Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 1234/13
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 6.524,54 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sich der Kläger gegen den klageabweisenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts wendet, hat keinen Erfolg.
3Insoweit ergeben sich aus den im Zulassungsverfahren innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
4Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Es genügt hingegen nicht, wenn er pauschal die Unrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts behauptet oder wenn er lediglich sein Vorbringen erster Instanz wiederholt, ohne im Einzelnen auf die Gründe des angefochtenen Urteils einzugehen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.
5Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet, soweit der Kläger auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2002 einen finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrig zu viel geleistete Arbeit verlange. Hinsichtlich dieses Zeitraums seien die Ansprüche des Klägers verjährt. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch unterliege wie auch der nationalstaatliche Ausgleichsanspruch den Verjährungsregeln des nationalen Rechts. Nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 gelte die regelmäßige Verjährung von drei Jahren. Vorher entstandene Ansprüche hätten der 30-jährigen Verjährungsfrist unterlegen, die aber nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB auf die ab dem 1. Januar 2002 gemäß § 195 BGB geltende und an diesem Tag beginnende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren abgekürzt worden sei. Für die monatsweise entstandenen Ansprüche habe die Frist gemäß § 199 Abs. 1 BGB sodann mit dem Schluss des jeweiligen Jahres begonnen. Eine Hemmung der Verjährung sei gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB i.V.m. § 126 Abs. 3 BRRG erst mit der Erhebung des Widerspruchs am 29. März 2006 eingetreten. Ein bloßer Antrag auf Gewährung eines Ausgleichs habe keine den Lauf der Verjährungsfrist hemmende Wirkung. Die Beklagte habe weder auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet noch sei die Berufung auf die eingetretene Verjährung rechtsmissbräuchlich.
6Diese Erwägungen werden mit dem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
7Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Lauf der Verjährungsfrist erst durch Klageerhebung oder durch den nach § 126 Abs. 3 BRRG im Beamtenrecht vorgeschalteten Widerspruch gemäß § 210 BGB a.F. unterbrochen sowie seit dem 1. Januar 2002 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB gehemmt wird,
8vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 70.11 u.a. -, juris; OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2013 - 6 A 1122/09 -, juris,
9nicht aber durch einen bloßen Antrag des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn.
10Ob die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts in der im Verfahren 3 K 4394/10 am 31. Oktober 2012 durchgeführten mündlichen Verhandlung, wie der Kläger anführt, einen gegenteiligen Standpunkt vertreten und die Beklagte diesen Standpunkt „akzeptiert“ hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Dies kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Kläger im Jahr 2001 einen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt hat oder ob die Beklagte im Jahr 2001 in einem Aushang darauf verzichtet hat, dass alle Feuerwehrbeamten einen solchen Antrag stellten.
11Eine Hemmung der Verjährung ist auch nicht, wie der Kläger meint, durch Verhandlungen der Beteiligten gemäß § 203 Satz 1 BGB eingetreten. Nach dieser Vorschrift ist, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.
12Zwar folgt aus der Geltung der allgemeinen Verjährungsregelungen des BGB, dass auch die Bestimmung des § 203 Satz 1 BGB auf die geltend gemachten Ansprüche Anwendung findet,
13vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2014 - 2 B 2.14 -, juris, Rn. 8.
14Ihre Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
15Verhandlungen i.S.v. § 203 Satz 1 BGB schweben, wenn ein Beteiligter eine Erklärung abgibt, die der anderen Seite die Annahme gestattet, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Eine Behörde tritt nicht bereits dann in Verhandlungen über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch ein, wenn sie eine Erklärung über die Geltendmachung des Anspruchs entgegennimmt und dem Erklärenden den Eingang und den weiteren Gang des Verfahrens mitteilt. Ein derartiges Verhalten kann bei einem verständigen Erklärenden nicht die Erwartung entstehen lassen, die Behörde sei bereit, in einem Meinungsaustausch über Grund und Höhe des Anspruchs mit sich reden zu lassen.
16Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 2014 - 2 B 6.14 -, juris, Rn. 6 m.w.N. aus der BGH-Rechtsprechung, Rn. 7.
17Hiervon ausgehend haben zwischen den Beteiligten keine Verhandlungen über die noch streitgegenständlichen Ansprüche oder die diese Ansprüche begründenden Umstände geschwebt, die deren Verjährung hätten hemmen können. Insbesondere kann das die „Anerkennung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit“ betreffende Schreiben der Beklagten vom 28. Juni 2001 - ungeachtet des Umstandes, dass dieses schon nicht an den Kläger gerichtet worden ist - bei objektiver Betrachtung nicht, wie der Kläger meint, als Aufnahme von Verhandlungen gewertet werden.
