Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 Bf 437/19
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2019 geändert.
Der Gebührenbescheid vom 8. November 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26. November 2015 werden aufgehoben, soweit darin Gebühren für den Teilstrom W7 zur Entnahme von Kühlwasser aus der Süderelbe zur Durchlaufkühlung in Höhe von 378.179,-- Euro festgesetzt werden.
Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für die Entnahme von Wasser aus der Süderelbe.
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Die Klägerin betreibt am Südufer der Süderelbe das Steinkohle-Kraftwerk M…. Das Kraftwerk kann in den Betriebsarten Durchlaufkühlung und Kreislaufkühlung betrieben werden. Bei der Durchlaufkühlung wird für jeden Kühlungsvorgang Wasser aus der Süderelbe entnommen und danach erwärmt in einen Restarm der Alten Süderelbe eingeleitet. Bei der Kreislaufkühlung wird Wasser zur Kühlung aus der Süderelbe entnommen und unter Nutzung eines Hybridkühlturms für mehrere Kühlungsvorgänge verwendet.
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Die Beklage erlaubte der Klägerin die für den Betrieb des Kraftwerks in den Betriebsarten Durchlauf- und Kreislaufkühlung erforderlichen Wasserentnahmen und -einleitungen aus der bzw. in die Elbe mit wasserrechtlicher Erlaubnis vom 30. September 2008, geändert durch Bescheide vom 4. Oktober 2010 und 21. Januar 2011. Dabei wurden die zulässigen Entnahmen und Einleitungen in sog. Teilströme unterteilt. Für den im vorliegenden Fall allein relevanten Teilstrom W7 (Kühlwasser für die Durchlaufkühlung) sieht die Erlaubnis vom 4. Oktober 2010 in Ziff. 1.1 (Tabelle) eine zulässige Entnahmemenge von 64 m3/s und 1.820.000.000 m3/a vor. Die Erlaubnis enthält aus gewässerökologischen Gründen mehrere Inhaltsbestimmungen, welche die zulässige Entnahmemenge insbesondere in Abhängigkeit vom jeweiligen Oberwasserdargebot und Sauerstoffgehalt der Elbe reduzieren.
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In der Inbetriebsetzungsphase des Kraftwerks entnahm die Klägerin zwischen August und Dezember 2012 für die „kalte“ Inbetriebsetzung der Durchlaufkühlung, in der einzelne Funktionen ohne Wärmezufuhr geprüft wurden, insgesamt 2.922.129 m3 Wasser. In diesem Zeitraum leitete sie kein temperaturverändertes Kühlwasser wieder in die Elbe ein.
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Mit Bescheid vom 8. November 2013 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2012 eine Gebühr in Höhe von 944.685,-- Euro fest. Aus der Anlage zum Bescheid ergibt sich, dass sich der Betrag aus Gebühren für die erlaubte Entnahme von Wasser über die Teilströme W7, W9 und W10 sowie für die erlaubte Einleitung von Wasser über mehrere Teilströme zusammensetzt.
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Die Klägerin bezahlte die Gebührenforderung und erhob Widerspruch.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2015 setzte die Beklagte die Gebührenforderung unter teilweiser Aufhebung des Ausgangsbescheids auf 381.383,-- Euro – davon 378.179,-- Euro für die Wasserentnahme über den im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Teilstrom W7 – herab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung der Gebührenforderung für den Teilstrom W7 führte sie im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage seien §§ 4 Abs. 1, 2 Abs. 1 GebG i.V.m. Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO. Danach betrage die Gebühr für die Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern für gewerbliche Zwecke je 1.000 m3 0,62 Euro. Die erlaubte Jahreshöchstmenge betrage für den Teilstrom W7 1.816.500.000 m3, wenn man von der Gesamtmenge in Höhe von 1.820.000.000 m3 die auf die Teilströme W9 und W10 entfallenden Mengen abziehe. Im Jahr 2012 habe sich die zulässige Entnahmemenge jedoch nur auf 611.424.587 m3 belaufen, weil die Erlaubnis wegen des Fischschutzes, des Abflussdargebots am Pegel Neu Darchau und des Mindestsauerstoffgehalts eingeschränkt gewesen sei. Der Beginn der Benutzung werde auf August 2012 festgesetzt. Von der für August bis Dezember 2012 zulässigen Entnahmemenge von 611.424.587 m3 seien anteilig 1.458.333 m3 ([1.500.000 m3/a + 2.000.000 m3/a] x 5/12) für die Teilströme W9 und W10 abzuziehen. Daraus ergebe sich – geteilt durch 1.000 [m3] und multipliziert mit 0,62 [Euro] – eine Gebühr in Höhe von 378.179,-- Euro. Tatsächlich habe die Klägerin im Jahr 2012 zwar nur 2.922.129 m3 Kühlwasser entnommen. Da die erlaubte Nutzung jedoch, wenn auch in geringerem Umfang, tatsächlich ausgeübt worden sei, gelte nicht § 1 Abs. 4 UmwGebO, so dass sich die Gebührenhöhe nach der erlaubten Jahresmenge richte.
