Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 166/05
Tatbestand
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Das klagende Land wendet sich gegen den für die Erteilung einer Auskunft aus dem Liegenschaftskataster erlassenen Gebührenbescheid des Beklagten.
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Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern - Außenstelle Schwerin - (LARoV) erbat mit Schreiben vom 16. Oktober 2003 vom Kataster- und Vermessungsamt des Beklagten im Rahmen eines Restitutionsverfahrens nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) einen aktuellen "Eigentümernachweis" sowie einen "Eigentümernachweis" ab 1933.
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Für die erteilte Auskunft, die mit "Eigentümerfolge ab 1933 zur Vorlage beim Amt bzw. Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen" überschrieben war, setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Gebührenbescheid vom 23. Oktober 2003 (Kassenzeichen: ...) eine Gebühr in Höhe von 28,70 Euro fest. Als Rechtsgrundlagen sind die Landesverordnung über Gebühren der Vermessungs- und Katasterbehörden sowie anderer Vermessungsstellen (Vermessungsgebührenverordnung - VermGebVO -) und das Verwaltungskostengesetz M-V (VwKostG M-V) benannt. Nach der zugehörigen Kostenberechnung zum Gebührenbescheid setzte sich diese Gebühr aus einem Betrag in Höhe von 20,50 Euro nach Tarifstelle 15.1.3 der Anlage zur VermGebVO und einem Betrag in Höhe von 8,20 Euro nach Tarifstelle 2.1.1.1 der Anlage zur VermGebVO zusammen.
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Den dagegen am 27. November 2003 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2004 zurück.
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Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat am 4. Februar 2004 Klage erhoben.
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Es hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen,
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in der Mitteilung der erbetenen Eigentümerfolge liege eine Amtshilfe, die der Beklagte gemäß § 27 VermG kostenlos zu erbringen habe. Das LARoV bedürfe der Unterstützung der Katasterämter, die die Grundstückssituation zum Zeitpunkt der Schädigung bis heute anhand der dort vorliegenden Unterlagen erarbeiten und übermitteln könnten. Nur so sei es in der Lage, seine Aufgabe zu erfüllen. Der Beklagte könne sich nicht auf § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG M-V berufen, weil die Hilfeleistungen nicht in Handlungen bestünden, die dem Katasteramt als eigene Aufgaben oblägen. Dass es sich um Amtshilfe handele, ergäbe sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VwVfG M-V.
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Das klagende Land hat beantragt,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 5. Januar 2004 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt,
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eine Amtshilfe im Sinne von § 27 VermG scheide aus. Ebenso sei eine Kostenfreiheit gemäß § 38 Abs. 1 VermG nicht gegeben. Die Erstellung und Übersendung von Unterlagen aus dem Kataster seien Handlungen, die dem Katasteramt als eigene, originäre Aufgaben oblägen. Dass die in § 12 Abs. 4 Vermessungs- und Katastergesetz (VermKatG) geregelten Informationsansprüche der dort genannten Stellen einer Kostenpflicht unterlägen, werde in § 12 Abs. 4 Satz 4 VermKatG besonders hervorgehoben, indem dort ausdrücklich auf § 8 Abs. 4 Nr. 2 VerwKostG M-V verwiesen werde. §38 Abs. 1 VermG richte sich an die Beteiligten eines vermögensrechtlichen Verfahrens, begünstige aber nach Sinn und Zweck nicht die zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts und Entscheidung berufenen Vermögensämter selbst. Die Erarbeitung von Katasterunterlagen für die Bestimmung der Eigentümerfolge sei kein im Vermögensgesetz vorgesehenes eigenständiges Verwaltungsverfahren und auch kein seiner Durchführung dienendes Annexverfahren.
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Mit dem angegriffenen Urteil vom 3. Februar 2005 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Der Gebührenbescheid und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten das klagende Land in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Erhebung von Katastergebühren durch den Beklagten sei nach §38 Abs. 1 VermG ausgeschlossen.
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Zwar seien die Katasterbehörden nach den §§ 1, 2 Abs. 1 VerwKostG M-V, § 1 Abs. 1 VermGebVO an sich berechtigt, für die Benutzung der Nachweise der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters Gebühren nach Maßgabe der einschlägigen Tarifstellen der Anlage zur VermGebVO zu erheben. Bei der Anforderung von Auskünften oder Auszügen aus dem Liegenschaftskataster durch die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen handele es sich nicht um eine landesrechtlich nach § 8 Abs. 1 VwVfG M-V gebührenfreie unentgeltliche Amtshilfe. Denn unter den Amtshilfebegriff des Verwaltungsverfahrensgesetzes M-V fielen nicht solche Tätigkeiten der ersuchten Behörde, die vorzunehmen dieser als Eigenaufgabe oblägen (vgl. §4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG M-V). Das sei aber bei der Erteilung von Auskünften oder der Anfertigung von Auszügen aus dem Liegenschaftskataster gegenüber anderen Behörden der Fall, was ohne Weiteres aus den Regelungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 2 VermKatG folge. Da die Fertigung einer historischen Eigentumsrecherche zu den dem Beklagten als eigene Aufgabe obliegenden Tätigkeiten gehöre, scheide die Annahme einer (bloßen) Amtshilfe aus. Das klagende Land unterfalle wegen § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VerwKostG M-V auch keinem Tatbestand einer (persönlichen) Gebührenbefreiung nach § 8 Abs. 1 VerwKostG M-V.
