Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 2271/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 50.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der angegriffene Bescheid vom 29. Au-gust 2017, mit dem der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, sei rechtmäßig. Der Kläger sei polizeidienstunfähig, weil er nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen in den Gutachten der Frau Dr. U. vom 28. Februar 2017 und des Herrn Dr. T. vom 4. September 2016 die besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht mehr erfülle. Das beklagte Land habe auch sein Ermessen hinsichtlich einer möglichen Weiterverwendung des Klägers im Polizeivollzugsdienst ordnungsgemäß ausgeübt und seiner Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung genügt.
4Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen greift nicht durch.
51. Der Kläger stellt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Gutachten der Polizeiärztin Dr. U. vom 28. Februar 2017 und das Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. T. vom 4. September 2016 seien verwertbar und die dortigen Diagnosen und Feststellungen rechtfertigten die Annahme der Polizeidienstunfähigkeit, nicht schlüssig in Frage. Ohne Erfolg wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen, die Gutachter seien durch das behördliche Anschreiben und die darin enthaltene Sachverhaltsschilderung beeinflusst worden. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass für eine Voreingenommenheit der Gutachter nichts erkennbar ist, das Polizeipräsidium E. den Sachverhalt sachlich dargestellt hat und die Gutachten wesentlich auf eigenen Feststellungen der Sachverständigen beruhen. Darauf wird Bezug genommen. Zudem hat Dr. T. den Kläger ausführlich zu den von der Behörde mitgeteilten Vorkommnissen befragt (Gutachten S. 11 ff.) und sind diese auch im Gespräch mit Dr. U. (Gutachten S. 18 ff.) erörtert worden, so dass der Kläger ausreichend Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge zu schildern.
6Im Übrigen ist Grundlage der angefochtenen Zurruhesetzung nicht ein dem Kläger ‑ in der Art eines Disziplinarverfahrens - vorgeworfenes Fehlverhalten, so dass diese auch nicht deshalb rechtswidrig sein kann, weil die vor Beginn und nach Ende des Dienstes durchgeführten Alkoholtests sämtlich negativ waren. Vielmehr ist der Kläger in den Ruhestand versetzt worden, weil er nach Auffassung des Polizeipräsidiums E. polizeidienstunfähig und nur sehr eingeschränkt allgemein dienstfähig ist. Dieser Feststellung liegt wiederum nicht allein oder primär die Annahme einer Alkoholabhängigkeit zugrunde, sondern die in den ärztlichen Gutachten enthaltene Diagnose einer chronifizierten psychischen Mehrfacherkrankung. Als dominierendes psychisches Grundleiden wird eine Zyklothymie angeführt, d .h. eine andauernde Instabilität der Grundstimmung, die mit zahlreichen Perioden depressiver Verstimmungen unterschiedlicher Intensität verbunden ist. Damit setzt sich der Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander, sondern konzentriert sich allein auf das Thema Alkoholabhängigkeit.
72. Auf die Ursachen der manifestierten, chronifizierten psychischen Erkrankung und etwaige Verursachungsbeiträge des Dienstherrn kommt es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht an. Ebenso ist irrelevant, ob die Behörde zu Recht Alkoholtests angeordnet hat und ob die zwischenzeitlich ausgesprochenen Verbote zum Führen der Dienstwaffe und von Dienstkraftfahrzeugen rechtmäßig waren. Der Senat weist aber darauf hin, dass der im Zulassungsvorbringen anklingende Vorwurf, das behördliche Verhalten seit 2014 sei verantwortlich für die Dienstunfähigkeit des Klägers und den episodisch massiven Alkoholkonsum, nicht mit dem von ihm vorgelegten Attest der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 15. März 2016 vereinbar ist. Danach wurde der Kläger bereits seit dem Jahr 2000 wegen einer Angst- und depressiven Störung therapeutisch und medikamentös behandelt.
83. Der vom Kläger geforderte Nachweis einer Alkoholabhängigkeit - der entgegen seiner Auffassung allerdings nicht nur durch positive CDT-Werte geführt werden kann - ist danach schon nicht erforderlich. Abgesehen davon ist das Bestreiten einer Alkoholerkrankung durch den Kläger mit dem vorgenannten privatärztlichen Attest nicht vereinbar, in dem ausgeführt wird, ein gesteigerter Alkoholkonsum sei seitens des Patienten stets negiert worden, schließlich sei ein Alkoholabusus eingestanden worden, für eine spezifische Suchtbehandlung bestehe jedoch keine ausreichende Motivation. Vor diesem Hintergrund kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Polizeiärztin Dr. C. berufen, die zudem in ihren Stellungnahmen vom 2. April 2015 und 31. August 2015 lediglich erklärt hat, eine Alkoholkrankheit sei nicht nachweisbar bzw. die Frage nicht zu beantworten. Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe den unauffälligen CDT-Wert nicht berücksichtigt, trifft nicht zu. Im dritten Absatz auf Seite 6 des Urteilsabdrucks setzt sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich mit dem diesbezüglichen klägerischen Vortrag auseinander. Das Verwaltungsgericht hat überdies überzeugend ausgeführt, dass die Befunde in den Gutachten zur Erkrankung des Klägers dadurch ebensowenig in Frage gestellt werden wie durch die negativen Alkoholtests zu Beginn und zum Ende des Dienstes. Darauf wird Bezug genommen.