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Dagegen hat die Klägerin am 18. Dezember 2015 Klage erhoben, soweit im Widerspruchsbescheid Gebühren in Höhe von 378.179,-- Euro für den Teilstrom W7 zur Entnahme von Kühlwasser festgesetzt wurden. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, der Gebührenbescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte die „erlaubte Jahresmenge“ nicht richtig berechnet habe. Die in Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO festgelegte Gebühr sei außerdem nicht von der Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 1 Satz 1 GebG gedeckt. Denn sie sei weder eine Verwaltungs- (§ 3 GebG) noch eine Benutzungsgebühr (§ 4 GebG), sondern eine sog. Verleihungsgebühr. Sie knüpfe insbesondere nicht an die Benutzung im Sinne einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Gewässers an, sondern an die durch die wasserrechtliche Erlaubnis eröffnete Möglichkeit der Wasserentnahme. Die Einräumung dieses Rechts sei auch keine Benutzung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG. Sie stelle keine Sonderleistung der Beklagten im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Gebührensatz verstoße außerdem gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 1 GebG normierte Kostenermittlungsgebot. Die Beklagte habe die mit der Wasserentnahmegebühr abzudeckenden Kosten nicht ermittelt und keine Kostenkalkulation vorgelegt. Die Beklagte habe außerdem gegen das in § 6 Abs. 1 Satz 2 GebG geregelte Kostendeckungsprinzip und das daraus folgende Kostenüberschreitungsverbot verstoßen. Die Gebührenerhebung verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG. Es bestehe ein grobes Missverhältnis zwischen der Leistung der Beklagten in Form der Bereitstellung des Elbwassers und der von der Klägerin zu zahlenden Gebühr. Dieses ergebe sich insbesondere daraus, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nur 0,478% der ihr nach den Berechnungen der Beklagten erlaubten Jahresmenge tatsächlich in Anspruch genommen habe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2015 aufzuheben, soweit darin Gebühren für den Teilstrom W7 zur Entnahme von Kühlwasser aus der Süderelbe zur Durchlaufkühlung in Höhe von 378.179,-- Euro festgesetzt wurden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Gebühren nach der UmwGebO stellten eine Gegenleistung dafür dar, dass die Klägerin eine öffentliche Anlage benutzen dürfe, um dort Kühlwasser zu entnehmen. Ein Verstoß gegen das Kostenermittlungs- und Kostendeckungsgebot nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 GebG liege nicht vor; ein Kostenüberschreitungsverbot bestehe gar nicht. Die Akten zur Entstehung der Gebührentatbestände seien bei der Behörde zwar nicht mehr vorhanden. Aus einem Aktenvermerk, der vor Erlass der UmwGebO im Jahr 1988 gefertigt worden sei, ergebe sich allerdings, dass bei der Gebührenkalkulation die für die Gewässerüberwachung, -unterhaltung und -reinhaltung anfallenden Personal- und Sachkosten der öffentlichen Hand in Ansatz gebracht worden seien. Diese Maßnahmen erhielten bzw. brächten das Gewässer in einen Zustand, der mit der FFH-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie in Einklang stehe. Insbesondere wende die Beklagte jährlich erhebliche Beträge auf, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip des § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG liege ebenfalls nicht vor. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Spielraums, bei der Bestimmung des mit der öffentlichen Leistung verbundenen Vorteils zu typisieren und zu pauschalieren. Wasserentnahmegebühren seien gegenleistungsabhängige nichtsteuerliche Abgaben, die für die individuell zurechenbare öffentliche Leistung der Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme erhoben würden. Ihre sachliche Legitimation ergebe sich aus ihrem Charakter als Vorteilsabschöpfungsabgaben im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung. Werde Einzelnen die Nutzung eines Guts der Allgemeinheit eröffnet, so erhielten sie gegenüber all denen, die das betreffende Gut nicht nutzen dürften, einen Sondervorteil, der abgeschöpft werden dürfe. Bereits mit der Einräumung der Möglichkeit, die Ressource Wasser zu nutzen, werde dem Betroffenen dieser Sondervorteil verschafft. Für die rechtliche Beurteilung mache es keinen Unterschied, ob der in der Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegende Vorteil nach seinem rechtlichen oder seinem tatsächlichen Umfang abgeschöpft werde. Die Inanspruchnahme der Elbe habe für die Klägerin einen erheblichen Nutzen und eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung. Das Abstellen des Gebührentatbestands auf die erlaubte Jahresmenge finde seine gesetzliche Ermächtigung in § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG, wonach als Benutzung auch das Angebot einer Sonderleistung gelte, von dem die Berechtigten nicht ständig Gebrauch machten. In welchem Umfang die Klägerin von der Erlaubnis zur Wasserentnahme Gebrauch mache, liege in ihrer Sphäre. Wenn sie die Erlaubnis gar nicht in Anspruch nehme, so werde nach § 1 Abs. 4 UmwGebO auch keine Benutzungsgebühr erhoben.
