Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 1654/13
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 3. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 verpflichtet, der Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses nach § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG.
3Sie bezog während ihres Studiums im Studiengang Q. /Q1. an der Hochschule Esslingen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Aufgrund der am 8. Februar 2008 bestanden Bachelorprüfung wurde ihr der akademische Grad Bachelor of Arts (B.A.) in Q. /Q1. verliehen.
4Dem Studium der Klägerin lag die Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule F. für die Bachelor-Studiengänge der Fakultät vom 28. Januar 2004 (im Folgenden nur: SPO) zugrunde.
5Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 15. Juli 2012 setzte das Bundesverwaltungsamt die Darlehensschuld auf 2.447,00 Euro, die Förderungshöchstdauer des zuerst geförderten Ausbildungsabschnitts auf Ende Februar 2008 und den Rückzahlungsbeginn auf den 31. März 2013 fest.
6Mit Schreiben vom 10. August 2012 beantragte die Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b BAföG und legte u. a. eine Bescheinigung der Hochschule vor, wonach es sich bei dem von ihr, der Klägerin, betriebenen Studiengang um eine Ausbildung mit einer Mindestausbildungszeit von sieben Semestern im Sinne des § 18b Abs. 5 BAföG handele.
7Mit Bescheid vom 3. September 2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Teilerlassantrag mit der Begründung ab, der von der Klägerin absolvierte Studiengang sei nach der maßgeblichen Studien- und Prüfungsordnung keine Ausbildung mit einer Mindestausbildungszeit i. S. d. §18b Abs. 5 BAföG.
8Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe ihr Studium ohne Unterbrechung in der kürzest möglichen Zeit von sieben Semestern absolviert. Im Übrigen habe die Hochschule bestätigt, dass für ihr Studium eine Mindestausbildungszeit festgelegt sei. Die Studien- und Prüfungsordnung regele in ihrem § 8 Abs. 2 die Dauer und den Ablauf des Studiums und lasse eine vorzeitige Prüfung nicht zu.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2012 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt: Ein studiendauerabhängiger Teilerlass setze voraus, dass für das in Rede stehende Studium eine Mindestausbildungszeit bestimmt sei und zwischen Mindestausbildungszeit und dem Ende der Förderungshöchstdauer weniger als vier Monate lägen. Eine Mindestausbildungszeit sei nur anzunehmen, wenn die Studien- und Prüfungsordnung eine bestimmte Dauer des Studiums verbindlich vorschreibe. Nur wenn durch diese Vorgabe zwingend vorgeschrieben sei, dass der Auszubildende das Studium nicht vier Monate vor dem Ende der Regelstudienzeit bzw. Förderungshöchstdauer abschließen könne, könne ein Teilerlass nach § 18b Abs. 4 BAföG gewährt werden. Verhindere die organisatorische Ausgestaltung der Ausbildung dagegen lediglich „de facto“ einen für den Teilerlass rechtzeitigen Studienabschluss, so griffen die Regelungen nicht. Aus der für den Studiengang der Klägerin maßgeblichen Studien- und Prüfungsordnung ergebe sich, dass es sich nicht um einen Studiengang mit einer Mindestausbildungszeit in diesem Sinne handele.
10Am 5. November 2012 hat die Klägerin Klage erhoben und vorgetragen:
11Die für ihr Studium maßgeblichen Vorschriften der Hochschule enthielten die Festsetzung einer Mindestausbildungszeit i. S. d. § 18b Abs. 5 BAföG. Nach § 8 Abs. 2 SPO sei es nicht möglich, Module in vorherige Semester vorzuziehen. Deshalb entspreche die Regelstudienzeit der Mindestausbildungszeit. Für den Abschluss der Hochschulausbildung sei nach § 15b Abs. 3 BAföG der Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils maßgeblich und nicht das Zeugnisdatum. Sie, die Klägerin, habe die Bachelorarbeit als letzte Prüfungsarbeit ihrer Erinnerung nach schon im November 2007 abgegeben. Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf einen leistungsbezogenen Teilerlass nach § 18b Abs. 2 BAföG, weil sie mit ihrer Abschlussnote von 1,5 zu den besten Absolventen gehört habe.
12Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 zu verpflichten, der Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 BAföG zu bewilligen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen, für den von der Klägerin absolvierten Studiengang habe es keine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Mindestausbildungszeit i. S. v. § 18b Abs. 4 und 5 BAföG gegeben. In § 3 Abs. 1 SPO sei lediglich eine Regelstudienzeit festgesetzt. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 SPO geltend mache, ein Vorziehen von Modulen sei nicht möglich, habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Gesetzgeber nicht gehalten sei, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten, welche einen Teilerlass faktisch ausschlössen, zu berücksichtigen. Erforderlich sei vielmehr eine Norm, die selbst abstrakt-generell eine bestimmte Dauer der Ausbildung vor deren Abschluss verbindlich vorschreibe. Eine solche Norm sei hier nicht zu erkennen. Ein Nachweis darüber, dass die Klägerin die letzte Prüfungsleistung bereits im November 2007 erbracht habe, liege nicht vor. Im Verwaltungsverfahren habe die Klägerin ausdrücklich nur einen studiendauerabhängigen Teilerlass beantragt, so dass ein nunmehr gestellter Antrag auf einen leistungsabhängigen Teilerlass als verfristet abzulehnen wäre.
