Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 A 2080/13
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses nach § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG.
3Sie bezog während ihres Magisterstudiums (X. im Hauptfach, X1. und X2. als Fremdsprache im Nebenfach, zusätzliches Studienelement X3. ) an der K. -M. -Universität in H. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Nach Einreichen der Magisterarbeit am 13. Februar 2007 legte sie am 12. April 2007 erfolgreich die Magisterprüfung ab, woraufhin ihr der akademische Grad Magistra Artium (M. A.) verliehen wurde.
4Dem Studium der Klägerin lagen die einschlägige Studienordnung des Fachbereichs 09 Germanistik vom 24. April 1985 i. d. F. d. 1. Änderungsbeschlusses vom 29. Oktober 1986 (im Folgenden nur: StO) und die Ordnung für die Magisterprüfung der geisteswissenschaftlichen Fächer der K. -M. -Universität H. in der Neufassung vom 29. November 2000 (im Folgenden nur: MPO) zugrunde.
5Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 10. September 2011 stellte das Bundesverwaltungsamt die Höhe der Darlehensschuld mit 9.250,50 Euro fest. Das Ende der Förderungshöchstdauer setzte es auf den letzten Tag des Monats März 2007 und den Rückzahlungsbeginn auf den 30. April 2012 fest.
6Unter dem 24. September 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung eines leistungsabhängigen und studiendauerabhängigen Teilerlasses. Gemäß Bescheinigung des Akademischen Prüfungsamtes und den Zeugnissen hatte die Klägerin die Magisterprüfung mit der Gesamtnote gut (1,6) bestanden.
7Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses ab. Es führte aus, die Klägerin habe die Ausbildung nicht zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer erfolgreich beendet. Sie habe das Studium am 12. April 2007 erfolgreich abgeschlossen. Die Förderungshöchstdauer des Studiums habe aber bereits mit dem Ablauf des Monats März 2007 geendet. Nach ständiger Rechtsprechung komme es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Prüfung nicht innerhalb der Frist habe abgelegt werden können. Auch wenn sich die Studiendauer durch von dem Studenten nicht zu vertretende Umstände (z. B. Krankheit des Prüfers o. ä.) verlängert habe, sei die Gewährung des Teilerlasses zwingend ausgeschlossen.
8Am 18. Oktober 2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, sie habe sich nach der Magisterprüfungsordnung erst nach einem Mindeststudium von sieben Semestern zu den Prüfungen anmelden können. Die Prüfungstermine seien vom Akademischen Prüfungsamt Geisteswissenschaften festgelegt worden. Sie habe also keine Möglichkeit gehabt, ihr Studium zwei Monate vor Ende der Förderungshöchstdauer abzuschließen. Zu der Zeit habe es keine Prüfungstermine gegeben.
9Mit Bescheid vom 3. November 2011 lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Gewährung eines leistungsabhängigen Teilerlasses ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin gehöre nach dem Ergebnis der Abschlussprüfung nicht zu den ersten 30 vom Hundert der Prüfungsabsolventen ihrer Vergleichsgruppe. In ihrer Vergleichsgruppe habe der Erlass bis zu einer Gesamtnote von 1,30 gewährt werden können.
10Im Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 6. Oktober 2011 legte die Klägerin eine auf den 4. November 2011 datierte Bescheinigung des Akademischen Prüfungsamtes Geisteswissenschaften der K. -M. -Universität H. vor, in der ausgeführt wurde, dass die Fachbereiche das Magisterstudium so regelten, dass die Magisterprüfung innerhalb einer Regelstudienzeit von neun Semestern abgelegt werden könne; der erste Teil der Prüfung könne frühestens nach dem siebten Fachsemester, der zweite Prüfungsteil frühestens nach dem achten Fachsemester abgelegt werden. Am 6. März 2012 legte die Klägerin eine weitere (undatierte) Bescheinigung des Akademischen Prüfungsamtes vor, aus der hervorging, dass es sich bei dem absolvierten Studiengang um eine Ausbildung mit einer Mindestausbildungszeit im Sinne von § 18b Abs. 5 BAföG handele. Die Mindeststudienzeit betrage „7 Semester + 2 Semester Prüfungszeit (= Regelstudienzeit)“, sie habe im vorliegenden Fall im April 2007 geendet.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung des studiendauerabhängigen Teilerlasses zurück. Zur Begründung führte sie aus, aus der vorgelegten für den klägerischen Studiengang maßgeblichen Studien-/Prüfungsordnung sei ersichtlich, dass der absolvierte Studiengang nicht die Voraussetzungen für einen Studiengang mit einer Mindestausbildungszeit im Sinne von § 18b Abs. 5 BAföG erfülle. Eine Mindeststudien- oder Mindestausbildungszeit im Sinne des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG sei nur anzunehmen, wenn die Studien- oder Prüfungsordnung oder eine vergleichbare Bestimmung eine bestimmte Dauer des Studiums verbindlich vorschreibe. Nur wenn durch diese Vorgaben zwingend vorgegeben sei, dass der/die Auszubildende das Studium nicht vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abschließen könne, könne ein Teilerlass gemäß § 18b Abs. 4 BAföG gewährt werden. Verhindere hingegen die studienorganisatorische Ausgestaltung lediglich de facto einen für die Erreichung des Teilerlasses rechtzeitigen Studienabschluss, so griffen die neuen Regelungen nicht. Erforderlich seien vielmehr durch Rechtsvorschrift festgelegte Mindestzeiten, die abstrakt-generell den für einen Teilerlass rechtzeitigen Abschluss des Studiums objektiv unmöglich machten.
12Die Klägerin hat am 10. August 2012 bei dem Verwaltungsgericht H. Klage erhoben. Mit Beschluss vom 6. August 2012 hat sich das Verwaltungsgericht H. für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
13Die Klägerin verfolgt ihr Begehren unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Akademischen Prüfungsamtes Geisteswissenschaften der K. -M. -Universität H. weiter. Insbesondere führt sie aus, sie habe ihr Studium nicht bis Januar 2007 abschließen können, da sie sich erst nach sieben Semestern zur Prüfung habe anmelden können und die Prüfungstermine vom Akademischen Prüfungsamt Geisteswissenschaften vorgegeben gewesen seien. Sie habe keinen Einfluss auf die Prüfungstermine und das damit verbundene Ende ihres Studiums. Vielmehr liege dies in der universitären Organisation begründet. Bei der Vorgehensweise würden Studenten des Magisterstudiums gegenüber Diplom- oder Bachelorstudenten benachteiligt. Der zweite Teil ihrer Magisterprüfung könne nach den Vorschriften frühestens nach dem achten Semester abgelegt werden. Das heiße in der Praxis, dass Studenten das Studium nicht vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abschließen könnten. Die Ausführungen der Beklagten zu den Bescheinigungen des Akademischen Prüfungsamtes Geisteswissenschaften seien haltlose Unterstellungen. Die Bescheinigung über die Mindeststudienzeit habe die Beklagte selbst angefordert. Frau S. vom Prüfungsamt der K. -M. -Universität H. habe sich mehrfach zur Klärung im persönlichen Gespräch mit der Beklagten bereit erklärt. Davon habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. In der Bundestagsdrucksache 17/7334 heiße es, dass kein Studierender von vornherein von einem Teilerlass ausgeschlossen werden darf, „weil ihm ein ausreichend frühzeitiger Abschluss noch vor der Förderungshöchstdauer durch das Zusammenspiel der Regelungen über Mindeststudiendauer, Förderungshöchstdauer und über den seiner Einflussnahme entzogenen Prüfungsablauf unmöglich gemacht wird“. Ausweislich der Bundestags-Drucksache 17/1551 habe es sich gezeigt, dass die Teilerlassregelung zu unausgewogenen Ergebnissen führe, da es in vielen Fällen von der Studienstruktur abhänge, ob eine Ausbildung überhaupt vorzeitig beendet werden könne oder nicht; bei unterschiedlichen Studiengängen ergäben sich erheblich unterschiedliche Beschleunigungspotentiale, die zu ungerechten und unausgewogenen Verteilungen der Teilerlasse führten.
