grünfläche anlegen zu können, die sowohl den technischen Notwendigkeiten für die Anlage des Weges als auch der naturnahen Gestaltung des Gewässerlaufs Rechnung trage, sei eine Gesamtbreite von zunächst 8 m entsprechend des Abwägungsvorschlages beschlossen worden, die dann aber als Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung nach der ersten öffentlichen Auslegung auf das absolut notwendige Maß von 6 m reduziert worden sei.
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Die Belange des Artenschutzes seien ausreichend berücksichtigt worden. Bei der Realisierung von Vorhaben müssten von dem jeweiligen Vorhabenträger die artenschutzrechtlichen Bestimmungen nach § 44 Abs. 1 BNatSchG berücksichtigt werden, so auch im Fall der Anlegung einer öffentlichen Grünfläche inklusive des Wegebaus entlang der S..
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Die Festsetzung der unterschiedlichen Erhaltungsbereiche sei auf der Grundlage der Strukturuntersuchung R. vom Oktober 2010 erfolgt, die sich u.a. mit der Abgrenzung potentieller Erhaltungsbereiche befasst habe. Das Plangebiet besitze danach in den Bereichen, für die Erhaltungsbereiche festgesetzt worden seien, eine schutzwürdige Eigenart, in der bauliche Anlagen Stadtgestalt und Ortsbildbild prägten, die von städtebaulicher, insbesondere auch geschichtlicher und künstlerischer Bedeutung seien. Das „Villengebiet R.“ werde geprägt durch eine Vielzahl zeittypischer, für die Bauphasen Ende des 19.- und Anfang des 20.-Jahrhunderts sowie der 1920er/1930er Jahre repräsentativer, vielfach gut erhaltener und ihrer Entstehungszeit gut zuzuordnender Bauten. Dass einzelne Stilelemente der Gebäude voneinander abweichen mögen oder einzelne Gebäude diesen prägenden Baualtersklassen nicht angehörten, tue der für Ortsbild und Stadtgestalt prägenden Wirkung der vorherrschenden Bebauung durch das typische Erscheinungsbild ihrer Baualtersklasse und Typologie keinen Abbruch. Es bestehe keine „Vielfalt der Baustile“, sondern lediglich eine gewisse Variation innerhalb der prägenden Bebauung. In den Baublöcken 35 und 36 befänden sich ebenfalls Gebäude, die den Anforderungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 BauGB genügten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Planaufstellungsakten der Antrags-gegnerin, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen. Außerdem hat der erkennende Senat in der mündlichen Verhandlung durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten in den Baublöcken 35 und 36 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Normenkontrollantrag der Antragsteller hat in dem aus dem Tenor ersicht-lichen Umfang auch in der Sache Erfolg (I.). Im Übrigen ist dem Antragsbegehren nicht zu folgen (II).
- 41
Nach der Durchführung des ergänzenden Verfahrens gemäß § 214 Abs. 4 BauGB erlangt der ursprüngliche Bebauungsplan R. nunmehr zusammen mit dem geänderten Bebauungsplan insgesamt als ein Bebauungsplan Wirksamkeit; er setzt sich damit aus zwei Teilnormgebungsakten zusammen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.1.2009, BVerwGE 133, 98, 103 f., 109, juris Rn. 11, 22; v. 24.3.2010, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 m.w.N., juris Rn. 15; v. 20.2.2014, BVerwGE 149, 88, 92, juris Rn. 16). Die Antragsteller haben auch im ergänzenden Verfahren anlässlich der erneuten Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs eine fristgemäße Stellungnahme nach § 3 Abs. 2 BauGB abgegeben, so dass ihr zuvor gestellter Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 2a VwGO in jedem Fall zulässig bleibt.
- 42
Das Normenkontrollgericht teilt nicht die Rechtsansicht der Antragsteller, dass die Heilung des Fehlers in der Bekanntmachung vom 16. November 2012 über die erste öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Entwurfs hinsichtlich der Angaben dazu, welchen Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB ausscheide, weil dadurch der Kern der Abwägungsentscheidung betroffen sei. Es ist zwar zutreffend, dass das ergänzende Verfahren nur dazu dienen kann, Fehler, die „das Grundgerüst der Abwägung“ nicht betreffen, zu bereinigen (siehe BT-Drs. 13/6392 S. 72 zu der Vorgängerregelung des § 215a Abs. 1 BauGB 1998). Der zu behebende Fehler darf deshalb nicht von solcher Art und Schwere sein, dass er die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt oder die Grundzüge der Planung berührt (vgl. § 13 BauGB). Mit dieser Einschränkung werden aber auch Abwägungsfehler von der Regelung des § 214 Abs. 4 BauGB erfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.10. 1998,Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 1, juris Rn. 13; Kukk in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 214 Rn. 63 f. m.w.N.). Vorliegend geht es jedoch nur um die Heilung eines formellen Fehlers bei der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB, der der eigentlichen Abwägung vorgelagert ist, der die Identität der Planung unberührt lässt und auch nicht das Abwägungsergebnis betrifft. Soweit infolge der erneuten Auslegung im ergänzenden Verfahren neue Stellungnahmen eingegangen sind, aus denen sich ein erweitertes Abwägungsmaterial ergibt, sind diese Umstände dann bei der Abwägung bzw. der erneuten Feststellung der Rechtsverordnung entsprechend zu berücksichtigen. Denn das Planungsverfahren ist an der Stelle aufzugreifen, an der der Fehler unterlaufen ist. Von diesem Punkt an ist das Planungsverfahren zu wiederholen (siehe Koch in: Koch/ Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 6. Aufl. 2015, § 18 Rn. 31). Auf diese Weise ist die Antragsgegnerin in dem ergänzenden Verfahren ordnungsgemäß verfahren, so dass die Verletzung des § 3 Abs. 2 BauGB von ihr geheilt worden ist.
I.
- 43
1. Die in dem angegriffenen Bebauungsplan R. für das Flurstück X der Gemarkung R. getroffenen Festsetzungen der nördlichen Baugrenze in dem östlichen Baufenster, einer Grundfläche von 200 m2 als Höchstmaß und von öffentlichen und privaten Grünflächen sind ebenso unwirksam wie die für das Flurstück Y der Gemarkung R. getroffenen Festsetzungen der nördlichen Baugrenze, einer Grundfläche von 150 m2 als Höchstmaß und von öffentlichen und privaten Grünflächen. Die Antragsteller haben insoweit gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu Recht frist- und ordnungsgemäß gerügt, dass die Antragsgegnerin ihre Belange nicht zutreffend ermittelt und bewertet hat, weil sie rechtsfehlerhaft angenommen hat, die Grundstücke der Antragsteller seien nördlich der beiden Bestandsgebäude in Richtung der S. - wo der Bebauungsplan R. nunmehr öffentliche und private Grünflächen festsetzt - nicht bebaubar gewesen, weil dort im Baustufenplan R. Außengebiet i.S.d. § 10 Abs. 5 BPVO festgesetzt gewesen sei. Diese Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB ist gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich.