17Mit dem angefochtenen Urteil vom 31. Mai 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
18Einen studiendauerabhängigen Teilerlass könne die Klägerin nicht nach § 18b Abs. 3 Sätze 1 und 2 BAföG beanspruchen, da sie ihre Hochschulausbildung nicht vier bzw. zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer (Februar 2008) beendet habe. Maßgeblich sei insoweit das Datum des Bachelorzeugnisses (8. Februar 2008), das dem Tag der letzten Prüfungsleistung entspreche (vgl. § 30 SPO). Ein Teilerlassanspruch ergebe sich auch nicht aus § 18b Abs. 4 BAföG. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, enthalte die einschlägige Studien- und Prüfungsordnung keine Festlegung einer Mindestausbildungszeit im Sinne einer verbindlich vorgeschriebenen Anzahl von Semestern, vor deren Ablauf das Studium nicht abgeschlossen werden könne. § 3 SPO sehe lediglich eine Regelstudienzeit vor, die aber keine Mindeststudienzeit sei. Bestimmungen im Studienplan bzw. Modulplan fehle der erforderliche zwingende Charakter, weil sie den Studienablauf lediglich organisatorisch regelten. Auf einen Teilerlass nur faktisch ausschließende Gegebenheiten habe der Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011, auf der die Einführung des § 18b Abs. 4 BAföG beruhe, keine Rücksicht zu nehmen gehabt. Soweit die Hochschule hier eine Bescheinigung über eine Mindeststudienzeit ausgestellt habe, sei diese sachlich unrichtig und daher nicht relevant.
19Mit Beschluss vom 20. August 2013 hat der Senat die Berufung der Klägerin nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung und Abgrenzung der Begriffe Mindestausbildungszeit und Mindeststudienzeit und die Anwendung des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG besondere Schwierigkeiten aufweise.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Soweit das Verwaltungsgericht auf das Datum des Bachelorzeugnisses abgestellt habe, sei es zwar richtig, dass das Zeugnis nach § 30 Abs. 3 SPO das Datum desjenigen Tages tragen solle, an dem die letzte Prüfungsleistung erbracht worden sei. Hier habe die tatsächliche Situation dieser Vorschrift aber nicht entsprochen, weil sie, die Klägerin, die letzte Prüfungsarbeit bereits im November 2007 abgegeben habe. Gegebenenfalls hätte hierüber Beweis erhoben werden müssen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei eine Mindeststudienzeit in der einschlägigen Studien- und Prüfungsordnung festgelegt. Denn nach § 8 Abs. 2 SPO sei es nicht möglich, Module in vorherige Semester vorzuziehen, so dass die Regelstudienzeit der Mindestausbildungszeit entspreche. In einer solchen Konstellation den Teilerlass zu versagen, widerspreche Art. 3, 28 GG, da der Student für gegebenenfalls unzureichende Prüfungs- und Studienordnungen seiner Hochschule nichts könne.
21Die Klägerin beantragt,
22das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 zu verpflichten, der Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 BAföG zu bewilligen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und trägt im Wesentlichen vor: In der Bachelorurkunde der Klägerin sei ausdrücklich angegeben, dass die berufliche Qualifikation aufgrund der am 8. Februar 2008 bestandenen Bachelorprüfung verliehen werde. Damit werde eindeutig auf das Datum des Bestehens der Prüfung abgestellt, nicht auf die Ausstellung eines Zeugnisses oder einer Urkunde. Aus Werdegang und Zweck des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG sei erkennbar, dass für die Festlegung einer Mindeststudienzeit eine Norm erforderlich sei, die selbst abstrakt und generell eine bestimmte Dauer der Ausbildung verbindlich vorschreibe. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2011 klargestellt, dass lediglich generelle Hinderungsgründe, die sich aus Rechtsvorschriften ergäben, berücksichtigt werden müssten. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, die Fördermöglichkeiten auf alle Absolventen auszudehnen, die zwar nicht durch verbindliche Rechtsvorschriften, aber durch die konkrete Studienorganisation an einem früheren Studienabschluss gehindert sein könnten.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung des begehrten Teilerlasses, so dass der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 3. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 VwGO verletzt.
29Ob das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 1 und 2 BAföG hat, kann offen bleiben. Gemäß § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG werden auf Antrag des Auszubildenden 2.560 Euro des Darlehens erlassen, wenn dieser bis zum 31. Dezember 2012 die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit dem Bestehen der Abschlussprüfung oder, wenn eine solche nicht vorgesehen ist, nach den Ausbildungsvorschriften planmäßig beendet. Nach Satz 2 werden 1.025 Euro erlassen, wenn der in Satz 1 genannte Zeitraum nur zwei Monate beträgt.
30Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin ihre Ausbildung wenigstens zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beendet hat, die nach den bestandskräftigen Festsetzungen des Bescheides vom 15. Juli 2012 bis zum 29. Februar 2008 reichte, hängt vom Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils ab, der für den Abschluss einer Hochschulausbildung stets maßgebend ist (vgl. § 15b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BAföG). Gemäß § 30 Abs. 3 SPO trägt das Zeugnis das Datum des Tages, an dem die letzte Prüfungsleistung erbracht worden ist. Das Bachelorzeugnis der Klägerin ist auf den 8. Februar 2008 datiert, der in dem Zeugnis auch als Tag des Bestehens der Bachelorprüfung ausgewiesen ist. Davon ausgehend wäre kein Raum für einen Teilerlass, weil die Klägerin ihre Ausbildung dann erst in demjenigen Monat beendet hätte, in dem auch die Förderungshöchstdauer ablief.
31Allerdings ist der Einwand der Klägerin, das Zeugnisdatum sei insoweit sachlich unrichtig, weil sie ihre Bachelorarbeit wohl schon im November 2007 abgegeben habe, nicht von der Hand zu weisen. Ist nämlich nach der jeweils einschlägigen Studien- bzw. Prüfungsordnung vorgeschrieben, dass die schriftliche Prüfungsarbeit nach der mündlichen Prüfung abzuliefern ist, richtet sich der Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils nach dem festgesetzten Termin für die Abgabe der Prüfungsarbeit.
32Vgl. Kreutz, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Mai 2014, § 15b Rn. 16.2; Tz. 15b.3.1 BAföGVwV.
33Entsprechendes hat auch dann zu gelten, wenn eine mündliche Prüfung überhaupt nicht vorgesehen ist, wie es nach der Studien- und Prüfungsordnung hier der Fall ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SPO besteht die Bachelorprüfung aus Fachprüfungen und der Bachelorarbeit. Da das Thema der Bachelorarbeit nach Abschluss der Fachprüfungen ausgegeben wird (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 1 SPO), stellt die Bachelorarbeit den letzten Prüfungsteil dar. Insofern schöbe der Zeitraum der Bewertung der abgegebenen Bachelorarbeit das Ende der Ausbildung grundsätzlich nicht hinaus. Erwiese sich die Datierung des Zeugnisses dann als fehlerhaft, müsste auf die objektive Sach- und Rechtslage zurückgegriffen werden.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 12 A 2631/13 -, m. H. a. Sächsisches OVG, Beschluss vom 23. März 2004 - 5 BS 276/03 - juris.
35Hätte die Klägerin ihre Bachelorarbeit tatsächlich im November 2007 abzugeben gehabt, käme ein Anspruch auf einen kleinen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 2 BAföG in Betracht. Der Senat hat indes keine Veranlassung, vor diesem rechtlichen Hintergrund den festgesetzten Abgabezeitpunkt aufzuklären. Denn die Klägerin kann ohnehin den großen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG beanspruchen.
36§ 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG besagt: Ist für eine Ausbildung eine Mindestausbildungszeit im Sinne von Absatz 5 festgelegt und liegen zwischen deren Ende und dem Ende der Förderungshöchstdauer weniger als vier Monate, wird auf Antrag der Erlass nach Absatz 3 Satz 1 auch gewährt, wenn die Ausbildung mit Ablauf der Mindestausbildungszeit beendet wurde. Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin vor.
37Für die Ausbildung der Klägerin war eine Mindestausbildungszeit im Sinne des § 18b Abs. 5 BAföG festgelegt. Diese Gesetzesregelung hat folgenden Wortlaut: Mindestausbildungszeit ist die durch Rechtsvorschrift festgelegte Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung nicht durch Abschlussprüfung oder sonst planmäßig beendet werden kann (Satz 1). Bei Ausbildungen, für die eine Mindeststudienzeit im Sinne von Satz 3 bestimmt ist und zugleich eine Abschlussprüfung vorgeschrieben ist, die insgesamt oder hinsichtlich bestimmter Prüfungsteile erst nach der Mindeststudienzeit begonnen werden darf, gilt die Mindeststudienzeit zuzüglich der Prüfungszeit im Sinne von Satz 4 als Mindestausbildungszeit (Satz 2). Mindeststudienzeit ist die durch Rechtsvorschrift festgelegte Mindestzeit für die reinen Ausbildungsleistungen, einschließlich geforderter Praktika, ohne Abschlussprüfung (Satz 3). Prüfungszeit ist die Zeit, die ab dem frühestmöglichen Beginn der Prüfung oder der bestimmten Prüfungsteile bis zum letzten Prüfungsteil regelmäßig erforderlich ist; wenn die Prüfungszeit nicht durch Rechtsvorschrift festgelegt ist, wird vermutet, dass sie drei Monate beträgt (Satz 4).