14Die Klägerin hat beantragt,
15die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2012 zu verpflichten, ihr einen studiendauerabhängigen Teilerlass zu gewähren.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Auch sie hat ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft. Insbesondere hat sie vorgetragen, das Akademische Prüfungsamt Geisteswissenschaften habe in der vorgelegten Bescheinigung nur scheinbar eine Mindeststudienzeit bestätigt. Tatsächlich handele es sich um eine Regelstudienzeit. Sie, die Beklagte, gehe nach wie vor nicht davon aus, dass es sich bei dem von der Klägerin absolvierten Studiengang um einen Studiengang mit einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Mindestausbildungszeit im Sinne des § 18b Abs. 4, 5 BAföG handele. Weder in der Studienordnung noch der Prüfungsordnung werde abstrakt-generell eine Mindestausbildungszeit festgelegt. § 3 Abs. 2 Satz 2 MPO, wonach der zweite Teil (Magisterarbeit) frühestens nach dem achten Semester abgelegt werden könne, schließe nach ihrer Ansicht den Abschluss des Studiums vier Monate vor Ende der neunsemestrigen Regelstudienzeit nicht abstrakt-generell aus. Die Bestimmungen über den Zeitraum zur Ablegung der Magisterarbeit und der Erstellung der Gutachten seien nur das Erreichen eines Teilerlasses im Regelfall faktisch ausschließende organisatorische Ausgestaltungen des Studienverlaufs und keine abstrakt-generelle Festlegung einer Mindeststudienzeit. Selbst wenn man aber die zitierten Vorschriften heranzöge und die Zeiträume addierte, sei ein Abschluss des Studiums vier Monate vor dem Ende der Regelstudienzeit nicht ausgeschlossen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 MPO betrage die Frist zur Ablegung der Magisterarbeit sechs Monate. Dies schließe eine Abgabe der Magisterarbeit vor Ablauf dieses Zeitraums aber nicht aus. Es werde nur eine Ablegung der Magisterarbeit nach der sechsmonatigen Frist grundsätzlich ausgeschlossen. Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 MPO bestehe zudem die Möglichkeit, eine bereits für die wissenschaftliche Prüfung für ein Lehramt an Gymnasien vorgelegte Hausarbeit für die Magisterprüfung anzuerkennen. Entsprechendes gelte nach Abs. 5 Satz 2 für eine bereits für die Diplomprüfung an einer wissenschaftlichen Hochschule vorgelegte Diplomarbeit. In diesen Fällen fehle also die für die Anfertigung der Magisterarbeit vorgesehene Frist von regelmäßig sechs Monaten völlig, so dass sich die Prüfungszeit entsprechend verkürze. Selbst wenn die Regelung in den genannten Vorschriften die verbindliche Festlegung einer Mindeststudien- oder Ausbildungszeit im Sinne von § 18b Abs. 4 BAföG sein sollte, sei unter Berücksichtigung einer Förderungshöchstdauer von neun Semestern ein früherer Abschluss weiterhin möglich. Es reiche, wenn zumindest theoretisch ein früherer Abschluss möglich sei. Die im Fall der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen des Akademischen Prüfungsamtes über die Mindestausbildungszeit seien unbeachtlich. Zunächst habe dieses eine Mindeststudienzeit von sieben Semestern plus zwei Semester Prüfungszeit = Regelstudienzeit, dann eine Mindestausbildungszeit von neun Semestern bis März 2007 bescheinigt. Jedenfalls komme den Bescheinigungen keine konstitutive Wirkung zu. Der Zeitraum für das Prüfergutachten sei trotz der Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 der Prüfungsordnung, wonach als Datum des Zeugnisses das Datum des zuletzt eingegangenen Gutachtens anzugeben sei, unerheblich. Maßgeblich sei die Beendigung der Ausbildung, das heiße, das Bestehen der Abschlussprüfung. Maßgeblich dafür sei der letzte Prüfungsteil, mithin die Abgabe der Magisterarbeit. Die Magisterarbeit habe die Klägerin am 13. Februar 2007 eingereicht. Damit habe die Klägerin ihr Studium nicht im Sinne des Absatzes 3 des § 18b BAföG zwei bzw. vier Monate vor Ende der Förderungshöchstdauer beendet. Auch aus der Regelung zum Freiversuch in § 16 der Prüfungsordnung könne gefolgert werden, dass eine Ablegung der Magisterprüfung vor dem neunten Fachsemester durchaus möglich sei. Denn der Freiversuch werde gewährt, sofern die Magisterprüfung vollständig und spätestens im neunten Fachsemester abgelegt werde. Diese Formulierung lasse darauf schließen, dass auch eine Ablegung vor dem neunten Semester möglich sein müsse. Auch die Tatsache, dass nach den Fußnoten 3 - 6 zu § 7 der Studienordnung eine bestimmte Anzahl von Leistungsnachweisen, welche Voraussetzung für die Meldung zur Zwischenprüfung seien, bis zur Meldung zur Magisterprüfung nachgereicht werden könnten, zeige, dass eine flexible - und nicht an einem starren Studienplan orientierte - Ausgestaltung des Studiums möglich sei. Auch § 2 der Studienordnung schließe eine Ablegung des Studiums vor dem neunten Semester oder zu Beginn des neunten Semesters gerade nicht aus. Die Klägerin verkenne, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 21. Juni 2011 gerade nicht dem Gesetzgeber das Recht bestritten habe, wegen der aus unterschiedlichen studienorganisatorischen Rahmenbedingungen entstehenden Einzelfallungerechtigkeiten die Erlassregelung komplett abzuschaffen, anstatt sie auszuweiten und auch für all diejenigen Absolventen zu öffnen, die zwar nicht durch verbindliche Rechtsvorschriften, aber durch die konkrete Studienorganisation an einem früheren Studienabschluss gehindert gewesen seien. Es habe vielmehr klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht gehalten sei, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Lediglich „generelle Hinderungsgründe, die sich ... aus Rechtsvorschriften ergeben“ müssten berücksichtigt werden. Dass die organisatorische Ausgestaltung des Studienverlaufs die Klägerin von der Erreichung eines Teilerlasses faktisch ausgeschlossen habe, sei nicht generelle Folge einer rechtsverbindlichen Festlegung einer Mindeststudienzeit durch Rechtsvorschrift. Mit dem 24. BAföGÄndG habe der Gesetzgeber gerade bekräftigt, an der völligen Abschaffung der Teilerlassregelungen festzuhalten und er habe sich auf die zwingend verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung für die Übergangszeit beschränkt.