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Eine Kostenpflicht des klagenden Landes sei jedoch nach § 38 Abs. 1 VermG ausgeschlossen. § 38 Abs. 1 VermG sei nicht (lediglich) so zu verstehen, dass die Kostenfreiheit (nur) für den Antragsteller eines Restitutionsverfahrens und die weiteren an diesem Verfahren Beteiligten (§ 13 VwVfG M-V) gelte. Dies folge aus der weiten Auslegung der Vorschrift des § 38 Abs. 1 VermG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach seien unter "Verwaltungsverfahren" im Sinne von § 38 Abs. 1 VermG auch alle im Vermögensgesetz vorgesehenen und seiner Durchführung dienenden Annexverfahren zu verstehen. Darunter falle das sogenannte Vergewisserungsverfahren nach §3 Abs. 5 VermG. Allerdings unterscheide sich das Vergewisserungsverfahren u.a. insofern von dem vorliegenden Fall, als es sich dabei um ein im Vermögensgesetz vorgesehenes Verfahren und nicht - wie hier - um ein solches vor einer anderen Behörde handele. Gleichwohl handele es sich bei dem Auskunftsverfahren um ein "auf das engste mit dem Restitutionsverfahren verflochtenes" Verfahren, dessen (selbstständiger) Teil es sei. Als Teil der vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen gesetzlich geforderten Sachverhaltsermittlung zähle es zum Verwaltungsverfahren.
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Das Urteil ist dem Beklagten am 31. März 2005 zugestellt worden.
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Der Beklagte hat unter dem 25. April 2005 beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 hat der Senat die Berufung zugelassen. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 13. oder 19. Dezember 2007 zugestellt.
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Mit am 8. Januar 2008 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen ausgeführt, sein Zahlungsanspruch ergebe sich aus der Vermessungsgebührenverordnung M-V nach Maßgabe der Tarifstellen 15.1.3 und 2.1.1.1. Im konkreten Falle habe ein Angestellter des Beklagten auf Antrag des Klägers eine Recherche im Liegenschaftskataster durchgeführt, einen Auszug aus dem Liegenschaftsbuch und die Eigentümerfolge für ein vom Kläger benanntes Grundstück in B... ab dem Jahr 1933 erstellt und dem Kläger übersandt. Damit sei der Kostenanspruch entstanden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Kostentragungspflicht des Klägers im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 - nicht gemäß § 38 VermG ausgeschlossen. Danach folge aus § 38 VermG zu Gunsten der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen weder in direkter noch in analoger Anwendung eine sachliche Kostenfreiheit für das Einholen von Auskünften eines Katasteramtes. Nach Maßgabe der Gesetzesmaterialien betreffe § 38 Abs. 1 VermG nicht das Verwaltungshandeln anderer Behörden, zumindest soweit diese außerhalb des Vermögensgesetzes - wie hier - tätig würden. Das katasterrechtliche Auskunftsverfahren sei auch nicht "auf das engste" mit dem Restitutionsverfahren verbunden und anders als das sogenannte Vergewisserungsverfahren gemäß §3 Abs. 5 VermG nicht im Vermögensgesetz geregelt. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2006 hervorhebe, wäre die Annahme einer weiten Auslegung des Begriffs Verwaltungsverfahren mit einer nicht zu billigenden ausufernden Anwendung des § 38 Abs. 1 VermG verbunden. Auch das grundstücksbezogene Spannungsverhältnis zwischen Alteigentümer und jetzigem Verfügungsberechtigten, das durch eine zusätzliche Kostenlast nicht noch weiter verstärkt werden solle, bestehe beim Katasteramt im Verhältnis zum Vermögensamt nicht. Schließlich sei keine unentgeltliche Amtshilfe gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 VermG gegeben, da die erbetene Amtshandlung dem Beklagten nach den Bestimmungen des Vermessungs- und Katastergesetzes als eigene Aufgabe obliege. Das Vermögensamt werde auch nicht "vorauseilend" für den Restitutionsberechtigten tätig. Eine "Parteinahme" der Behörde zu Gunsten des Restitutionsberechtigten verbiete sich. Die Kostenpflichtigkeit der Auskünfte des Katasteramtes stehe einer Absicht des Gesetzgebers, die offenen Vermögensfragen möglichst schnell und unbürokratisch abzuwickeln, nicht entgegen. Richtig sei der Vortrag der Klägerseite, dass die Vorgängerverordnung der Vermessungsgebührenverordnung ausdrücklich eine Kostenbefreiung der Vermögensämter in § 2 Abs. 1 Nr. 3 VermGebVO a.F. vorgesehen habe. Ob die Novellierung im Jahre 1997 nicht zu einer Gebührenpflicht der Auskünfte der Katasterämter gegenüber den Vermögensämter habe führen sollen, sei zweifelhaft, könne aber im Ergebnis wegen der auch nach § 38 Abs. 1 VermG nicht ausgeschlossenen Kostenpflicht dahin gestellt bleiben.
