Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (10. Senat) - 10 L 154/14

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin wird geändert.

Der Beklagte wird wegen Dienstvergehens zu einer Kürzung seiner jeweiligen Ruhegehaltsbezüge um 1/10 für die Dauer von 36 Monaten verurteilt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vom Gericht festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Aberkennung der Ruhegehaltsbezüge des Beklagten.

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Der 1969 geborene Beklagte stand zuletzt im Dienstgrad eines Polizeiobermeisters im Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern und war Streifenbeamter im Polizeirevier X. Er war im Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage ledig und Vater von zwei Kindern. Er wurde wegen eines Dienstunfalls krankheitsbedingt zum 01.04.2010 in den Ruhestand versetzt. Er erhält ein Ruhegehalt von gegenwärtig 1744,95 € netto. Er leistet seiner minderjährigen Tochter Unterhalt in Höhe von 356,00 € monatlich. Seinem volljährigen Sohn leistet er einen Ausbildungsunterhalt von 100,00 € monatlich.

3

Aufgrund eines internationalen Ermittlungsverfahrens gegen die Nutzer einer Internetadresse, über die kinderpornografisches Material getauscht bzw. gekauft werden konnte, ergab sich ein Tatverdacht gegen den Beklagten. Bei der Durchsuchung seines privaten Computers wurde festgestellt, dass auf diesem mindestens 14 kinderpornographische Bilder gespeichert waren; in der Akte der STA A-Stadt (Sonderheft I) finden sich Ausdrucke von über 40 pornografischen Bildern, darunter auch kinderpornografische Abbildungen und Hinweise auf entsprechende Videos, die auf dem Computer gespeichert waren. Im Abschlussvermerk der Kriminalpolizei wird von 26 Treffern im Bereich der Kinderpornografie gesprochen. Weiter waren 14 Softwareprogramme auf diesem Computer aufgespielt, die nachweislich nicht legal erworben worden waren.

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Gegen den Beklagten erging ein Strafbefehl zu 100 Tagessätzen zu je 50,00 €, insgesamt 5.000,00 € wegen im Einzelnen aufgelisteter Vergehen nach §§ 106, 109, 53 UrhG und §§ 184b Abs. 4 Satz 2, Abs. 6, 53 StGB in der Fassung vom 27.12.2003. Dagegen legte der Beklagte Einspruch ein; das Amtsgericht A-Stadt verurteilte den Beklagten mit rechtskräftigem Urteil vom 12.05.2009 wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Urheberrechtsverletzung in 13 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,00 €. Diese Gesamtgeldstrafe setzt sich aus 135 Tagessätzen wegen der Urheberrechtsverletzung und 30 Tagessätzen wegen der kinderpornografischen Schriften zusammen. Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Beklagten sein Geständnis hinsichtlich der Verstöße gegen das Urhebergesetz gewertet. Hinsichtlich der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf den Strafbefehl Bezug genommen, der diese im Einzelnen auflistet.

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Der Kläger erhob am 29.06.2010 gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts. Diese stützt sich auf die Sachverhalte, die zur strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten geführt hatten und auf folgenden weiteren Sachverhalt: Der Beklagte sei am 20. und 24.08.2009 unentschuldigt nicht zu den durch den Leiter der Polizeidirektion A-Stadt und für den 20.08.2009 durch die Polizeiärztin dienstlich anberaumten Terminen erschienen. Der Beklagte habe seine damals aktuelle Wohnanschrift seinem Dienstherrn nicht mitgeteilt und sei auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen.

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Mit Urteil vom 20.02.2014 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zu einer Kürzung seiner jeweiligen Ruhegehaltsbezüge um 1/10 für die Dauer von 24 Monaten verurteilt. Es hat das Urteil mit der Überlegung begründet, der Beamte habe sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht. Doch seien die Straftaten ihrem Gewicht nach am unteren Bereich angesiedelt. Das Strafgericht habe für den Besitz kinderpornografischer Schriften eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen und für die Urheberrechtsverletzung von 10 bzw. 15 Tagessätzen ausgeworfen und eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen gebildet. Angesichts der langen und beanstandungsfreien Dienstzeit und der auch durch Dienstunfälle verursachten Zurruhesetzung des Beklagten wiege die Tat nicht so schwer, dass ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten sei. Bei einem aktiven Beamten sei eine Zurückstufung die angemessene Ahndung gewesen, so dass die Kürzung des Ruhegehaltes um 1/10 angemessen sei. Die weiter vorgeworfene Dienstpflichtverletzung des Nichterscheinens zu dienstlichen Terminen sei ausgeschieden worden.