19Mit dem angefochtenen Urteil vom 1. August 2013 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2012 verpflichtet, der Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass gemäß § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 und Abs. 3 Satz 1 BAföG zu gewähren, und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf einen studiendauerabhängigen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 BAföG. Sie habe im Sinne dieser Vorschriften ein Studium mit einer durch Rechtsvorschriften festgelegten Mindestausbildungszeit absolviert und zwischen deren Ende und dem Ende der Förderungshöchstdauer lägen auch weniger als vier Monate. Wie vom Akademischen Prüfungsamt bestätigt, sei hier eine Mindeststudienzeit von sieben Semestern bestimmt. Denn nach § 8 StO sei der Abschluss des Studiums frühestens nach dem achten Semester möglich und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 MPO könne der erste Teil der Prüfung (Klausuren/mündliche Prüfung) frühestens nach dem siebten Fachsemester abgelegt werden, während der zweite Teil der Prüfung (Magisterarbeit) frühestens nach dem achten Semester möglich sei. Entsprechendes ergebe sich auch aus § 6 MPO. Entscheidend für die Festlegung einer Mindeststudienzeit oder einer Mindestausbildungszeit sei, dass in diesen Rechtsvorschriften eine grundsätzliche Regelung getroffen worden sei, also eine solche, die einen Studenten ohne ausbildungsbedingte Sondersituationen wie Wechsel des Studienortes, anrechenbare Studienzeiten oder anrechenbare Studien- bzw. Prüfungsleistungen im Blick habe. Das sei hier der Fall. Es handele sich nicht bloß um studienorganisatorische Festlegungen. Entsprechend der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigung des Akademischen Prüfungsamtes auf dem überarbeiteten Vordruck liege eine durch Rechtsvorschriften bestimmte Mindestausbildungszeit - bestehend aus Mindeststudienzeit und Prüfungszeit - vor, die bis März 2007 reiche. Denn nach § 10 MPO könne die Magisterarbeit erst nach der Zulassung zum zweiten Teil der Magisterprüfung ausgegeben werden, also erst nach dem achten Semester; die Frist zur Anfertigung der Masterarbeit betrage sechs Monate. Unerheblich sei, ob die Arbeit theoretisch in einer kürzeren Zeit abgegeben werden könne. Denn nach § 18b Abs. 5 Satz 4 BAföG komme es auf die regelmäßig erforderliche Zeit an. Es fehle jeglicher Anhalt dafür, dass die Kandidaten die sechs Monate nicht regelmäßig ausschöpften. Die Beklagte stelle insoweit auf Ausnahmen ab, was der Wortlaut des Gesetzes nicht vorsehe. Auch nach den Gesetzesmotiven komme es nicht auf Ausnahmefälle, sondern vielmehr auf den Regelfall an. Dafür spreche auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, die bei der Interpretation der dadurch veranlassten Neuregelung des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG zu berücksichtigen sei. Dieser Entscheidung sei zu entnehmen, dass es auf generelle Hinderungsgründe ankomme und dabei sämtliche den Mindeststudienzeiten vergleichbaren Gründe zu berücksichtigen seien. Dementsprechend sei zu verhindern, dass infolge der Anpassung der Förderungshöchstdauer an die Regelstudienzeit, die sich aus der Mindeststudienzeit und der notwendigen Examenszeit zusammensetze, ein Abschluss des Studiums nicht mehr vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer möglich sei. Nach den aus Rechtsvorschriften folgenden Prüfungszeiten wäre die Klägerin nicht in der Lage, die Prüfung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit dem Bestehen der Abschlussprüfung zu beenden. Auch in solchen Fällen müsse aber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein großer Teilerlass eröffnet werden.
20Zur Begründung ihrer am 28. August 2013 eingelegten Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Weder in der Studienordnung noch in der Prüfungsordnung sei hier abstrakt-generell eine Mindestausbildungszeit festgelegt. Soweit das Verwaltungsgericht in § 3 Abs. 2 MPO eine Regelung der Mindeststudienzeit sehe, ergebe sich daraus lediglich, dass der zweite Prüfungsteil frühestens nach dem achten Semester abgelegt werden könne, was einen Abschluss des Studiums vor Ablauf der neunsemestrigen Regelstudienzeit (§ 2 StO) nicht per se ausschließe. Für die Magisterarbeit werde in § 10 Abs. 3 MPO lediglich eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt, die Arbeit könne somit auch früher abgelegt werden. Auch sehe § 10 Abs. 5 MPO „Ersatzmöglichkeiten“ vor, bei denen die Magisterarbeit und somit deren Erstellungszeit vollständig entfalle. Aus den Regelungen zum Freiversuch (§ 16 MPO) sei ebenfalls zu schließen, dass ein Ablegen der Magisterarbeit vor dem neunten Fachsemester möglich sei. Sonstige Anrechnungsmöglichkeiten und damit einhergehende Verkürzungen der Studiendauer kämen nach der Studienordnung in Betracht. Maßstab sei nicht, wie es das Verwaltungsgericht sehe, welchen Zeitraum die Mehrzahl der Studierenden für die Prüfungsleistung (Magisterarbeit) benötige; es komme vielmehr darauf an, in welchem Zeitraum nach den abstrakt-generellen Regelungen eine solche Arbeit erstellt werden könne. Sie, die Beklagte, habe Möglichkeiten aufgezeigt, das Studium erfolgreich vorzeitig zu beenden. Dabei handele es sich auch nicht nur um theoretische, „auf dem Papier denkbare“ Möglichkeiten, sondern um solche, die konkret in der Praxis vorkämen, wenn auch nicht im vorliegenden Fall. Insofern sei ein erfolgreiches Studium in kürzerer Zeit eben nicht per se unmöglich. Das Verwaltungsgericht habe zur Begründung der Mindestausbildungszeit im Schwer-punkt auf die Prüfungszeiträume abgestellt. Als Basis müsse aber die Studiendauer mitberücksichtigt werden, zu der das Verwaltungsgericht jedoch selbst ausgeführt habe, dass eine Regelung zur notwendigen Semesterzahl vor Beginn der Prüfung fehle. Der Erwerb der Leistungsscheine sei nicht durch Rechtsvorschrift zwingend auf das achte Semester festgelegt.
21Die Beklagte beantragt,
22das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
23Die Klägerin stellt keinen Antrag.
24Sie trägt im Wesentlichen vor: In den §§ 3 und 6 MPO sei festgelegt, dass der erste Teil der Magisterprüfung frühestens nach dem siebten, der zweite Teil frühestens nach dem achten Fachsemester abgelegt werden könne. Somit ergebe ein Anspruch auf einen Teilerlass aus § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 BAföG. Bei ihrer Argumentation zur sechsmonatigen Bearbeitungsfrist für die Magisterarbeit berücksichtige die Beklagte nicht, dass das Thema der Arbeit nach § 10 MPO so beschaffen sein müsse, dass es innerhalb der Frist nach Absatz 3 bearbeitet werden könne. Es sei davon auszugehen, dass Themen, die den Mindestanforderungen nicht genügten und schneller bearbeitet werden könnten, nicht genehmigt würden. Nach § 18b Abs. 5 Satz 4 BAföG sei auf die regelmäßig erforderliche Prüfungszeit abzustellen. Auf die vorliegenden Stellungnahmen und Bescheinigungen des Akademischen Prüfungsamtes werde verwiesen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage der Klägerin zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung des begehrten Teilerlasses, so dass der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2012 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 VwGO verletzt.
28Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Klägerin einen studiendauerabhängigen Teilerlass nicht nach § 18b Abs. 3 Satz 1 und 2 BAföG beanspruchen kann. Gemäß § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG werden auf Antrag des Auszubildenden 2.560 Euro des Darlehens erlassen, wenn dieser bis zum 31. Dezember 2012 die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit dem Bestehen der Abschlussprüfung oder, wenn eine solche nicht vorgesehen ist, nach den Ausbildungsvorschriften planmäßig beendet. Nach Satz 2 werden 1.025 Euro erlassen, wenn der in Satz 1 genannte Zeitraum nur zwei Monate beträgt. Die Voraussetzungen für einen Teilerlass nach diesen Vorschriften erfüllt die Klägerin nicht, weil sie ihre Ausbildung nicht wenigstens zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beendet hat. Die Förderungshöchstdauer endete in ihrem Fall nach den bestandskräftigen Festsetzungen des Bescheides vom 10. September 2011 mit dem Monat März 2007. Der Abschluss der Ausbildung richtete sich hier, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nach der Abgabe der Magisterarbeit, weil diese den letzten Prüfungsteil bildete, der für den Abschluss einer Hochschulausbildung stets maßgebend ist (vgl. § 15b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BAföG). Ist nämlich nach der jeweils einschlägigen Studien- bzw. Prüfungsordnung vorgeschrieben, dass die schriftliche Prüfungsarbeit nach der mündlichen Prüfung abzuliefern ist, richtet sich der Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils nach dem festgesetzten Termin für die Abgabe der Prüfungsarbeit.
29Vgl. Kreutz, in: Rothe/Blanke, BAföG, Stand Mai 2014, § 15b Rn. 16.2; Tz. 15b.3.1 BAföGVwV.
30Dass die Magisterarbeit - und nicht etwa die nach der Prüfungsordnung ebenfalls vorgesehene(n) mündliche(n) Prüfung(en) - die letzte Prüfungsleistung darstellte, geht ausdrücklich aus dem an das C. adressierten Schreiben der K. -M. -Universität vom 25. März 2013 hervor und wird auch von der Beklagten zugrundegelegt. Ausgehend von dem seitens der Universität bescheinigten Datum der fristgemäßen Abgabe der Magisterarbeit endete die Ausbildung der Klägerin folglich am 13. Februar 2007 und damit nur rd. sechs Wochen vor dem Ende der Förderungshöchstdauer.
31Die Klägerin hat indes, wie auch vom Verwaltungsgericht angenommen, einen Anspruch auf Gewährung eines Teilerlasses nach § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG. § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG besagt: Ist für eine Ausbildung eine Mindestausbildungszeit im Sinne von Absatz 5 festgelegt und liegen zwischen deren Ende und dem Ende der Förderungshöchstdauer weniger als vier Monate, wird auf Antrag der Erlass nach Absatz 3 Satz 1 auch gewährt, wenn die Ausbildung mit Ablauf der Mindestausbildungszeit beendet wurde. Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin vor.
32Für die Ausbildung der Klägerin war eine Mindestausbildungszeit im Sinne des § 18b Abs. 5 BAföG festgelegt. Diese Gesetzesregelung hat folgenden Wortlaut: Mindestausbildungszeit ist die durch Rechtsvorschrift festgelegte Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung nicht durch Abschlussprüfung oder sonst planmäßig beendet werden kann (Satz 1). Bei Ausbildungen, für die eine Mindeststudienzeit im Sinne von Satz 3 bestimmt ist und zugleich eine Abschlussprüfung vorgeschrieben ist, die insgesamt oder hinsichtlich bestimmter Prüfungsteile erst nach der Mindeststudienzeit begonnen werden darf, gilt die Mindeststudienzeit zuzüglich der Prüfungszeit im Sinne von Satz 4 als Mindestausbildungszeit (Satz 2). Mindeststudienzeit ist die durch Rechtsvorschrift festgelegte Mindestzeit für die reinen Ausbildungsleistungen, einschließlich geforderter Praktika, ohne Abschlussprüfung (Satz 3). Prüfungszeit ist die Zeit, die ab dem frühestmöglichen Beginn der Prüfung oder der bestimmten Prüfungsteile bis zum letzten Prüfungsteil regelmäßig erforderlich ist; wenn die Prüfungszeit nicht durch Rechtsvorschrift festgelegt ist, wird vermutet, dass sie drei Monate beträgt (Satz 4).
33Hier bestand im Sinne des § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG eine durch Rechtsvorschrift festgelegte Mindeststudienzeit, die in Anwendung des Satzes 2 zusammen mit der regelmäßig erforderlichen Prüfungszeit im Sinne des Satzes 4 als Mindestausbildungszeit galt. Die Festlegung einer solchen Mindeststudienzeit ergab sich aus den Regelungen der Magisterprüfungsordnung, konkret aus den §§ 3 und 6 MPO. Nach § 3 Abs. 1 MPO regeln die Fachbereiche das Magisterstudium so, dass die Magisterprüfung innerhalb einer Regelstudienzeit von neun Semestern abgelegt werden kann. Absatz 2 schreibt weiter vor, dass die Magisterprüfung in zwei Teilen abgelegt wird (Satz 1). Der erste Teil (Klausur(en) und/oder mündliche Prüfungen) kann frühestens nach dem siebten Fachsemester, der zweite Teil (Magisterarbeit) frühestens nach dem achten Fachsemester abgelegt werden (Satz 2). § 6 Abs. 1 MPO besagt, dass die Magisterprüfung in zwei Teilen erfolgt: der erste Teil frühestens nach dem siebten Fachsemester, der zweite frühestens nach dem achten Fachsemester und nach Vorlage aller Studiennachweise. Mit diesen rechtlichen Regelungen ist eine Mindestzeit für die reinen Ausbildungsleistungen - ohne Berücksichtigung der Abschlussprüfung - hinreichend eindeutig festgelegt.
34Die Frage, welche Anforderungen an die Festlegung einer Mindestausbildungszeit oder Mindeststudienzeit durch Rechtsvorschrift zu stellen sind, ist vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49, und der nachfolgenden Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zu beantworten. Mit der vorbezeichneten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht den § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt, soweit er den großen Teilerlass der Rückforderung von Förderungsdarlehen davon abhängig macht, dass Auszubildende die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit Bestehen der Abschlussprüfung beenden, obwohl in dem betreffenden Studiengang die gesetzlich festgelegte Mindeststudienzeit weniger als vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer endet (BGBl. I S. 1726). In den Gründen führte das Gericht u. a. aus:
35„Der Gesetzgeber ist zwar von Verfassungs wegen nicht gehalten, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob es nach den individuellen Studienbedingungen eines jeden Studierenden in jedem Studiengang und an jeder Universität möglich ist, das Studium vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden. Er muss die Verwaltung auch nicht zu einer entsprechenden umfangreichen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung individueller Härten verpflichten. Generelle Hinderungsgründe, die sich wie hier die bindenden Mindeststudienzeiten aus Rechtsvorschriften ergeben, müssen aber in einer Regelung über die Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses berücksichtigt werden.“ (juris Rn. 71)
36...