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Die Gebühr sei auch zutreffend ermittelt worden. Der gemäß Tarifstelle 15 Anlage zur VermGebVO berechnete Zeitaufwand von einer angefangenen Halbstunde a' 20,50 sei zu Recht herangezogen worden. Die Berechnung nach dem Zeitaufwand ergebe sich aus der Tarifstelle 1.1, die auf Tarifstelle 15 verweise. Danach werde die Zeitgebühr in Ansatz gebracht für schriftliche Auskünfte schwieriger Art und größeren Umfangs. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Bei der Erstellung von Eigentümerfolgen ab 1933 müssten aus den verschiedenen historischen Unterlagen (z.B. alte Bestandsblätter, Mutterrollen, Flurbücher und -register, Namens- und Artikelverzeichnisse) die benötigten Eigentumsinformationen gesammelt werden. Während der Recherche müsse dabei immer die heutige Fläche des Flurstücks berücksichtigt werden, was sich durch häufige Umnummerierungen, Zerlegungen, Verschmelzungen sowie Zu- und Abschreibungen von Flächen schwierig gestalte und eine umfangreiche Bearbeitung zur Folge habe. Solche Nachforschungsaufträge seien Sonderfälle der Katasterauskunft, die mit einfachen Informationen aus aktuellen Auszügen aus dem Liegenschaftskataster nicht vergleichbar seien. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass das Liegenschaftskataster strukturell nicht auf derartige Auskünfte aufgebaut sei. Die vom Kläger beantragte Eigentümerfolge ab 1933 sei nicht durch wortgetreue Kopien, sondern durch eine übersichtliche, tabellarische Wiedergabe wichtiger Teile des Inhalts verschiedener Nachweise des Liegenschaftskatasters charakterisiert. Es handele sich um ein neu entstandenes, auf geistiger Arbeit beruhendes Produkt. Im Übrigen gelte Tarifstelle 15 als Auffangtatbestand für alle diejenigen Fälle, die nicht von den Tarifstellen 1 bis 14 und 16 erfasst würden. Die Gebühr sei im Hinblick auf den Nutzen für den Kläger angemessen. Der Beklagte habe die geringstmögliche Gebühr angesetzt.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 3. Februar 2005 die Klage gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2004 abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger trägt vor,
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dem Verwaltungsgericht sei darin zuzustimmen, dass einer Gebührenpflicht die Kostenfreiheit gemäß § 38 Abs. 1 VermG entgegen stehe. Notwendig für die Aufgabenerfüllung der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem VI. Abschnitt des Vermessungsgesetzes sei die Ermittlung des Sachverhalts gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG. Die Kostenfreiheit sei damit umfassend zu sehen. Sie erfasse nicht nur eine - nicht zu erhebende - Gebühr für das Verfahren als solches, sondern auch sämtliche im Verfahren entstandenen Kosten der Behörde jeglicher Art, wie z. B. Kosten für die Beschaffung von Unterlagen zur Ermittlung des Sachverhalts. § 38 Abs. 1 VermG gelte auch für das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, da es vorauseilend zu Gunsten des Restitutionsberechtigten tätig sei. Selbst das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2006 eine Kostenfreiheit für das Verwaltungshandeln anderer Behörden - auch der Katasterbehörden - angenommen, soweit sie nicht außerhalb, sondern innerhalb des Vermögensgesetzes tätig würden. Voraussetzung sei ein notwendiger Zusammenhang zu einem konkreten vermögensrechtlichen Verfahren und eine verfahrensrechtliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten der verschiedenen Behörden sowie die mangelnde Außenwirkung des Ergebnisses. Die Feststellung der Eigentumsverhältnisse von der Schädigung bis heute gehöre zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes und sei sachliche Voraussetzung für die notwendigen Informationen an den Antragsteller und die weiteren Beteiligten und letztlich für den Erlass eines Restitutionsbescheides. Unerlässlich sei in diesem Zusammenhang bei Anträgen, die auf Grundstücke gerichtet seien, die Feststellung der katastermäßigen Bezeichnung des beantragten Grundstücks zum Zeitpunkt der Schädigung und im Rückgabezeitpunkt. Indem der Beklagte dem Kläger die für das vermögensrechtliche Verfahren notwendigen Auskünfte erteile, werde er im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gemäß § 30ff. VermG tätig. Es handele sich bei dieser Auskunftserteilung gerade nicht um ein eigenes selbstständiges Verwaltungsverfahren, das außerhalb des Vermögensgesetzes ablaufe. Vielmehr handele es sich lediglich um eine behördeninterne Auskunft, die in einem untrennbaren rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang mit dem vermögensrechtlichen Verfahren stehe.
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Diese gemäß § 38 Abs. 1 VermG kostenfreie Auskunftserteilung des Beklagten an den Kläger im Rahmen der Bearbeitung eines vermögensrechtlichen Antrages stehe auch deshalb nicht im Widerspruch zu der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006, weil der dort zu entscheidende Fall nicht mit dem hier im Streit stehenden Verfahren vergleichbar sei.
