Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 175/12
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts A-Stadt – 1. Kammer – vom 25. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit dem behördlich festgestellten Erlöschen ihrer Niederlassungserlaubnis.
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Durch Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die damals 7-jährige Antragstellerin im August 2005 das Bundesgebiet zwecks Schulbesuchs bis zum Abitur aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund verlassen habe. Die ihr am 22. November 1999 erteilte Niederlassungserlaubnis sei nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG kraft Gesetzes erloschen.
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Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) führt nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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Soweit vorgetragen wird, dass einem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis der besondere Schutz, den Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK der minderjährigen Antragstellerin wegen der persönlichen Beziehungen zu ihren im Bundesgebiet ansässigen Eltern vermittele, entgegenstünde, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Antragstellerin hat – worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat – grundsätzlich die Möglichkeit auch weiterhin in unterrichtsfreien Zeiten mit einem (Schengen-)Visum für kurzfristige Aufenthalte in das Bundesgebiet einzureisen.
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Auch das Vorbringen, maßgeblich für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG müsse die Wohnsitzbestimmung i.S. des § 11 BGB sein, vermag nicht zu überzeugen. Eine derartige Verknüpfung der „nicht nur vorübergehenden Ausreise“ mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Wohnsitz natürlicher Personen, sieht das Gesetz nicht vor. Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG kann zwar der Wohnsitz, an dem der Ausländers gemeldet ist, ein Indiz begründen, aufenthaltsrechtlich entscheidend ist dies aber nicht. Denn zwar ist auch der innere Wille des Ausländers bzw. hier der der Eltern der Antragstellerin zur Bestimmung der Dauerhaftigkeit der Ausreise zu berücksichtigen; letztlich entscheidend kommt es aber auf den objektivierten Zweck und die Dauer des Aufenthalts im Ausland an (vgl. BVerwG, Urt. v. 30. April 2009 – 1 C 6.08 –, zit. nach juris Rn. 21 m.w.N.; VGH München, Urt. v. 2. November 2010 – 10 B 09.1771 –, zit. nach juris Rn. 25; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 9. Juli 2010 – OVG 3 N 58.10 –, zit. nach juris Rn. 7). Insoweit bietet auch das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren keine Veranlassung, die Annahme, eine Ausreise zum vollständigen Schulbesuch in der Ukraine bis zum Abitur, der in seinem zeitlichen Umfang den entsprechenden Ausbildungen in der Bundesrepublik Deutschland entspricht, habe eine in diesem Sinne wesentliche Dauer, zu erschüttern. Darüber hinaus übergeht das Beschwerdevorbringen, dass auch neben dem gesetzlichen Wohnsitz des Kindes am Wohnsitz der Eltern nach § 11 Satz 1 BGB durchaus ein gewillkürter Wohnsitz des Kindes nach den §§ 7, 8 BGB, wie er hier wohl in Kiew begründet worden sein dürfte, möglich ist (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1). Schließlich kommt es auch nicht entscheidend auf die (möglicherweise unrichtige) melderegisterrechtliche Hauptwohnung an.
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Soweit weiter mit der Beschwerde für die Antragstellerin vorgetragen wird, dass die behördliche Annahme, die Niederlassungserlaubnis sei erloschen, der der Antragstellerin bestandskräftig zugesprochenen Rechtsstellung eines Flüchtlings in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommenen Flüchtlinge (HumHAG) vom 11. November 1999 zuwiderlaufe, ist bereits nicht hinreichend dargelegt, worauf sich diese Behauptung stützen lässt. Im Übrigen kann der Aufnahmezusage des Bundesverwaltungsamts zugunsten der jüdischen Immigrantin aus der ehemaligen Sowjetunion aus dem Dezember 1998 jedenfalls nach dem Inkrafttreten des § 23 Abs. 2 AufenthG keine der allgemeinen Begründung der Ausreisepflicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG entgegenstehende Rechtsstellung der Antragstellerin entnommen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. März 2012 – 1 C 3.11 –, zit. nach juris Rn. 27 ff.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- BGB § 7 Wohnsitz; Begründung und Aufhebung 1x
- BGB § 11 Wohnsitz des Kindes 2x
- § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG 4x (nicht zugeordnet)
- §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- § 23 Abs. 2 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 8 Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger 1x
- VwGO § 146 1x