94. Der Kläger stellt ferner die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage, das beklagte Land habe nachvollziehbar dargetan, dass ein Dienstposten, der den weitreichenden Einschränkungen der allgemeinen Dienstfähigkeit des Klägers Rechnung trage, weder im Polizeipräsidium E. noch bei den anderen Polizeibehörden des Landes zur Verfügung stehe. Soweit der Kläger sich darauf beruft, er hätte seinen Dienst im Polizeigewahrsam weiterführen oder bei der Bearbeitung von Verkehrsunfällen oder Ordnungswidrigkeiten eingesetzt werden können, ist diese eigene Einschätzung nicht mit den überzeugenden Ausführungen in den Gutachten Dr. T. (S. 47 f.) und Dr. U. (S. 31) vereinbar. Danach kann der Kläger im geschützten Bereich auf dem psychomentalen Belastungsniveau einer Sachbearbeitung unter enger Fachaufsicht, ohne Publikumsverkehr, ohne Zeit- und Vorgangsdruck und ohne erhöhte Anforderungen an die Teamfähigkeit eingesetzt werden, aber gerade nicht im Polizeigewahrsam. Dass ein entsprechender Dienstposten weder beim Polizeipräsidium noch bei anderen Behörden verfügbar ist, hat das beklagte Land schlüssig dargelegt.
10Wie das Verwaltungsgericht zutreffend erwähnt hat, ist auch nicht zu beanstanden, sondern vielmehr geboten, dass die bestehenden Verwendungseinschränkungen in den Anschreiben aufgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Suchanfrage eine Beschreibung der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Beamten enthalten, die den angefragten Behörden die Einschätzung erlaubt, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, NVwZ-RR 2015, 625 = juris Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 4. November 2015 - 6 A 1364/14 -, juris Rn. 57.
12II. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das angefochtene Urteil im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf einem Verfahrensfehler beruht.
echts">13pan>1. Das Antragsvorbringen zeigt nicht auf, dass die geltend gemachte Gehörsverletzung vorliegt.
14lass="absatzLinks">Das Gebot des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können, und verpflichtet das Gericht, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidungserwägungen einzustellen. Es gebietet aber nicht, dass sich das Gericht in seinen schriftlichen Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit ausdrücklich und in ausführlicher Breite auseinander setzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat.
15="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2006 ‑ 2 BvR 722/06 -, DVBl 2007, 253 = juris Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 -, NVwZ-RR 1999, 745 = juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2017 - 13 A 1793/16.A -, juris Rn. 15.
16Dies ist dem Zulassungsvorbringen nicht zu entnehmen. Entgegen der Darstellung des Klägers hat sich das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen insbesondere mit seinem Vorwurf befasst, das beklagte Land habe dienstliche Vorfälle aufgebauscht und so den beauftragten Gutachtern mitgeteilt. Insoweit wird auf den zweiten Absatz auf Seite 6 des Urteilsabdrucks verwiesen. Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe den Vortrag zu den unauffälligen Blutwerten des Klägers nicht berücksichtigt, ist aus den oben ausgeführten Gründen unzutreffend.
172. Das Verwaltungsgericht hat nicht gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht gemäߠ§ 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, indem es kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hat. Ein Aufklärungsmangel kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nur dann angenommen werden, wenn das Verwaltungsgericht einem förmlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht nachgegangen ist.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 14.91 -, DVBl. 1993, 955 = juris Rn. 30, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 9 B 53.11 -, NVwZ 2012, 512 = juris Rn. 6 f.
19Daran fehlt es hier. Wie der Kläger selbst einräumt, lag lediglich eine schriftsätzliche Beweisanregung vor. Dem Einwand, die Notwendigkeit eines gerichtlich veranlassten Gutachtens hätte sich aufdrängen müssen, ist nicht zu folgen. Die hierfür angeführte Begründung, es sei schon in der Klageschrift darauf hingewiesen worden, dass die Gutachter durch den Beklagten „eingenordet“ worden seien, entspricht schon nicht der insoweit maßgeblichen - und im Übrigen zutreffenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.
20Abgesehen davon gilt: Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterlassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 -, BVerwGE 150, 1 = juris Rn. 31, m.w.N.
22Dies wird mit dem Zulassungsantrag nicht dargelegt. Soweit der Kläger die Voreingenommenheit der Gutachter geltend macht, ist dem aus den oben ausgeführten Gründen nicht zu folgen. Die gerügten Ungenauigkeiten im Gutachten Dr. T. (Fahrt zum Begutachtungstermin, Alkoholkonsum der Ehefrau, Pankreatitis, Sportkur, Beschäftigungsumfang bei der Ehefrau) betreffen Randfragen des Sachverhalts und lassen nicht auf inhaltliche Fehler oder unzutreffende tatsächliche Grundlagen der entscheidungserheblichen Bewertungen schließen.
233. Soweit der Kläger ein unfaires Verwaltungsverfahren und Verletzungen der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn beklagt, etwa durch die Anwendung des Interventionsprogramms Alkohol oder die Verpflichtung zu Atemalkoholtests seitens des Polizeipräsidiums E. , werden keine Fehler des gerichtlichen Verfahrens aufgezeigt.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 3 und 4 GKG.
25Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- VwGO § 86 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 124 1x
- 2 BvR 722/06 1x (nicht zugeordnet)
- 13 A 1793/16 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 1x
- VwGO § 98 1x
- 6 A 1364/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 412 Neues Gutachten 1x