Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 62/08

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. Januar 2008 verurteilt, an die Klägerin 177.639,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 120.150,00 € seit dem 13. Januar 2006 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 57.489,50 € seit dem 10. Juli 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage der Kostentragungspflicht der beklagten Gemeinde Ducherow wegen des Ausbaus des Bahnüberganges Ducherow (Bahnkilometer 164,4 der Bahnstrecke zwischen Pasewalk und Stralsund). Die Beklagte ist Straßenbaulastträgerin der die zweispurige Eisenbahnlinie höhengleich kreuzenden Straße.

2

Der Bahnübergang Ducherow war mit einer elektrischen Halbschrankenanlage mit Blinklichtern im Bahnkreuz/Andreaskreuz (Bauform „HS/HL 64b“) gesichert. Diese Sicherung entsprach nicht den Vorschriften der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung (§ 11 Abs. 6 EBO, vgl. insbesondere Anlage 5, Bild 5). Zur Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse nach Herstellung der Einheit Deutschlands hatte das Bundesministerium für Verkehr für diese Sonderbauform „Andreaskreuz mit integriertem Blinklicht“ eine zunächst auf 10 Jahre befristete Ausnahme von § 11 EBO bis zum 31. Dezember 2003 zugelassen. Die Ausnahme wurde vom Bundesministerium für Verkehr für die noch umzurüstenden Bahnübergänge um weitere 7 Jahre bis zum 31. Dezember 2010 verlängert (vgl. BT-Drs. 16/1377, Seite 2). Die HS/HL 64b-Anlage war zugbedient und signalabhängig. Die Fernüberwachung geschah vom Bahnhof Ducherow aus. Das zugehörige Stellwerk (Ducherow) funktionierte mechanisch.

3

Die Klägerin plante den Umbau des Bahnüberganges. Errichtet werden sollte eine rechnergesteuerte Bahnübergangssicherungsanlage (BÜSA) der Bauart EBÜT 80 (Einheits-Bahnübergangstechnik 1980) mit zwei Fahrbahnhalbschranken und vier Lichtzeichen. Die grundlegende Wirkungsweise einer EBÜT 80-Anlage besteht darin, dass der fahrende Zug mit Hilfe der Gleisschaltmittel die Anlage rechtzeitig vor Erreichen des Kreuzungsbereichs aktiviert, worauf die Lichtzeichen mit der Farbfolge „gelb“, „rot“ angeschaltet und gegebenenfalls vorhandene Schranken abgesenkt werden. Die Überwachung sollte signalabhängig von den Ein- und Ausfahrtsignalen des Bahnhofes Ducherow (Hp) erfolgen und zur zeitgerechten Einschaltung des Bahnüberganges sollten Anrückmeldungen für jede Fahrtrichtung errichtet werden. Die Straße sollte auf 5,50 m verbreitert, die verschlissene Straßenbefestigung wie die Bahnübergangsbefestigung erneuert werden.

4

Die Beteiligten konnten sich bis zur Errichtung der neuen Bahnübergangssicherungsanlage nicht auf den Abschluss einer Kreuzungsvereinbarung einigen. Verschiedene, auch unter Hinweis auf die fehlende Kompatibilität der alten Anlage mit neuer elektronischer Stellwerkstechnik unterbreitete Angebote lehnte die Beklagte in den Jahren 1995 bis 2002 ab. Grund sei ihre angespannte Haushaltslage und der Wunsch, eine andere Schrankenanlage zu sanieren. Die Klägerin warf der Beklagten unter anderem vor, sich nicht hinreichend um öffentliche Fördergelder bemüht zu haben.

5

Die fachtechnische und wirtschaftliche Prüfung der beabsichtigten Baumaßnahme durch das Eisenbahnbundesamt/Außenstelle B-Stadt/C-Stadt vom 17. Oktober 2002 ergab, dass für die zweigleisige Hauptstrecke am Bahnübergang eine Umrüstung der Straßensignale nicht zugelassen sei und es für den geplanten kompletten Umbau der Bahnübergangssicherungsanlage keine Alternative gäbe. Die Beklagte erstellte unter dem 25. Oktober 2002 einen „ersten Nachtrag zur Kreuzungsvereinbarung“ wegen der notwendigen Anpassung der Bahnübergangsanlage an eine Streckengeschwindigkeit von 160 km/h. Für die bisher erstellte Kreuzungsvereinbarung sei von einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ausgegangen und die Bahnübergangssicherungsanlage entsprechend geplant worden. Die Kosten der Maßnahme betrügen nunmehr 458.612,13 Euro, von denen 152.870,71 Euro auf den Straßenbaulastträger entfielen.