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In der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2019 hat die Beklagte erklärt, sie sei bereit, die Klägerin in Höhe von insgesamt 43,73 Euro klaglos zu stellen. Dieser Betrag bezieht sich auf die Differenz, die sich im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten strittige Methode für die Berechnung der erlaubten Jahresentnahmemenge anhand von Tagesmittelwerten anstelle von gleitenden 24-Stunden-Werten (43,54 Euro) sowie aufgrund von Rundungen (0,19 Euro) ergibt.
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Durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2019 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Soweit die Beklagte ihre Bereitschaft erklärt habe, die Klägerin in Höhe von insgesamt 43,73 Euro klaglos zu stellen, sei die Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen sei sie unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei formell und materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO lägen vor. Die dort geregelte Gebühr sei eine Benutzungsgebühr. Dies ergebe sich aus § 1 Abs. 4 UmwGebO, wonach statt einer Benutzungsgebühr eine Verwaltungsgebühr erhoben werde, wenn eine erlaubte Benutzung tatsächlich nicht ausgeübt werde. Die Gebühr knüpfe nicht nach Art einer Verleihungsgebühr allein an die Verschaffung des Rechts zur Wasserentnahme für gewerbliche Zwecke an, sondern setze eine tatsächliche Inanspruchnahme dieses Rechts voraus. Die Gebührenbestimmung sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Rechtsgrundlage für die Bezugnahme auf die erlaubte Jahresmenge sei § 4 Abs. 1 GebG. Die Elbe sei eine Anlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG und die Wasserentnahme eine Benutzung. Gleiches gelte nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG für die Eröffnung der Möglichkeit, Wasser zu entnehmen. Danach dürfe die UmwGebO die Gebührenerhebung unabhängig von der konkreten Inanspruchnahme an die erlaubte Jahresentnahmemenge knüpfen und nur für die Fälle, in denen von einer Erlaubnis überhaupt kein Gebrauch gemacht werde, nach § 1 Abs. 4 UmwGebO eine Verwaltungs- anstelle der Benutzungsgebühr vorsehen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG den praktischen Anwendungsfall der Sperrmüllabfuhr vor Augen gehabt habe und eine Ausdehnung der Anwendung auf andere Gebührenbereiche nicht beabsichtigt habe. Denn damit sei eine Anwendung auf andere Fälle nicht ausgeschlossen. Nach der Gesetzesbegründung sei § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG eine Klarstellung, dass Benutzungsgebühren auch dort verlangt werden könnten, wo die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme nach den allgemeinen Kriterien nicht immer gegeben seien. Dies mache deutlich, dass die Ausnutzung eines gewährten Rechts, die in der Sphäre des jeweiligen Nutzers liege, keine zwingende Voraussetzung für die Gebührenerhebung sei. Das gelte nicht nur für die Sperrmüllabfuhr, sondern z.B. auch für die klassische Müllentleerung, die Benutzung von Bibliotheken oder die Ausnutzung einer wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis. Die Gebührenregelung sei auch mit den in § 6 Abs. 1 GebG normierten Gebührenzwecken vereinbar. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GebG werde zwar die Kostenunterdeckung zur Ausnahme, gleichzeitig sei hierin aber eine Kostenüberdeckung angelegt, die ihrerseits einer Rechtfertigung bedürfe. Eine solche Rechtfertigung sei die hier verfolgte Vorteilsabschöpfung. Wasserentnahmeentgelte würden für die Eröffnung der Möglichkeit, das Allgemeingut Wasser zu nutzen, erhoben. Darin liege ein Sondervorteil gegenüber all jenen, die dieses Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürften. Der Gebührenpflichtige könne auch erkennen, für welche öffentliche Leistung die hier angegriffene Gebühr erhoben werde und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung verfolge: § 1 Abs. 2 UmwGebO regele die Erhebung einer Gebühr für die Sondernutzung von Gewässern. Der Gebührentatbestand selbst knüpfe an die „erlaubte Jahresmenge“ der Wasserentnahme und damit an den gewährten Sondervorteil an. Erfasst würden also, von ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen, nur erlaubnispflichtige Gewässernutzungen. Dies lasse erkennen, dass es um eine Abschöpfung von Vorteilen im Rahmen einer solchen, einzelnen Personen eingeräumten Nutzung gehe. Auch die Höhe der Gebühr sei nicht zu beanstanden. Dabei sei unschädlich, dass nicht mehr feststellbar sei, auf welcher Grundlage der Gebührensatz von 0,62 Euro pro 1.000 m3 der erlaubten Jahresentnahmemenge festgesetzt worden sei. Die sachliche Legitimation der hier in Rede stehenden Gebühr liege nicht in der Kostendeckung, sondern in der Vorteilsabschöpfung. Dabei dürfe über die entstehenden Kosten bis zur Grenze des Äquivalenzprinzips hinausgegangen werden. Im vorliegenden Fall bestehe kein grobes Missverhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem erzielten Vorteil.
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Mit Beschluss vom 1. April 2020, den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 6. April 2020, hat der erkennende Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.