38Hier galt im Sinne des § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG eine durch Rechtsvorschrift festgelegte Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung nicht durch Abschlussprüfung beendet werden konnte. Die Festlegung einer solchen Mindestausbildungszeit ergab sich aus den Regelungen der Studien- und Prüfungsordnung, konkret aus den §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 38 SPO. Gemäß § 3 Abs. 2 SPO gliedert sich das Studium in ein Grundstudium von zwei Semestern und ein Hauptstudium von fünf Semestern; das Grundstudium schließt mit der Bachelor-Vorprüfung, das Hauptstudium mit der Bachelorprüfung ab. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SPO müssen die Studierenden eine Studienleistung und die einer Fachprüfung zugehörige Prüfungsleistung innerhalb des Semesters erbringen, in dem im Besonderen Teil die entsprechenden Module vorgeschrieben sind. Diese Regelungen des Besonderen Teils finden sich für den Studiengang Q. /Q1. in § 38 SPO, der eine tabellarische Aufstellung von insgesamt fünf Studienbereichen (I - V) enthält, denen bestimmte Module zugeordnet sind. Die letzte Spalte der Tabelle weist für jedes Modul ein bestimmtes Semester (1. bis 7.) aus. Dem 7. Semester ist u. a. die Bachelorarbeit (Modul 2.5) zugeordnet. Mit diesen rechtlichen Regelungen ist eine Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung nicht durch Abschlussprüfung beendet werden kann, hinreichend eindeutig festgelegt.
39Die Frage, welche Anforderungen an die Festlegung einer Mindestausbildungszeit oder Mindeststudienzeit durch Rechtsvorschrift zu stellen sind, ist vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49, und der nachfolgenden Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu beantworten. Mit der vorbezeichneten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht den § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt, soweit er den großen Teilerlass der Rückforderung von Förderungsdarlehen davon abhängig macht, dass Auszubildende die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit Bestehen der Abschlussprüfung beenden, obwohl in dem betreffenden Studiengang die gesetzlich festgelegte Mindeststudienzeit weniger als vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer endet (BGBl. I S. 1726). In den Gründen führte das Gericht u. a. aus:
40„Der Gesetzgeber ist zwar von Verfassungs wegen nicht gehalten, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob es nach den individuellen Studienbedingungen eines jeden Studierenden in jedem Studiengang und an jeder Universität möglich ist, das Studium vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden. Er muss die Verwaltung auch nicht zu einer entsprechenden umfangreichen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung individueller Härten verpflichten. Generelle Hinderungsgründe, die sich wie hier die bindenden Mindeststudienzeiten aus Rechtsvorschriften ergeben, müssen aber in einer Regelung über die Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses berücksichtigt werden.“ (juris Rn. 71)
41...
42„Der festgestellte Verfassungsverstoß beschränkt sich auf die Fälle, in denen § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in Verbindung mit den Vorschriften zur Mindeststudienzeit einerseits und zur Förderungshöchstdauer andererseits dazu führt, dass Studierenden in ihrem Studiengang ein großer Teilerlass von vornherein objektiv unmöglich ist, weil sie ihr Studium nicht mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beenden können.“ (juris Rn. 79)
43…
44„Die Unvereinbarkeitserklärung hat weiterhin zur Folge, dass der Gesetzgeber zur rückwirkenden, gleichheitsgerechten Neuregelung für den gesamten Zeitraum verpflichtet ist, auf den sich die Unvereinbarkeitserklärung bezieht … . Dies bedeutet, dass die Neuregelung unabhängig vom Zeitpunkt des Studienabschlusses alle noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfassen muss, die die Gewährung eines großen Teilerlasses zum Gegenstand haben und einen Studiengang betreffen, in dem wegen Rechtsvorschriften zu Mindeststudienzeiten und zur Förderungshöchstdauer die Voraussetzungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG von vornherein nicht erfüllbar waren. Wie der Gesetzgeber den festgestellten Gleichheitsverstoß beseitigt, steht in seinem Ermessen.“ (juris Rn. 81)
45Diese Verpflichtung des Gesetzgebers hat zum Erlass des Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (24. BAföGÄndG) vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2569) geführt, mit dem die Absätze 4 bis 5a in den § 18b BAföG eingefügt wurden. In der zugehörigen Bundestagsdrucksache zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 17/7334) heißt es hierzu einleitend:
46„A. Problem und Ziel
47Die Änderungen dienen der kurzfristigen Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011, mit dem dieses dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2011 eine Neuregelung zu Darlehensteilerlassen für einen frühzeitigen Studienabschluss auferlegt und § 18b Absatz 3 Satz 1 BAföG für Studiengänge mit durch Rechtsvorschrift festgelegter Mindeststudienzeit zugleich mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) für unvereinbar erklärt hatte. Auch wenn die betreffende Vorschrift durch das Dreiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ohnehin bereits für Studienabschlüsse nach dem 31. Dezember 2012 u. a. gerade wegen zwischenzeitlich nicht mehr zu gewährleistender Einzelfallgerechtigkeit abgeschafft worden war, ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die verbleibende Gültigkeitsdauer eine Neuregelung erforderlich geworden. Diese soll sicherstellen, dass in dieser Zeit kein Studierender von vornherein allein deshalb von einem großen oder kleinen Teilerlass nach § 18b Absatz 3 Satz 1 und 2 BAföG ausgeschlossen ist, weil ihm ein ausreichend frühzeitiger Abschluss noch vor Ablauf der Förderungshöchstdauer durch das Zusammenspiel der Regelungen über Mindeststudiendauer, Förderungshöchstdauer und über den seiner Einflussnahme entzogenen Prüfungsablauf unmöglich gemacht wird.