18Die Beklagte hat mit diesem Schreiben bezüglich der ihr vorliegenden Anträge auf Anerkennung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit mitgeteilt, dass die EU-Kommission zusammen mit dem Bundesarbeits- und dem Bundesinnenministerium derzeit die Umsetzbarkeit des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 30. Oktober 2000 - C-303/98 - zur Qualifizierung von Bereitschaftsdiensten als Arbeitszeit prüfe und die genannten Ministerien sowie das Landesinnenministerium aufgrund des Beratungsstandes keinen Zwang zur derzeitigen Umsetzung des Urteils sähen. Aus diesem Grund könne noch kein rechtsmittelfähiger Bescheid ergehen. Der Empfänger des Schreibens erhalte jedoch unaufgefordert Bescheid, sobald eine entsprechende Information vorliege. Die Beklagte hat mit dem Schreiben dem jeweiligen Adressaten lediglich erläutert, aus welchen Gründen sein Antrag noch nicht beschieden werden kann, und ihn über den weiteren Gang des Verfahrens informiert. Sie hat durch das Schreiben nicht den Eindruck erweckt, sich auf eine Verhandlungslösung zu Grund und Höhe etwaiger Ansprüche einzulassen, sondern sich vielmehr jeder Äußerung hierzu enthalten.
19Die darüber hinaus als Teil der Verhandlungen vom Kläger angeführten Äußerungen des Beigeordneten T. auf einer Informationsveranstaltung am 22. Dezember 2006 waren schon wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Verjährungsfrist nicht geeignet, eine Hemmung des Laufs dieser Frist zu bewirken. Die hier allein noch streitbefangenen - die Jahre 2001 und 2002 betreffenden Ansprüche - waren gemäß § 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB bereits mit Ablauf des Jahres 2004 bzw. 2005 verjährt.
20Die Äußerungen wären im Übrigen - selbst wenn sie entgegen den Angaben der Beklagten tatsächlich die durch den Kläger geltend gemachten Ansprüche betroffen haben sollten - auch inhaltlich nicht geeignet, als Teil schwebender Verhandlungen im oben genannten Sinne zu gelten. Nach dem Vorbringen des Klägers sicherte der Beigeordnete T. auf der Informationsveranstaltung am 22. Dezember 2006 lediglich zu, dass die Beklagte „die Bezahlung der geleisteten Mehrarbeit leisten werde, sobald hierfür eine gesetzliche Basis geschaffen wurde, welche die Stadt M. hierzu legitimiert“. Einer solchen Bemerkung ist lediglich die Bereitschaft zu entnehmen, Zahlungen für geleistete “Mehrarbeit“ zu gewähren, falls dafür eine Rechtsgrundlage bestehe, nicht aber die Erklärung, die Beklagte lasse sich unabhängig hiervon auf Erörterungen, geschweige denn auf Verhandlungen über die Berechtigung geltend gemachter Ansprüche oder deren Höhe ein. Erst recht lag hierin kein Anerkenntnis einer etwa bestehenden Zahlungsverpflichtung der Beklagten.
21Der Kläger macht ferner ohne Erfolg geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Beklagte durch ihr auf eine Verhandlungslösung zielendes Verhalten auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.