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt. Er begründet die Berufung mit der Überlegung, dass einzelne der im Besitz des Beklagten befindlichen Bilder das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern dokumentierten. Der Beklagte habe durch sein Verhalten: professionelle Verbreitung dieser Bilder, Verbrechen gefördert. Dies begründe eine besondere Schwere der Tat. Die lange beanstandungsfreie Dienstzeit des Beklagten berühre die Schwere der Tat nicht und reiche auch angesichts der Schwere der Tat nicht aus, um einen Milderungsgrund darzustellen. Gleiches gelte für die Versetzung in den Ruhestand. Diese sei nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens erfolgt. Zudem habe das Verwaltungsgericht die Verurteilung wegen der Verletzung des Urhebergesetzes nicht berücksichtigt. Schließlich habe das Verwaltungsgericht sich zu eng an die Strafzumessung des Amtsgerichts angelehnt.

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Der Kläger beantragt,

9

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 20.02.2014 zu ändern und dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, weist auf die nur kurze Zeitspanne des Herunterladens der Dateien: 23.12.2007 – 02.01.2008 hin, aus der sich eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat ableiten lasse, und verweist insbesondere auch auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Anhaltspunkte für besondere, disziplinarrechtlich bedeutsame Umstände, die eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen würden, lägen nicht vor.

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Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

15

Die Berufung ist nur teilweise begründet, weil das disziplinarrechtlich zu wertende Fehlverhalten des Beklagten die Aberkennung des Ruhegehalts nach § 14 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz M-V vom 04.07.2005, zuletzt geändert durch Art. 3 Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz v. 11.11.2013 (LDG M-V a.F.) nicht rechtfertigt. Voraussetzung der Aberkennung des Ruhegehalts ist nach § 15 Abs. 2 S. 2 LDG M-V a.F., dass der Beamte wegen der Schwere des Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies kann der Senat bei Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände im konkreten Fall des Beklagten nicht feststellen.

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Ausgangspunkt der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens des Beklagten ist seine rechtskräftige Verurteilung wegen zum einen des – außerdienstlichen – Besitzes kinderpornografischer Schriften und zum anderen wegen eines - außerdienstlichen – Verstoßes gegen das Urheberrecht. Entgegen dem Verständnis des Verwaltungsgerichts erfolgte in diesem Fall nicht eine Strafzumessung in Höhe von 10 bzw. 15 Tagessätzen, sondern für 12 der festgestellten Vergehen wurden jeweils 10 Tagessätze und für das festgestellte 13. Vergehen dieser Art 15 Tagessätze ausgeworfen. Insgesamt ergeben sich daraus 135 Tagessätze zu 40,00 €. Mit Blick auf die Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe hält sich diese Verurteilung im unteren Bereich des Strafmaßes. Der Beklagte bestreitet den ihm zur Last gelegten Sachverhalt nicht.

17

Hinsichtlich des außerdienstlichen Besitzes von kinderpornografischen Bildmaterials hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zusammenfassend und konkretisierend entschieden (Urt. v. 18.06.2015 – 2 C 9/14, juris):

18

„Schwerwiegende Straftaten können auch deliktsbezogen identifiziert werden (vgl. zur Zuordnung bestimmter Straftaten zu einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 40 m.w.N.). Bestimmte Straftaten bewirken bereits aus der Art ihres Unrechtsgehalts einen Vertrauensschaden, der eine weitere Tätigkeit als Beamter untragbar erscheinen lässt. Lässt sich ein Beamter bestechen, ist er als Sachwalter einer gesetzestreuen und unabhängigen Verwaltung nicht mehr denkbar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 29). Unabhängig vom konkret verhängten Strafmaß und vom Amt des Beamten ist in der Rechtsprechung insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern oder Schutzbefohlenen als außerdienstliche Verfehlung bewertet worden, die eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gebietet (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 18; Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 B 44.09 - juris Rn. 12).

19

c) Entsprechendes kann für den Besitz von kinderpornographischen Schriften nicht gelten. Zwar trägt die Nachfrage nach derartigen Bild- oder Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 19). Da es beim bloßen Besitz entsprechender Darstellungen aber an einem unmittelbaren Eingriff des Beamten in die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder fehlt, ist die Variationsbreite möglicher Verfehlungen zu groß, um generell von einer hinreichenden Schwere der außerdienstlichen Pflichtverletzung ausgehen zu können. Die außerdienstlich begangene Straftat kann daher nicht bereits deliktstypisch als derart gravierend erachtet werden, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gerechtfertigt erscheint (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25).