48B. Lösung
49Rechtlich verbindlich vorgeschriebene Mindestausbildungszeiten einschließlich erforderlicher Prüfungszeiten werden bei der Gewährung eines Geschwindigkeitsteilerlasses nach § 18b Absatz 3 BAföG künftig nach den Maßgaben der neuen Absätze 4 und 5 gesondert berücksichtigt. Falls sich Prüfungszeiten an reine Mindeststudienzeiten anschließen, die allein in einer Rechtsvorschrift bestimmt sind, ohne dass dort auch die gesamte Dauer der Mindestausbildungszeit ausdrücklich bestimmt wird, werden sie zusätzlich mit der Dauer angesetzt, die in diesen Studiengängen für einen erfolgreichen Studienabschluss auch noch nach Ablauf der Mindeststudienzeit regelmäßig erforderlich ist. In diesen Fällen bemisst sich die für den Teilerlass zusätzlich maßgebliche Prüfungsdauer unmittelbar nach der Rechtsvorschrift, wenn diese – wie bspw. beim Studium der Humanmedizin – einen kalendarisch festgelegten Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Prüfungen abgenommen werden. Für Studiengänge, in denen trotz geregelter Mindeststudienzeit die Dauer einer noch nach deren Ablauf mindestens zusätzlich anzusetzenden Prüfungszeit selbst nicht unmittelbar aus der maßgeblichen Regelung erkennbar wird, wird für die Teilerlassberechtigung pauschal eine dreimonatige Prüfungszeit als erforderlich vermutet und zusätzlich zur Mindeststudienzeit der Erlassentscheidung als insgesamt maßgebliche Mindestausbildungszeit zu Grunde gelegt. Die nach dieser Auffangregelung geltende pauschale Vermutung einer dreimonatigen Prüfungsdauer kann nur durch konkreten Nachweis widerlegt werden, dass regelmäßig eine noch längere oder aber kürzere Prüfungszeit, die der Einflussnahme des Geförderten entzogen ist, nach Ablauf der Mindeststudienzeit unvermeidlich ist. Dies gewährleistet die Administrierbarkeit der Erlassregelung auch bei fehlender konkreter Bestimmung der Prüfungsdauer durch eine auf den betreffenden Studiengang bezogene Rechtsvorschrift.
50C. Alternativen
51Nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben möglich wäre auch eine unterschiedslose Gewährung des (großen) Geschwindigkeitsteilerlasses an alle Absolventen, die ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen haben sowie des kleinen Geschwindigkeitserlasses, wenn der Abschluss binnen 2 Monaten nach Ablauf der Regelstudienzeit erfolgt ist. Dies würde eine ganz erhebliche Ausweitung des Berechtigtenkreises bedeuten und die ursprüngliche Regelung von der Honorierung gerade nur besonders früher Studienabschlüsse tendenziell zum Regelerlass für erfolgreiche Studienabsolventen verkehren. Alternativ denkbar wäre eine Beschränkung der Ausweitung zwar ebenfalls auf Fälle mit zwingenden Mindeststudienzeiten, aber unter jeweils konkreter Berücksichtigung der für den betroffenen Studiengang objektiv regelmäßig erforderlichen Prüfungszeiten durch Verpflichtung aller Prüfungsstellen zur Ausstellung entsprechender Bescheinigungen – auch hinsichtlich der noch zu berücksichtigenden bis fünf Jahre zurückliegenden Abschlussjahrgänge. Dies würde gegenüber der vorgeschlagenen Lösung einer Regelvermutung einen erheblichen administrativen Mehraufwand bei den Prüfungsstellen sowie beim Bundesverwaltungsamt auslösen.“
52Die in der Drucksache abschließend dargestellte eigentliche Gesetzesbegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung vorstehender Erwägungen.
53Vor diesem Hintergrund besteht zunächst keine Veranlassung, den Begriff der „Rechtsvorschrift“ in § 18b Abs. 5 Satz 1, 3 und 4 BAföG nach dem Rang einer solchen Vorschrift differenzierend einzuengen. Dass in dem der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Fall eine Mindeststudienzeit per Gesetz (Bundesärzteordnung) bzw. Rechtsverordnung (Approbationsordnung für Ärzte) vorgegeben war, ist insoweit ohne Bedeutung, weil sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch ihm nachfolgend der Bundesgesetzgeber mit dem 24. BAföGÄndG einschränkungslos auf „Rechtsvorschriften“ - mithin jeglicher Art - abstellen. Als Rechtsvorschrift wird im Allgemeinen eine gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage ergangene Vorschrift generell-abstrakter Natur verstanden.
54Vgl. zu diesem Verständnis des Begriffs der Rechtsvorschrift im Kontext des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG bereits OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2013 - 12 A 1243/13 -, juris.
55Ungeachtet der Frage, welche Regelungen im Einzelnen (noch) unter diesen Begriff fallen, zählen jedenfalls die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erlassenen Satzungen zu den Rechtsvorschriften.
56Vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2012 - 3 BN 1.12 , juris, vom 30. November 2007 - 6 BN 4.07 -, juris, und vom 15. September 1987- 7 N 1.87 -, DVBl 1988, 790, juris; Urteil vom 25. November 2004 - 5 CN 1.03 -, BVerwGE 122, 264, juris.
