Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 5 E 24/14
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 6. Dezember 2013 wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 6. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U. aus C. zu Recht abgelehnt. Für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 6. Dezember 2013 kann dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ebenfalls nicht bewilligt werden.
3Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).
4Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab sofort einen angemessenen Lebensunterhalt zu zahlen,
6zu Recht abgelehnt.
7Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, das Verwaltungsgericht habe über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entscheiden dürfen, weil das vorläufige Rechtsschutzverfahren erkennbar nur unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe habe durchgeführt werden sollen. Dieser Einwand übersieht bereits, dass verfahrenseinleitende Anträge nicht unter einer Bedingung gestellt werden können. Der anwaltlich verfasste Schriftsatz vom 24. September 2013 gab keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass nicht nur ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern zugleich auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar gestellt sein sollte. Er war überschrieben mit "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Regelungsanordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe". Auch zum ersten Punkt enthielt er bereits eine konkrete Antragstellung. Ein Hinweis darauf, dass es sich in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz lediglich um einen "beabsichtigten" Antrag oder einen "Entwurf" handeln sollte, findet sich an keiner Stelle. Überdies hat der Antragsteller die Eilbedürftigkeit betont und eine "schnelle Entscheidung, wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, erbeten". Eine derartige Gestaltung und Abfassung eines anwaltlichen Schriftsatzes kann nur dahin verstanden werden, dass der Eilantrag ohne Rücksicht auf den Erfolg des PKH-Antrags anhängig gemacht werden soll. Der bloße Umstand, dass auf die Mittellosigkeit des Antragstellers ausdrücklich hingewiesen wurde und diese darüber hinaus den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, verpflichtete das Verwaltungsgericht bei dieser Sachlage nicht zu einer Rückfrage.
8In der Sache nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss unter b) und c). Diese werden durch das Vorbringen im Prozesskostenhilfeantrag für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren nicht erschüttert. Ob der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet ist, kann daher offen bleiben.
9Der Antragsteller stützt den von ihm geltend gemachten Unterhaltsanspruch in erster Linie nicht auf allgemeine Gesetze staatlichen Rechts, sondern auf can. 1350 § 1 Codex Iuris Canonici (CIC), eine Regelung des Gesetzbuchs für die römisch-katholische Kirche. Ob derartige auf kirchlichem Recht beruhende Ansprüche überhaupt vor staatlichen Gerichten eingeklagt werden können, bedarf für den Streitfall keiner Vertiefung. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist es staatlichen Gerichten jedenfalls verwehrt, sich mit einem derartigen Antrag vor Erschöpfung eines eröffneten kirchlichen Rechtsweges zu befassen. Dem Antragsteller steht gegen die mit Dekret vom 17. Oktober 2013 erfolgte Herabsetzung seines Unterhaltsbeitrags die Möglichkeit eines hierarchischen Rekurses bei der Kleruskongregation in Rom zu, den er auch eingelegt hat. Wenn und soweit die Kirchen die Möglichkeit geschaffen haben, Rechtsstreitigkeiten von einem kirchlichen Gericht beurteilen zu lassen, und somit die Gelegenheit besteht, die Streitigkeit im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis beizulegen, gebietet die verfassungsrechtlich geschuldete Rücksichtnahme gegenüber diesem Selbstverständnis den staatlichen Gerichten, über Fragen des kirchlichen Amtsrechts nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze und in Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs jedenfalls nicht vor Erschöpfung des insoweit gegebenen kirchlichen Rechtswegs zu entscheiden.
10Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1998 – 2 BvR 1476/94 –, NJW 1999, 349.
11Das gilt erst recht, soweit der Anspruch aus Kirchenrecht hergeleitet wird. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährt den Religionsgemeinschaften das Recht, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 137 Abs. 5 WRV) kann die katholische Kirche die Rechtsstellung ihrer Geistlichen und Bediensteten durch eigene Gesetze ausgestalten. Diese Rechte der Kirche umfassen auch die Auslegung und nähere Konkretisierung der so geschaffenen Kirchengesetze sowie die Bestimmung der kircheninternen Normenhierarchie nach ihrem eigenen Selbstverständnis. Danach ist es staatlichen Gerichten verwehrt, in streitigen Fragen des Kirchenrechts ihre Auffassung an die Stelle derjenigen der hierfür letztinstanzlich zuständigen kirchlichen Stellen zu setzen.
12Von der vorrangigen Erschöpfung des Kirchenrechtsweges kann auch dann nicht abgesehen werden, wenn dieser weniger rechtsschutzfreundlich ausgestaltet ist als das Verfahren vor staatlichen Gerichten. Seine Beschreitung ist dem Antragsteller zuzumuten, selbst wenn die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung dort nicht besteht. Zum einen droht ihm eine "Entziehung der Lebensgrundlagen" in der Zwischenzeit im wörtlichen Sinne schon deshalb nicht, weil er – wie er selbst einräumt – im Notfall ergänzende staatliche Sozialleistungen beziehen könnte. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass eine Weigerung des Antragsgegners, ihm einen Unterhaltsbeitrag von mehr als 653,37 Euro zu zahlen, Grundprinzipien der staatlichen Rechtsordnung verletzen könnte. Dabei ist von der Wirksamkeit seiner 1999 erfolgten Suspension schon deshalb auszugehen, weil er dagegen seinerzeit nicht um Rechtsschutz nachgesucht hat. Nach der zweitinstanzlichen Klarstellung des Antragstellers betrachtet er die Suspension selbst auch nicht als streitgegenständlich. Dies zugrundegelegt ist der Antragsschrift nichts dafür zu entnehmen, dass der begrenzte Unterhaltsbeitrag gegen die guten Sitten oder das Willkürverbot verstoßen könnte. Mit den diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (Beschlussabdruck S. 6, dritter Absatz, bis S. 7, erster Absatz) setzt sich der Antragsteller nicht ansatzweise auseinander. Im Übrigen hat er es zu vertreten, dass er bereits seit seiner Beurlaubung im Jahr 1989 keinen Dienst mehr leistet. Denn aus der vom Senat zu Grunde zu legenden Sicht der katholischen Kirche ist er für eine Tätigkeit als Seelsorger nicht mehr geeignet. Die ihm mehrfach angebotene Übernahme von Aufgaben im sozial-caritativen Bereich hat er kategorisch abgelehnt.
13Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum fehlenden Anordnungsgrund (Beschlussabdruck S. 7, zweiter Absatz) sind gleichfalls nicht erschüttert worden. Die Ankündigung, die Mutter des Antragstellers werde sich in ein Altenheim begeben müssen und könne ihn dann nicht mehr finanziell unterstützen, ist weder in zeitlicher Hinsicht konkretisiert noch glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Selbst wenn sein Lebensunterhalt tatsächlich konkret gefährdet wäre, könnte der Antragsteller auf staatliche Sozialleistungen zur Sicherung seines Existenzminimums zurückgreifen.
14Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
15Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 2x
- VwGO § 152 1x
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x
- § 137 Abs. 5 WRV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- VwGO § 122 1x
- 2 BvR 1476/94 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- VwGO § 166 2x