22Zwar kann der Verzicht auf die Einrede der Verjährung auch konkludent erklärt werden. Die Annahme des Klägers, die Beklagte habe durch ihr auf eine Verhandlungslösung zielendes Verhalten konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet, geht jedoch fehl, weil ein solches Verhalten nicht festzustellen ist. Es kann aus den dargestellten Gründen weder in dem Schreiben der Beklagten vom 28. Juni 2001 noch in den Äußerungen des Beigeordneten T. am 22. Dezember 2006 gesehen werden. Auch das sonstige Vorgehen der Beklagten lässt bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände nicht darauf schließen, dass sie eine Verhandlungslösung anstrebte. Denn es beschränkte sich im Kern auf die Mitteilung, dass zunächst die weitere Rechtsprechung abgewartet werden solle. Dies gilt sowohl für die Mitteilung der Beklagten vom 30. August 2006 zu dem im März 2006 erhobenen Widerspruch des Klägers, mit der sie um Geduld bat, da vor einer Entscheidung über den Widerspruch noch ein durch die Stadt L. angestrengtes Musterklageverfahren abgewartet werden sollte, als auch für den vorgelegten Aushang vom 24. September 2009, in dem sie zu den geltend gemachten Ansprüchen auf Freizeitausgleich mitteilte, dass insgesamt 88 Feuerwehrbeamte einen solchen Antrag gestellt hätten, und um Geduld bat, da vor einer Bearbeitung erst noch eine weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewartet werden sollte. Auch in dem vorgelegten Aushang vom 5. Mai 2011 bestätigte sie lediglich den Eingang der im Jahr 2010 erhobenen „Leistungswidersprüche“ der Feuerwehrbeamten und wies im Übrigen darauf hin, Auszahlungen des Freizeitausgleichs zurückstellen und vor einer Gesamtprüfung der Ansprüche die höchstrichterliche Rechtsprechung abwarten zu wollen.
23Einen konkludenten Verzicht, sich auf die inzwischen eingetretene Verjährung der geltend gemachten Ansprüche zu berufen, hat die Beklagte schließlich nicht in dem Aushang vom 30. September 2011 erklärt. Auch darin teilte sie nur mit, dass sie die Ansprüche nun ermitteln, die Abgeltung prüfen und die Mitarbeiter sodann informieren werde.
24Im Übrigen hat der Kläger selbst das Verhalten der Beklagten tatsächlich auch nicht dahin verstanden, dass sie darauf verzichte, sich auf die Verjährung zu berufen. Sowohl in dem vorformulierten Antragsschreiben vom 30. Dezember 2005 als auch in dem Widerspruchsschreiben vom 28. März 2006 sowie in dem weiteren Widerspruchsschreiben vom 13. Dezember 2010 wurde die Beklagte im Gegenteil jeweils ausdrücklich darum gebeten, u.a. hinsichtlich der die Jahre 2001 und 2002 betreffenden Ansprüche auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
25Der Einwand des Klägers, nach den von ihm dargestellten Umständen sei es rechtsmissbräuchlich, dass sich die Beklagte auf die Verjährung der Ansprüche für den noch streitbefangenen Zeitraum berufe, weckt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochten Entscheidung.
26Die Beklagte ist nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) regelmäßig auch verpflichtet, die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Die Geltendmachung der Einrede kann jedoch unter besonderen Umständen des einzelnen Falles als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erfordert ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn, das nicht notwendig schuldhaft zu sein braucht, das aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Beamte veranlasst worden ist, verjährungsunterbrechende oder - nunmehr - verjährungshemmende Schritte zu unterlassen.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 - 2 C 14.05 -, juris, Rn. 23.
28Solche besonderen Umstände zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Der Kläger ist durch das Verhalten der Beklagten nicht treuwidrig davon abgehalten worden, die streitgegenständlichen Ansprüche rechtzeitig - vor Ablauf der Verjährungsfrist - durch Widerspruch oder (Untätigkeits-) Klage geltend zu machen.
29Die Verjährungseinrede der Beklagten stellt auch nicht deshalb eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil die Beklagte mit Blick auf die anstehende Klärung der Rechtslage durch den EuGH und das Bundesverwaltungsgericht zunächst nicht über die geltend gemachten Ansprüche auf Freizeitausgleich entschieden hat. Verfehlt ist schließlich die Annahme des Klägers, der Beklagten sei es verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, weil sie aufgrund ihrer beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen sei, ihn „spätestens ab 2004“ auf den drohenden Verjährungseintritt hinzuweisen, und dies versäumt habe. Ein solches Versäumnis kann der Beklagten schon deshalb nicht vorgehalten werden, weil die Verjährungsproblematik seinerzeit ebenfalls noch nicht abschließend geklärt war.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG in der bis zum 1. August 2013 geltenden Fassung (§ 71 Abs. 1 Satz 1 GKG).
31Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird auch der klageabweisende Teil des angefochtenen Urteils rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- 3 K 4394/10 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 1x
- VwGO § 152 1x
- BGB § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist 1x
- § 126 Abs. 3 BRRG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung 2x
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- BGB § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen 3x
- 6 A 1122/09 1x (nicht zugeordnet)
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- BGB § 210 Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen 1x
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- VwGO § 154 1x
- § 75 Abs. 1 Satz 2 GO 1x (nicht zugeordnet)