6

Nach dem zugehörigen Erläuterungsbericht der Klägerin vom 25. Oktober 2002 sei geplant, die zur Zeit größtenteils mechanische Stellwerktechnik auf der Strecke Berlin-Gesundbrunnen/Eberswalde-Stralsund durch elektronische Stellwerke zu ersetzen. Im Rahmen dieser Planung werde auch der Bahnübergang Ducherow an die Signaltechnik des neuen elektronischen Stellwerkes angepasst. Dies betreffe auch den Bahnübergang Ducherow. Das Eisenbahnbundesamt erteilte der Firma X. für die Umrüstung einer HS/HL 64b Anlage in eine solche mit Lichtzeichen rot/gelb eine Typzulassung (Bescheid vom 28.07.2003). Über das Vermögen der Firma X. ist nach Mitteilung im Bundesanzeiger vom 03. September 2004 am 23. August 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

7

Nach dem Erläuterungsbericht der Klägerin vom 16. Januar 2004 für das elektronische Stellwerk Anklam diene die Errichtung der elektronischen Bahnübergangssicherungsanlage (Bahnübergang Ducherow, 164,4) dem Zweck der Herstellung der Verfügbarkeit der Sicherungstechnik, der Realisierung des rationalisierten Zustandes gemäß „RZ-Untersuchungsbericht“, der Personalbedarfssenkung sowie der Schaffung der Voraussetzungen für die Errichtung des Elektronischen Stellwerkes Anklam und dessen Einbindung in die BZ Berlin-Fernbahn. Die konventionelle alte Signaltechnik werde auf dem gesamten Streckenabschnitt außer Betrieb genommen. Aus diesem Grund würden die bestehenden unterschiedlichen Bauformen der Bahnübergangsanlagen erneuert bzw. an die elektronische Stellwerkstechnik angepasst. Mit der Ausrüstung des Streckenabschnittes mit „ESTW-Technik“ erfolge neben der Freisetzung von Stellwerkspersonal die Anpassung der Leistungsfähigkeit an das Betriebsprogramm 2010.

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Die Klägerin hat am 06. Februar 2004 bei dem Verwaltungsgericht Greifswald Feststellungsklage erhoben (4 A 240/04) und zunächst beantragt,

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festzustellen, dass die Beklagte unter der Voraussetzung des Vorliegens eines entsprechenden öffentlichen Baurechts verpflichtet sei, ein Drittel der kreuzungsbedingten Kosten zu tragen, welche für den Ersatz der elektrischen Halbschrankenanlage am Bahnübergang Ducherow durch eine den Anforderungen der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung entsprechende Lichtzeichenanlage mit Halbschranken erforderlich sein würden.

10

Das Eisenbahnbundesamt hat mit Bescheid vom 24. Juni 2004 für das Bauvorhaben „Neubau Bahnübergang BÜ 164,478 Ducherow I“ die Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG erteilt.

11

Mit Bescheid vom 30. März 2005 hat das Straßenbauamt Stralsund der Beklagten für das Haushaltsjahr 2005 eine Zuwendung in Höhe von 25.000,00 Euro für das Vorhaben Bahnübergang Ducherow gewährt, für das Haushaltsjahr 2006 seien Zuwendungen in Höhe von 55.095,70 Euro vorgesehen. Es handele sich um eine Anteilsfinanzierung in Höhe von 60 % der zuwendungsfähigen Kosten des Vorhabens in Höhe von 133.492,83 Euro.

12

Die Klägerin hat die Beklagte mit einer ersten Abschlagsrechnung vom 6. Oktober 2005 zur Zahlung von 120.150,00 Euro aufgefordert. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 03. November 2005 ab. Man sei nicht verpflichtet, ein Drittel der anfallenden Kosten nach § 13 EKrG zu tragen, da die am Bahnübergang durchgeführten Arbeiten nicht erforderlich im Sinne des § 3 EKrG seien.

13

Im Jahre 2005 ist die neue „EBÜT-80“-Anlage am Bahnübergang Ducherow errichtet worden.

14

Die Klägerin hat mit am 11. Januar 2006 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ihre bislang erhobene Feststellungsklage erweitert. Sie hat nunmehr beantragt,

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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gem. §§ 3, 13 EKrG ein Drittel der kreuzungsbedingten Kosten zu tragen, welche für den Ersatz der elektrischen Halbschrankenanlage am Bahnübergang bei Bahn-km 164,4 der Eisenbahnstrecke Berlin-Stralsund durch eine den Anforderungen der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung entsprechende Lichtzeichenanlage mit Halbschranken erforderlich sein werden.

16

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 120.150,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

17

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes antwortete das Eisenbahnbundesamt mit Schreiben vom 09. November 2007, dass durch den Einbau einer rechnergestützten Bahnübergangssicherungsanlage gegenüber einer anderen Sicherungstechnik (elektromechanisch) keine Mehrkosten entstanden seien. Es sei geprüft worden, ob die vorhandene Anlage gegebenenfalls weiterverwendbar gewesen sei. Alternativ habe es für den Ersatz einer solchen Anlage nur eine EBA zugelassene Anlage, die dem Stand der Technik entspreche, gegeben. Ein zugelassenes technisches Verfahren zur Umsetzung der Anpassung an die Voraussetzungen der EBO für HS/HL 64b-Anlagen gebe es nicht.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin mit Urteil vom 22. Januar 2008, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 27. Februar 2008, abgewiesen.