37„Der festgestellte Verfassungsverstoß beschränkt sich auf die Fälle, in denen § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in Verbindung mit den Vorschriften zur Mindeststudienzeit einerseits und zur Förderungshöchstdauer andererseits dazu führt, dass Studierenden in ihrem Studiengang ein großer Teilerlass von vornherein objektiv unmöglich ist, weil sie ihr Studium nicht mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beenden können.“ (juris Rn. 79)
38…
39„Die Unvereinbarkeitserklärung hat weiterhin zur Folge, dass der Gesetzgeber zur rückwirkenden, gleichheitsgerechten Neuregelung für den gesamten Zeitraum verpflichtet ist, auf den sich die Unvereinbarkeitserklärung bezieht … . Dies bedeutet, dass die Neuregelung unabhängig vom Zeitpunkt des Studienabschlusses alle noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfassen muss, die die Gewährung eines großen Teilerlasses zum Gegenstand haben und einen Studiengang betreffen, in dem wegen Rechtsvorschriften zu Mindeststudienzeiten und zur Förderungshöchstdauer die Voraussetzungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG von vornherein nicht erfüllbar waren. Wie der Gesetzgeber den festgestellten Gleichheitsverstoß beseitigt, steht in seinem Ermessen.“ (juris Rn. 81)
40Diese Verpflichtung des Gesetzgebers hat zum Erlass des Vierundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (24. BAföGÄndG) vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2569) geführt, mit dem die Absätze 4 bis 5a in den § 18b BAföG eingefügt wurden. In der zugehörigen Bundestagsdrucksache zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 17/7334) heißt es hierzu einleitend:
41„A. Problem und Ziel
42Die Änderungen dienen der kurzfristigen Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011, mit dem dieses dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2011 eine Neuregelung zu Darlehensteilerlassen für einen frühzeitigen Studienabschluss auferlegt und § 18b Absatz 3 Satz 1 BAföG für Studiengänge mit durch Rechtsvorschrift festgelegter Mindeststudienzeit zugleich mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) für unvereinbar erklärt hatte. Auch wenn die betreffende Vorschrift durch das Dreiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ohnehin bereits für Studienabschlüsse nach dem 31. Dezember 2012 u. a. gerade wegen zwischenzeitlich nicht mehr zu gewährleistender Einzelfallgerechtigkeit abgeschafft worden war, ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die verbleibende Gültigkeitsdauer eine Neuregelung erforderlich geworden. Diese soll sicherstellen, dass in dieser Zeit kein Studierender von vornherein allein deshalb von einem großen oder kleinen Teilerlass nach § 18b Absatz 3 Satz 1 und 2 BAföG ausgeschlossen ist, weil ihm ein ausreichend frühzeitiger Abschluss noch vor Ablauf der Förderungshöchstdauer durch das Zusammenspiel der Regelungen über Mindeststudiendauer, Förderungshöchstdauer und über den seiner Einflussnahme entzogenen Prüfungsablauf unmöglich gemacht wird.
43B. Lösung
44Rechtlich verbindlich vorgeschriebene Mindestausbildungszeiten einschließlich erforderlicher Prüfungszeiten werden bei der Gewährung eines Geschwindigkeitsteilerlasses nach § 18b Absatz 3 BAföG künftig nach den Maßgaben der neuen Absätze 4 und 5 gesondert berücksichtigt. Falls sich Prüfungszeiten an reine Mindeststudienzeiten anschließen, die allein in einer Rechtsvorschrift bestimmt sind, ohne dass dort auch die gesamte Dauer der Mindestausbildungszeit ausdrücklich bestimmt wird, werden sie zusätzlich mit der Dauer angesetzt, die in diesen Studiengängen für einen erfolgreichen Studienabschluss auch noch nach Ablauf der Mindeststudienzeit regelmäßig erforderlich ist. In diesen Fällen bemisst sich die für den Teilerlass zusätzlich maßgebliche Prüfungsdauer unmittelbar nach der Rechtsvorschrift, wenn diese – wie bspw. beim Studium der Humanmedizin – einen kalendarisch festgelegten Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Prüfungen abgenommen werden. Für Studiengänge, in denen trotz geregelter Mindeststudienzeit die Dauer einer noch nach deren Ablauf mindestens zusätzlich anzusetzenden Prüfungszeit selbst nicht unmittelbar aus der maßgeblichen Regelung erkennbar wird, wird für die Teilerlassberechtigung pauschal eine dreimonatige Prüfungszeit als erforderlich vermutet und zusätzlich zur Mindeststudienzeit der Erlassentscheidung als insgesamt maßgebliche Mindestausbildungszeit zu Grunde gelegt. Die nach dieser Auffangregelung geltende pauschale Vermutung einer dreimonatigen Prüfungsdauer kann nur durch konkreten Nachweis widerlegt werden, dass regelmäßig eine noch längere oder aber kürzere Prüfungszeit, die der Einflussnahme des Geförderten entzogen ist, nach Ablauf der Mindeststudienzeit unvermeidlich ist. Dies gewährleistet die Administrierbarkeit der Erlassregelung auch bei fehlender konkreter Bestimmung der Prüfungsdauer durch eine auf den betreffenden Studiengang bezogene Rechtsvorschrift.
45C. Alternativen
46Nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben möglich wäre auch eine unterschiedslose Gewährung des (großen) Geschwindigkeitsteilerlasses an alle Absolventen, die ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen haben sowie des kleinen Geschwindigkeitserlasses, wenn der Abschluss binnen 2 Monaten nach Ablauf der Regelstudienzeit erfolgt ist. Dies würde eine ganz erhebliche Ausweitung des Berechtigtenkreises bedeuten und die ursprüngliche Regelung von der Honorierung gerade nur besonders früher Studienabschlüsse tendenziell zum Regelerlass für erfolgreiche Studienabsolventen verkehren. Alternativ denkbar wäre eine Beschränkung der Ausweitung zwar ebenfalls auf Fälle mit zwingenden Mindeststudienzeiten, aber unter jeweils konkreter Berücksichtigung der für den betroffenen Studiengang objektiv regelmäßig erforderlichen Prüfungszeiten durch Verpflichtung aller Prüfungsstellen zur Ausstellung entsprechender Bescheinigungen – auch hinsichtlich der noch zu berücksichtigenden bis fünf Jahre zurückliegenden Abschlussjahrgänge. Dies würde gegenüber der vorgeschlagenen Lösung einer Regelvermutung einen erheblichen administrativen Mehraufwand bei den Prüfungsstellen sowie beim Bundesverwaltungsamt auslösen.“
47Die in der Drucksache abschließend dargestellte eigentliche Gesetzesbegründung beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung vorstehender Erwägungen.