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Das Ausmaß des durch die außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens muss daher im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Hierzu kann auf den Strafrahmen zurückgegriffen werden, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

21

Für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften hat der Senat aus dem seit 2004 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Die Anhebung der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften auf bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe durch § 184b Abs. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) ist erst nach der hier vorliegenden Tatbegehung in Kraft getreten und kann daher nicht berücksichtigt werden.

22

Weist ein Dienstvergehen indes - wie hier - hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

23

Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 32, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 21). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2014 - 2 B 111.13 - juris Rn. 13). Der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften setzt deshalb voraus, dass das Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere also Anzahl, Art und Inhalt der Darstellungen, als besonders verwerflich einzustufen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11, vom 19. März 2013 - 2 B 17.12 - juris Rn. 5 und vom 5. April 2013 - 2 B 79.11 - juris Rn. 7).

24

Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat indiziell auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. zur Bezugnahme auf eine verhängte Freiheitsstrafe und den "Gleichklang zum Strafrecht" auch BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26). Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu (vgl. zur Bezugnahme der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung auf die strafrechtliche Sanktion aber § 14 LDG BB). Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 2012 - 2 B 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10, jeweils a.E.). Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist.

25

Ist von den Strafgerichten nur auf eine Geldstrafe erkannt oder das Strafverfahren eingestellt worden und sind die Strafverfolgungsorgane damit nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgegangen (vgl. § 153a Abs. 1 StPO), bedarf der Ausspruch einer statusberührenden Disziplinarmaßnahme daher einer besonderen Begründung der Disziplinargerichte zur Schwere der Verfehlung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hier nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht.

26

Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist auch die besondere Stellung von Polizeibeamten zu berücksichtigen. Außerdienstlich begangene Vorsatzstraftaten führen hier angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung regelmäßig zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen. Die mit § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei von Polizeibeamten begangenen Straftaten daher nur eingeschränkt zum Tragen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens für das Disziplinarrecht einzuschränken, gilt indes auch für die Beamten dieser Ämter. Der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens muss daher auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 33). Jedenfalls statusberührende Disziplinarmaßnahmen kommen deshalb nur bei schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht.“

27

Aus den im Besitz des Beklagten befindlichen kinderpornografischen Schriften in Form von Fotografien/Bildern folgen keine so schwerwiegenden Verfehlungen, dass eine statusberührende Disziplinarmaßnahme in Form der Aberkennung des Ruhegehaltes gerechtfertigt ist. Der Verurteilung nach § 184b Abs. 4 S. 2 StGB liegt der insoweit nicht bestrittene Besitz von 14 kinderpornografischen Bildern zugrunde. Die Zahl dieser Bilder ist gering; das gilt auch dann, wenn weitere in den Ermittlungsakten enthaltene Bilder, die auf dem Computer des Beklagten gespeichert waren, als kinderpornografisch eingestuft werden, weil die Gesamtzahl dieser Bilder dann 26 beträgt.

28

Auch aus der Art der kinderpornografischen Schriften ergibt sich nach Überzeugung des Senats keine besondere Schwere der Verfehlung. Es handelt es sich um Standbilder, nicht um Videos. Schließlich ergibt sich auch aus dem Inhalt der Bilder keine besondere Schwere der Verfehlung. Die Bilder zeigen teilweise Minderjährige beim Geschlechtsverkehr mit erwachsenen Männern bzw. ebenfalls mit Minderjährigen; im Übrigen handelt sich nach den Feststellungen im Tatbestand des Strafbefehls um so genannte „Posings“, also die alleinige Abbildungen nackter Körper unter gezielter Darstellung der Geschlechtsteile. Dass die Entstehung dieser Bilder teilweise nach deutschem Strafrecht erst durch das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ermöglicht worden sein könnten, spielt nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht aus sich heraus eine maßgebliche Rolle. Entscheidend ist der Schweregehalt des kinderpornografischen Materials. Das Amtsgericht hat diesen bei seiner Strafzumessung aber nicht als im oberen Bereich des Schweregehalts des Straftatbestandes des Besitzes kinderpornografischer Schriften liegend bewertet, wie sich aus seiner Strafzumessung: 30 Tagessätze zu 40,00 € ergibt. Daran ist der Senat zwar nicht gebunden, hat dies aber berücksichtigt und geht ebenfalls von einem nicht schwerwiegenden Fehlverhalten aus. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall in seinen Einzelheiten: Inhalt der kinderpornografischen Bilder, von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.2014 – 21 B 75/14, NVwZ-RR 2015, 223, zugrunde lag.