- 44
a) Die Außengebietsfestsetzung im Baustufenplan R. konnte nicht gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960 in das geltende Bauplanungsrecht übergeleitet werden, weil die Überleitung - wie das Wort „bestehende“ nahelegt, aber auch nach dem Sinnenzusammenhang nicht zweifelhaft sein kann - voraussetzt, dass die Vorschriften und Pläne - gemessen an dem im Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Recht - bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 gültig waren (siehe BVerwG, Urt. v. 1.9.2016, ZfBR 2017, 151, 152, juris Rn. 13). Dies kann für eine Außengebietsfestsetzung in einem übergeleiteten hamburgischen Baustufenplan, die - wie hier - vom Verordnungsgeber (HmbGVBl. 1955 S. 61) in der Präambel (nur) auf §§ 1 und 2 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (RGBl. I S. 104) gestützt wurde, aber nicht festgestellt werden. Die sog. Bauregelungsverordnung (BauRegVO) wurde ihrerseits auf der Grundlage des Reichsgesetzes über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesen vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 568) erlassen.
- 45
Der Senat hat - nachdem er bereits die Festsetzungen weitläufiger Außengebiete i.S.v. § 10 Abs. 5 BPVO in den übergeleiteten Baustufenplänen für obsolet erklärt hat - zwar bislang die Frage offen gelassen, ob wenigstens kleinflächige Außengebietsfestsetzungen Wirksamkeit für sich beanspruchen können (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 21.9.2000, NordÖR 2001, 81, 82, juris Rn. 37.; v. 17.6.2010, 2 E 7/07.N, juris Rn. 80; Beschl. v. 4.3.2013, 2 Bs 53/13, n.v.). Dies wird nunmehr aber verneint, weil es für die Außengebietsfestsetzung in den übergeleiteten Baustufenplänen nach der Baureglungsverordnung bereits keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage gab. Die gegenteilige Senatsrechtsprechung, wie sie grundlegend im Urteil vom 18. Dezember 1975 (OVG Bf II 91/74, HmbJVBl. 1976, 68, 69) vertreten wurde, wird aufgegeben.
- 46
Der Senat stützte damals die Außengebietsfestsetzung auf § 1 i.V.m. § 3 BauRegVO und führte in dem soeben zitierten Urteil aus:
- 47
„§ 1 BauRegVO ermächtigte allerdings nur zur Ausweisung von Baugebieten und zur Regelung deren Bebauung, nicht aber zu Regelungen außerhalb der Baugebiete. Die Bebaubarkeit von Grundstücken in nicht als Baugebiet ausgewiesenen Gebieten ergab sich aus § 3 BauRegVO selbst (Urteil dieses Senats vom 7. Februar 1957, a.a.O.). Dennoch war die im Baustufenplan für Blankenese enthaltene Ausweisung des Grundstücks der Klägerin als 'Außengebiet', d.h. entsprechend der Definition des § 10 Abs. 5 Satz 1 BPVO als Landfläche außerhalb des Baugebiets, bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes rechtsgültig. Aus § 1 i.V.m. § 3 BauRegVO ist zu entnehmen, daß in einer Verordnung auch ein bestimmtes Gebiet rechtswirksam als Nichtbaugebiet bezeichnet werden konnte. Denn mit der Ausweisung in einem bestimmten Bereich war zwangsläufig die Festlegung der Nichtbaugebiete verbunden. Auch wenn letztere nicht ausdrücklich im Plan als Außengebiet bezeichnet worden wären, hätte sich diese ihre Eigenschaft aus § 3 BauRegVO ergeben. Bis zum Erlaß des Bundesbaugesetzes mußte der Baustufenplan für Blankenese daher so verstanden werden, daß soweit er Baugebiete auswies, § 10 Abs. 4 BPVO in ihn hineinzulesen war, und soweit er Außengebiete festlegte, § 3 BauRegVO den Inhalt dieser Ausweisung bestimmte.
…
- 48
Die Beklagte war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, Baustufenpläne in Form von Gesetzen zu erlassen. … Das Bebauungsplangesetz vom 31. Oktober 1923 …, das in seinem § 4 Abs. 1 die Feststellung des Bebauungsplans im Wege der Gesetzgebung vorschrieb, betraf nicht die Ausweisung von Baugebieten, wie sie § 1 BauRegVO vorsah. Das gleiche gilt für das Gesetz über den Aufbau der Hansestadt Hamburg.“
- 49
Die Heranziehung des für die Zeit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes geltenden § 3 BauRegVO als mittragende Ermächtigungsgrundlage (i.V.m. § 1 BauRegVO) für die Festsetzung von Außengebieten bzw. von Gebieten außerhalb von Baugebieten (= Nichtbau-gebieten) scheidet aus, weil § 3 BauRegVO lediglich eine Befugnisnorm zugunsten der Bauaufsichtsbehörden für eine Versagung der Baugenehmigung im Einzelfall darstellte (ebenso Lechelt, Baurecht in Hamburg, 1994, Bd. II, S. 443 ff., 480 ff.; ders., ZfBR 1993, 5 ff.). Die Bauaufsichtsbehörde wird hier „als Planungsbehörde tätig, indem sie über die rechtliche Eigenschaft eines Grundstücks als Baugrundstück entscheidet, also in der Sache eine Aufgabe der städtebaulichen Planung wahrnimmt“ (so BVerwG, Urt. v. 7.10. 1954, Buchholz 406.21 § 3 BauregelungsVO Nr. 2). Sie hatte über die Zulässigkeit von baulichen Anlagen anhand des Maßstabes in § 3 BauRegVO („geordnete Entwicklung des Gemeindegebietes“ und „ordnungsgemäße Bebauung“) zu entscheiden. Bauten im Außengebiet, die - wie ein Wohnhaus - bereits aufgrund ihrer Funktion den Charakter der Landschaft beeinträchtigen, waren außerhalb eines im Zusammenhang gebauten Ortsteils keine ordnungsgemäße Bebauung im Sinne des § 3 BauRegVO oder liefen doch der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes zuwider. Vor diesem Hintergrund war eine reichsrechtliche Regelung über die Ausweisung von Nichtbaugebieten durch Baupolizeiverordnung entbehrlich. Eine Ermächtigung an den Plangeber des Baustufenplans war damit nicht verbunden.
