Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 891/19 OVG

Tenor

Auf die Beschwerden des Antragstellers und des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 15. November 2019 geändert:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19. September 2019 gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05. September 2019 wird insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller die Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts für die Dauer von 3 Jahren ab dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand, mithin bis zum 31. Oktober 2021, in Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig werden könnten, untersagt wird.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19. September 2019 gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05. September 2019 wird insoweit wiederhergestellt, soweit dem Antragsteller generell die „of counsel“ Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts außerhalb der Öffentlichkeit, insbesondere innerhalb anwaltlicher Kanzleiräume, untersagt wird.

Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.

Im Übrigen werden die Beschwerden jeweils zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht tragen der Antragsteller zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, ein Staatsanwalt im Ruhestand, wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Untersagungsverfügung des Antragsgegners, mit der ihm für die Dauer von drei Jahren ab dem Eintritt in den Ruhestand, und damit bis zum 31.10.2021, eine Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig sind oder anhängig werden könnten, untersagt wird.

2

Mit Beschluss vom 25.11.2019 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05.09.2019 abgelehnt; zugleich hat es im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 die Befugnisse der Tätigkeit des Antragstellers als Steuerberater gemäß § § 2, 3, 33 StBerG und § 392 AO nicht umfasst.

3

Gegen den ihnen jeweils am 03.12.2019 zugestellten Beschluss haben der Antragsgegner am 03.12.2019 sowie der Antragsteller am 09.12.2019 Beschwerde eingelegt.

4

Der Antragsteller trägt vor, die Untersagungsverfügung greife in seine Berufsausübungsfreiheit ein (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Soweit ihm in der Untersagungsverfügung die Bearbeitung von zukünftig möglicherweise bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängigen Verfahren untersagt werde, sei der Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt, weil davon eine nicht abgrenzbare Anzahl von möglichen zukünftig „verbotenen“ Verfahren erfasst werde. Dies gelte insbesondere für zukünftig übernommene steuerrechtliche Mandate. Auch bei der Übernahme zivilrechtlicher Mandate lasse sich nicht vorhersagen, ob der zugrundeliegende Sachverhalt nicht möglicherweise später Gegenstand eines Strafverfahrens werde. Er sei weder objektiv noch subjektiv in der Lage, zukünftig in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Schwerin fallende Strafverfahren zu erkennen. Im Übrigen fehle es an einer Güter- bzw. Interessenabwägung mit dem Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Gleiches gelte für Verfahren, die nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig seien. Insoweit fehle es an einem kausalen Zusammenhang mit der früheren dienstlichen Tätigkeit.

5

Schließlich sehe das Verwaltungsgericht unzutreffenderweise auch anwaltliche nicht-öffentlich erkennbare Tätigkeiten in den Kanzleiräumen (Of-Counsel-Tätigkeiten) als von dem Untersagungsverbot umfasst an.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

1. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.11.2019 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19.09.2019 gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05.09.2019 wiederherzustellen, soweit dem Antragsteller die Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts

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a. in Verfahren, die gegenwärtig nicht bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig sind, und

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b. in Verfahren, die aufgrund der Abgabe an andere Behörden oder Gerichte nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft anhängig sind

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untersagt wird.

11

2. unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.11.2019 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19.09.2019 gegen die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05.09.2019 wiederherzustellen, soweit dem Antragsteller generell die „of counsel“ Tätigkeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts außerhalb der Öffentlichkeit, insbesondere innerhalb anwaltlicher Kanzleiräume, untersagt wird.

12

Der Antragsgegner beantragt,

13

1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.11.2019 aufzuheben und

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2. den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Schwerin vom 05.09.2019 sowie den Antrag des Antragstellers, vorläufig festzustellen, dass die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 die Befugnisse der Tätigkeit des Antragstellers als Steuerberater gemäß § § 2, 3, 33 StBerG und § 392 AO nicht umfasst, zurückzuweisen.

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Er trägt im Wesentlichen vor, die Anträge richteten sich gegen den falschen Passivlegitimierten und seien daher als unzulässig bzw. jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

16

Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Antrages, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches auch insoweit wiederherzustellen, das es Verfahren betrifft, die nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig seien. Auf solche Verfahren erstrecke sich die Untersagungsverfügung nicht.

17

Hinsichtlich des Feststellungsantrages fehle dem Antragsteller die Antragsbefugnis, da sich dem Wortlaut der Untersagungsverfügung eine Erstreckung auf die Tätigkeit als Steuerberater nicht entnehmen lasse. Zudem fehle ihm das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da er sich nicht zuvor an die zuständige Verwaltungsbehörde zwecks aus seiner Sicht notwendiger Klarstellung gewandt habe.

18

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

19

1. Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde (vgl. §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) des Antragsgegners hat nur teilweise Erfolg.