48Vor diesem Hintergrund besteht zunächst keine Veranlassung, den Begriff der „Rechtsvorschrift“ in § 18b Abs. 5 Satz 1, 3 und 4 BAföG nach dem Rang einer solchen Vorschrift differenzierend einzuengen. Dass in dem der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Fall eine Mindeststudienzeit per Gesetz (Bundesärzteordnung) bzw. Rechtsverordnung (Approbationsordnung für Ärzte) vorgegeben war, ist insoweit ohne Bedeutung, weil sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch ihm nachfolgend der Bundesgesetzgeber mit dem 24. BAföGÄndG einschränkungslos auf „Rechtsvorschriften“ - mithin jeglicher Art - abstellen. Als Rechtsvorschrift wird im Allgemeinen eine gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage ergangene Vorschrift generell-abstrakter Natur verstanden.
49Vgl. zu diesem Verständnis des Begriffs der Rechtsvorschrift im Kontext des § 18b Abs. 4 und 5 BAföG bereits OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2013 - 12 A 1243/13 -, juris.
50Ungeachtet der Frage, welche Regelungen im Einzelnen (noch) unter diesen Begriff fallen, zählen jedenfalls die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erlassenen Satzungen zu den Rechtsvorschriften.
51Vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2012 - 3 BN 1.12 , juris, vom 30. November 2007 - 6 BN 4.07 -, juris, und vom 15. September 1987- 7 N 1.87 -, DVBl 1988, 790, juris; Urteil vom 25. November 2004 - 5 CN 1.03 -, BVerwGE 122, 264, juris.
52Die von einer öffentlich-rechtlich - i. d. R. als Körperschaft - organisierten Hochschule erlassenen Studien- und Prüfungsordnungen sind ihrem Rechtscharakter nach Satzungen,
53vgl. Waldeyer, in: Hochschulrecht in Bund und Ländern, Stand September 2014, § 16 HRG Rn. 6; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Auflage 1986, Rn. 308, 324,
54so dass auch die hier einschlägigen Ordnungen der staatlichen FHVR als Rechtsvorschriften anzusehen sind.
55Mit den oben angesprochenen Regelungen in den §§ 3 und 6 MPO war für das von der Klägerin betriebene Studium eine Mindeststudienzeit i. S. d. § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG festgelegt. Wie strikt Regelungen zu sein haben, damit von der Festlegung einer „Zeit, vor deren Ablauf die Ausbildung … nicht beendet werden kann“ (§ 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG) bzw. von einer „Mindestzeit für die reinen Ausbildungsleistungen“ (Satz 3) die Rede sein kann, erschließt sich aus der Begründung zum 24. BAföGÄndG und der dem Gesetzesvorhaben vorangegangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
56Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 21. Juni 2011 auf Rechtsvorschriften abgestellt, die einen großen Teilerlass „von vornherein objektiv unmöglich“ (juris Rn. 79) machten bzw. deretwegen die Voraussetzungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG „von vornherein nicht erfüllbar“ waren (juris Rn. 81), weil diese Vorschriften es verhinderten, das Studium mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer zu beenden. Wenn das Gericht in Abgrenzung zu solchen „generellen Hinderungsgründen, die sich … aus Rechtsvorschriften ergeben,“ klargestellt hat, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten sei, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob es nach den individuellen Studienbedingungen eines jeden Studierenden in jedem Studiengang und an jeder Universität möglich sei, das Studium vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden (juris Rn. 71), ist das offenkundig in dem Sinne zu verstehen, dass rein faktische, also nicht in abstrakt-generellen rechtlichen Regelungen angelegte Hinderungsgründe für einen hinreichend frühzeitigen Ausbildungsabschluss aufgrund ihrer Unüberschaubarkeit nicht in den Blick zu nehmen sind, selbst wenn sie eine Vielzahl von Auszubildenden (in einem bestimmten Studiengang oder an einer bestimmten Hochschule) gleichermaßen betreffen. Diese Differenzierung sollte mit der Einführung der Absätze 4 bis 5a des § 18b BAföG aufgegriffen werden, wie sich aus der Bezugnahme auf die entscheidungstragenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Gesetzesbegründung erschließt. Der Gesetzgeber verfolgte ausdrücklich das Ziel, mit der Neuregelung sicherzustellen, dass kein Studierender von vornherein allein deshalb von einem großen oder kleinen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 1 und 2 BAföG ausgeschlossen ist, weil ihm ein ausreichend frühzeitiger Abschluss noch vor Ablauf der Förderungshöchstdauer durch das Zusammenspiel der Regelungen über Mindeststudiendauer, Förderungshöchstdauer und über den seiner Einflussnahme entzogenen Prüfungsablauf „unmöglich gemacht wird“, und sah deshalb eine entsprechende Berücksichtigung u. a. von „in einer Rechtsvorschrift verbindlich vorgeschriebenen Mindestausbildungszeiten“ vor (vgl. BT-Drucks. 17/7334, S. 1 und 5).
57Ob eine solche verbindliche Rechtsvorschrift vorliegt, hängt nicht zwingend davon ab, dass Begriffe wie „Mindestausbildungszeit“, „Mindeststudienzeit“ oder Mindestzeit“ Verwendung finden und damit einhergehend entsprechende Zeitvorgaben - z. B. zu einer Anzahl von Semestern oder Jahren, die das Studium (mindestens) zu umfassen hat - explizit verbalisiert werden. Solches mag die verwaltungspraktische Identifizierung einschlägiger Rechtsvorschriften erleichtern, ist jedoch nicht notwendige Voraussetzung für deren Verbindlichkeit. Diese kann sich auch ohne derartige Begrifflichkeiten aus dem Wortlaut und Sinnzusammenhang der Vorschriften ergeben. Wie in anderen Bereichen der Rechtsanwendung obliegt es der Verwaltung und den Verwaltungsgerichten, die Normaussage gegebenenfalls mit der üblichen Interpretationsmethodik zu ermitteln. Bescheinigungen der Hochschulen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Mindestausbildungs- oder -studienzeit i. S. v. § 18b Abs. 5 BAföG kommt dabei selbstverständlich keine konstitutive Wirkung zu. Sie können allenfalls als Indiz dafür zu werten sein, dass die damit zum Ausdruck gebrachte rechtliche Wertung der Hochschule als Urheberin der maßgeblichen Satzungsvorschriften in der Sache zutrifft.
58Aus der Entstehungsgeschichte des 24. BAföGÄndG erschließt sich ohne Weiteres, dass in den Studien- und Prüfungsordnungen vorgesehene (Ausnahme-) Möglichkeiten für eine Verkürzung der Ausbildung, soweit diese innerhalb des jeweiligen Ausbildungsgangs angelegt sind, bei der Prüfung des Vorliegens einer Rechtsvorschrift i. S. d. § 18b Abs. 4 und 5 BAföG grundsätzlich zu berücksichtigen sind und der Annahme einer festgelegten Mindestausbildungs- oder -studien-zeit insofern entgegenstehen können. Denn eine von vornherein bestehende Un-möglichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für einen großen Teilerlass, auf die das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgesetzgeber abgestellt haben, kann ihrerseits dadurch ausgeschlossen sein, dass die für die Ausbildung geltenden rechtlichen Regelungen es ermöglichen, die Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt als regelmäßig vorgesehen abzuschließen, so dass dann von einem generellen rechtlichen Hinderungsgrund für den großen Teilerlass nicht mehr die Rede sein kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im jeweiligen Einzelfall des Auszubildenden die Verkürzungsmöglichkeit nach den individuellen Gegebenheiten tatsächlich in Anspruch genommen werden konnte.