- 50
Gegen die Annahme, dass auf der Grundlage der Bauregelungsverordnung mit der Ausweisung in einem bestimmten Bereich zwangsläufig die Festlegung der Nichtbaugebiete verbunden war, spricht zudem § 5 BauRegVO, der weitergehende landesrechtliche Vorschriften, besonders solche, nach denen auch andere als die in § 1 BauRegVO vorgesehenen Gebiete als Baugebiete ausgewiesen können, unberührt ließ. Zu diesen ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften zählten aber auch §§ 1 Satz 2, 2 Nr. 1 des Bebauungsplangesetzes vom 31. Oktober 1923 (HmbGVBl. S. 1357), das aufgrund des Gesetzes zur Aufhebung des Landesplanungs- und des Bebauungsplangesetzes für das hamburgische Landgebiet vom 25. Februar 1949 (HmbGVBl. S. 23) ab dem 16. Juni 1950 im gesamten Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg galt. Danach stand dem hamburgischen Gesetzgeber insbesondere die Möglichkeit offen, in (Teil-)Bebauungsplänen Wald-, Wiesen- oder landwirtschaftlich benutzte Flächen - die dauernd als Nutzgrünflächen zu erhalten sind und auf denen nur die Errichtung von Bauten, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, festzusetzen. Die im Baustufenplan R. erfolgte Festsetzung von Grünflächen und landwirtschaftliche Flächen als Außengebiet hätte also auf der Grundlage des Bebauungsplangesetzes vom 31. Oktober 1923 erfolgen können.
- 51
Eine stillschweigende Einbeziehung des § 3 BauRegVO in die Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung von Außengebieten steht zudem in Widerspruch zu Art. 53 Abs. 2 Satz 1 HV i.d.F. vom 6. Juni 1952 (HmbGVBl. S. 117). Danach ist die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben. Eine zwar vorhandene, aber nicht zitierte Grundlage kann nicht nachgeschoben werden. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot führt zur Unwirksamkeit der Rechtsverordnung (so David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Aufl. 2004, Art. 53 Rn. 27).
- 52
b) Richtigerweise richtet sich deshalb die Frage nach der früheren Bebaubarkeit der Grundstücke der Antragsteller im Bereich nördlich der beiden Bestandsgebäude auf den Flurstücken X und Y in Richtung der S. nach §§ 34 oder 35 BauGB (vgl. zu der entsprechenden Fragestellung den Bauprüfdienst 7/2016 der Antragsgegnerin „Altes Planrecht“, S. 20). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beiden entsprechenden Grundstücksstreifen der Antragsteller innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegen, so dass die Antragsgegnerin im Abwägungsvorgang unzutreffend davon ausgegangen ist, die Grundstücke der Antragsteller seien insoweit nicht bebaubar gewesen.
- 53
Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist, inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Zu berücksichtigen sind dabei nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Grundlage und Ausgangspunkt der wertenden und bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen, optisch wahrnehmbaren örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie außerdem auch andere topographische Verhältnisse. Der Begriff der Bebauung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB umfasst nicht jede beliebige bauliche Anlage, sondern nur solche Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Maßgeblich ist dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann daher stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein. Bei dieser Einzelfallbetrachtung ist zu fragen, ob sich tragfähige Argumente dafür finden lassen, mit denen sich die Anwendbarkeit der Vorschriften über den unbeplanten Innenbereich rechtfertigen lässt. Fehlt es hieran, so liegt - deshalb - Außenbereich vor. Lassen sich mithin im Anschluss an eine die Merkmale des § 34 Abs. 1 BauGB erfüllende Bebauung keinerlei Merkmale ausmachen, die eine zum Außenbereich hin abgrenzbare Fläche markieren und diese deshalb als noch zum Bebauungszusammenhang gehörig erscheinen lassen, dann endet der Bebauungszusammenhang mit dem letzten Haus (zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 8.10.2015, ZfBR 2016, 67, 68 m.w.N., juris Rn. 5 f.; OVG Hamburg, Urt. v. 25.2.2015, 2 Bf 213/11, juris Rn. 44; v. 5.7.2001, 2 Bf 19/97, juris Rn. 36).
- 54
Unter Anwendung dieser Grundsätze liegen die Grundstücksstreifen nördlich der beiden Bestandsgebäude der Antragsteller A.-Straße 50 und 61 in einem Bebauungszusammenhang, der auf beiden Seiten der A.-Straße zwischen den Gebäuden 54 bis 48 einerseits und 63 bis 59a andererseits besteht. Der Bebauungszusammenhang wird durch eine aufgelockerte Straßenrandbebauung mit großzügigen Gärten charakterisiert, der durch die S. und ihre Uferböschung nicht unterbrochen wird. Die S. bildet im Bereich der A.-Straße kein topografisches Hindernis, weil sie dort deutlich tiefer als die Bestandsgebäude liegt und nur eine geringe Breite aufweist. Der Bach bleibt mit seiner Uferböschung für die Beurteilung der Zusammengehörigkeit der Bebauung optisch unauffällig. Demgegenüber sind die Gebäude A.-Straße 48 und 59a, die nördlich der S. liegen, von den südlich gelegenen Grundstücken der Antragsteller aus jeweils gut zu sehen. Auf dem Grundstück A.-Straße 50 liegen zudem nördlich des Bestandsgebäudes mehrere offene Kfz-Stellplätze, die ebenfalls nicht den Eindruck vermitteln, dort würde der Bebauungszusammenhang in Richtung der S. unterbrochen werden. Die räumliche Aufeinanderfolge der Gebäude A.-Straße 50 und 48 sowie 61 und 59a ist zwar mit rund 50 m weniger dicht als in den Bereichen A.-Straße 54 bis 50 und 63 bis 61, entspricht aber trotzdem noch dem prägenden Charakter einer aufgelockerten Straßenrandbebauung, so dass jeweils von einer Baulücke auszugehen ist. Dieser Bewertung kann die Antragsgegnerin nicht § 15 HmbBNatSchAG entgegenhalten, der bestimmt, dass bis zu einem Abstand von 10 m von der Uferlinie an Gewässern keine baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Denn Grundlage und Ausgangspunkt der Beurteilung, ob ein bodenrechtlicher Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB besteht, sind nur die tatsächlichen, optisch wahrnehmbaren örtlichen Gegebenheiten. Ebenso wenig ist eine Verkehrsauffassung bekannt, die gerade diesen 10 m-Bereich als mit einem Bauverbot belastet ansieht. Im Übrigen erreichen die Grünflächenfestsetzungen auf den Grundstücken der Antragsteller zumindest teilweise eine Breite, die mehr als 10 m beträgt.
- 55
c) Die Belange der Antragsteller sind damit von der Antragsgegnerin nicht zutreffend ermittelt bzw. bewertet worden. Dieser Mangel im Abwägungsvorgang ist gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auch beachtlich, weil es sich um einen wesentlichen Punkt handelt und der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist.