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Soweit der Beklagte vortrage, § 38 Abs. 1 VermG regele nur eine Gebührenbefreiung für den Antragsteller und den Verfügungsberechtigten, aber nicht für die entscheidende Behörde, stehe dem Vortrag entgegen, dass die entscheidende Behörde, also der Kläger, vorliegend für den Antragsteller tätig werde. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht sei ein Antragsteller verpflichtet, den beantragten Vermögenswert so konkret zu beschreiben, dass die Behörde in die Lage versetzt werde, den Antrag zu bescheiden. Insofern könne der Antragsteller kostenfrei zu dem beanspruchten Grundstück Auskünfte beim Katasteramt einholen. Übernehme nun die Behörde diese Aufgabe, könne dies nicht zu einer Kostenpflicht der entscheidenden Behörde führen. Es sei mit Blick auf § 27 VermG zudem die Absicht des Gesetzgebers gewesen, die offenen Vermögensfragen möglichst schnell - auch durch unbürokratische und kostenfreie Hilfe anderer Behörden - abzuwickeln. Vorschriften des Landeskostenrechts könnten nur dann herangezogen werden, wenn bundesrechtlich nicht anderes bestimmt sei. Den Vorrang des Bundesrechts habe der Gesetzgeber von Mecklenburg-Vorpommern mit der Neufassung des § 2 Abs. 4 VermGebVO anerkannt; gleichzeitig sei die zuvor seit 1993 landesrechtlich ausdrücklich geregelte Kostenbefreiung für Auskünfte des Katasteramtes gegenüber dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen überflüssig und aufgehoben worden. So seien auch nach 1997 die Auskünfte gegenüber den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen und dem Landesamt gebührenfrei geblieben. Erstmals im Jahr 2003 seien seitens des Beklagten Gebühren erhoben worden.
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Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass eine Gebührenerhebung für den mitgeteilten Eigentümernachweis ab 1933 gemäß der Tarifstelle 15 der VermGebVO MV nicht in Betracht komme, weil die Auskunft weder besonders schwierig noch besonders umfangreich i.S. der Tarifstelle 1.1 gewesen sei. Hierunter fielen ausdrücklich solche Auskünfte über Tatbestände nicht, die in den Unterlagen der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters nachgewiesen seien und die durch Auszüge aus den Nachweisen belegt werden könnten. Wie der Beklagte selbst auf der mit dem Gebührenbescheid übermittelten Eigentümerfolge ab 1933 mitteile, stimmten alle Angaben mit den Eintragungen der bei Katasterbehörde vorliegenden Unterlagen überein.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, auf die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
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Die Anfechtungsklage des klagenden Landes gegen den Gebührenbescheid des Beklagten vom 23.Oktober 2003 (Kassenzeichen ...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.Januar 2004 (Az.: ...) ist unbegründet und folglich abzuweisen; der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt das klagende Land nicht in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der angefochtene Gebührenbescheid findet seine erforderliche Rechtsgrundlage in den Bestimmungen des Verwaltungskostengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (VwKostG M-V) und der Landesverordnung über Gebühren der Vermessungs- und Katasterbehörden sowie anderer Vermessungsstellen (VermGebVO) i.d.F. v. 10. Dezember 2001 (GVOBl. M-V S. 526). Maßgeblich ist insoweit § 1 Abs. 1 VermGebVO i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 VwKostG M-V.
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Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VermGebVO werden für Amtshandlungen u.a. der Katasterbehörden sowie für die Benutzung der Nachweise der Landvermessung und des Liegenschaftskatasters Gebühren erhoben. Die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren ergeben sich aus dem anliegenden Gebührentarif mit den Gebührenstaffeln 1 bis 4, der Bestandteil der Verordnung ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VermGebVO).
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Bei der von der Katasterbehörde des Beklagten erbrachten Amtshandlung handelt es sich weder um eine landesrechtlich nach § 8 Abs. 1 VwVfG M-V noch um eine bundesrechtlich nach § 27 VermG gebührenfreie unentgeltliche Amtshilfe; auch eine persönliche Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landesverwaltungskostengesetz - VwKostG M-V) v. 4. Oktober 1991 (GVOBl. M-V, S. 366) oder anderen landesrechtlichen Bestimmungen liegt nicht vor (1.). Die Kostenpflicht des klagenden Landes ist dem Grunde nach nicht aufgrund der bundesrechtlichen Bestimmung des § 38 Abs. 1 VermG ausgeschlossen (2.). Auch die Höhe der erhobenen Gebühr begegnet keinen rechtlichen Bedenken (3.).
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1. a) Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Anforderung von Auskünften oder Auszügen aus dem Liegenschaftskataster durch die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen nicht um eine landesrechtlich nach § 8 Abs. 1 VwVfG M-V gebührenfreie unentgeltliche Amtshilfe seitens der Katasterbehörde des Beklagten als ersuchter Behörde handelt. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V hat die ersuchende Behörde der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten.
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Nach § 4 Abs. 1 VwVfG M-V leistet jede Behörde anderen Behörden auf Ersuchen ergänzende Hilfe. Vom Begriff der Amtshilfe werden jedoch solche Handlungen ausgenommen, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Davon ist hier auszugehen.