59Anderes gilt indes für die Option der Anrechnung von Leistungen, die in einem anderen Studiengang erbracht worden sind. Ein Rückgriff auf solche, außerhalb des jeweiligen Ausbildungsganges angelegte Umstände kommt nicht in Betracht. Dagegen spricht schon die hinter den Vorschriften zum studiendauerabhängigen Teilerlass stehende allgemeine Zielsetzung, einen Anreiz zur frühzeitigeren Beendigung der Ausbildung zu schaffen. Dieser Anreiz kann nicht wirksam zum Tragen kommen, wenn die Verkürzung der Ausbildung nur davon abhängt, dass anderweitig erbrachte Ausbildungsleistungen angerechnet werden, da eine solche Anrechnung auf entsprechenden früheren Ausbildungszeiten aufbaut. Dementsprechend haben die rechtlichen Möglichkeiten zu einer Anrechnung von Studienzeiten und Studienleistungen in der ärztlichen Ausbildung (vgl. § 12 ÄApprO) bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 2011 auch keine Rolle gespielt.
60Die Maßgeblichkeit verbindlicher Festlegungen durch eine Rechtsvorschrift wird in der Systematik des § 18b Abs. 5 BAföG nur insoweit durchbrochen, als nach dessen Satz 4 Halbsatz 2 für die Bestimmung der zeitlichen Dauer der Prüfungszeit - bei Fehlen einer solchen Festlegung - die gesetzliche (widerlegbare) Vermutung aufgestellt wird, diese betrage drei Monate. Nur im Kontext der Prüfungszeit kommt es nach dem Gesetz auf den Aspekt der Regelmäßigkeit an. Im Übrigen verbleibt es bei dem Grundsatz, dass rechtliche Regelungen, die eine bestimmte Ausbildungs- und Studienzeit nur für den Regelfall vorgeben, keine Festlegungen im Sinne des § 18b Abs. 5 BAföG darstellen.
61Ungeachtet dieses Befundes ist allein aus der satzungsmäßigen Festlegung einer Regelstudienzeit nichts Stichhaltiges dagegen abzuleiten, dass diese mit einer Mindestausbildungszeit i. S. v. § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG deckungsgleich sein kann. Denn die Hochschulen sind von Gesetzes wegen generell gehalten, Regelstudienzeiten vorzusehen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 HRG), was somit auch für solche Studiengänge gilt, bei denen sich aus weiteren Satzungsvorschriften ergibt, dass die Ausbildung vor Ablauf der Regelstudienzeit nicht beendet werden kann. Ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber solche Fallgestaltungen von einem Teilerlass hätte ausschließen können, weil sich in diesen Konstellationen ein vorzeitiger Studienabschluss - als eigentlicher Anreiz für die Begünstigung - von vornherein nicht realisieren lässt und der Teilerlass somit auf eine schlichte „Belohnung“ für einen erfolgreich absolviertes Studium hinausläuft - ein Konzept, das der Gesetzgeber in der Allgemeinheit gerade nicht umsetzen wollte (vgl. BT-Drucks. 17/7334, S. 2 „C. Alternativen“) -, bedarf hier keiner näheren Betrachtung. Letztlich hat sich der Gesetzgeber mit den durch das 24. BAföGÄndG geschaffenen Regelungen für ein Modell entschieden, bei dem das Vorliegen einer durch Rechtsvorschrift festgelegten Mindestausbildungszeit selbst bei Deckungsgleichheit mit einer Regelstudienzeit - eine Differenz von „weniger als vier Monaten“ besteht auch bei einem Zusammenfallen der Endzeitpunkte - im Ergebnis dazu führt, dass sich die zeitlichen Grenzen für den einen Teilerlass eröffnenden Ausbildungsabschluss zugunsten der Absolventen dergestalt nach hinten verschieben, dass die Berechtigung zur Inanspruchnahme eines Teilerlasses von einem vorzeitigen Abschluss der Ausbildung - d. h. vor Ende der Regelstudienzeit bzw. Förderungshöchstdauer - nicht mehr zwingend abhängt. Deckt sich die Regelstudienzeit mit einer verbindlich festgelegten Mindestausbildungszeit, besteht ein Anspruch auf einen großen Teilerlass nach § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG, wenn die Ausbildung mit dem Ablauf dieser Zeiten beendet wird; ein kleiner Teilerlass fällt bei einer Überschreitung dieses Rahmens um maximal zwei Monate an (vgl. § 18b Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BAföG).
62Die vorstehend dargestellten Grundsätze führen dazu, dass für das von der Klägerin betriebene Studium eine Mindeststudienzeit i. S. d. § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG von sieben Semestern festgelegt war. Das ergibt sich mit der erforderlichen rechtlichen Verbindlichkeit aus den bereits dargestellten Regelungen in den §§ 3 und 6 MPO. Das Studium ist so aufgebaut, dass die reinen Ausbildungsleistungen der Magisterprüfung vorgelagert sind. Die Zulassung zum ersten Teil der Magisterprüfung und dessen Ablegung ist gemäß §§ 3 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 MPO „frühestens nach dem siebten Fachsemester“ möglich. Diese Wortwahl lässt keinen Zweifel daran, dass Raum für Abweichungen nach unten nicht besteht, die Prüfung also nicht schon - auch nicht ausnahmsweise - nach einer geringeren Anzahl von Fachsemestern angetreten werden kann. Auf die in § 7 MPO ermöglichte Anrechnung von Studienzeiten, Studienleistungen und Prüfungsleistungen kommt es hierbei, wie dargelegt, nicht an. Weitere Optionen zur Verkürzung der reinen Studienzeit hat die Beklagte nicht aufgezeigt; sie sind auch nicht erkennbar.