- 56
Ist ein Punkt bzw. Belang im Hinblick auf die konkrete Planungssituation abwägungsbeachtlich, dann ist er auch wesentlich. Mängel im Abwägungsvorgang sind offensichtlich, wenn sie derart zur "äußeren" Seite des Abwägungsvorgangs gehören, dass sie auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruhen. Sie sind auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre. Es kommt einerseits nicht auf den positiven Nachweis eines Einflusses auf das Abwägungsergebnis an, auf der anderen Seite genügt aber auch nicht die abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Mangel anders geplant worden wäre (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 27.4.2016, DVBl. 2016, 1407, 1411 m.w.N., juris Rn. 80).
- 57
Danach handelt es sich um einen wesentlichen Punkt der Planung, weil die Frage der Bebaubarkeit der Grundstücke der Antragsteller abwägungsbeachtlich war und von der Antragsgegnerin mit den Festsetzungen des Bebauungsplans neu geregelt werden sollte. Der Mangel ist offensichtlich, weil sich aus den Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin (Bl. 2337 im ergänzenden Verfahren) ergibt, dass sie davon ausgegangen ist, eine Verkleinerung des Baugrundstücks der Antragsteller erfolge nicht, weil die Anteile der festgesetzten öffentlichen und privaten Grünflächen zusammen etwa der bisherigen Festsetzung als Grünfläche im Baustufenplan entspreche. Die Ergebnisrelevanz des Mangels folgt daraus, dass eine Verschiebung der beiden nördlichen Baugrenzen in Richtung der S. möglich ist (und damit verbunden auch eine Vergrößerung der auf 200 m2 bzw. 150 m2 festgesetzten bebaubaren Grundfläche), ohne dass die Antragsgegnerin auf eine Festsetzung von Grünflächen auf den Grundstücken der Antragsteller vollständig verzichten müsste.
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d) Der Mangel bei der Festsetzung der im Urteilstenor näher bezeichneten nördlichen Baugrenzen, bebaubaren Grundflächen und der öffentlichen wie privaten Grünflächen auf den Grundstücken der Antragsteller führt nicht zu einer vollständigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans R..
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Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nicht zu dessen vollständiger Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Verordnung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (so BVerwG, Beschl. v. 17.9.2013, BRS 81 Nr. 76, juris Rn. 4 f.; v. 24.4.2013, BRS 81 Nr. 77, juris Rn. 3; OVG Hamburg, Urt. v. 26.2.2014, 2 E 9/10.N, n.v.).
- 60
Eine sinnvolle städtebauliche Ordnung ergibt der Bebauungsplan auch ohne die vorgenannten unwirksamen Festsetzungen auf den Grundstücken der Antragsteller. Die Festsetzung der öffentlichen Grünflächen südlich der S. ist insgesamt unwirksam (siehe dazu sogleich unter 2.), so dass eine Unterbrechung der von der Antragsgegnerin geplanten Wegeverbindung nicht allein aufgrund der Unwirksamkeit derselben Festsetzung auf den Grundstücken der Antragsteller eintritt. Der Wegfall der Festsetzungen der privaten Grünfläche auf den Grundstücken der Antragsteller stellt nicht grundsätzlich das Planungsziel der Antragsgegnerin in Frage, die Uferrandbereiche der Gewässer zu schützen. Ebenso wenig ist der Wegfall der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zur bebaubaren Grundstücksfläche lediglich auf den Grundstücken der Antragsteller geeignet, den erstrebten Schutz der erhaltenswerten, städtebaulichen Strukturen in dem ca. 1.236.500 m2 großen Plangebiet auszuhöhlen. Im Zweifel hätte die Antragsgegnerin auch eine Verordnung dieses eingeschränkten Inhalts erlassen, weil die Grünflächenfestsetzungen südlich der S. keinen Schwerpunkt der Planung bildeten (vgl. zum Anlass der Planung, S. 3 der Planbegründung) und im Übrigen nur die besonderen Verhältnisse auf den Grundstücken der Antragsteller betroffen sind.
- 61
2. Die Festsetzung der öffentlichen Grünflächen ist zudem südlich der S. zwischen den Flurstücken … bis … der Gemarkung R. insgesamt unwirksam, weil dieses Abwägungsergebnis gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Als materieller Abwägungsfehler, der außerhalb des Anwendungsbereichs von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB liegt, ist dieser Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG stets beachtlich.
- 62
a) Über das schutzwürdige Interesse des Eigentümers an der Beibehaltung des Grundstückszuschnitts und der bisherigen Nutzung ist bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu entscheiden. Daher entspricht eine Festsetzung, die als Folge des gewählten Standorts die Nutzbarkeit nur bestimmter Grundstücke empfindlich beschneidet, den Anforderungen einer gerechten Abwägung grundsätzlich nur, wenn für die Festsetzung gerade an dieser Stelle sachlich einleuchtende Gründe bestehen und wenn - vom Abwägungsergebnis her gesehen - planungsbedingte Ungleichbelastungen vertretbar sind (siehe BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002, NVwZ 2003, 727, 728, juris Rn. 21). Ein Abwägungsergebnis ist unvertretbar, wenn es nicht den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG entspricht (siehe Gierke in: Brügelmann, BauGB, Loseblatt-Kommentar Stand 11/2016, § 1 Rn. 1593). Der allgemeine Gleichheitssatz ist erst verletzt, wenn der Plangeber eine Gruppe von Grundstückseigentümern im Vergleich zu anderen Grundstückseigentümern anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, BVerfGE 55, 72, 88, juris Rn. 47; v. 29.5. 1990, BVerfGE 82, 60, 86, juris Rn. 103; OVG Hamburg, Urt. v. 12.1.2011, 2 E 10/06.N, n.v.).
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Die Antragsgegnerin hat auf Seite 46 der Begründung zum Bebauungsplan zu der Festsetzung der öffentlichen Grünflächen südlich der S. im Bereich des städtischen Flurstücks … bzw. der Grundstücke B.-Straße 7 bis 19 ausgeführt:
- 64
„… wird in den Baublöcken mit den Ordnungsnummern (34), (35) und (36) zwischen R. Straße und E.-Weg ein Streifen von mindestens 6 m als öffentliche Grünfläche (Parkanlage FHH) festgesetzt. Im Bereich des städtischen Flurstücks … der Gemarkung R. werden die 6 m in der Breite in einzelnen Bereichen unterschritten. Hier soll jedoch von einem weiteren Grunderwerb abgesehen werden, um keine zusätzlichen Betroffenheiten zu erzeugen.