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Am 5. Mai 2020 hat die Klägerin die Berufung begründet. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag. Sie führt insbesondere aus, die Klage sei im Hinblick auf einen Betrag von 43,73 Euro nicht bereits unzulässig. Die Beklagte habe lediglich angeboten, die Klägerin insoweit klaglos zu stellen, den Bescheid aber noch nicht entsprechend abgeändert und sich zu einer solchen Abänderung in der mündlichen Verhandlung auch nicht ausdrücklich bereit erklärt. Die Differenz betrage bei richtiger Berechnung im Übrigen nur 43,46 Euro. Die Klage sei auch begründet. Insbesondere sei die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung in der UmwGebO nichtig, weil die erhobene Gebühr im Gebührengesetz nicht vorgesehen sei. Es handele sich um keine Benutzungsgebühr im Sinne von § 4 Abs. 1 GebG, sondern vielmehr um eine im Gebührengesetz nicht vorgesehene Verleihungsgebühr für das Recht zur Wasserentnahme.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2019 zu ändern und den Gebührenbescheid vom 8. November 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 26. November 2015 aufzuheben, soweit darin Gebühren für den Teilstrom W7 zur Entnahme von Kühlwasser aus der Süderelbe zur Durchlaufkühlung in Höhe von 378.179,-- Euro festgesetzt werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag. Sie wendet sich insbesondere umfassend gegen die Auslegung des § 4 Abs. 1 GebG durch die Klägerin. Die erhobene Gebühr sei als Benutzungsgebühr, nicht als Verleihungsgebühr einzuordnen und deshalb von der Verordnungsermächtigung gedeckt. Insbesondere setze sie nach § 1 Abs. 4 UmwGebO die tatsächliche Ausübung des durch die Erlaubnis eingeräumten Nutzungsrechts voraus. Ob die Beklagte die Höhe der Gebühr nach der erlaubten Jahresmenge oder der tatsächlichen Entnahmemenge bestimme, sei keine Frage des Gebührentypus, sondern der Abrechnung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt und die beigezogenen Sachakten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
A.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (unten I.) und begründet (unten II.).
I.
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Der auf teilweise Aufhebung des Gebührenbescheids vom 8. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2015 im Umfang von 378.179 Euro gerichteten Anfechtungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie auch den 378.135,27 Euro übersteigenden Betrag erfasst. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nach Erörterung der prozessualen Auswirkungen nunmehr ausdrücklich davon abgesehen, den Gebührenbescheid in Höhe von 43,73 Euro – des Betrages, für den die Beklagte zuvor ihre Bereitschaft zur Abhilfe erklärt hatte, ohne aber eine Teilaufhebung vorzunehmen – aufzuheben.
II.
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Die Klage ist auch begründet. Der Gebührenbescheid vom 8. November 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26. November 2015 sind, soweit sie angefochten worden sind, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der angegriffenen Gebührenerhebung ist § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anla-ge 2, Ziff. 2.1.1 der Umweltgebührenordnung vom 5. Dezember 1995 (HmbGVBl. S. 365; Anlage 2, Ziff. 2.1.1 in der zum Zeitpunkt der Wasserentnahme geltenden Fassung des Art. 7 der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Änderung gebühren- und kostenrechtlicher Vorschriften vom 15.12.2009, HmbGVBl. S. 453, 469 – im Folgenden: UmwGebO). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 UmwGebO werden für die Sondernutzung von Gewässern nach dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Hamburgischen Wassergesetz die in der Anlage 2 festgelegten Benutzungsgebühren erhoben. Nach Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO wird für die Entnahme von Wasser aus oberirdischen Gewässern für gewerbliche Zwecke, jedoch nicht für Feuerlöschzwecke, je 1.000 m3 der erlaubten Jahresmenge eine Gebühr in Höhe von 0,62 Euro erhoben.
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1. Der erkennende Senat legt diesen Gebührentatbestand dahin aus, dass die Gebührenpflicht danach an die nach der zugrunde liegenden Erlaubnis mögliche Gesamtentnahmemenge anknüpft, und zwar ungeachtet der Frage, ob die Benutzung in diesem Umfang auch tatsächlich erfolgt, sofern – dies ergibt sich aus § 1 Abs. 4 UmwGebO – eine Benutzung überhaupt stattfindet. Eine Auslegung, wonach nur diejenige Benutzung gebührenrechtlich abzugelten ist, die tatsächlich erfolgt, lässt Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf die „erlaubte Jahresmenge“ nicht zu. Dies entspricht im Übrigen auch nicht dem Verständnis der Beklagten, die gerade davon ausgeht, dass es auf den tatsächlichen Nutzungsumfang nicht ankommt, sondern darauf, in welchem Umfang hätte genutzt werden können.