20

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die (angefochtene) Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats vom 10.04.2012 - 2 M 1/12 -, m.w.N.).

21

Aus den vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern.

22

Soweit der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung vorträgt, der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes richte sich gegen den falschen Antragsgegner, hat seine Beschwerde keinen Erfolg. Der „Leitende Oberstaatsanwalt in Schwerin“ ist in dem vorliegenden Verfahren richtiger Antragsgegner im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Danach ist die Klage gegen die Behörde selbst zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Eine entsprechende Regelung für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist in § 14 AGGerStrG MV enthalten, wonach Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen die Behörde zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Der Antragsgegner hat vorliegend die streitgegenständliche Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 nach § 79 Abs. 2 LBG MV i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 AGGerStrG MV als letzter Dienstvorgesetzter und damit als für die Dienstaufsicht zuständige Behörde über die Staatsanwaltschaft seines Bezirks erlassen. Insofern ist er als erlassende Behörde der richtige Antragsgegner.

23

Vertreten wird der Antragsgegner durch die Generalsstaatsanwältin des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 LBG MV wird der Dienstherr bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis durch die oberste Dienstbehörde vertreten, der der Beamte untersteht oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses unterstanden hat. Oberste Dienstaufsichtsbehörde für die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes ist nach § 3 Abs. 1 AGGerStrG MV das Justizministerium. Die oberste Dienstbehörde kann nach § 103 Abs. 3 LBG MV die Vertretung durch allgemeine Anordnung anderen Behörden übertragen; die Anordnung ist im Amtsblatt MV zu veröffentlichen. Durch Erlass vom 09.08.2016 (Amtsbl. M-V 2016, 890) über die Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und seiner Behörden im Geschäftsbereich des Justizministeriums (Vertretungserlass Justiz) hat das Justizministerium geregelt, dass das Land in gerichtlichen Verfahren durch die Generalstaatsanwältin oder den Generalstaatsanwalt jeweils für ihren Geschäftsbereich vertreten wird (Ziff. 2.1 Buchst. e des Vertretungserlasses).

24

Das vorliegend um die Vertretung des Antragsgegners durch die Generalsstaatsanwältin berichtigte Rubrum trägt dem Rechnung. Die im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Mitteilung der Vertretung durch die Generalsstaatsanwältin mit am 27.11.2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ist erst nach Ergehen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.11.2019 eingegangen.

25

Dagegen hat die Beschwerde des Antragsgegners gegen die in dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ausgesprochene vorläufige Feststellung, dass die Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 05.09.2019 die Befugnisse der Tätigkeit des Antragstellers als Steuerberater gemäß §§ 2, 3, 33 StBerG und § 392 AO nicht umfasse, Erfolg. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist bereits unzulässig, weil es an dem hierfür erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Mit der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung wird dem Antragsteller bereits vom Wortlaut der Verfügung her ein Tätigwerden als Steuerberater nicht untersagt. Gegenstand der Untersagungsverfügung ist die Tätigkeit als „Rechtsanwalt“ auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts für Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig sind oder „anhängig werden könnten“. Einer klarstellenden Feststellung, dass die Tätigkeit als Steuerberater von der Untersagungsverfügung nicht umfasst wird, bedarf es daher nicht.

26

2. Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde (vgl. §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO) des Antragstellers hat nur teilweise Erfolg.

27

Aus den vom Antragteller dargelegten Gründen ergibt sich, dass seine Beschwerde insoweit Erfolg hat, als er sich gegen die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 wendet, soweit sie ihm auch eine Tätigkeit als Anwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts in Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft Schwerin „anhängig werden könnten“, untersagt. Die Untersagungsverfügung erweist sich hinsichtlich dieser Regelung als überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig, da sie nicht hinreichend bestimmt ist.

28

Nach § 37 Abs. 1 VwVfG MV muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung muss hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein. Der Entscheidungsinhalt muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und ihn in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird bzw. was in der ihn betreffenden Sache geregelt oder verbindlich durch den Verwaltungsakt festgestellt wird. Wenn der Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt hat, muss er darüber hinaus so bestimmt sein, dass er Grundlage für Maßnahmen seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann. Es genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsaktes und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung, hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage, 2020, § 37 Rdn. 12 m.w.N.). Im Hinblick auf die Formulierung „anhängig werden können“ lässt sich dem Verbot nicht hinreichend bestimmt entnehmen, welche konkreten Tätigkeiten dem Antragsteller nach Eintritt in den Ruhestand untersagt sein sollen. Insoweit fehlt es an erkennbaren ausschließlich objektiven Kriterien, die für den Antragsteller von Anfang an erkennen lassen, auf welche Tätigkeiten sich das Verbot beziehen soll bzw. welche von ihm übernommenen oder in Anbahnung befindlichen Mandate wahrgenommen werden können oder aber untersagt sind. Dies gilt insbesondere deshalb, weil bei rechtsanwaltlichen Tätigkeiten oder Tätigkeiten als Steuerberater zum Zeitpunkt der Mandatsübernahme nicht eindeutig bestimmt werden kann, ob sich nicht späterhin Sachverhalte herausstellen, die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach sich ziehen könnten. Dass die Untersagungsverfügung für künftig bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig werdende Verfahren erst dann eingreifen soll, wenn ein entsprechendes Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Schwerin eingeleitet worden ist, und nicht bereits die rein theoretische Möglichkeit ausreichen soll, dass es künftig ein Verfahren aus dem Bereich des Straf-, Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts geben könnte, ergibt sich weder aus der angegriffenen Untersagungsverfügung des Antragsgegners noch ist eine entsprechende Klarstellung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erfolgt.