- 65
Die Festsetzung ermöglicht es, entlang der S. zwischen R. Straße und dem E.-Weg einen ausreichend breiten Weg für Fußgänger und Radfahrer anzulegen und so das Gewässer erlebbar zu machen. Zwischen dem Weg und der S. soll ein ökologisch wirksamer Gewässerschutzstreifen naturnah mit standortgerechten, einheimischen Pflanzen angelegt werden.“
- 66
Die Antragsgegnerin hat andererseits den Antragstellern in ihrem abschließenden Abwägungsvermerk (Bl. 2335 ff. der Planaufstellungsakten im ergänzenden Verfahren) entgegengehalten:
- 67
„Nach Überprüfung des mindestens notwendigen Flächenbedarfs wurde die vorgesehene öffentliche Grünfläche an der S. zugunsten der betroffenen privaten Grundstücke bereits um ca. 2 m auf eine regelhafte Breite von 6 m reduziert. … Innerhalb der nun vorgesehenen Breite ist die Anlage eines ausreichend bemessenen Weges und Uferrandstreifens möglich. … Dabei wird auch der bestehende Weg auf dem städtischen Flurstück … in den erforderlichen Ausbauzustand gebracht werden. Die für die Anlage eines attraktiven Weges erforderlichen städtischen wie auch privaten Grundstücksteile entlang der S. sollen dazu als öffentliche Grünfläche festgesetzt werden.“
- 68
Soweit die Antragsgegnerin auf der Grundlage dieser Begründungen auf dem städtischen Flurstück … zugunsten der Grundstückseigentümer B.-Straße 7 bis 19 von der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche in der Breite von mindestens 6 m abgesehen hat, stellt dies eine unvertretbare Ungleichbehandlung der übrigen Grundstückseigentümer südlich der S. dar, auf deren Grundstücke eine öffentliche Grünfläche in der Breite von mindestens 6 m festgesetzt worden ist. Denn es ist widersprüchlich, wenn die Antragsgegnerin den von der öffentlichen Grünflächenfestsetzung betroffenen Grundstückseigentümern einerseits entgegenhält, von deren Grundstücken müsse ein 6 m breiter Streifen als öffentliche Grünfläche festgesetzt werden, weil es sich hierbei um die notwendige Mindestbreite handele, damit ein öffentlicher Weg entlang der S. für Fußgänger und Radfahrer einschließlich eines Gewässerschutzstreifens funktionsgerecht hergestellt werden könne, sie aber andererseits auf diese Mindestbreite zugunsten der Eigentümer der Grundstücke B.-Straße 7 bis 19 verzichtet, weil das städtische Flurstück … die Mindestbreite an anderer Stelle teilweise überschreitet. Wenn es sich bei den 6 m um den - wie von der Antragsgegnerin selbst festgelegt - „mindestens notwendigen Flächenbedarf“ für die Herstellung des öffentlichen Weges handelt, kann sie hiervon nicht lediglich aus Billigkeitserwägungen zugunsten bestimmter Grundstückseigentümer Ausnahmen machen. Denn der Weg könnte dann nicht in seiner gesamten Länge funktionsgerecht hinsichtlich der Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern bzw. der Belange des Naturschutzes hergestellt werden, ohne dass hierfür tragfähige Differenzierungsgründe abgewogen worden wären. Der bestehende Weg auf dem städtischen Flurstück … würde dann nicht, wie von der Antragsgegnerin angenommen, „in den erforderlichen Ausbauzustand gebracht werden“. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin für einen ausnahmslos 6 m breiten Weg von den Grundstückseigentümern an der B.-Straße 7 bis 19 nur eine Fläche von insgesamt 130 m2 hätte in Anspruch nehmen müssen, macht es angesichts dieser geringen Eingriffsintensität unverständlich, weshalb diese dennoch verschont geblieben sind, obwohl dann eine uneingeschränkt funktionsgerechte Wegverbindung nicht hergestellt werden kann.
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b) Die Unwirksamkeit der öffentlichen Grünflächenfestsetzung südlich der S. greift nach den unter 1. d) ausgeführten Grundsätzen nicht auf die zugleich erfolgte Festsetzung privater Grünflächen aus. Denn mit beiden Festsetzungen verfolgt die Antragsgegnerin unterschiedliche städtebauliche Ziele, deren Verfolgung auch unabhängig voneinander eine sinnvolle städtebauliche Ordnung ergibt: einerseits die Herstellung eines öffentlichen Gewässerzuganges und andererseits die Pflege des Naturschutzes und den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes. Außerdem entspricht die Festsetzung dem bisherigen Planrecht des Baustufenplans R., der hier ebenfalls Grünflächen bzw. Außengebiet festsetzte (siehe S. 47 der Planbegründung). Vor diesem Hintergrund hätte die Antragsgegnerin im Zweifel die Festsetzung der privaten Grünflächen auch ohne die öffentliche Grünflächenfestsetzung getroffen. Die öffentliche Grünflächenfestsetzung an der S. betrifft im Übrigen nur eine Randfrage der Planung - sowohl nach der Planungskonzeption wie rein flächenmäßig betrachtet -, so dass insoweit ebenfalls nur von einer Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen ist.
- 70
c) Auf eine Würdigung der weiteren von den Antragstellern geltend gemachten Abwägungsmängel bei der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche mit dem Ziel einer Wegeverbindung kommt es nicht an und sie geben deshalb auch keine Veranlassung zu weiteren Ausführungen.
- 71
3. Die von den Antragstellern gerügte Festsetzung des Erhaltungsbereichs in dem Baublock mit der Ordnungsnummer 35 (A.-Straße 50 bis 54, B.-Straße 19 und 23 bis 27) ist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB unwirksam, weil in diesem Baublock keine erhaltungswürdigen Ensembles liegen, die das Ortsbild prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher Bedeutung sind.
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a) Die Gemeinde kann gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in einem Bebauungsplan Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 3 BauGB) der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. In diesen Fällen bedarf auch die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung (§ 172 Abs. 1 Satz 2 BauGB). § 172 BauGB dient dem städtebaulichen Denkmalschutz, der zum Bodenrecht gehört (vgl. dazu § 1 Abs. 5 Satz 2 a.E. und Abs. 6 Nr. 5 BauGB) und über die beschränkten Möglichkeiten des Schutzes von einzelnen Baudenkmälern und Ensembles i.S.d. § 4 Abs. 2 und 3 DSchG hinausgeht. Er bezieht auch Objekte ohne Denkmalwert ein. Mit Rücksicht auf das in § 172 BauGB zweistufig ausgestaltete Verfahren (Bezeichnung der Erhaltungsbereiche unter Konstituierung eines Genehmigungsvorbehalts als erste und Durchführung eines Genehmigungsverfahrens im konkreten Einzelfall als zweite Stufe) ist es für die Gültigkeit einer Erhaltungsverordnung grundsätzlich genauso wenig erforderlich, dass alle in einem festgelegten Erhaltungsbereich vorhandenen baulichen Anlagen nach den in § 172 Abs. 3 BauGB genannten Kriterien erhaltungswürdig sind. Von daher reicht es aus, dass die Bereiche insgesamt Besonderheiten aufweisen, die die Erhaltung baulicher Anlagen aus den Festlegungsgründen in ihrer Gesamtheit rechtfertigen, was aufgrund einer summarischen und flächenbezogenen Prüfung festgestellt werden kann. Allerdings ist der Plangeber nicht ermächtigt, den Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung über die Reichweite der ortsbildprägenden Bebauung oder die - vor allem optischen - Auswirkungen der Bauwerke von städtebaulicher Bedeutung hinaus zu erstrecken (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.6.2012, NordÖR 2013, 366, 367 m.w.N., juris Rn. 37).