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Die Aufgabe der Katasterämter erschöpft sich nicht in der Sammlung von Daten über Grundstücke und der Fortführung des Liegenschaftskatasters (vgl. § 11 des Gesetzes über die Landvermessung und das Liegenschaftskataster des Landes Mecklenburg-Vorpommern - Vermessungs- und Katastergesetz v. 22.07.2002); vielmehr kann das mit dem Liegenschaftskataster verfolgte Ziel der Übereinstimmung des Grundbuchs mit anderen in öffentlichen Registern gesammelten Daten nur erreicht werden, wenn die im Katasteramt gespeicherten Daten weitergegeben werden. Deshalb macht die wesentliche Funktion des Katasters seine Benutzung durch andere Behörden aus, die im Wege der Einsicht, Auskunft oder Weitergabe von Auszügen geschieht. Dies macht insbesondere § 12 Abs. 2, 4 VermKatG deutlich, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend verwiesen hat; der Senat macht sich insoweit die diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu eigen. Wenn das klagende Land in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf die von der Katasterbehörde des Beklagten erstellte "Eigentümerfolge", die im Verfahren nach dem Vermögensgesetz regelmäßig wesentliche Bedeutung habe, ausgeführt hat, die Beurteilung der Frage, wer Eigentümer des jeweils betroffenen Grundstücks gewesen sei, falle nicht in den Aufgabenbereich der Katasterämter, geht dies fehl. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 VermKatG sind im Liegenschaftskataster für das Landesgebiet alle Flurstücke und Gebäude (Liegenschaften) nachzuweisen. Der Nachweis der Liegenschaften umfasst insbesondere gerade auch die in § 11 Abs. 8 VermKatG benannten Daten der Eigentümer, Erbbau- und Nutzungsberechtigten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 VermKatG). § 11 Abs. 8 sieht vor, dass die zuständigen Behörden im Liegenschaftskataster für Zwecke nach den Absätzen 1 bis 6 bei im Grundbuch gebuchten Grundstücken die Namen, Vornamen und Geburtsnamen sowie Geburtsdaten, Akademische Grade und Anschriften der Eigentümer, Erbbau- und Nutzungsberechtigten, Eigentumsanteile und Eigentumsart sowie Namensnummern führen und verarbeiten. Folglich gehört es gerade zum gesetzlichen Aufgabenkanon der Katasterbehörden, die entsprechenden Eigentümerinformationen zu sammeln, zu speichern bzw. nachzuweisen und daraus ggfs. Auszüge zu fertigen (§ 12 Abs. 4 VermKatG). Die Übermittlung grundstücksbezogener Daten ist damit nach alledem für das Katasteramt keine fremde Tätigkeit, die außerhalb des üblichen Aufgabenbereichs liegt, sondern dessen eigene Aufgabe i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG M-V. Auskünfte der Katasterämter an Vermögensämter stellen somit keine Maßnahmen der Amtshilfe dar (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 8 C 12.05 -, ZOV 2006, 307; vgl. auch VG Gera, Urt. v. 29.03.2007 - 5 K 270/05 Ge -; VG Dresden, Urt. v. 13.11.2007 - 2 K 621/05; VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 13.02.2007 - 1 K 913/05 - juris). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die von der Katasterbehörde des Beklagten gefertigte und an das klagende Land übermittelte Eigentümerfolge in der Überschrift den Zusatz "zur Vorlage beim Amt bzw. Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen" aufweist. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Überschrift überhaupt ein rechtlicher Gehalt zukommen könnte, der zudem gar in Widerspruch zu den vorstehend erläuterten gesetzlichen Aufgabenzuweisungen und den daraus für die Frage des Vorliegens einer Amtshilfe resultierenden Schlussfolgerungen stünde.
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Nichts anderes gilt für die Amtshilfe nach § 27 VermG (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 8 C 12.05 -, ZOV 2006, 307; vgl. auch VG Gera, Urt. v. 29.03.2007 - 5 K 270/05 Ge -; VG Dresden, Urt. v. 13.11.2007 - 2 K 621/05; VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 13.02.2007 - 1 K 913/05 - juris); es ist nicht erkennbar, dass § 27 VermG ein von § 4 VwVfG (M-V) abweichender Amtshilfebegriff zugrunde läge.
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b) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch darauf verwiesen, dass der Kläger keiner persönlichen Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 VwKostG M-V unterfiele, weil die in Abs. 1 genannten Behörden jedenfalls gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwKostG M-V zur Zahlung von Verwaltungsgebühren für die Amtshandlungen der Kataster- und Vermessungsbehörden verpflichtet bleiben. § 12 Abs. 4 Satz 4 VermKatG bestimmt ausdrücklich, dass diese Bestimmung unberührt - von den im selben Absatz erwähnten Rechten und Aufgabenzuweisungen - bleibt.
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c) Aus § 2 Abs. 4 VermGebVO, wonach Gebührenbefreiungen und Befreiungen vom Auslagenersatz, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt bleiben, folgt für sich gesehen ebenfalls keine Kostenfreiheit der vorliegend in Rede stehenden Verwaltungstätigkeit des Beklagten.
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Aus dem Umstand, dass nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 3 VermGebVO i.d.F.v. 02. April 1993 (GVOBl. M-V, S. 259) Gebühren für Auskünfte und Bereitstellung von Unterlagen zur Einsicht sowie Herstellung von Auszügen aus den Nachweisen der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters für die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen, soweit diese zur Lösung von Aufgaben nach dem VermG ... dienen, nicht erhoben wurden, lässt sich nichts mehr zu Gunsten des klagenden Landes herleiten. Diese Bestimmung ist mit der 1. VermGebÄVO M-V vom 21. November 1997 (GVOBl. M-V, S. 723) - im Einvernehmen mit dem Finanzministerium - ersatzlos aufgehoben worden. Die Motive hierfür liegen im Dunkeln. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 1998 - 3 C 56/96 - (a.a.O.) kann - da zeitlich der Änderung erst nachfolgend - nicht in dem Sinne Auslöser für die Aufhebung gewesen sein, dass der Verordnungsgeber von einer ohnehin schon nach § 38 Abs. 1 VermG anzunehmenden Kostenfreiheit ausgegangen wäre.