19

Zur Begründung ist im Wesentlichen aufgeführt:

20

Die Klage sei nicht begründet, weil die Voraussetzungen von §§ 3, 13 EKrG nicht vorlägen. Der von der Klägerin durchgeführte komplette Neubau der Bahnübergangssicherungsanlage am Bahnübergang in Ducherow mit Austausch der Schranken und Installation der rechnergesteuerten Lichtzeichenanlage mit Rohr- und Kabeltrassen entspreche nicht den Erfordernissen der Sicherheit oder der Abwicklung des Verkehrs im Sinne von §§ 3, 13 EKrG. Die Klägerin müsse sich auf das kostengünstigste vom Eisenbahn-Bundesamt zugelassene Verfahren verweisen lassen. Ein solches kostengünstigeres Verfahren zur Umrüstung von zweigleisigen Strecken auf die Erfordernisse nach § 11 EBO gebe es. Die Fa. X. in Y. habe es entwickelt und biete es an. Es sei vom Eisenbahn-Bundesamt genehmigt worden. Die Klägerin müsse sich auf realisierbare, vom Eisenbahn-Bundesamt zugelassene technische Verfahren verweisen lassen, die – wie das Verfahren der X. – mit minimalem technischen und finanziellen Aufwand die Umrüstung von rotem Blinklicht im Andreaskreuz auf das vorgeschriebene Lichtzeichen gelb/rot ermöglichten. Anderslautende Entscheidungen des OVG Magdeburg seien vor der Zulassung des Verfahrens zur Umrüstung von HS/HL 64b - Anlagen durch die X. ergangen. Die am Bahnübergang Ducherow durchgeführte Maßnahme sei zum Zwecke der Rationalisierung und Modernisierung umfangreicher ausgeführt worden, als nach § 3 EKrG erforderlich. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, sich im Wege einer Fiktivberechnung an den Kosten zu beteiligen.

21

Die Klägerin hat am 26. März 2008 bei dem Verwaltungsgericht beantragt, die Berufung gegen das Urteil vom 22. Januar 2008 zuzulassen.

22

Sie hat die Beklagte mit Rechnung vom 07. Mai 2008 aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch offenen Abschlagsrechnung vom 06. Oktober 2005 über 120.150,00 Euro noch weitere kreuzungsbedingte Baukosten sowie Verwaltungskosten in Höhe von 57.489,50 Euro (insgesamt 177.639,50 Euro) zu zahlen.

23

Mit Schreiben an die Klägerin vom 01. Juli 2008 hat das Eisenbahn-Bundesamt erläutert, warum die Umrüstung von im Andreaskreuz integrierten Blinklichtern in Lichtzeichen gelb/rot an mehrgleisigen Strecken mittels Zusatzschalteinrichtungen bauaufsichtlich vorerst nicht mehr freigegeben würde. Solche bautechnischen Freigaben habe es seit dem Jahre 2001 aus Sicherheitsgründen nicht mehr erteilt. Zugleich wies das Bundesamt darauf hin, dass ihm nicht bekannt sei, ob durch den gleichzeitig erfolgten Neubau eines elektronischen Stellwerkes an der Bahnübergangssicherungsanlage Mehrkosten gegenüber einer (fiktiven) Erneuerung der Anlage unter Beibehaltung der vorhandenen Stellwerkstechnik angefallen seien. Sollte dies der Fall sein, sei dieser Anteil zu ermitteln und als nicht kreuzungsbedingt einzuordnen.

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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009 mitgeteilt, eine Anfrage an den zuständigen Insolvenzverwalter des Verfahrens über das Vermögen der X. habe ergeben, dass es keinerlei Geschäftsbetrieb mehr gebe. Das Eisenbahn-Bundesamt teilte dem Straßenbauamt C-Stadt mit Schreiben vom 08. Januar 2010 mit, ihm seien für das Bauvorhaben Bahnübergang Ducherow I die Schlussrechnung sowie alle Belege und Rechnungen in einer Gesamthöhe von 437.775,34 Euro (Bau- und Grunderwerbskosten) vorgelegt worden. Eine stichprobenweise Prüfung habe ergeben, dass sämtliche Kosten als kreuzungsbedingt anerkannt werden könnten.

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Der Senat hat auf den Antrag der Klägerin die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. Januar 2008 zugelassen. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12. Juni 2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat die Berufung mit am 10. Juli 2012 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz unter Stellung eines Berufungsantrages im Einzelnen begründet.