- 73
Die Antragsgegnerin hat die Bezeichnung der Erhaltungsbereiche in der Begründung zum Bebauungsplan in der Fassung durch das ergänzende Verfahren auf den Seiten 16, 17, 18, 41 ff. wie folgt gerechtfertigt:
- 74
„Der Bebauungsplan sichert durch Erhaltungsbereiche … das schützenswerte Stadtbild. … Weitere größere zusammenhängende aus erhaltenswerten Wohnhäusern bestehende Gebäudeensembles wurden in der städtebaulichen Untersuchung zum Stadtteil R. erkannt und sollen gemäß § 172 BauGB als Erhaltungsbereiche gesichert werden.
…
- 75
Erhaltenswerte historische Gebäudeensembles werden im Bebauungsplan durch Erhaltungsbereiche gemäß § 172 BauGB gesichert. Denkmäler werden im Bebauungsplan nachrichtlich übernommen.
…
- 76
Erhaltenswerte städtebauliche Ensembles werden … durch die Festsetzung von Erhaltungsbereichen gesichert.
…
- 77
Bei der Festsetzung der Erhaltensbereiche werden keine einzelnen Gebäude, sondern städtebauliche Ensembles betrachtet, die geeignet sind, im Sinne des § 172 BauGB die Eigenart des Gebietes zu bestimmen. Anhand der Erhaltungsbereiche lässt sich die städtebauliche Entwicklung R.s in großen zusammenhängenden Bereichen im Plangebiet noch gut erkennen. Die überwiegend in der Zeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen villenartigen Gebäude auf ihren meist großzügigen Gartengrundstücken zeigen die damals vorherrschenden Baustile. Die Gebäude wurden in der damaligen Zeit von unterschiedlichen Bauherren und Architekten errichtet. So ist in den Gebieten nicht ein bestimmter Baustil bestimmend, sondern die Gebiete legen Zeugnis ab von der vielfältigen Bauweise ihrer Zeit. Die landhausähnlichen Gebäude präsentieren sich mit Elementen der Neo-Renaissance, des Jugendstils und des Heimatstils. Die Gebäude verfügen vielfach noch über typische Stuckelemente, auskragende Pfetten und Flugsparren und Fenstersprossenteilungen. Später in den 1920er und 1930er Jahren sind Häuser im Stil der sogenannten Hamburger Kaffeemühlen und giebelständige Einfamilienhäuser meistens mit Rotklinkerfassaden hinzugekommen.
- 78
Als Erhaltungsbereiche werden folgende Bereiche auf Grundlage der Strukturuntersuchung des Stadtteils R. aus dem Jahr 2010 sowie weiterer Kenntnisse, die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erlangt wurden, festgesetzt. Zur Verortung werden in Klammern jeweils die Ordnungsnummern der Baublöcke, wie im Planbild bezeichnet, aufgeführt:
- 79
- …
- …
- …
- Erhaltungsbereiche E.-Weg 3-7 (31), E.-Weg 15-25 (31), E.-Weg 4-26, A.-Straße 21-51 (32), A.-Straße 24-44 (33), A.-Straße 46-48 (33), A.-Straße 50-52, B.-Straße 19 und 23-27 (35), A.-Straße 61-63, B.-Straße 31-39, E.-Weg 42 (36), A.-Straße 53-59, E.-Weg 28-38 (37) sowie E.-Weg 29-41 (38):
- 80
Vorherrschend in dem Gebiet sind Gebäude der Gründerzeit und des Jugendstils. Diese Bebauung wurde ergänzt durch Einfamilienhäuser aus den 1930er Jahren, die meist Rotklinkerfassaden und Satteldächer aufweisen. Die Bebauung ist ortsbildprägend für die Straßen E.-Weg, A.-Straße und B.-Straße und für die Eigenart des Gebiets von städtebaulicher Bedeutung.
- 81
Die Festsetzung von Erhaltungsbereichen ist erforderlich, um den zeittypischen Charakter dieser gewachsenen Wohngebiete mit ihrem architektonischen Reichtum zu bewahren. Sie trägt erheblich dazu bei, das vorrangige Planungsziel dieses Bebauungsplans, die vorhandene städtebauliche Struktur, die sich seit der Gründerzeit um 1900 entwickelt hat, zu erhalten und vor Überformungen durch abweichende Bautypologien zu sichern.“
- 82
Nach der in der Planzeichnung eingezeichneten Umgrenzung des Erhaltungsbereichs in Baublock 35 gehört auch das Gebäude A.-Straße 54 dazu, obwohl es in der oben zitierten Begründung des Bebauungsplans nicht mit aufgezählt wird. In der dort für die Festlegung der Erhaltungsbereiche in Bezug genommenen Strukturuntersuchung R. vom Oktober 2010 (siehe dort Nr. 8.12: „Teilfläche 12 - R.er Straße/B.-Straße“, S. 27 ff.) wird das Gebäude A.-Straße 54 aber in den Erhaltungsbereich einbezogen, so dass es im Wege der Auslegung in den räumlichen Geltungsbereich des § 172 BauGB einzubeziehen ist.
- 83
aa) Die Antragsgegnerin hält nach der im ergänzenden Verfahren überarbeiteten Begründung des Bebauungsplans die Ensembles gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB für erhaltungswürdig, weil sie sowohl das Ortsbild prägen (Alternative 1) als auch sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher Bedeutung (Alternative 2) sind. Auf einzelne Gebäude hat sie für die Festsetzung der Erhaltungsbereiche ausdrücklich nicht abgestellt.
- 84
Aus dem Wort „sonst“ in Satz 1 des § 172 Abs. 3 BauGB ergibt sich, dass es sich bei der ersten Fallgruppe (Prägung) um eine Variante des zweiten Falles (städtebauliche Bedeutung) handelt. Eine bauliche Anlage oder ein Ensemble, die ihre Umgebung prägen, sind immer zugleich von städtebaulicher Bedeutung (siehe Köhler/Fieseler in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 172 Rn. 69). Von daher stellt es keinen Widerspruch dar, wenn die Antragsgegnerin beide Fallgruppen für gegeben erachtet.