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2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Kostenpflicht des klagenden Landes nicht aufgrund der bundesrechtlichen Bestimmung des § 38 Abs. 1 VermG ausgeschlossen, weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung.
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Zwar dürfen die eine Gebührenpflicht des klagenden Landes begründenden Vorschriften des Landesverwaltungskostenrechts nur herangezogen werden, wenn bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist. Ist die Gebührenpflicht im Bundesrecht abschließend geregelt, so bleibt für die Anwendung landesrechtlicher Gebührenvorschriften kein Raum (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O., 01.12.1989 - 8 C 14.88 -, BVerwGE 84, 178, 180 = Buchholz 310 § 73 VwGO Nr. 31 und v. 23.04.1998 - 3 C 56.96 -, Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 3).
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Bei § 38 Abs. 1 VermG handelt es sich jedoch um keine Bestimmung, die bundesrechtlich die streitgegenständliche Gebührenerhebung durch den Beklagten nach Maßgabe des Landesrechts mit abschließender Wirkung ausschließen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.1998 - 3 C 56.96 -, VIZ 1998, 568 - zitiert nach juris; VG Gera, Urt. v. 29.03.2007 - 5 K 270/05 Ge -; VG Dresden, Urt. v. 13.11.2007 - 2 K 621/05; VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 13.02.2007 - 1 K 913/05 - juris).
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§ 38 Abs. 1 VermG regelt, dass das Verwaltungsverfahren einschließlich des Widerspruchsverfahrens kostenfrei ist.
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Unter "Verwaltungsverfahren" im Sinne von § 38 Abs. 1 VermG sind - unter Berücksichtigung historischer und teleologischer Auslegungskriterien - neben dem Restitutionsverfahren im engeren Sinne auch alle im Vermögensgesetz vorgesehenen und - kumulativ - seiner Durchführung dienenden Annexverfahren zu verstehen. Hierzu gehört z.B. das "Vergewisserungsverfahren" gemäß § 3 Abs. 5 VermG. Das Vermögensgesetz dient in all seinen Bestimmungen dem Ziel, das Spannungsverhältnis zwischen Altberechtigten und jetzigen Verfügungsberechtigten zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Eine gedankliche Aufteilung dieses ganzheitlichen Komplexes in selbstständige Einzelverfahren verbietet sich vor diesem Hintergrund; vielmehr sind die aus einzelnen Anspruchsgrundlagen abgeleiteten Verfahren lediglich Teilaspekte des Restitutionsverfahrens. Das so zu verstehende Verfahren wird insgesamt von § 38 Abs. 1 VermG erfasst. Die Vergewisserungspflicht des Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 5 VermG ist auf das engste mit dem eigentlichen Restitutionsverfahren verflochten. Die Bestimmung dient der Klarstellung der Pflichten des Verfügungsberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 VermG, die ihrerseits von einer Antragstellung des Berechtigten nach § 30 VermG abhängen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 23.04.1998 - 3 C 56.96 -, VIZ 1998, 568 - zitiert nach juris).
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Das klagende Land nimmt insbesondere dieses Vergewisserungsverfahren in den Blick, um die Gebührenfreiheit der vom Beklagten erbrachten Amtshandlung zu begründen. Es betont den aus seiner Sicht engen Zusammenhang dieser Amtshandlung mit dem Verfahren nach § 3 Abs. 5 VermG. In der mündlichen Verhandlung hat es nochmals ausgeführt, dass seiner Auffassung nach ein Sachverhalt wie der vorliegende im engen Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 3 Abs. 5 VermG stehe, weil sich die Behörde auch im Falle eines Rückübertragungsanspruches zwingend vergewissern müsse, dass nicht auch andere Ansprüche geltend gemacht worden seien. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG (Sammelansprüche) geltend gemacht werden können. Auch das Verwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass das katasterrechtliche Auskunftsverfahren ein auf "das engste mit dem Restitutionsverfahren verflochtenes" Verfahren darstelle, was es rechtfertige, die erteilte Auskunft als kostenfrei nach § 38 Abs. 1 VermG zu betrachten.
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Dieser Sichtweise kann indes nicht gefolgt werden. Weder in direkter noch analoger Anwendung folgt nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.Juni 2006 - 8 C 12.05 -, ZOV 2006, 307 - zitiert nach juris), der sich der Senat anschließt, aus §38 Abs. 1 VermG eine sachliche Kostenfreiheit für das Einholen von Auskünften eines Katasteramtes.
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Zunächst ist noch einmal zu betonen, dass neben dem Restitutionsverfahren im engeren Sinne - nur - alle im Vermögensgesetz vorgesehenen und seiner Durchführung dienenden Annexverfahren unter den Begriff des Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 38 Abs. 1 VermG zu subsumieren sind. Ausgehend von dieser Prämisse ist das konkret zu beurteilende Verwaltungshandeln in Gestalt der Auskunftserteilung durch das Katasteramt insbesondere kein unselbständiger Teil des Vergewisserungsverfahrens nach § 3 Abs. 5 VermG. Es handelt sich bei ihm entgegen dieser Prämisse schon anders als beim Vergewisserungsverfahren nicht um ein im Vermögensgesetz - ausdrücklich - "vorgesehenes" Annexverfahren.
