Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 E 914/13
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Die Klage bietet nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, die Voraussetzungen für einen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch nach § 15 Absätze 1 und 2 AGG lägen nicht vor.
4Nach § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet, es sei denn, er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Betreffende eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG). Auch der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG voraus. Zwar wird dieser Verstoß nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden.
5Vgl. BAG, Urteil vom 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 -, juris, Rdn. 21; BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, juris, Rdn. 14.
6Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. § 1 AGG nennt u. a. eine Behinderung, derentwegen Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen sind. Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen. Eine solche Benachteiligung ist insbesondere gegeben, wenn ein (künftiger) Arbeitgeber einer gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht nachkommt. § 82 Satz 2 und 3 SBG IX begründen eine solche Handlungspflicht, bei deren Nichterfüllung eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen anzunehmen ist. Danach haben öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Menschen oder die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen, die sich um einen Arbeitsplatz beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich.
7Es kann dahingestellt bleiben, ob die Eignung im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX auch dann fehlt, wenn ein Bewerber wegen Überschreitens der Altersgrenze nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden darf. Nach § 8 Abs. 3 LVO NRW dürfen schwerbehinderte Menschen und ihnen gemäß § 2 Absatz 3 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen übernommen werden, wenn sie zwar das 40. aber noch nicht das 43. Lebensjahr vollendet haben. Der am 25. Januar 1964 geborene Kläger hatte bereits bei Eingang seiner Bewerbungsunterlagen (12. Oktober 2012) das 48. Lebensjahr vollendet. Sinn und Zweck des § 82 SGB IX sprechen dafür, dass in Fällen, in denen die gesetzlichen Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX entbehrlich ist.
8Vgl. VG München, Urteile vom 11. Oktober 2007 - M 15 K 06.3096 -, juris, Rdn. 26, und M 15 K 07.1759 -, juris, Rdn. 28.
9Ziel des § 82 Satz 2 SGB IX ist es, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen am Arbeitsleben durch eine ausgleichende Bevorzugungsregelung zu fördern. Der Gesetzgeber stellt diesen Personenkreis zum Ausgleich ihrer im Allgemeinen tatsächlich schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Bewerbungsverfahren besser als die nicht schwerbehinderten Konkurrenten. Anders als diese sollen schwerbehinderte Menschen und die ihnen gleichgestellten behinderten Menschen die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen, auch wenn ihre fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle zweifelhaft sein mag, solange sie nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Der öffentliche Arbeitgeber hat sich in diesem Fall über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus einen persönlichen Eindruck von dem schwerbehinderten Bewerber und dem ihm gleichgestellten behinderten Menschen, insbesondere von seinem positiven Leistungsprofil zu verschaffen.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, juris, Rdn. 18.
11Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe - etwa wegen Überschreitens der Altersgrenze nach § 8 Abs. 3 LVO NRW - nicht erfüllt, geht dieser gesetzgeberische Zweck indes von vornherein ins Leere.
12Vgl. zur Vereinbarkeit der Höchstaltersgrenze mit höherrangigem Recht: OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 6 A 141/11 -, juris, Rdn. 10.
13Hierauf kommt es im Streitfall aber, wie ausgeführt, nicht entscheidend an. Denn der geltend gemachte Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch greift jedenfalls deswegen nicht durch, weil es vorliegend an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung (unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch) und Behinderung („wegen“ der Behinderung, § 7 Abs. 1 AGG) fehlt. Der Kausalzusammenhang ist nur gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist. Ausreichend ist, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht sind nicht erforderlich.
14Vgl. BAG, Urteil vom 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 -, juris, Rdn. 31.
15Zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Benachteiligung im Bewerbungsverfahren hat hier kein Kausalzusammenhang bestanden, weil der Beklagte den Kläger allein wegen der Überschreitung der Altersgrenze nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat (Schreiben vom 15. Oktober 2012). Anderes trägt auch der Kläger nicht vor.
16Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, aus der Stellenausschreibung sei nicht hervorgegangen, dass schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen nur übernommen werden dürften, wenn sie noch nicht das 43. Lebensjahr vollendet hätten. Denn diese Anforderungen ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 8 Abs. 3 LVO NRW). In diesem Zusammenhang bleibt auch der Hinweis des Klägers auf einen Zeitungsbericht vom 10. März 2013 („Stellenanzeigen sind selten neutral“) über eine Studie von Prof. Dr. Schneider, Universität Paderborn, über „diskriminierende Formulierungen“ in Stellenanzeigen ohne Erfolg. Denn der Bericht verhält sich insbesondere nicht zu der zulässigen Altersgrenze für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe.
17Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO und 127 Abs. 4 ZPO.
18Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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