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Eine Prägung des Ortsbildes i.S.d. § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BauGB liegt nur vor, wenn eine bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen eine gesteigerte Bedeutung für die äußere Erscheinung eines Ortsteils, Straßenzuges, Platzes oder sonstigen Bebauungszusammenhangs hat. Sie muss ihren räumlichen Wirkungsbereich im positiven Sinne nicht nur unwesentlich gestalterisch beeinflussen. Erfasst werden damit ausschließlich Wirkungen optischer Art. Anlagen, die für sich genommen die erforderliche prägende Wirkung nicht entfalten, aber Bestandteil eines die Eigenart der näheren Umgebung bestimmenden Ensembles sind, sind in dieser Eigenschaft geschützt (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.6.2012, a.a.O., 368 m.w.N., juris Rn. 40).
- 86
In § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BauGB wird die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen u.a. unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, wenn sie sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher Bedeutung ist. Die bauliche Anlage muss allein oder mit anderen baulichen Anlagen zur städtebaulichen Gestalt in dem Sinne beitragen, dass das Gebiet eine städtebauliche Eigenart aufweist (siehe Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Loseblatt-Kommentar Stand 2/2016, § 172 Rn. 36). § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BauGB erstreckt den Erhaltungsgedanken auf bauliche Anlagen, die das Erscheinungsbild ihrer Umgebung zwar nicht prägen, aber doch zur „städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt“ beitragen, indem sie die Umgebung räumlich mitgestalten und zur Unverwechselbarkeit der Ansicht eines Ortsteils, Platzes oder Straßenzuges beisteuern (siehe OVG Hamburg, Urt. v. 13.6.2012, a.a.O., 369, juris Rn. 46). Städtebauliche Bedeutung kommt einem Ensemble zu, wenn es etwa das Erscheinungsbild einer Straße oder Teile hiervon mitgestaltet, weil durch seine Anordnung und Lage in der Örtlichkeit oder durch seine bauliche Gestaltung der historische Entwicklungsprozess eines Stadtteils dokumentiert wird.
- 87
bb) Die Rechtsansicht der Antragsteller, erhaltungswürdige städtebauliche Ensembles lägen hier schon deshalb nicht vor, weil es den Gebäuden wegen ihrer unterschiedlichen Baustile an einem einheitlichen gestalterischen Bindeglied i.S. einer einheitlichen baulichen Aussage fehle, ist zurückzuweisen. In dem bereits oben zitierten Urteils des Senats vom 13. Juni 2012 (a.a.O., 368, juris Rn. 42) heißt es zwar, bei einem Ensemble müsse es sich um eine Gesamtheit baulicher Anlagen handeln, die bestimmte einheitliche Gestaltungsmerkmale aufweise oder die als solche eine bestimmte städtebauliche Ordnung erkennen lasse. Für den denkmalrechtlichen Ensemblebegriff i.S.d. § 4 Abs.2 DSchG ist aber bereits klargestellt worden, dass die für ihn maßgebliche Bezogenheit von mehreren baulichen Anlagen aufeinander sich auch aus ihrer Entstehungsgeschichte ableiten kann, was sich aus der geschichtlichen Bedeutung, die ein übergreifendes Kriterium für die Denkmalschutzwürdigkeit ist, unmittelbar ergibt (siehe OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12. 2014, NordÖR 2015, 129, 131, juris Rn. 11). Dieser Gedanke gilt bei § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BauGB ganz entsprechend, weil für diese Vorschrift die geschichtliche Bedeutung der baulichen Anlage ebenfalls maßgeblich ist. Von daher ist es grundsätzlich berechtigt, wenn die Antragsgegnerin das einheitsstiftende Merkmal für die Ensembles darin erblickt, dass die geschützten städtebaulichen Ensembles ein Zeugnis von der vielfältigen Bauweise ihrer Zeit ablegen, der für den Stadtteil R. typisch sei: Landhausähnliche Gebäude präsentierten sich mit Stilelementen der Neo-Renaissance, des Jugendstils und des Heimatstils. Hinzu kämen Häuser im Stil der sog. Hamburger Kaffeemühlen und giebelständige Einfamilienhäuser, meistens mit Rotklinkerfassaden, aus den 1920er und 1930er Jahren, die den zeittypischen Charakter dieser seit der Gründerzeit um 1900 gewachsenen Wohngebiete mit ihrem architektonischen Reichtum kennzeichneten.
- 88
b) Aufgrund der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten ist der Senat allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass im Baublock 35 keine erhaltungswürdigen Ensembles bestehen, die das Ortsbild prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher Bedeutung für den zeittypischen Charakter des Stadtteils R. sind. Die Festsetzung des Erhaltungsbereichs im Baublock 35 ist daher unwirksam.
- 89
Im Baublock 35 liegt nach dem vom Gericht gewonnenen optischen Eindruck kein Gebäudeensemble, das eine gesteigerte Bedeutung für die äußere Erscheinung des Ortsteils R. hat. In diesem Erhaltungsbereich liegen nur fünf Gebäude, die erkennbar aus der maßgeblichen Entstehungszeit von 1900 bis in die 1930er Jahre stammen. Die Gebäude B.-Straße 23 und 25 weisen zwar einige erhaltenswerte Stilelemente auf, wie Sprossenfenster oder Satteldach, haben aber insgesamt infolge der großen Stilvielfalt in dem Erhaltungsbereich keine ortsbildprägende Kraft. Den Gebäuden B.-Straße 19 und A.-Straße 50 sowie 54 kommt diese Wirkung auch deshalb nicht zu, weil an ihnen seit ihrer Errichtung erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, die ihren Baustil heute insgesamt als diffus erscheinen lassen. Ebenso wenig zeigt sich im Baublock 35 ein Ensemble von geschichtlicher Bedeutung für den zeittypischen Charakter des Stadtteils R.. Hiergegen spricht in der A.-Straße 50 bis 54 das große, optisch dominierende und in der Mitte liegende Gebäude A.-Straße 52, das erst im Jahre 1954 errichtet wurde. Aber auch das Gebäude A.-Straße 50 wurde durch die beiden vorhandenen Anbauten derart beeinträchtigt, dass es kein aussagekräftiges historisches Bauzeugnis mehr darstellt. Insbesondere der nördliche mit Holz verkleidete Anbau verfremdet den Baustil des im Jahre 1903 errichteten Haupthauses erheblich. In der B.-Straße steht der aus dem Jahre 1940 stammende Flachdach-Bungalow mit der Hausnummer 27 der von der Antragsgegnerin als erhaltenswert bezeichneten Ensemblewirkung entgegen, ebenso wie das Gebäude mit der Hausnummer 19, dessen geschichtliche Aussagekraft durch die Veränderungen am Fassadenputz und an den Fenstern sowie durch einen an der östlichen Gebäudeseite angebauten Treppenaufgang herabgesetzt ist. Die Gebäude B.-Straße 23 und 25 entsprechen zwar den Erhaltungsvorstellungen der Antragsgegnerin, besitzen aber für sich genommen nicht die Kraft, auf den gesamten in der Ecklage B.-Straße/A.-Straße befindlichen Erhaltungsbereich im Sinne eines Ensembles auszustrahlen.