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Dies bestätigen maßgeblich auch die Unterschiede in den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen zur Fachaufsicht, auf die auch das Bundesverwaltungsgericht - insoweit vorliegend ohne Weiteres übertragbar - verweist. In Mecklenburg-Vorpommern gestaltet sich die Rechtslage so, dass das Innenministerium gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 VermKatG oberste Vermessungs- und Katasterbehörde ist. Es übt die Dienst- und Fachaufsicht über das Landesamt für innere Verwaltung als obere Vermessungs- und Katasterbehörde aus (Satz 2), das Landesamt für innere Verwaltung die Fachaufsicht über die Landräte und Oberbürgermeister als Vermessungs- und Katasterbehörden (Satz 3). Demgegenüber regelt § 2 des Gesetzes über untere Landebehörden zur Regelung offener Vermögensfragen vom 05. Mai 1992 (GVOBl. M-V, S. 262), dass der Oberbürgermeister (Bürgermeister) und der Landrat in Angelegenheiten des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Fachaufsicht des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen als oberer und dem Finanzministerium als oberster Fachaufsichtsbehörde unterstehen. Die Verwaltungstätigkeit der Katasterbehörden kann damit nicht als ein Verwaltungsverfahren im Sinne der §§ 30 ff. VermG angesehen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O.).
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Dem Bundesverwaltungsgericht ist weiter darin zuzustimmen, dass es sich bei dem in Streit stehenden Verwaltungshandeln um ein selbstständiges Verfahren handelt, das außerhalb des Vermögensgesetzes abläuft. Auch insoweit sind die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O.) auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, ungeachtet der dort hinsichtlich des Ausgangspunktes unterschiedlichen Sachlage, wonach die dortige Klägerin als juristische Person des Privatrechts, die von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mit der Privatisierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen betraut ist und das Verfahren nach der Flächenerwerbsverordnung durchführt, die Auskunft des Kataster- und Vermessungsamtes zu den Voreigentümern erbeten hatte.
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Die Auskunft durch das Katasteramt beruht auf einem äußeren Anstoß, nämlich dem Antrag des Landesamtes. Er steht in keinem notwendigen Zusammenhang zu einem konkreten vermögensrechtlichen Verwaltungsverfahren. Die begehrte Amtshandlung kann auch für ein anderes Verwaltungsverfahren dienlich sein; die erforderlichen Informationen können ggfs. auch bei anderen Stellen eingeholt werden. Der zugegeben tatsächlich enge Zusammenhang zu einem konkreten Restitutionsverfahren verleiht der Auskunft des Katasteramtes nicht den Charakter der Unselbstständigkeit. Denn hierzu sind in erster Linie verfahrensrechtliche Verbindungen zwischen den Tätigkeiten der verschiedenen Behörden, eine Einflussnahmemöglichkeit der federführenden Behörde und eine mangelnde Außenwirkung des Ergebnisses maßgebend. Davon ist bei einer Auskunft des Katasteramtes gegenüber dem klagenden Land aber nicht auszugehen. Diese wird unmittelbar dem Land/Landesamt als einer außerhalb der Katasterverwaltung stehenden Stelle erteilt und hat damit Außenwirkung. Es gibt zudem keine verfahrensrechtliche Verbindung zwischen der Auskunft und dem Vergewisserungsverfahren. Irgendeinen verwaltungsmäßigen Einfluss hat das Vermögensamt - wie ausgeführt - auf das Handeln des Auskunft erteilenden Katasteramtes nicht.
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Wenn das klagende Land in seinem Vorbringen - auch in der mündlichen Verhandlung - zentral darauf verweist, dass die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen durch § 31 Abs. 1 VermG verpflichtet würden, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und auf dieser Grundlage regelmäßig die auch vorstehend von der Katasterbehörde erbetenen Auskünfte der Sache nach einholen müssten, insoweit sei das in Rede stehende Verfahren im Vermögensgesetz "vorgesehen", geht dies fehl. Der in § 31 Abs. 1 VermG gesetzlich verankerte Amtsermittlungsgrundsatz stellt sich nicht als ein "Verfahren", sondern als einen für das Verwaltungsverfahren nach dem VermG geltenden "Verfahrensgrundsatz" dar. Insoweit kann auf der Basis der vorstehend erörterten Prämisse nicht davon gesprochen werden, dass es sich bei dem Ersuchen um Auskunft aus dem Liegenschaftskataster um ein "im Vermögensgesetz vorgesehenes Verfahren" handelt.
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Zudem kann nicht von einer Kostenfreiheit aller Verwaltungsmaßnahmen ausgegangen werden, die - wie das klagende Land reklamiert - in einem untrennbaren rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang zum vermögensrechtlichen Verfahren stehen. Mit einem derart unbestimmten Merkmal wäre eine nicht zu billigende ausufernde Anwendung des § 38 Abs. 1 VermG eröffnet. Auch wenn es zutrifft, dass Auskunftsersuchen der vorliegenden Art an die Katasterämter regelmäßig insbesondere zur Klärung von vermögensrechtlichen Rückübertragungsansprüchen geboten sind, darf dabei nicht übersehen werden, dass diese im Rahmen der Ermittlungspflicht der Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG erfolgen. Die durch die Erfüllung der Ermittlungspflicht entstehenden Ermittlungskosten trägt grundsätzlich die zuständige ermittelnde Behörde, hier das Landesamt bzw. dessen Träger, das Land Mecklenburg-Vorpommern, selbst (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 24 Rn. 10f). Ihm, nicht dem Beklagten, obliegt nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 VermG die Aufgabenerfüllung nach dem Vermögensgesetz. Der Zusammenhang der Verwaltungstätigkeit des Beklagten mit dieser Erfüllung der Ermittlungspflicht berührt die Eigenständigkeit der vom Beklagten durchgeführten Amtshandlung nicht (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O.; vgl. auch VG Gera, Urt. v. 29.03.2007 - 5 K 270/05 Ge -, juris).
