Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 O 63/07

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 05. Februar 2007 - 4 A 358/05 -, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Herstellungsbeitrages in Höhe von 1461,- Euro für die Trinkwasserversorgungsanlage der Gemeinde ... .

2

Ihren in diesem Zusammenhang gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt, weil die Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen für deren Gewährung in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Hinsicht gemäß §166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO nicht hinreichend dargetan habe.

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Die dagegen gerichtete, fristgemäß eingelegte (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

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Im Ergebnis muss es trotz der inzwischen neu übersandten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10. Mai 2007 bei der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleiben.

5

Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ordnungsgemäß bzw. unvollständig ausgefüllt worden ist, kann ihre Bewilligung nicht Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens sein, sondern nur über einen neuen Antrag an das Verwaltungsgericht erreicht werden (1.). Im Übrigen hat die Klägerin auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht hinreichend dargetan, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Hinsicht vorliegen (2.).

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1. Zunächst begegnet die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das erstinstanzliche Gericht auf der Basis der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Unterlagen keinen rechtlichen Bedenken. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 16. Februar 2005 war offensichtlich nicht ordnungsgemäß bzw. unvollständig ausgefüllt; den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts dazu schließt sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen an (§122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

7

Auch im Hinblick auf die zweite Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10. Mai 2007 kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren auf ihrer Grundlage nicht in Betracht.

8

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe voraus, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierbei hat der Antragsteller die amtlichen Vordrucke zu verwenden (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 4 ZPO).

9

Prozesskostenhilfe kann vor diesem Hintergrund nur für das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife für die Zukunft bewilligt werden, also ab dem Zeitpunkt, zu dem das Prozesskostenhilfegesuch einschließlich der ordnungsgemäß bzw. vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt (BGH, Beschl. v. 12.02.2003 - XII ZR 232/02 -, FamRZ 2003, 668; Beschl. v. 10.07.1985 - IVb ZB 47/85 -, NJW 1986, 62; Beschl. v. 30.09.1981 - IVb ZR 694/80 -, NJW 1982, 446; OVG Weimar, Beschl. v. 03.12.1997 - 3 ZO 619/95 -, NVwZ 1998, 866; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.7.1997 - 2 W 1/97 -, FamRZ 1998, 484 - alle zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 18.04.2004 - 1 O 235/04 -, NordÖR 2004, 343; Beschl. v. 07.11.1995 - 3 O 5/95 -, DVBl. 1996, 114, 115; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 166 Rn. 14a m.w.N.). Formell ordnungsgemäß gestellt ist ein Prozesskostenhilfe-Antrag nur, wenn der Antragsteller die nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung auf dem hierfür gemäß § 117 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO zwingend vorgeschriebenen Vordruck abgegeben, sämtliche darin gestellten Fragen eingehend, unter Beifügung der dazu gehörigen Belege beantwortet und die Erklärung mit Datum sowie mit seiner (Original-)Unterschrift versehen hat (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 23.06.2004 - 1 O 264/04 -, juris; Beschl. v. 15.05.2007 - 1 O 47/07 -; BFH, Beschl. v. 24.04.2001 - X B 56/00 -, juris).

10

Hieran anknüpfend kann die zweite, erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Erklärung der Klägerin vom 10. Mai 2007 über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in diesem Verfahren - unabhängig von der Frage, ob sie jetzt ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllt ist - grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden. Zwar ist das Oberverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht nicht darauf beschränkt, auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu entscheiden; grundsätzlich ist auch neues Vorbringen zu berücksichtigen. Das gilt jedoch nicht, soweit im Beschwerdeverfahren erstmals überhaupt bzw. ordnungsgemäß die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt wird; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung ist ausnahmsweise dann zuzulassen, wenn der Antragsteller einen formgerechten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 04.02.2005 - 1 O 386/04 -, NordÖR 2005, 307).

11

Im Streitfall hat die Klägerin die zweite Erklärung jedoch erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Die Prozesskostenhilfe könnte somit frühestens ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs - im Original mit Belegen - am 15. Mai 2007 bewilligt werden. Dieser Zeitpunkt war aber nicht Gegenstand des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und kann somit auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein; Erklärungsmängel hinsichtlich der Anforderungen des § 117 Abs. 2 bis Abs. 4 ZPO sind im Beschwerdeverfahren nicht mehr heilbar. Der Senat schließt sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des BFH an (vgl. die ständige Rspr. des BFH, z.B. Beschl. v. 28.07.1999 - VII B 113/99 -, Beschl. v. 02.11.1999 - X B 51/99 - und Beschl. v. 30.03.2000 - VI B 323/98 -, jeweils juris m.w.N.; vgl. im Übrigen auch BAG, Beschl. v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 -, MDR 2004, 415 - zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.10.2003 - I-5 W 49/03, 5 W 49/03 -, MDR 2004, 410 - zitiert nach juris). Konnte daher mangels formgerechter bzw. ordnungsgemäßer Verwendung eines Vordrucks i.S.v. § 117 Abs. 3 ZPO im erstinstanzlichen Verfahren - bislang - keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, so kann insoweit keine gleichsam rückwirkende Bewilligung für das erstinstanzliche Verfahren durch eine Beschwerdeentscheidung erfolgen, weshalb ein auf diese Bewilligung gerichtetes Verfahren schon deshalb keinen Erfolg haben kann (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.04.2004 - 1 O 235/04 -, NordÖR 2004, 343; OVG Bautzen, Beschl. v. 03.03.2003 - 3 BS 34/02 -, SächsVBl 2003, 224 - zitiert nach juris).