57Die von einer öffentlich-rechtlich - i. d. R. als Körperschaft - organisierten Hochschule erlassenen Studien- und Prüfungsordnungen sind ihrem Rechtscharakter nach Satzungen,
58vgl. Waldeyer, in: Hochschulrecht in Bund und Ländern, Stand September 2014, § 16 HRG Rn. 6; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Auflage 1986, Rn. 308, 324,
59so dass auch die hier einschlägigen Studien- und Prüfungsordnung der staatlichen Hochschule F. als Rechtsvorschriften anzusehen sind.
60Mit den oben angesprochenen Regelungen in den §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 2 Satz 1, 38 SPO war für das von der Klägerin betriebene Studium eine Mindestausbildungszeit i. S. d. § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG festgelegt. Wie strikt Regelungen zu sein haben, damit von der Festlegung einer „Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung … nicht beendet werden kann“ (§ 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG) bzw. von einer „Mindestzeit für die reinen Ausbildungsleistungen“ (Satz 3) die Rede sein kann, erschließt sich aus der Begründung zum 24. BAföGÄndG und der dem Gesetzesvorhaben vorangegangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
61Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 21. Juni 2011 auf Rechtsvorschriften abgestellt, die einen großen Teilerlass „von vornherein objektiv unmöglich“ (juris Rn. 79) machten bzw. deretwegen die Voraussetzungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG „von vornherein nicht erfüllbar“ waren (juris Rn. 81), weil diese Vorschriften es verhinderten, das Studium mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer zu beenden. Wenn das Gericht in Abgrenzung zu solchen „generellen Hinderungsgründen, die sich … aus Rechtsvorschriften ergeben,“ klargestellt hat, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten sei, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob es nach den individuellen Studienbedingungen eines jeden Studierenden in jedem Studiengang und an jeder Universität möglich sei, das Studium vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden (juris Rn. 71), ist das offenkundig in dem Sinne zu verstehen, dass rein faktische, also nicht in abstrakt-generellen rechtlichen Regelungen angelegte Hinderungsgründe für einen hinreichend frühzeitigen Ausbildungsabschluss aufgrund ihrer Unüberschaubarkeit nicht in den Blick zu nehmen sind, selbst wenn sie eine Vielzahl von Auszubildenden (in einem bestimmten Studiengang oder an einer bestimmten Hochschule) gleichermaßen betreffen. Diese Differenzierung sollte mit der Einführung der Absätze 4 bis 5a des § 18b BAföG aufgegriffen werden, wie sich aus der Bezugnahme auf die entscheidungstragenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Gesetzesbegründung erschließt. Der Gesetzgeber verfolgte ausdrücklich das Ziel, mit der Neuregelung sicherzustellen, dass kein Studierender von vornherein allein deshalb von einem großen oder kleinen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 1 und 2 BAföG ausgeschlossen ist, weil ihm ein ausreichend frühzeitiger Abschluss noch vor Ablauf der Förderungshöchstdauer durch das Zusammenspiel der Regelungen über Mindeststudiendauer, Förderungshöchstdauer und über den seiner Einflussnahme entzogenen Prüfungsablauf „unmöglich gemacht wird“, und sah deshalb eine entsprechende Berücksichtigung u. a. von „in einer Rechtsvorschrift verbindlich vorgeschriebenen Mindestausbildungszeiten“ vor (vgl. BT-Drucks. 17/7334, S. 1 und 5).
62Ob eine solche verbindliche Rechtsvorschrift vorliegt, hängt nicht zwingend davon ab, dass Begriffe wie „Mindestausbildungszeit“, „Mindeststudienzeit“ oder Mindestzeit“ Verwendung finden und damit einhergehend entsprechende Zeitvorgaben - z. B. zu einer Anzahl von Semestern oder Jahren, die das Studium (mindestens) zu umfassen hat - explizit verbalisiert werden. Solches mag die verwaltungspraktische Identifizierung einschlägiger Rechtsvorschriften erleichtern, ist jedoch nicht notwendige Voraussetzung für deren Verbindlichkeit. Diese kann sich auch ohne derartige Begrifflichkeiten aus dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der Vorschriften ergeben. Wie in anderen Bereichen der Rechtsanwendung obliegt es der Verwaltung und den Verwaltungsgerichten, die Normaussage gegebenenfalls mit der üblichen Interpretationsmethodik zu ermitteln. Bescheinigungen der Hochschulen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Mindestausbildungs- oder -studienzeit i. S. v. § 18b Abs. 5 BAföG kommt dabei selbstverständlich keine konstitutive Wirkung zu. Sie können allenfalls als Indiz dafür zu werten sein, dass die damit zum Ausdruck gebrachte rechtliche Wertung der Hochschule als Urheberin der maßgeblichen Satzungsvorschriften in der Sache zutrifft.