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Soweit sich das klagende Land auf gegenteilige Rechtsprechung beruft (vgl. etwa VG Weimar, Urt. v. 14.03.2006 - 8 K 414/05 -), ist diese - soweit ersichtlich - vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006 ergangen und kann nach Auffassung des Senats als überholt betrachtet werden.
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Die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen werden - wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt - auch nicht "für den Antragsteller im vermögensrechtlichen Verfahren" tätig, sondern zur Erfüllung der ihnen ausdrücklich zugewiesenen Amtsermittlungspflicht. Aus welcher Bestimmung sich ergeben soll, dass derjenige, der die vermögensrechtliche Rückübertragung beantragt hat, selbst kostenlos Auskünfte der vorliegenden Art bei den Katasterbehörden soll einholen können - weshalb für die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen das Gleiche gelten müsse - ist nicht ersichtlich. Inwieweit eine Kostenfreiheit der Auskunftserteilung durch die Katasterbehörden das Verfahren nach dem Vermögensgesetz mit der Folge beschleunigen können soll, dass §38 Abs. 1 VermG eingereift, ist ebenfalls nicht erkennbar. Eine solche gesetzliche Zielsetzung wird durch die Kostenpflichtigkeit - wie das vorliegende Verfahren zeigt - nicht berührt.
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Eine entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 1 VermG auf die Auskunftserteilung durch die Katasterbehörden kommt mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O.).
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Das Vermögensgesetz ist entgegen dem Vorbringen des klagenden Landes nicht von einem allgemeinen Grundsatz der Kostenfreiheit etwaiger Verwaltungsverfahren vorgeprägt. Es gibt im Zusammenhang mit dem Vermögensgesetz verschiedene Rechtsvorschriften, die ausdrücklich die Kostenpflichten der Beteiligten begründen (vgl. näher BVerwG, Urt. vom 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O.), was gegen eine Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand spricht. Aus dem systematischen Zusammenhang des Vermögensgesetzes folgt, dass der Gesetzgeber mit Bedacht für jeden einzelnen Regelungsbereich abschließende Entscheidungen zur Kostenpflichtigkeit oder Kostenfreiheit treffen wollte und sich dabei jeweils von der unterschiedlichen Interessenlage der Verfahrensbeteiligten leiten ließ. Wie bereits ausgeführt, rechtfertigt die bloße Feststellung eines untrennbaren rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang zum vermögensrechtlichen Verfahren eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 1 VermG ebenfalls nicht. Bei den hier in Rede stehenden Auskünften und Auszügen aus amtlichen Datensammlungen wird dies besonders deutlich, da nahezu jede Behörde, Bibliothek oder jedes Archiv im Bundesgebiet über Informationen verfügt, die mit vermögensrechtlichen Verfahren in engen Zusammenhang gebracht werden können.
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Gegen eine Analogiebildung zu § 38 Abs. 1 VermG ist unabhängig davon außerdem das bundesstaatliche Kompetenzgefüge anzuführen. Eine Analogie findet dort ihre Grenze, wo der Gesetzgeber wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz gar keine Befugnis zur Schließung einer Regelungslücke hat. Für eine allgemeine Regelung der persönlichen oder sachlichen Kostenfreiheit, die üblicherweise Teil des materiellen Landeskostenrechts ist, fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz. Denn die Gesetzgebungsbefugnis zur Schaffung von Kostenregelungen wird allein als Annex zur Sachkompetenz vermittelt, wobei den Ländern das Kostenrecht selbst zusteht. Für eine Regelung der Kostenfreiheit als Teil des Katasterrechts mangelt es dem Bund aber von vornherein am materiellen Kompetenztitel für das Katasterrecht (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 21. Juni 2006 - 8 C 12.05 -, a.a.O., m.w.N.).
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3. "Vorsorglich" hat sich das klagende Land auch gegen die Angemessenheit der Gebührenhöhe bzw. Zugrundelegung der Tarifstelle 15 der Anlage zur VermGebVO mit dem Einwand gewandt, die erbrachte Amtshandlung sei nicht "schwierig" im Sinne von Tarifstelle 1.1 der Anlage zur VermGebVO gewesen. Der Beklagte hat mit seinem Schriftsatz vom 20. März 2008 jedoch hinreichend erläutert, dass die Voraussetzungen dieser Tarifstelle vorliegen. Insbesondere der Hinweis darauf, die vom Kläger beantragte Eigentümerfolge ab 1933 sei nicht durch wortgetreue Kopien, sondern durch eine übersichtliche, tabellarische Wiedergabe wichtiger Teile des Inhalts verschiedener Nachweise des Liegenschaftskatasters charakterisiert, es handele sich um ein neu entstandenes, auf geistiger Arbeit beruhendes Produkt, erscheint ohne Weiteres plausibel. Zu beachten ist zudem, dass der Beklagte die insoweit niedrigste der in Betracht kommenden Tarifstellen zugrunde gelegt hat (15.1.3).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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