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2. Für diesen Gebührentatbestand besteht keine formell-gesetzliche Ermächtigungsgrund-lage. Nach § 1 Abs. 1 Var. 1 des Gebührengesetzes vom 5. März 1986 (HmbGVBl. S. 37 – im Folgenden: GebG) haben die Behörden der Beklagten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Anspruch auf Zahlung von Gebühren (Verwaltungsgebühren und Benutzungsgebühren). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GebG wird der Senat ermächtigt, die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze durch Rechtsverordnung (Gebührenordnung) festzulegen. Die in Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO geregelte Gebühr stellt jedoch weder eine Verwaltungs- noch eine Benutzungsgebühr im Sinne des Gebührengesetzes dar. Um eine Verwaltungsgebühr handelt es sich nicht, weil sie nicht im Sinne von § 3 Abs. 1 GebG für die Vornahme von Amtshandlungen erhoben wird. Die Gebühr nach Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Benutzungsgebühr gemäß § 4 Abs. 1 GebG:
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a) Benutzungsgebühren werden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG als Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme (Benutzung) öffentlicher Anstalten, Einrichtungen oder Anlagen erhoben, sofern keine Verwaltungsgebühren zu erheben sind.
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Zwar ist die Elbe als Gewässer erster Ordnung (§ 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage Nr. 4 HWaG) gemäß § 20 HWaG eine Anlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG. Die nach Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO erhobene Gebühr wird jedoch nicht für die „Benutzung“ der Elbe erhoben. Denn der Gebührentatbestand knüpft nicht an die tatsächlich entnommene, sondern an die „erlaubte Jahresmenge“ an.
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Die Legaldefinition der „Benutzung“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG ergibt jedoch bereits dem Wortlaut nach („Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme“), dass nicht schon die rechtliche Erlaubnis der Inanspruchnahme eine Benutzung darstellt, sondern diese auch stattgefunden haben muss. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte: Zwar hat der Gesetzgeber den Zusatz „tatsächliche“ eingefügt, um klarzustellen, dass es für die Entstehung der Benutzungsgebühr nicht auf eine „willentliche“ Inanspruchnahme ankommt. Er wollte den Benutzungstatbestand mithin von subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen abkoppeln, die von den Vorstellungen des jeweiligen Nutzers abhängen – schon die faktische Inanspruchnahme soll genügen. Auch dies spricht indes dafür, dass eine solche Nutzung tatsächlich stattfinden muss und nicht bereits eine rechtliche Inanspruchnahme-Möglichkeit genügt. Benutzungsgebühren, so die Materialien, seien als Entgelt für die Lieferung oder Bereitstellung von Sachgütern, die Erbringung von Dienstleistungen oder die Gewährung anderer Nutzungen zu erheben (vgl. zum Vorstehenden Bü-Drs. 11/4694, S. 21).
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Aus dem Begriff der „Gegenleistung“ für die tatsächliche Inanspruchnahme ergibt sich zudem, dass es zur Qualifizierung einer Gebühr als Benutzungsgebühr im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG nicht ausreicht, dass sie nur erhoben wird, wenn von einer rechtlich eingeräumten Nutzungsmöglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht wird. Deshalb ist die Gebühr nach Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO auch nicht wegen § 1 Abs. 4 UmwGebO als Benutzungsgebühr einzuordnen. Nach dieser Vorschrift ist statt der Benutzungs- eine Verwaltungsgebühr zu erheben, wenn eine erlaubte, bewilligte oder genehmigte Be-nutzung tatsächlich nicht ausgeübt wird. Nach § 1 Abs. 4 UmwGebO genügt jedoch bereits jegliche tatsächliche Inanspruchnahme als Auslöser für die volle Gebührenerhebung; wird mit der Benutzung auch nur geringfügig begonnen, ist die Gebührenschuld von der weiteren Benutzung entkoppelt. Der Umfang der tatsächlichen Nutzung hat für die Gebührenerhebung keine Bedeutung. Die UmwGebO enthält auch keine Regelung, die als Korrektiv eine Festsetzung der Gebühr nach Maßgabe der tatsächlichen Entnahmemenge vorsieht, wenn diese von der erlaubten Jahresentnahmemenge abweicht. Damit ist die Gebühr von vornherein nicht so konzipiert, dass sie eine „Gegenleistung“ für die „tatsächliche“ Nutzung darstellt.
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Das Anknüpfen an die erlaubte Jahresmenge unter Verzicht auf eine korrigierende Regelung, welche die Berücksichtigung der tatsächlichen Entnahmemenge ermöglichen würde, stellt auch keine zulässige typisierende Berechnungsmethode zur Bestimmung der tatsächlichen Nutzung dar, die aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt wäre. Zwar können Typisierungen und Pauschalierungen bei der Regelung von Massenerscheinungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein, solange die dadurch entstehende Ungleichheit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen hinreichend gering ist (BVerwG, Beschl. v. 16.5.2013, 9 B 6.13, NVwZ 2013, 1160, juris Rn. 5 m.w.N.). Der Grundsatz der Typengerechtigkeit lässt es zu, an Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und Umstände außer Acht zu lassen, die sich der typischen Situation entziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.11.2011, 9 B 41.11, AbfallR 2012, 37, juris Rn. 2). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Normgeber und die vollziehende Verwaltung der absehbaren Schwierigkeiten nur schwer auf andere Weise Herr werden könnten und die Ungleichbehandlung der atypischen Fälle nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, 1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95, BVerfGE 100, 59, juris Rn. 130; OVG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2009, 3 Bf 36/06, NVwZ-RR 2010, 263, juris Rn. 38). Die Grenze liegt dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die normierte Differenzierung wesentlich gleicher oder die normierte Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.3.1995, 8 N 3.93, NVwZ-RR 1995, 594, juris Rn. 11; OVG Hamburg, a.a.O.).