II.
- 90
Im Übrigen hat der Normenkontrollantrag der Antragsteller keinen Erfolg.
- 91
1. Der Senat hat bei seiner Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten nicht die Überzeugung gewinnen können, dass auch die Festsetzung des Erhaltungsbereichs im Baublock 36 unwirksam ist.
- 92
Zwar liegen in Baublock 36 ebenfalls nur wenige - genau gesagt acht - Gebäude. Jedoch stellt sich hier allein das in Randlage befindliche und 1955 errichtete Gebäude E.-Weg 42 als historisch nicht erhaltenswert dar. Dagegen weisen die Gebäude A.-Straße 61 und 63 sowie B.-Straße 31 bis 39 zahlreiche Stilelemente auf, die sie insgesamt als ein aussagekräftiges Ensemble für den architektonischen Reichtum in der geschützten Entstehungszeit von 1900 bis in die 1930er Jahre hervortreten lassen. Die Gebäude zeigen ganz überwiegend ihre ursprüngliche Bauform auf und wurden im Laufe der Zeit nur behutsam baulich verändert bzw. durch einzelne kleinere, eher unauffällige Anbauten erweitert.
- 93
2. Die Antragsteller sehen zu Unrecht das Abwägungsgebot als verletzt an, weil im Baublock 36 auf ihrem Grundstück A.-Straße 61 nicht wie in den Baublöcken 34 und 35 ein zusätzliches Baufenster festgesetzt worden ist.
- 94
Das Abwägungsgebot ist gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden. Es ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss, gibt es nicht (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 10.9.2015, BVerwGE 153, 16, 19, juris Rn. 12; Beschl. v. 5.10.2015, BRS 83 Nr. 10, juris Rn. 5; v. 18.5.2016, ZfBR 2016, 589, juris Rn. 4).
- 95
Danach liegt im Fehlen eines zusätzlichen rückwärtigen Baufensters auf dem Grundstück A.-Straße 61 entgegen der Einwendung der Antragsteller keine gleichheitswidrige Belastung. Denn dass das Grundstück A.-Straße 61 in Baublock 36 im Gegensatz zu dem Grundstück A.-Straße 50 im Baublock 35 keine zusätzliche rückwärtige Bebauungsmöglichkeit erhalten hat, ist von der Antragsgegnerin nachvollziehbar damit begründet worden, dass für Blockinnenbereiche, die nur eine straßenbegleitende Bebauung aufweisen, eine Bebauung auch zukünftig ausgeschlossen bleibt, während für die Baublöcke 22, 34 und 35 hiervon eine Ausnahme gemacht und daher eine rückwärtige Bebauung zugelassen wird, weil dort die Größe der Grundstücke einen Abstand von mindestens 17 m zwischen vorderer und hinterer Bebauung ermöglicht (siehe S. 37 der Planbegründung). Der Innenbereich des Baublocks 36 weist keine prägende rückwärtige Bebauung auf. Zwar ist es richtig, dass das Gebäude B.-Straße 37 (Flurstück …) leicht zurückversetzt liegt, jedoch ist dies durch die Besonderheit bedingt, dass davor ein Großbaum steht, der keine straßennähere Bebauung ermöglicht. Darauf ist im Bebauungsplan durch eine entsprechend zurückgeschobene Baugrenzenfestsetzung Rücksicht genommen worden (siehe S. 38 der Planbegründung). Das auf dem Grundstück B.-Straße 39 (Flurstück …) festgesetzte zweite Baufeld liegt nicht im Blockinnenbereich, sondern gehört zu einer straßenparallelen Bebauung in Form von baugrundstücksübergreifenden Baustangen unter Einbeziehung des Grundstücks E.-Weg 42 (Flurstück …). Fehlt es in Baublock 36 an einer prägenden Blockinnenbebauung, kommt es nicht darauf an, dass das Grundstück A.-Straße 61 einen freien rückwärtigen Bauplatz hätte. Was die Bevorzugung der lang gezogenen Baublöcke 22, 34, 35 angeht, weisen diese die Besonderheit auf, dass die Grundstücke dort in der Regel mit rund 75 m übertief sind und sich deshalb für eine Bebauung in der zweiten Reihe besonders eignen. Weniger tiefe Grundstücke, d.h. bis zu 45 m Grundstückstiefe, wie auf den Flurstücken 1865 bis 1868, erhalten auch im Baublock 35 kein zweites Baufeld. Dagegen liegen im Baublock 36 mit den Grundstücken B.-Straße 35 und 37 (Flurstücke … und …) lediglich zwei Grundstücke, die mit rund 90 m als übertief zu bezeichnen sind und sich daher für eine Bebauung in zweiter Reihe anbieten würden. Die übrigen sechs Grundstücke erreichen nur Tiefen von rund 45 m bis zu 60 m. Da der Baublock 36 insgesamt deutlich kleiner und fast quadratisch ist, würde dort eine regelhafte Bebauung in zweiter Reihe zudem dem mit der Planung verfolgten städtebaulichen Ziel der Antragsgegnerin widersprechen, die aufgelockerte Bebauungsstruktur im Plangebiet zu erhalten.
- 96
3. Darüber hinaus sind unabhängig von dem Vorbringen der Antragsteller von Amts wegen zu berücksichtigende Fehler in der Bebauungsplanung der Antragsgegnerin nicht ersichtlich.
III.
- 97
Die Antragsgegnerin hat als unterlegene Beteiligte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Kostenteilung findet nicht statt, weil der Normenkontrollantrag in der Sache hinsichtlich der beiden Grundstücke der Antragsteller ohne Einschränkung begründet ist. Dass der Senat den Plan nur teilweise für unwirksam erklärt und im Übrigen aufrecht erhält, ist für die Bestimmung des Umfangs, in dem der Antrag erfolgreich ist, unerheblich. Denn kommt das Normenkontrollgericht in einem zulässigerweise angestrebten Verfahren zu dem Ergebnis, dass der Bebauungsplan nur teilweise für unwirksam zu erklären ist, so begrenzt es damit lediglich die Reichweite des festgestellten Fehlers auf das mögliche und gebotene Maß, um im Interesse der Rechtssicherheit das Ergebnis der Normensetzung möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Das ändert nichts daran, dass die Antragsteller zulässigerweise und in der Sache erfolgreich einen ihnen nachteiligen Rechtsfehler der Rechtsverordnung geltend gemacht haben und sie folglich auch von der Kostenlast des Normenkontrollverfahrens freigestellt bleiben müssen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 26.2.2014, 2 E 9/10.N, n.v. im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 3.4.2008, 4 CN 4/07, juris Rn. 30; v. 4.6.1991, BVerwGE 88, 268, 271 f., juris Rn. 27).
- 98
Das Urteil ist gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
- 99
Gründe, die Revision gemäß § 132 Abs. 1 und 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
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