63Um die Mindestausbildungszeit zu ermitteln, ist der Mindeststudienzeit, die hier, wie dargelegt, sieben Semester beträgt, die Prüfungszeit im Sinne von § 18b Abs. 5 Satz 4 BAföG hinzuzurechnen, also diejenige Zeit, die ab dem frühestmöglichen Beginn der Prüfung oder der bestimmten Prüfungsteile bis zum letzten Prüfungsteil regelmäßig erforderlich ist. Die Prüfungszeit wird mithin durch den Zeitaufwand für alle in § 9 Abs. 2 MPO angesprochenen Teile der Magisterprüfung (Magisterarbeit, Klausur(en), mündliche Prüfung(en)) definiert, wobei der Maßstab des regelmäßig Erforderlichen gilt, der sich - bei normgerechtem Verständnis - am Durchschnitt aller das Prüfungsverfahren planmäßig betreibenden Studenten orientiert. Davon ausgehend sind für die Prüfungszeit zwei weitere Semester zu veranschlagen. Allerdings ergibt sich dieser Zeitrahmen - anders als bei der Mindeststudienzeit - nicht mit der notwendigen Verbindlichkeit aus der Magisterprüfungsordnung, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfungszeit im Sinne von § 18b Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 BAföG „durch Rechtsvorschrift festgelegt ist“. Gleichwohl verbleibt es auch in einem solchen Fall bei der gesetzlichen Maßgeblichkeit des regelmäßig Erforderlichen. Die an das Fehlen einer Festlegung durch Rechtsvorschrift anknüpfende gesetzliche Vermutung, dass die Prüfungszeit drei Monate beträgt, dient lediglich der „Administrierbarkeit der Erlassregelung“, soll also eine Verwaltungsvereinfachung bewirken, und kann, wie es in der Begründung zum Entwurf des 24. BAföGÄndG weiter heißt, „durch konkreten Nachweis widerlegt werden, dass regelmäßig eine noch längere oder aber kürzere Prüfungszeit, die der Einflussnahme des Geförderten entzogen ist, nach Ablauf der Mindeststudienzeit unvermeidlich ist“ (vgl. BT-Drs. 17/7334, S. 2 und 5). Dabei liegt auf der Hand, dass die Verwendung des Begriffs „unvermeidlich“ in der Gesetzesbegründung nicht darauf angelegt sein kann, dem klaren Wortlaut der Norm („regelmäßig erforderlich“) einen anderen Gehalt zu geben. Ist also bei planmäßigem Betreiben des Prüfungsverfahrens eine bestimmte Zeitspanne üblicherweise vonnöten, um alle Bestandteile der Prüfung zu absolvieren, gilt diese als Prüfungszeit im Sinne des § 18b Abs. 5 Satz 4 BAföG, selbst wenn der so gesteckte Rahmen im Einzelfall unterschritten werden kann. In einem solchen Fall obliegt es auch nicht dem Absolventen, den Nachweis darüber zu führen, dass das Ausschöpfen der regelmäßig erforderlichen Zeit für ihn „unvermeidlich“ war, um die gesetzliche Vermutung des § 18b Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 BAföG zu entkräften; ein solches Verständnis widerspräche dem eindeutigen und daher keiner abweichenden Auslegung zugänglichen Gesetzeswortlaut. Denn das Abstellen auf eine solche individualisierte Unvermeidlichkeit liefe gerade auf eine Abkehr vom gesetzlichen Maßstab des regelmäßig Erforderlichen hinaus, an dem - mangels abweichender Regelungen - auch die Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung zu messen sind.
64Dies vorausgeschickt, ist hier der Nachweis dafür erbracht, dass die regelmäßig erforderliche Prüfungszeit zwei Semester umfasst, so dass die normative Fiktion einer nur dreimonatigen Zeitdauer nicht greift. Die (undatierte) Bescheinigung der K. -M. -Universität, in der ausdrücklich von „2 Semester Prüfungszeit“ die Rede ist, bietet insofern eine hinreichende Grundlage. Anders als bei der Bescheinigung von Mindestausbildungs- und -studienzeiten im Sinne von § 18b Abs. 5 BAföG, die eine tendenziell fehleranfällige juristische Wertung erfordert, hängt die regelmäßig erforderliche Prüfungszeit vorrangig von den tatsächlichen Gegebenheiten an der jeweiligen Hochschule ab, deren Würdigung in die originäre Fachkompetenz der örtlichen Hochschulverwaltung fällt. Daher ist grundsätzlich von der Richtigkeit entsprechender Angaben auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise begründete Zweifel bestehen. Letzteres ist hier nicht der Fall.
65Das Berufungsvorbringen der Beklagten geht demgegenüber in wesentlichen Zügen an den maßgeblichen Eckpunkten der rechtlichen Prüfung vorbei. Gegen das Vorliegen einer durch Rechtsvorschriften festgelegten Mindeststudienzeit wendet die Beklagte nichts Substantielles ein; mit den maßgeblichen Regelungen der §§ 3 und 6 MPO, auf die sich bereits das Verwaltungsgericht berufen hat, setzt sich die Berufungsbegründung im rechtlichen Kontext des § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG nicht auseinander. Auch dass es für die Bestimmung der Prüfungszeit auf den Maßstab des regelmäßig Erforderlichen ankommt, erkennt die Beklagte nicht.
66Nach alledem reichte die Mindestausbildungszeit bis zum 31. März 2007; an diesem Tag endete das neunte Fachsemester der Klägerin und zeitgleich auch die satzungsmäßige Regelstudienzeit sowie die bestandskräftig festgesetzte Förderungshöchstdauer.
67Schließlich erfüllt die Klägerin ebenso die weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines großen Teilerlasses gemäß § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG. Soweit der Anspruch nach § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG daran anknüpft, dass zwischen dem Ende der festgelegten Mindestausbildungszeit und dem Ende der Förderungshöchstdauer weniger als vier Monate liegen, wird dieser Voraussetzung logisch-begrifflich auch dadurch genügt, dass beide Zeiten einheitlich enden, wie bereits erwähnt. Die Klägerin hat auch die Ausbildung im Sinne des § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG mit Ablauf der Mindestausbildungszeit beendet. Wie ebenfalls schon - nämlich im Zusammenhang mit § 18b Abs. 3 BAföG - angesprochen, schloss sie ihre Ausbildung am 13. Februar 2007 ab. Dass dieses Datum rd. sechs Wochen vor dem Ablauf der Mindestausbildungszeit liegt, steht einer Anwendung des § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG nicht entgegen, da eine normgerechte Auslegung und Anwendung der auf Beschleunigung angelegten Teilerlassregelung zu dem Ergebnis führt, dass mit der Voraussetzung eines Ausbildungsendes „mit Ablauf der Mindestausbildungszeit“ lediglich eine hintere zeitliche Schranke gesetzt ist. Den notwendigen Teilerlassantrag hat die Klägerin innerhalb der Monatsfrist nach § 18b Abs. 4 Satz 3 BAföG gestellt.
68Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
70Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Namentlich fehlt es schon wegen der begrenzten Geltungsdauer der Vorschriften über den studiendauerabhängigen Teilerlass an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 10 MPO 2x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 3 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 3 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 132 2x
- § 18b Abs. 4 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 2 Satz 2 MPO 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 2 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 113 1x
- § 18b Abs. 5 Satz 1, 3 und 4 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG 4x (nicht zugeordnet)
- § 18b BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 Satz 3 BAföG 3x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 18b Absatz 3 Satz 1 und 2 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 8 StO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 1243/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 3 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 1 MPO 2x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 StO 1x (nicht zugeordnet)
- § 12 ÄApprO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 2 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 BAföG 6x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 Satz 4 Halbsatz 2 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 16 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- HRG § 10 Studiengänge 1x
- §§ 3 und 6 MPO 10x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 18b Abs. 4 Satz 3 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4 Satz 1 BAföG 5x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4, 5 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 188 1x
- § 18b Absatz 3 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 3 Satz 1 und 2 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 18b Absatz 3 Satz 1 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 10 Abs. 3 Satz 1 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- HRG § 16 Prüfungsordnungen 1x
- § 18b Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 BAföG 3x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4 und 5 BAföG 2x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 5 Satz 1 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BAföG 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat) - 1 BvR 2035/07 2x
- § 10 Abs. 5 MPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18b Abs. 5 Satz 4 BAföG 4x (nicht zugeordnet)