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Auch nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich jedoch im vorliegenden Fall die Anknüpfung des Gebührentatbestands an die erlaubte Jahresmenge nicht rechtfertigen. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausginge, dass sich der typische Fall, in dem eine Wasserentnahmegebühr geschuldet wird, dadurch auszeichnet, dass dem Gebührenschuldner eine bestimmte Jahresentnahmemenge erlaubt wird und er diese Menge auch grundsätzlich voll in Anspruch nimmt (vgl. in diesem Sinne z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.5.2012, 4 Bs 3/12, n.v., zur Berechnung der wegerechtlichen Sondernutzungsgebühr gemäß § 4 Satz 1 der Gebührenordnung für die Verwaltung und Benutzung der öffentlichen Wege, Grün- und Erholungsanlagen – im Folgenden: WegeBenGebO – anhand der in der Erlaubnis zugewiesenen Fläche). Denn es spricht jedenfalls kein durchgreifender sachlicher Grund dafür, die Gebühr aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ausnahmslos nach der erlaubten Menge abzurechnen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ermittlung der im Einzelfall tatsächlich entnommenen Menge einen nur schwer zu bewältigenden Verwaltungsaufwand verursachen würde. Denn die tatsächliche Wassermenge kann – wie der vorliegende Fall zeigt – bei Entnahme gemessen und auch nach Beendigung der Nutzung noch nachgewiesen werden (anders dagegen die Beweissituation nach Beendigung einer wegerechtlichen Sondernutzung hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang der Berechtigte die ihm zugewiesene Fläche exakt in Anspruch genommen hat, vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.5.2012, 4 Bs 3/12, n.v.). Eine Ausnahme von der Abrechnung nach der erlaubten Entnahmemenge könnte außerdem ohne weiteres so ausgestaltet werden, dass nur auf Antrag nebst entsprechenden Nachweisen des Gebührenschuldners hin nach der tatsächlichen Entnahmemenge abgerechnet wird. Ein Beispiel für eine vergleichbare Regelung bildet z.B. § 3 Abs. 2 WegeBenGebO, der eine Ausnahme von der Regel des § 3 Abs. 1 WegeBenGebO enthält, dass die Benutzungsgebühr für den Zeitraum zu entrichten ist, für den die Sondernutzung erlaubt wird. Danach werden die Benutzungsgebühren, wenn ein von § 3 Abs. 1 WegeBenGebO abweichender Beginn oder eine vorzeitige Beendigung der Sondernutzung nachgewiesen wird, für den Zeitraum erhoben, in dem eine Benutzung tatsächlich stattfindet.
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Nach alledem ist die Gebühr gemäß Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO nicht als Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage ausgestaltet. Sie ist vielmehr der Sache nach ein Entgelt für die Nutzungsmöglichkeit, welche die Befugnis zur Wasserentnahme eröffnet. Eine Gebühr, die in dieser Weise an die Verleihung einer subjektiv-rechtlichen Position anknüpft, wird auch als Verleihungsgebühr bezeichnet (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.3.1990, Bs VI 15/90, NVwZ 1990, 1003, juris Rn. 3; OVG Münster, Urt. v. 9.9.2016, 9 A 999/14, ZUR 2017, 42, juris Rn. 64 ff.; OVG Berlin, Urt. v. 8.11.2002, 2 B 13.98, juris Rn. 19 f.). Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht besteht ihre sachliche Legitimation nicht in der Kostendeckung, sondern der Abschöpfung des individuellen Sondervorteils, der in dem verliehenen Recht liegt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995, 2 BvR 413/88 u.a., BVerfGE 93, 319, juris Rn. 162; OVG Münster, a.a.O., Rn. 62; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Auflage 2016, § 5 Rn. 1041, 1105). Sie ist nach dem Vorstehenden jedoch keine Benutzungsgebühr im Sinne des Gebührengesetzes und müsste deshalb spezialgesetzlich geregelt werden. Die systematische Auslegung zeigt, dass auch dem hamburgischen Gesetzgeber bewusst ist, dass es sich bei der Verleihungsgebühr um einen eigenen Gebührentypus neben Verwaltungs- und Benutzungsgebühr handelt. So hat er in § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung einer Gebühr für Grundwasserentnahmen vom 26. Juni 1989 (HmbGVBl. S. 115, Grundwassergebührengesetz – GruwaG) die Erhebung einer Gebühr für „die Einräumung der Befugnis zum Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser (Grundwasserförderung)“ speziell geregelt; diese bemisst sich gemäß § 1 Abs. 3 GruwaG nach der insgesamt zulässigen Jahresfördermenge auf Grund des die Förderung zulassenden Bescheides. Diese Gebühr sieht der Gesetzgeber ausdrücklich nicht als Verwaltungs- oder Benutzungs-, sondern als Verleihungsgebühr an (vgl. Bü-Drs. 13/2793, S. 1 f., Bü-Drs. 16/4525, S. 1 und zuletzt Bü-Drs. 20/12965, S. 1). Sie soll Entgelt für die „Möglichkeit [,] von einer erteilten Verleihung oder Bewilligung Gebrauch zu machen“ (Bü-Drs. 13/2793, S. 1), sein und „den wirtschaftlichen Wert [abgelten], den das verliehene Recht zur Grundwassernutzung darstellt“ (Bü-Drs. 16/4525, S. 1; 20/12965, S. 1). An einer vergleichbaren spezialgesetzlichen Regelung fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.