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Sie trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die fragliche Baumaßnahme nicht erforderlich im Sinne des § 3 EKrG sei. Damit habe es einen Standpunkt eingenommen, der außer von der Beklagten von niemandem in Schrifttum, Rechtsprechung und Fachkreisen vertreten werde. Die Anpassungsmaßnahmen nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn seien nach der einschlägigen Literaturmeinung für die Sicherheit und Abwicklung des Verkehrs erforderlich, da z.B. die alten signalabhängigen Bahnübergangssicherungsanlagen nicht dieser Vorschrift entsprächen. Erforderlich in diesem Sinne seien auch der Straßenausbau, Verbreiterung der Fahrbahn oder der Gleisanlage. Zu diesem Ergebnis sei auch das Eisenbahn-Bundesamt ebenso gekommen wie das Bundesministerium für Verkehr in seinem Schreiben vom 8. August 1994, wonach es sich bei der Ergänzung von bestehenden Schranken durch Lichtzeichen gem. § 11 Abs. 6 EBO in Verbindung mit der Anlage 5 grundsätzlich, mit Ausnahme von Rationalisierungsmaßnahmen, um Maßnahmen nach § 3 EKrG mit der Kostenfolge nach § 13 EKrG handele. Es handele sich um eine Änderung und Verbesserung der Bahnübergangssicherung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen in der Regel die Gesamtsituation im Bahnübergangsbereich verbessert werde (z. B. durch Straßenbau im Kreuzungsbereich einschließlich der Anlegung von Geh- und Radwegen), durch die eine deutliche Erhöhung der Sicherheit an der Kreuzung erreicht werde. Es gebe keine realisierbare und kostengünstigere Alternative zu der vorliegenden Maßnahme. Das von der X. angewandte Verfahren komme nicht in Betracht. Die X. sei insolvent und habe ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Selbst wenn die von dieser Firma angebotene Variante am Markt noch erhältlich wäre, sei diese Lösung am streitgegenständlichen Bahnübergang technisch nicht realisierbar. Wegen der Zweigleisigkeit der Bahnstrecke sei eine Nachrüstung nicht zulässig. Das Gericht habe außer Acht gelassen, dass die alte Bahnübergangssicherungstechnik mit der neuen Bahnübergangssicherungsanlage nicht kompatibel sei und im Stellwerk keine Umbauten an Altanlagen vorgenommen werden dürften. Es habe außerdem die Nebenbestimmung 2 im „Kennblatt zum Bescheid für eine Typzulassung HS/HL 64b“ nicht ausreichend beachtet. Danach sei der Einsatz der Signalgeber nur statthaft bei Anordnung von je einem Signal rechts und links der Straße in Hauptfahrtrichtung, mindestens jedoch vier Straßensignalen. Diese Voraussetzungen seien beim streitgegenständlichen Bahnübergang nicht erfüllt. Das Gericht gehe außerdem ohne hinreichende Begründung davon aus, dass die von der X. entwickelte Variante eine kostengünstigere Lösung darstelle. Insbesondere angesichts der nicht vorhandenen und gegebenenfalls erst herzustellenden Kompatibilität mit der übrigen Bahnsicherungstechnik könne von signifikanten Kostensenkungen nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Durch die Errichtung elektronischer Stellwerkstechnik habe sich der Kostenaufwand für den Umbau der Anlage nicht erhöht, sondern verringert.

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Die Klägerin beantragt nunmehr,

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die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. Januar 2008, Az.: 4 A 240/04, zu verurteilen, an sie 177.639,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 120.150,- Euro seit dem 13. Januar 2006 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 57.489,50 Euro seit dem 11. August 2008 zu zahlen.

29

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, die darlegungsbelastete Klägerin behaupte lediglich in pauschaler Weise die Erforderlichkeit der abgerechneten Maßnahme und setze sich mit der von dem Verwaltungsgericht favorisierten Lösung (Variante der X.) nicht auseinander. Auf dieses Verfahren müsse sich die Klägerin aber verweisen lassen. Unter Berücksichtigung von § 11 Abs. 6 EBO ergebe sich eine Erforderlichkeit von Maßnahmen für die streitbefangene Kreuzung nur durch die Notwendigkeit, die an der Kreuzung befindlichen Andreaskreuze durch Andreaskreuze mit einer darüber angebrachten Lichtzeichenanlage auszutauschen. Weitere Maßnahmen könnten gegebenenfalls die Sicherheit an der genannten Kreuzung erhöhen, erforderlich i.S.v. § 3 EKrG seien sie jedoch nicht. Die Bestimmung der Erforderlichkeit einer Umbaumaßnahme könne weder der Klägerin noch dem Eisenbahnbundesamt unter Berufung auf einen gesetzlich nicht normierten Stand der Technik vorbehalten bleiben. Der Gesetzgeber müsse vielmehr selbst hinreichend bestimmt haben, welche Maßnahmen i.S.v. § 3 EKrG erforderlich seien. Es sei unerheblich, dass die Fa. X. insolvent sei. Die Klägerin müsse sich darauf verweisen lassen, dass sie es jederzeit in der Hand gehabt habe, ein kostengünstiges Alternativverfahren zu entwickeln und seine Zulassung beim Eisenbahnbundesamt zu beantragen. Ein solches günstigeres Verfahren müsse es angesichts der erheblichen Kosten für den kompletten Umbau der Anlage geben. Nach den Äußerungen der beteiligten Stellen und Behörden sei davon auszugehen, dass die realisierte Umbaumaßnahme auch Zwecken der Rationalisierung des Bahnbetriebes auf der gesamten Strecke gedient habe. Die dafür aufgewendeten Kosten könnten dem weiteren Kreuzungsbeteiligten nicht in Rechnung gestellt werden. Die finanzielle Situation der Gemeinde sei derart prekär, dass sie in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Finanzhoheit gefährdet wäre, sollte sie zur Zahlung der geltend gemachten Forderung verurteilt werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist fristgerecht binnen Monatsfrist nach § 124a Abs. 6 Sätze 1 und 2 VwGO begründet worden, die Berufungsbegründung enthält Antrag und Gründe (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Umstellung des zunächst auf eine Feststellung i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO gerichteten Klageantrages auf eine Leistungsklage und deren spätere betragsmäßige Abänderung sind als nicht zustimmungspflichtige Klageerweiterung i.S.v. § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 02.09.1991 – 7 L 34/90 –, juris, Rn. 24; BGH, Urt. v. 04.10.1984 – VII ZR 162/83 –, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 91 Rn. 9).