12

Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht die Klägerin ausdrücklich auf die Unvollständigkeit ihrer Erklärung vom 16. Februar 2005 hingewiesen hat, ergibt sich auch mit Blick auf § 118 Abs. 2 ZPO keine andere Sichtweise. Das Gericht kann zwar gemäß § 118 Abs. 2 ZPO auch selbst "Erhebungen anstellen". Es ist aber nicht verpflichtet, von sich aus auf die Vervollständigung einer in wesentlichen Punkten unvollständigen Erklärung hinzuwirken (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 04.02.2005 - 1 O 393/04 -, juris m.w.N.). Das in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgeschriebene Verfahren betrifft die Fristsetzung im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung von Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Antragstellers und regelt die verfahrensrechtliche Sanktion für den Fall, dass der Antragsteller Fragen des Gerichts innerhalb einer gesetzten Frist nicht oder ungenügend beantwortet. Das in §118 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Verfahren der Tatsachenfeststellung setzt voraus, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe gemäß §117 Abs. 2 ZPO substantiiert bzw. ordnungsgemäß gestellt wurde (vgl. BFH, Beschl. v. 02.11.1999 - X B 51/99 -, juris).

13

Es bleibt der Antragstellerin jedoch unbenommen, unter Vorlage der erforderlichen - ordnungsgemäßen - Erklärung Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren erneut beim Verwaltungsgericht zu beantragen. Insoweit erleidet sie insbesondere mit Blick auf das hinsichtlich der Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geltende Gebot der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 - zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 06.06.2006 - 1 O 32/06 -, NordÖR 2006, 198) folglich durch die Zurückweisung der Beschwerde aus den vorstehenden Gründen auch keinen endgültigen oder ggfs. gleichheitswidrigen Nachteil.

14

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine Beschwerde gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, die auf die Erwägung gestützt ist, die vorgelegte Erklärung sei nicht ordnungsgemäß oder unvollständig ausgefüllt, immer dann möglich ist, wenn mit ihr vorgetragen wird, die Erklärung entspreche entgegen dem angefochtenen Beschluss den gesetzlichen Anforderungen.

15

2. Im Übrigen lassen aber auch die dem Senat inzwischen vorliegenden Unterlagen eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zu, da der Prozesskostenhilfeantrag nach wie vor nicht ordnungsgemäß bzw. nicht vollständig gestellt ist.

16

Nach Maßgabe von § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO sind dem Antrag entsprechende Belege beizufügen. Vollständig ist der Prozesskostenhilfeantrag nur, wenn er auch diesem Erfordernis genügt. Die Beifügung entsprechender Belege gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat ohne gerichtliche Aufforderung zu erfolgen (vgl. LAG Hamm, Beschl. v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01 -, juris). Die Beifügungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz; auf sie wird mehrfach im Vordruck für die Erklärung der Partei über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufmerksam gemacht. Kommt eine Partei, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, ihrer Vorlagepflicht insoweit nicht nach, bedarf es - erst recht, wenn wie vorliegend eine anwaltliche Vertretung erfolgt - im Falle ihrer Nichterfüllung keines entsprechenden gerichtlichen Hinweises.

17

Die Klägerin ist ihrer aus § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO folgenden Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Belege zu den von ihr angegebenen Tank- und Wohnkosten nicht hinreichend nachgekommen (siehe Anlage, nur für die Klägerin). Beträge für Strom und Wasser gehören im Übrigen zur allgemeinen Lebenshaltung und werden durch die Freibeträge, die das Existenzminimum sicherstellen sollen, ausgeglichen (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.10.2004 - 2 WF 165/04 -, FamRZ 2005, 1183 - zitiert nach juris; Hk-ZPO/Rathmann/Pukall, § 115 Rn. 22; Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 115 Rn. 34; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 115 Rn. 35, 39; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn. 273); sie sind folglich grundsätzlich nicht vom Einkommen abzusetzen.

18

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch die Zurückweisung ihrer Beschwerde keinen Rechtsverlust erleiden muss. Soweit es ihr gelingt, die Mängel der Prozesskostenhilfeerklärung zu beseitigen bzw. die aufgeworfenen Fragen zu klären, bleibt es ihr unbenommen, beim Verwaltungsgericht einen neuen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen.

19

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

20

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO).

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