29

Soweit in den Ermittlungsakten weiteres kinderpornografisches Material ausgedruckt ist, das vom privaten Computer des Beklagten stammt, steht dieses zwar zur Beurteilung des Disziplinargerichts, weil es nicht zum Gegenstand des strafgerichtlichen Verfahrens geworden ist. Soweit es kinderpornografischen Inhalt hat, hat eine Durchsicht jedoch nichts dafür ergeben, dass sich dieses Material im Schweregrad von dem zur Verurteilung führenden unterscheidet. Insoweit führt der Hinweis des Klägers auf dieses zusätzliche Material nicht zu besonderen disziplinarrechtlich bedeutsamen Umständen.

30

Für die rechtliche Wertung ist weiter von Bedeutung, dass sich der Besitz von kinderpornografischem Material nur für den 30.12.2007 nachweisen lässt. An diesem Tag wurden die ermittelten Dateien heruntergeladen. Ein früherer Besitz weiteren kinderpornografischer Schriften lässt sich nicht nachweisen, weil das Betriebssystem erst am 29.12.2007 und die Datenpartition am 23.12.2007 auf dem privaten Computer des Beklagten installiert wurden, so dass alle früheren Daten nicht auffindbar sind.

31

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist weiter zu berücksichtigen, dass der Beklagte neben dem Vergehen des Besitzes von kinderpornografischem Material auch einen außerdienstlichen vorsätzlichen Verstoß gegen das Urhebergesetz in 13 Fällen begangen hat. Dieses außerdienstliche Verhalten weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf, weil es sich um eine erhebliche Vorsatztat handelt (vgl. BVerwG Urt. v. 18.06.2015 – 2 C 9/14). Eine solche Erheblichkeit liegt hier vor, denn der Beklagten hat in einer Mehrzahl von Fällen das Urhebergesetz verletzt. Strafrechtlich ist die Schwere dieses Verstoßes vom Amtsgericht aber ebenfalls als am unteren Rand liegend bemessen worden, wie sich aus der dafür gebildeten Geldstrafe von insgesamt 135 Tagessätzen ergibt. Der Senat hat keinen Anlass, dieser Bewertung nicht zu folgen. Er hat aber berücksichtigt, dass sich in diesem strafbewehrten Handeln des Beklagten mangelnder Respekt vor der Rechtsordnung ausdrückt, wenn es um persönliche geldwerte Vorteile seiner Person geht.

32

Sonstige Umstände aus der Persönlichkeit des Beklagten, die für die Entscheidung zu berücksichtigen sind, werden von den Beteiligten nicht vorgetragen. Sie ergeben sich auch nicht aus der Personalakte des Beklagten. Dass er dienstunfallbedingt in den Ruhestand versetzt wurde, ist unerheblich, weil es mit der Frage der endgültigen Zerstörung des Vertrauens nicht im Zusammenhang steht und auch nicht als für die Persönlichkeit des Beklagten maßgeblich Berücksichtigung finden kann. Ebenso wenig ist ausschlaggebend, dass er seinen Dienst unbeanstandet versehen hat. Das ist eine bloße Selbstverständlichkeit. Er hat auch keine Vorgesetztenposition inne, die eine Entfernung aus dem Dienst unter den geschilderten Umständen rechtfertigen könnte. Für den Beklagten sprechen auch nicht besondere Verdienste oder die Annahme eines Augenblicksversagens. Das bewusste Suchen nach Dateien mit dem Inhalt, der dem Beklagten zur Last gelegt wird und die Urhebergesetzverstöße schließen es aus, dass der Beklagte einem Augenblickversagen unterlag.

33

Unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beklagten und dem Schweregehalt des von dem Beamten konkret begangenen Dienstvergehens vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Beklagte bei der gebotenen objektiven Betrachtung das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Es fehlt an der besonderen Verwerflichkeit des Dienstvergehens. Unter Berücksichtigung aller Umstände hält der Senat eine Kürzung des Ruhegehaltes um 1/10 für die Dauer von drei Jahren für angemessen. Dabei hat er zum einen berücksichtigt, dass eine längere Dauer der Kürzung nach § 13 LDG M-V a.F. nicht möglich ist und zum anderen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kürzung den Beklagten erheblich treffen.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 LDG M-V a.F., 155 Abs. 1 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 3 LDG M-V a.F., 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

36

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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