29

Für den Antragsteller ist daher aufgrund der Formulierung „anhängig werden könnten“ nicht eindeutig und klar erkennbar, wie er sein Verhalten in Übereinstimmung mit der Untersagungsverfügung ausrichten soll. Insoweit würde ihm durch die Untersagungsverfügung de facto jegliche anwaltliche oder steuerberatende Tätigkeit für die Dauer der Untersagungsverfügung (3 Jahre ab Eintritt in den Ruhestand) unmöglich gemacht werden. Wenn bereits die theoretische Möglichkeit, dass ein strafrechtliches oder steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren oder ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden könnte, um die Untersagungsverfügung eingreifen zu lassen, käme dies nahezu einem Berufsausübungsverbot (Art. 12 Abs. 1 GG) gleich.

30

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat auch insoweit Erfolg, als ihm durch die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 generell die „Of-Counsel-Tätigkeit“ als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Straf-, Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts außerhalb der Öffentlichkeit, insbesondere innerhalb anwaltlicher Kanzleiräume, untersagt wird.

31

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Untersagungsverfügung ist § 41 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 79 Abs. 1 Satz 1 LBG MV. Nach § 41 haben Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamte sowie frühere Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und frühere Beamte mit Versorgungsbezügen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes, die mit der dienstlichen Tätigkeit innerhalb eines Zeitraums, dessen Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können, anzuzeigen (Satz 1). Die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung ist zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden (Satz 2).

32

Mit dem Tätigkeitsverbot soll bereits der Anschein eines möglichen Interessen- und Loyalitätskonflikt im Dienstbereich der früheren Dienststelle – hier der Staatsanwaltschaft B-Stadt – vermieden und auf diese Weise die Integrität der Rechtspflege und das Vertrauen in diese geschützt werden. Voraussetzung für eine entsprechende Annahme ist aber, dass die Tätigkeit des im Ruhestand befindlichen Staatsanwalts bei verständiger Würdigung den Anschein einer Ausnutzung seiner früheren Amtsstellung einschließlich persönlicher Kontakte zu den früheren Kollegen zulässt. Anders liegen die Dinge indes, wenn der Ruhestand nicht nach außen erkennbar in Erscheinung tritt. Eine bloße Hintergrundberatung oder andere „of-counsel“-Aktivitäten sind auch für die früheren Kollegen nicht erkennbar, sodass kein Anknüpfungspunkt für die Besorgnis besteht, gerade diese Rechtssache könne wegen der früheren Amtstätigkeit des jeweiligen Rechtsanwalts in sachwidriger Weise gefördert werden. Zwar kann auch in diesen Fällen – etwa wenn der Name des Ruhestandsrichters im Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei aufgeführt wird – die theoretische Möglichkeit einer auf persönlichen Kontakten beruhenden Beteiligung an Ermittlungsverfahren nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Da es an einer erkennbaren Verknüpfung des im Ruhestand befindlichen Staatsanwalts mit einer bestimmten Rechtssache fehlt, liegen aber ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme nicht mehr vor, bei einem verständlich und sachlich denkenden Bürger könnten Zweifel an der Integrität der Rechtspflege entstehen. Ein derartig weit gespanntes Tätigkeitsverbot wäre im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit des Staatsanwalts im Ruhestand (Art. 12 Abs. 1 GG) auch nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.2017 – 2 C 45/16 – juris zu einem als Rechtsanwalt tätig werdenden Ruhestandsrichter).

33

Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung vom 05.09.2019 in Verfahren, die aufgrund der Abgabe an andere Behörden oder Gerichte nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig sind, begehrt, hat sein Antrag keinen Erfolg. Insoweit ist er durch die genannte Untersagungsverfügung nicht beschwert. Diese bezieht sich nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht auf solche Verfahren, die bereits beendet worden sind oder aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft Schwerin anhängig sind. Entsprechende Tätigkeiten nach diesem Zeitpunkt werden daher durch die Untersagungsverfügung nicht erfasst und sind dem Antragsteller daher auch nicht untersagt.

34

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.

35

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

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