63Aus der Entstehungsgeschichte des 24. BAföGÄndG erschließt sich ohne Weiteres, dass in den Studien- und Prüfungsordnungen vorgesehene (Ausnahme-) Möglichkeiten für eine Verkürzung der Ausbildung, soweit diese innerhalb des jeweiligen Ausbildungsgangs angelegt sind, bei der Prüfung des Vorliegens einer Rechtsvorschrift i. S. d. § 18b Abs. 4 und 5 BAföG grundsätzlich zu berücksichtigen sind und der Annahme einer festgelegten Mindestausbildungs- oder -studien-zeit insofern entgegenstehen können. Denn eine von vornherein bestehende Unmöglichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für einen großen Teilerlass, auf die das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgesetzgeber abgestellt haben, kann ihrerseits dadurch ausgeschlossen sein, dass die für die Ausbildung geltenden rechtlichen Regelungen es ermöglichen, die Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt als regelmäßig vorgesehen abzuschließen, so dass dann von einem generellen rechtlichen Hinderungsgrund für den großen Teilerlass nicht mehr die Rede sein kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im jeweiligen Einzelfall des Auszubildenden die Verkürzungsmöglichkeit nach den individuellen Gegebenheiten tatsächlich in Anspruch genommen werden konnte.
64Anderes gilt indes für die Option der Anrechnung von Leistungen, die in einem anderen Studiengang erbracht worden sind. Ein Rückgriff auf solche, außerhalb des jeweiligen Ausbildungsganges angelegte Umstände kommt nicht in Betracht. Dagegen spricht schon die hinter den Vorschriften zum studiendauerabhängigen Teilerlass stehende allgemeine Zielsetzung, einen Anreiz zur frühzeitigeren Beendigung der Ausbildung zu schaffen. Dieser Anreiz kann nicht wirksam zum Tragen kommen, wenn die Verkürzung der Ausbildung nur davon abhängt, dass anderweitig erbrachte Ausbildungsleistungen angerechnet werden, da eine solche Anrechnung auf entsprechenden früheren Ausbildungszeiten aufbaut. Dementsprechend haben die rechtlichen Möglichkeiten zu einer Anrechnung von Studienzeiten und Studienleistungen in der ärztlichen Ausbildung (vgl. § 12 ÄApprO) bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 auch keine Rolle gespielt.
65Die Maßgeblichkeit verbindlicher Festlegungen durch eine Rechtsvorschrift wird in der Systematik des § 18b Abs. 5 BAföG nur insoweit durchbrochen, als nach dessen Satz 4 Halbsatz 2 für die Bestimmung der zeitlichen Dauer der Prüfungszeit - bei Fehlen einer solchen Festlegung - die gesetzliche (widerlegbare) Vermutung aufgestellt wird, diese betrage drei Monate. Nur im Kontext der Prüfungszeit kommt es nach dem Gesetz auf den Aspekt der Regelmäßigkeit an. Im Übrigen verbleibt es bei dem Grundsatz, dass rechtliche Regelungen, die eine bestimmte Ausbildungs- und Studienzeit nur für den Regelfall vorgeben, keine Festlegungen im Sinne des § 18b Abs. 5 BAföG darstellen.
66Ungeachtet dieses Befundes ist allein aus der satzungsmäßigen Festlegung einer Regelstudienzeit nichts Stichhaltiges dagegen abzuleiten, dass diese mit einer Mindestausbildungszeit i. S. v. § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG deckungsgleich sein kann. Denn die Hochschulen sind von Gesetzes wegen generell gehalten, Regelstudienzeiten vorzusehen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 HRG), was somit auch für solche Studiengänge gilt, bei denen sich aus weiteren Satzungsvorschriften ergibt, dass die Ausbildung vor Ablauf der Regelstudienzeit nicht beendet werden kann. Ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber solche Fallgestaltungen von einem Teilerlass hätte ausschließen können, weil sich in diesen Konstellationen ein vorzeitiger Studienabschluss - als eigentlicher Anreiz für die Begünstigung - von vornherein nicht realisieren lässt und der Teilerlass somit auf eine schlichte „Belohnung“ für einen erfolgreich absolviertes Studium hinausläuft - ein Konzept, das der Gesetzgeber in der Allgemeinheit gerade nicht umsetzen wollte (vgl. BT-Drucks. 17/7334, S. 2 „C. Alternativen“) -, bedarf hier keiner näheren Betrachtung. Letztlich hat sich der Gesetzgeber mit den durch das 24. BAföGÄndG geschaffenen Regelungen für ein Modell entschieden, bei dem das Vorliegen einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Mindestausbildungszeit selbst bei Deckungsgleichheit mit einer Regelstudienzeit - eine Differenz von „weniger als vier Monaten“ besteht auch bei einem Zusammenfallen der Endzeitpunkte - im Ergebnis dazu führt, dass sich die zeitlichen Grenzen für den einen Teilerlass eröffnenden Ausbildungsabschluss zugunsten der Absolventen dergestalt nach hinten verschieben, dass die Berechtigung zur Inanspruchnahme eines Teilerlasses von einem vorzeitigen Abschluss der Ausbildung - d. h. vor Ende der Regelstudienzeit bzw. Förderungshöchstdauer - nicht mehr zwingend abhängt. Deckt sich die Regelstudienzeit mit einer verbindlich festgelegten Mindestausbildungszeit, besteht ein Anspruch auf einen großen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG, wenn die Ausbildung mit dem Ablauf dieser Zeiten beendet wird; ein kleiner Teilerlass fällt bei einer Überschreitung dieses Rahmen um maximal zwei Monate an (vgl. § 18b Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BAföG).