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II. Die Berufung ist mit der Hauptforderung auch begründet (1.), hinsichtlich der Zinsforderung nur zum Teil begründet (2.).

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1. Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Zahlung von 177.639,50 € ist § 13 EKrG. Diese Vorschrift regelt einen materiellrechtlichen Anspruch eines Kreuzungsbeteiligten auf Erstattung der Änderungskosten eines Bahnüberganges (BVerwG, Urt. v. 05.12.2000 – 11 C 6.00 –, BVerwGE 112, 253, 257; Urt. v. 12.06.2002 – 9 C 6/01 –, juris).

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Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch aus § 13 EKrG ist nicht der Abschluss einer Vereinbarung oder eine Anordnung i. S. v. § 3 EKrG. Soweit § 13 EKrG die in dieser Vorschrift getroffene Kostenfolge davon abhängig macht, dass eine Maßnahme nach § 3 EKrG durchgeführt wird, verweist die Regelung nur auf die materiellen, nicht jedoch auf die formellen Voraussetzungen des § 3 EKrG (BVerwG, a.a.O.; a.A. Marschall/Schweins-berg, Eisenbahnkreuzungsgesetz, 5. Aufl., § 6, Punkt 1.“Vorrang des Vereinbarungsprinzips“).

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Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 3 EKrG liegen vor. Danach sind Kreuzungen durch die Einrichtung technischer Sicherungen, insbesondere von Schranken oder Lichtsignalen zu ändern, wenn und soweit es die Sicherheit oder die Abwicklung des Verkehrs unter Berücksichtigung der übersehbaren Verkehrsentwicklung erfordert. Hierbei handelt es sich um gerichtlich voll überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. OVG Magdeburg, Urt. v. 13.04.2000 - 1 L 50/00 -, juris, Rn. 44; Marschall/Schweinsberg, a.a.O., § 3 Rn. 2.1).

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Die Sicherheit des Verkehrs erfordert die Änderung der Kreuzung Schiene/Straße, wenn an der Kreuzung Gefahren herrschen, die beseitigt werden müssen. Nicht nur eine Steigerung des Verkehrsaufkommens kann eine Gefahrenträchtigkeit verursachen, sondern die Befriedigung eines Sicherheitsbedürfnisses kann auch im Wege der baulich-technischen Anpassung der Kreuzung an einen geänderten Sicherheitsstandard erfolgen. Für die Zuordnung von Baumaßnahmen zu § 3 EKrG reicht es aus, dass zusätzliche Anforderungen erfüllt werden sollen, die dem heute üblichen Standard entsprechen. Denn die Träger der sich kreuzenden Verkehrswege sind verpflichtet, das immer verbleibende im Zusammenhang mit der Kreuzung stehende Restrisiko unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Technik so gering wie möglich zu halten (BVerwG, Urt. v. 11.03.1988 – 4 C 75/84 –, juris, Rn. 13; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.10.1997 – 7 L 2839/95 –, juris, Rn. 6). Die Sicherheit des Verkehrs erfordert eine Änderung der Kreuzung auch dann, wenn der Sicherheit des Verkehrs dienende Rechtsvorschriften eine bestimmte technische Ausstattung einer Bahnübergangssicherungsanlage verlangen, die dort noch nicht vorhanden ist. Dies gilt insbesondere für die Vorschriften der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (vgl. Marschall/Schweinsberg, a.a.O., § 3 Rn. 2.1). Sie regelt die Sicherung der Bahnübergänge durch Lichtzeichen, Schranken und Blinklichter und dient damit der Sicherheit des Verkehrs am Bahnübergang. Solche Vorschriften haben hier den Umbau der Bahnübergangssicherungsanlage am Übergang Ducherow erfordert.