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b) Die Gewährung der Wasserentnahmemöglichkeit ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG als Benutzung einzustufen. Danach gilt als Benutzung auch das Angebot einer Sonderleistung, von dem die Berechtigten nicht ständig Gebrauch machen. Die nach §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 WHG erteilte Erlaubnis der Gewässerbenutzung stellt jedoch kein „Angebot einer Sonderleistung“ im Sinne dieser Vorschrift dar.
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Schon nach dem Wortlaut lässt sich die Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechts zur Wasserentnahme kaum als „Angebot einer Sonderleistung“ verstehen. Der Begriff der „Leistung“ spricht vielmehr für Sach- oder Dienstleistungen, die der Anbietende zu erbringen bereit ist. Dies legt nahe, dass Fälle gemeint sind, in denen der Hoheitsträger dem Gebührenpflichtigen die Erbringung solcher Leistungen anbietet, die dieser bei Bedarf (und „nicht ständig“) abrufen kann (z.B. durch die Vorhaltung von Abfallentsorgungseinrichtungen, auch wenn in einer Benutzungseinheit vorübergehend kein Müll anfällt, vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 27.10.1995, Bs II 279/95, NVwZ-RR 1997, 118, juris Rn. 28). Andernfalls wäre eine andere Formulierung zu erwarten gewesen, z.B. „Einräumung der Befugnis zur Nutzung“, „Einräumung eines Nutzungsrechts“ bzw. einer „Nutzungsmöglichkeit“ oder auch „Angebot einer Sondernutzung“, die bzw. das „nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wird“.
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Dieses Auslegungsergebnis wird durch die historische Auslegung bestätigt. Die Gesetzesmaterialien zu § 4 Abs. 1 Satz 2 (Bü-Drs. 11/4694, S. 21) führen aus, dieser enthalte keine rechtliche Änderung, sondern nur die „Klarstellung“, dass Benutzungsgebühren auch dort verlangt werden könnten, wo die „Voraussetzungen einer Inanspruchnahme nach den allgemeinen Kriterien nicht immer gegeben sind, so zum Beispiel wenn eine Leistung angeboten wird, von der die Berechtigten nicht ständig Gebrauch machen“. Der praktische Fall einer solchen Sonderleistung liege bei der Sperrmüllabfuhr vor. Diese werde von den meisten Berechtigten nicht jedes Mal, sondern in der Regel nur in größeren Zeitabständen in Anspruch genommen.
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Diese Ausführungen sind zwar insoweit widersprüchlich, als der Gesetzgeber einerseits von einer bloßen Klarstellung ohne rechtliche Änderung spricht, andererseits aber ausführt, die Regelung solle Fälle erfassen, in denen „nach den allgemeinen Kriterien“ die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme gerade nicht vorliegen. Denn in Fällen, in denen eine Inanspruchnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GebG nicht vorliegt, schließt erst § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG die bestehende rechtliche Lücke. Durch die Bezugnahme auf die Sperrmüllabfuhr wird indes deutlich, dass der Gesetzgeber von dem durch den Wortlaut nahegelegten Verständnis ausging: Die Regelung bezieht sich auf das regelmäßige Angebot hoheitlich erbrachter Leistungen, die nicht jedes Mal „abgerufen“ werden. Dass er auch die Verleihung subjektiv-öffentlicher Rechte durch eine Erlaubniserteilung als Benutzung regeln wollte, ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte dagegen nicht. Die Materialien stellen vielmehr ausdrücklich klar, dass eine erweiternde Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG nicht gewollt war (vgl Bü-Drs. 11/4694, S. 21: „Eine Ausdehnung der praktischen Anwendung des Satzes 2 auch auf andere Gebührenbereiche ist nicht beabsichtigt.“).
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Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 GebG dient damit objektiv auch einem deutlich umrissenen Zweck: Sie ermöglicht die Gebührenerhebung (z.B. in Form von Grundgebühren) in Bereichen, in denen ein Hoheitsträger Sach- und Personalmittel kostenaufwändig vorhalten muss, um den Nutzungsberechtigten dauerhaft bestimmte Leistungen (z.B. der Abfallentsorgung) anbieten zu können. Die Regelung gewährleistet auf diese Weise die Gebührenfinanzierung solcher Leistungsangebote unabhängig von der naturgemäß unregelmäßigen Intensität ihrer Nutzung.