67Die vorstehend dargestellten Grundsätze führen dazu, dass für das von der Klägerin betriebene Studium eine Mindestausbildungszeit i. S. d. § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG festgelegt war, die sich mit der satzungsmäßigen Regelstudienzeit von sieben Semestern (§ 3 Abs. 1 SPO) deckte und im Fall der Klägerin mit Ablauf des Monats Februar 2008 endete. Dass die Ausbildung erst mit dem siebten Semester beendet werden konnte, ergibt sich mit der erforderlichen rechtlichen Verbindlichkeit insbesondere aus § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 38 SPO. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SPO „müssen“ die dort angesprochenen Studien- und Prüfungsleistungen innerhalb des Semesters erbracht werden, in dem im Besonderen Teil die entsprechenden Module „vorgeschrieben sind“. Dieser Wortlaut lässt keinen Zweifel daran, dass Raum für Abweichungen nicht besteht. § 38 SPO ordnet jedes Modul einem bestimmten Semester zu. Lediglich das Modul 5.8 (Wahlstudium/Studium generale) erscheint - ohne Auswirkungen auf die Studiendauer - verschiebbar, wie sich aus den Erläuterungen zu der Tabelle unter § 41 SPO erschließt. Abweichungen von diesem starren Ausbildungsablauf sind nach der Studien- und Prüfungsordnung nicht vorgesehen und daher grundsätzlich nicht möglich. Auf die in § 15 SPO ermöglichte Anrechnung von Studienzeiten, Studienleistungen und Prüfungsleistungen - und die damit sachlich zusammenhängende Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 SPO - kommt es hierbei, wie dargelegt, nicht an. Weitere Optionen zur Verkürzung der Ausbildung sind nicht erkennbar.
68Das Vorliegen einer so zu bemessenden Mindestausbildungszeit wird vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Studium nach den zugrunde liegenden rechtlichen Vorschriften nicht zwingend bis zum letzten Tag des 7. Semesters betrieben werden muss, in der Praxis vielmehr davon auszugehen ist, dass der förderungsrechtlich maßgebende letzte Prüfungsteil eine gewisse Zeit vor dessen Ablauf absolviert wird und das zeitliche Ende der Ausbildung in diesem Sinne - wohlgemerkt nur bezogen auf seine Einordnung in den hinteren Teil des letzten Semesters - auch nach den Rechtsvorgaben nicht festgelegt erscheint. Darauf kann es bei verfassungskonformer Anwendung des § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG nicht ankommen, weil aus den bestehenden normativen Festlegungen - hier vor allem in Gestalt des der Studienordnung anliegenden Studienplans - jedenfalls zwingend folgt, dass die Ausbildung nicht mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer (zugleich Ende der sieben Semester umfassenden Regelstudienzeit) beendet werden kann. Denn die - wie dargelegt - als Rechtsvorschriften verbindlichen Regelungen der §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 38 SPO machten es von vornherein objektiv unmöglich, das Studium innerhalb der ersten beiden Monate des 7. und plangemäß letzten Semesters abzuschließen. § 38 DPO sah nämlich nicht nur vor, dass die Bachelorarbeit in diesem Semester geschrieben wird, wobei die Bearbeitungszeit hierfür drei Monate (§ 27 Abs. 2 Satz 4 DPO) betrug; zusätzlich waren im 7. Semester auch noch insgesamt drei Veranstaltungen aus den Studienbereichen IV (Nrn. 4.3, 4.6) und V (Nr. 5.5) zu belegen. Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen ist die Klägerin bei der Anwendung des § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG deshalb zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung so zu stellen, als reichte ihre Mindestausbildungszeit bis zum Ende des 7. Semesters.
69Schließlich erfüllt die Klägerin auch die weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines großen Teilerlasses gemäß § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG. Soweit der Anspruch nach § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG daran anknüpft, dass zwischen dem Ende der festgelegten Mindestausbildungszeit und dem Ende der Förderungshöchstdauer weniger als vier Monate liegen, wird dieser Voraussetzung logisch-begrifflich auch dadurch genügt, dass beide Zeiten einheitlich enden, wie bereits erwähnt. Die Klägerin hat auch die Ausbildung im Sinne des § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG mit Ablauf der Mindestausbildungszeit beendet. Ein vorzeitiger Abschluss der Ausbildung ist dabei nach normgerechtem Verständnis offensichtlich unschädlich, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin ihre Ausbildung im förderungsrechtlichen Sinne erst im Februar 2008 abgeschlossen hat - mit diesem Monat endete auch die Mindestausbildungszeit - oder schon zu einem früheren Zeitpunkt. Den notwendigen Teilerlassantrag hat die Klägerin innerhalb der Monatsfrist nach § 18b Abs. 4 Satz 3 BAföG gestellt.
70Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
71Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
72Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Namentlich fehlt es schon wegen der begrenzten Geltungsdauer der Vorschriften über den studiendauerabhängigen Teilerlass an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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