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Nach § 11 Abs. 6 EBO sind Bahnübergänge durch
1. Lichtzeichen (gelb/rot) oder Blinklichter (blinken rot ohne Gelbphase)
2. Lichtzeichen mit Halbschranken oder Blinklichter mit Halbschranken
3. Lichtzeichen mit Schranken oder
4. Schranken
technisch zu sichern, soweit keine andere Sicherung zugelassen ist. Als neue technische Sicherungen sollen Blinklichter und Blinklichter mit Halbschranken nicht mehr verwendet werden. Das nach dem Standard der Deutschen Reichsbahn am Bahnübergang Ducherow installierte Blinklicht im Andreaskreuz entsprach § 11 Abs. 6 EBO nicht. Die dort geregelten Blinklichter sind über dem Andreaskreuz vor einem schwarzen rechteckigen Hintergrund (Anlage 5 zu § 11 EBO, Bild 5) und nicht im Andreaskreuz angebracht. Die der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung gemäße Umrüstung der Bahnübergangssicherungsanlage auf eine sogenannte EBÜT 80-Anlage mit Lichtzeichen (rot/gelb) und Halbschranken war damit grundsätzlich aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs erforderlich, zumal Blinklichter als neue technische Sicherungen nicht mehr verwendet werden sollen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 EBO).

40

Die Umrüstung der alten HS/HL 64b-Anlage durch eine EBÜT-80 Anlage stellt daneben eine Beseitigung einer Gefahrenquelle auch deshalb dar, weil das mit der Installation von Lichtzeichen nach der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung einhergehende bundeseinheitliche Erscheinungsbild der Bahnübergangssicherungen Verunsicherungen der Verkehrsteilnehmer vermeidet und zu deren ordnungsgemäßem Verhalten beiträgt sowie die Ersetzung der vorhandenen Blinklichtanlagen durch Lichtzeichen zu einer höheren Wirksamkeit der Sicherung des Bahnüberganges führt. Das rote Dauerlicht der Lichtzeichenanlagen bedeutet eine eindeutigere Aufforderung für Straßenverkehrsteilnehmer zum Anhalten vor dem Bahnübergang; durch das vorgeschaltete gelbe Licht ergeben sich ein geordneteres Fahrverhalten und ein gezielterer Bremsvorgang (s. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mücke, Friedrich, Döring und weiterer Abgeordneter, BT-Drs. 16/1377, Seite 2/3; vgl. dazu auch Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Mallikat, Kommentar zur EBO, 5. Aufl., § 11 Rn. 55).

41

Schließlich liegt in der Errichtung der EBÜT-80 Anlage unabhängig davon auch deshalb ein Verkehrssicherheitsgewinn i.S.d. § 3 EKrG, weil aufgrund der Funktionsweise der HS/HL 64b-Anlagen bei bestimmten Zugbegegnungen am Bahnübergang – anders als bei EBÜT-80 Anlagen – keine Mindesträumzeit gewährleistet ist, die den anerkannten Regeln der Technik entsprochen hätte. Daher konnten aufgrund von Fehlhandlungen von Verkehrsteilnehmern an HS/HL 64b-Anlagen Unfälle nicht ausgeschlossen werden. Dies hat das Eisenbahn-Bundesamt in seinem Schreiben an die Klägerin vom 28. August 2001 plausibel dargelegt und mit Schreiben vom 1. Juli 2008 verdeutlicht.

42

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Kosten des Umbaus der Bahnübergangssicherungsanlage auch in voller Höhe nach § 13 EKrG erstattungsfähig. Die Klägerin musste sich nicht auf ein technisch andersgeartetes Verfahren zur Anpassung der Sicherungsanlage an die Vorschriften der Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung verweisen lassen. Ein kostengünstigeres Verfahren – darauf zielt das Vorbringen der Beklagten letztlich ab –, dessen im Vergleich zur Errichtung der EBÜT-80 Anlage niedrigeren Kosten dann nach §§ 3, 13 Abs. 1 Satz 1 EKrG allein zu Lasten der Beklagten erstattungsfähig wären, ist nicht ersichtlich (so auch OVG Magdeburg, Urt. v. 13.04.2000 – 1 L 50/00 –, juris, Rn. 48). Dies gilt für das Umrüstverfahren der Fa. X., das an mehrgleisigen Strecken niemals zulässig gewesen ist, wie für ein Umrüstverfahren zur Sicherstellung der angesprochenen Mindesträumzeit. Die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Mindesträumzeit vorgetragene Möglichkeit der Alternative einer alleinigen Anpassung der Regelungstechnik der alten Bahnübergangsanlagen an den Stand der Technik hält der Senat für spekulativ. Dazu, dass es überhaupt ein zugelassenes technisches Verfahren einer entsprechenden Zusatzschalteinrichtung gegeben hat und die von der Beklagten angesprochene technische Aufrüstung damit überhaupt objektiv möglich gewesen ist, verhält sich ihr Vortrag nicht. Von der Existenz eines solchen technischen Verfahrens ist zwischen den Beteiligen auch sonst nie die Rede gewesen, für den Senat ist ein solches auch nicht erkennbar.