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Gegen diese Auslegung spricht zuletzt auch nicht systematisch, dass die Gebührenpflicht bei Benutzungsgebühren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GebG mit dem Beginn der Benutzung oder, wenn für die Benutzung eine Erlaubnis erforderlich ist, mit der Erteilung der Erlaubnis entsteht. Aus dem letzten Halbsatz ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber bereits die Einräumung des Benutzungsrechts durch eine Erlaubnis als Benutzung i.S.v. § 4 Abs. 1 GebG ansieht. Im Gegenteil differenziert § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GebG ausdrücklich zwischen der Erlaubnis und der eigentlichen (nachfolgenden) Benutzung. Die Vorschrift verlegt lediglich die Entstehung der Gebührenpflicht auf den Zeitpunkt der Erlaubniserteilung vor; dass sie eine Ausnahme von dem Tatbestandsmerkmal der Benutzung i.S.v. § 4 Abs. 1 GebG als Voraussetzung der Benutzungsgebühr regeln will, ergibt aus der Norm dagegen nicht. Eine derart weitreichende Regelung wäre auch im systematischen Zusammenhang mit § 4 GebG zu erwarten gewesen. Es ist deshalb vielmehr davon auszugehen, dass die Vorverlegung der Gebührenentstehung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GebG in den Ausnahmefällen, in denen der Erlaubniserteilung – anders als im Normalfall – keine Benutzung i.S.v. § 4 Abs. 1 GebG nachfolgt, ins Leere geht.
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3. Da der Regelung des Gebührentatbestands in Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO die formell-gesetzliche Rechtsgrundlage fehlt, ist sie nichtig. Auch eine geltungserhaltende Reduktion des Gebührentatbestands unter Bestimmung einer niedrigeren Gebühr für die tatsächliche Wasserentnahmemenge durch das Gericht scheidet aus. Es ist grundsätzlich Sache des Verordnungsgebers, ausdrücklich festzulegen, anhand welcher Kriterien er eine Gebühr regelt. Er muss die konkrete Gebührenregelung tatbestandlich so ausgestalten, dass der Gebührenpflichtige erkennen kann, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Verordnungsgeber mit der Gebührenbemessung verfolgt (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u.a., BVerfGE 108, 1 ff., juris Rn. 63). Zwar führt die Ungültigkeit des Teils einer Norm nicht in jedem Fall zur Gesamtnichtigkeit der ganzen Norm, sondern es kann in entsprechender Anwendung des § 139 BGB in bestimmten Fällen auch eine Teilnichtigkeit angenommen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass erstens die Norm in dem Sinne teilbar ist, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt, und zweitens mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie nach dem hypothetischen Willen des Normgebers auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (BVerwG, Beschl. v. 24.2.2012, 9 B 80.11, NVwZ-RR 2012, 368, juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Urt. v. 20.12.2017, 13 LC 161/15, juris Rn. 218).
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Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Eine Aufrechterhaltung der Gebührenregelung in Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO unter Anwendung eines lediglich auf die tatsächliche Entnahmemenge abstellenden Gebührentatbestands durch das Gericht würde in das Gestaltungsermessen des Verordnungsgebers eingreifen und das Gewaltenteilungsprinzip verletzen (vgl. für eine entsprechende Ablehnung der geltungserhaltenden Reduktion auch OVG Lüneburg, Urt. v. 20.12.2017, 13 LC 161/15, juris Rn. 219; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.2.2011, OVG 1 B 72.09, OVGE BE 32, 45, juris Rn. 30). Insoweit kann das Gericht nicht von dem mutmaßlichen hypothetischen Willen des Verordnungsgebers ausgehen, die Gebühr auch für die Anknüpfung an die tatsächliche Entnahmemenge in Höhe von 0,62 Euro je 1.000 m3 zu regeln. Vielmehr sind mehrere Reaktionen des Verordnungsgebers auf die Feststellung denkbar, dass die Gebühr in Anlage 2, Ziff. 2.1.1 UmwGebO in ihrer jetzigen, an die Einräumung der Möglichkeit zur Wasserentnahme anknüpfenden Ausgestaltung nicht von der Verordnungsermächtigung des Gebührengesetzes gedeckt ist. Offen ist insbesondere, ob und in welcher Höhe er aufgrund einer neuen Kalkulation anhand der zu deckenden Kosten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GebG) und unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Werts oder sonstigen Nutzens für den Gebührenpflichtigen (§ 6 Abs. 1 Satz 3 GebG) eine Regelung wählen würde, die eine Gebührenerhebung für die tatsächliche Wasserentnahme vorsähe. In Betracht käme außerdem, dass er sich einer Regelung der Entnahmegebühr vollständig enthielte, um dem parlamentarischen Gesetzgeber Raum für die – nicht in der Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers stehende – spezialgesetzliche Regelung einer Verleihungsgebühr (wie in § 1 GruwaG) zu lassen, deren Höhe nach dem Sondervorteil der Nutzungsmöglichkeit kalkuliert würde.
B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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Referenzen
- §§ 4 Abs. 1, 2 Abs. 1 GebG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 WHG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 3 GebG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 GebG 2x (nicht zugeordnet)
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