43

Einen Grund, an der Richtigkeit der Stellungnahme des Eisenbahn-Bundesamtes vom 1. Juli 2008 zu zweifeln, wonach ein Umbau der vorhandenen Bahnübergangssicherungsanlage nicht genehmigungsfähig gewesen wäre und keine Alternative zum vollständigen Ersatz der vorhandenen Anlage bestanden habe (so auch schon das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 9. November 2007), sieht der Senat nicht. Das Eisenbahn-Bundesamt ist eine den gesetzlichen Vorschriften unterliegende, von der Klägerin unabhängige und mit Aufsichtsbefugnissen ausgestattete Bundesbehörde. Es gibt angesichts dessen keinen Anhaltspunkt, dass ihre Stellungnahme zur Frage von (fehlenden) technischen Alternativen zu der gewählten Errichtung einer EBÜT-80 Anlage von Interessen der Klägerin beeinflusst oder aus anderen Gründen unrichtig wäre. Weiter ist nichts für die Auffassung der Beklagten ersichtlich, dass das Eisenbahn-Bundesamt der Klägerin mit der Feststellung der Alternativlosigkeit des kompletten Ersatzes der Altanlage ein Gefälligkeitsgutachten erstattet haben könnte. Eine vor Abgabe einer solchen Bewertung zunächst erforderliche Auseinandersetzung mit den oben erwähnten Stellungnahmen des Eisenbahn-Bundesamtes – insbesondere derjenigen vom 1. Juli 2008 – liefert die Beklagte an keiner Stelle.

44

Fehlte eine tatsächlich verfügbare Alternative zur Neuerrichtung der EBÜT-80 Anlage, so bestand ebensowenig eine Verpflichtung der Klägerin, ein kostengünstigeres technisches Verfahren erst zu entwickeln oder sich im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 EKrG auf einen solchen (fiktiven) geringeren Kostenumfang verweisen zu lassen. Die Auswahl unter verschiedenen gegebenenfalls vorhandenen unterschiedlich kostenträchtigen Umbauvarianten hat sich auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden technischen Lösungen zu beziehen. Eine Verpflichtung zur Entwicklung einer von Dritten überhaupt nicht angebotenen kostengünstigeren Umbaulösung durch den Schienennetzbetreiber selbst kann dem Gesetz nicht entnommen werden und besteht daher nicht. Damit kann es auch keine Verpflichtung des Netzbetreibers zur Ermittlung der Baukosten einer solchen bislang nicht existenten Umbaulösung geben. Anderenfalls würde dieser zu einer Entwicklungsmaßnahme verpflichtet, deren Ergebnis er niemals zur Realisierung kommen lassen will. Eine derart weitgehende Verpflichtung des Kreuzungsbeteiligten kann §§ 3, 13 EKrG, wonach die Kosten durch den weiteren Kreuzungsbeteiligten nur soweit zu tragen sind, wie es die Sicherheit des Verkehrs erfordert, nicht entnommen werden.

45

Der Senat hat auch keinen hinreichenden Anlass anzunehmen, dass die Errichtung der EBÜT-80 Anlage durch den gleichzeitig erfolgten Neubau des elektronischen Stellwerkes Anklam kostenintensiver ausgefallen ist als dies bei Beibehaltung der bisherigen mechanischen Technik der Fall gewesen wäre. Dieser – auch seitens des Eisenbahn-Bundesamtes – formulierten Überlegung ist die Klägerin nach entsprechender Anfrage des Gerichtes nachvollziehbar entgegengetreten. Danach sind die Kosten für den Anschluss der Bahnübergangssicherungsanlage an das elektronische Stellwerk und der Herstellung der Überwachungsart „Hp“ als Bestandteil der Kosten des elektronischen Stellwerkes und nicht der Kostenmasse für die Umbaumaßnahme am Übergang Durcherow angesehen worden. Wäre die mechanische Stellwerkstechnik beibehalten worden, hätte eine spezielle Baugruppe zur Realisierung der technischen Abhängigkeiten der Überwachungsart „Hp“ für die gegebenen örtlichen Verhältnisse erst entwickelt und gebaut werden müssen (BÜS-Gestell im Fahrdienstleiterstellwerk B2). Die dafür entstehenden sowie weitere Kosten (Kabeltiefbau) wären der Errichtung der neuen Bahnübergangssicherungsanlage zugerechnet worden und hätten diese verteuert. Dieser Darstellung ist die Beklagtenseite mit keinen substantiellen Einwänden entgegengetreten.

46

Schließlich sind auch die Kosten für die Verbreiterung der Straße als erforderlich i.S.v. § 3 EKrG anzusehen. Nach Punkt 1 der Richtlinie 815 „Bahnübergangsanlagen planen und instand halten; Bautechnische Anlagen von Bahnübergängen gestalten“ muss im Bereich von Bahnübergängen mit technischer Sicherung eine Fahrbahnbreite von mindestens 5,50 m geschaffen werden. Diese Mindestbreite soll beiderseits des Bahnüberganges im Bereich der Aufstelllänge vorhanden sein, damit ein gefahrloses Räumen des Bahnüberganges möglich ist. Die Richtlinie 815 gibt für die Klägerin den Stand der Technik zur Bahnübergangssicherung wieder und ist durch das Eisenbahn-Bundesamt als technisches Regelwerk anerkannt. Nach § 2 EBO müssen Bahnanlagen so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Anlagen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Damit hat die Klägerin mit der Verbreiterung der Fahrbahn im Übergangsbereich den Bahnübergang den Anforderungen der Sicherheit angepasst. Die Baumaßnahme fällt damit insoweit unter § 3 EKrG.

47

Dem Leistungsanspruch der Klägerin steht der Einwand der Beklagten, dieser gefährde sie in ihrer gemeindlichen Finanzhoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG, sollte sie zur Zahlung verpflichtet werden, nicht entgegen. Die Garantie der kommunalen Finanzhoheit umfasst grundsätzlich einen gegen das Land gerichteten Anspruch der Gemeinden auf eine angemessene Finanzausstattung, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht (LVerfG M-V, Urt. v. 26.01.2012 – 18/10 –, juris). Dieser Anspruch besteht nicht gegenüber Privaten (Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 28, Rn. 18). Vorliegend geht es nicht um die Einengung finanzieller Handlungsspielräume der Beklagten wegen unzureichender Finanzausstattung durch das Land, sondern um einen Kostenerstattungsanspruch der nicht hoheitlich tätigen Klägerin. Ein solcher Anspruch wird von der gemeindlichen Finanzgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG nicht erfasst. Die Klägerin ist nicht Adressatin der sich aus dieser Verfassungsbestimmung ergebenden Verpflichtungen.

48

Die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruches allein ist zwischen den Beteiligten nicht streitig gewesen. Maßgeblich für die Höhe des Aufwendungsersatzanspruches nach § 13 EKrG ist die Verordnung über die Kosten von Maßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz (vgl. Marschall/Schweinsberg, EKrG, 5. Aufl., A 6.). Nach § 2 dieser Verordnung setzt sich die Kostenmasse zusammen aus den Grunderwerbskosten, den Baukosten und den Verwaltungskosten. Nach § 5 der Verordnung kann jeder Beteiligte 10% der von ihm aufgewandten Grunderwerbskosten und Baukosten als Verwaltungskosten in Rechnung stellen. Diese Kostenarten sind u.a. in der Schlussrechnung der Klägerin vom 7. Mai 2008 enthalten.

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2. Die geltend gemachte Zinsforderung ist hingegen nur zum Teil begründet. Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 120.150,- Euro seit dem 13. Januar 2006 besteht nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Grundsätzlich hat die Klägerin Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2002 – 9 C 6/01 –, juris), d.h. ab Eintritt der Rechtshängigkeit der Forderung. Rechtshängigkeit tritt ein mit Erhebung der Klage (§ 90 VwGO). Erstmals bei Gericht geltend gemacht worden ist die Forderung mit am 11. Januar 2006 eingegangenem Schriftsatz. Der Zinsanspruch beschränkt sich jedoch auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gem. § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Der Anspruch nach § 288 Abs. 2 BGB besteht nicht. Diese Vorschrift, wonach bei Rechtsgeschäften, an denen Verbraucher nicht beteiligt sind, der Zinssatz für Entgeltforderungen 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, findet nämlich keine Anwendung, wenn es sich bei dem geltend gemachten Anspruch nicht um eine Entgeltforderung handelt und die Beteiligten nicht in einem vertraglichen Austauschverhältnis stehen. Für eine entsprechende Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB gibt es daher bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als gesetzlichem Anspruch keine ausreichende Analogiebasis (BVerwG, Urt.v. 18.03.2004 – 3 C 23/03 –, juris).

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Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von weiteren Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von 57.489,50 Euro seit dem 11. August 2008 beschränkt sich als Teil des eisenbahnkreuzungsrechtlichen Erstattungsanspruches aus den soeben genannten Gründen ebenfalls nur auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Darüberhinaus besteht er nur ab gerichtlicher Geltendmachung. Verzugszinsen (§ 288 BGB) können nur im Falle vertraglicher Ansprüche, nicht jedoch im Falle des Aufwendungsersatzanspruches nach § 13 EKrG gewährt werden. Im Falle des Anspruches nach § 13 EKrG verbleibt es bei der Gewährung von Prozesszinsen (BVerwG, Urt. v. 12.06.2002, a.a.O). Der Anspruch ist rechtshängig gemacht worden mit Eingang der Berufungsbegründung unter entsprechender Klageerweiterung am 10. Juli 2012. Der Anspruch auf Prozesszinsen besteht somit erst ab diesem Zeitpunkt. Dementsprechend war die Klage im Übrigen abzuweisen.

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III. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

52

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.

53

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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