Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 666/19
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beigeladenen Landes Sachsen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2I. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Kläger habe in Bezug auf die begehrte Wegversetzung weder einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Freigabe nach § 15 Abs. 1 BeamtStG noch auf die hilfsweise begehrte Neubescheidung. Die nur in Betracht kommende Versetzung auf Antrag des Beamten stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, das dieser hier fehlerfrei ausgeübt habe. Das beklagte Land Nordrhein-Westfalen habe seine Ermessensausübung - abseits des Nichtvorliegens eines Tauschpartners - auf die Prüfung eines Härtefalls beschränken dürfen und dessen Vorliegen ermessensfehlerfrei verneint. Davon ausgehend könne dahinstehen, ob der Kläger darüber hinaus auch keinen Anspruch gegen das beigeladene Land T. auf Zustimmung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG habe.
4Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Erwägung auf, das beklagte Land habe rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer besonderen persönlichen Härte verneint. Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem Vorbringen des Klägers dessen persönliche Situation und die für den Versetzungswunsch maßgeblichen Gesichtspunkte im Einzelnen gewürdigt und dabei abschließend auch die vom Kläger geforderte Gesamtschau vorgenommen (A. II. 2. e)). In den Urteilsgründen ist näher ausgeführt, warum die geltend gemachte Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern des Klägers in Polen keinen ausreichenden Grund für die Annahme eines Härtefalls darstelle.
5Das Verwaltungsgericht hat dabei selbstständig tragend angenommen, die Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern sei nicht ausreichend substantiiert, es stehe nicht fest, dass sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürften. Diese Begründung wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt, das keinerlei Angaben zu Umfang und Ausmaß der Hilfebedürftigkeit macht, sondern lediglich erneut auf die ärztlichen Atteste zu den Erkrankungen verweist sowie die unterbliebene Anhörung der Ehefrau des Klägers als Zeugin rügt. Was diese konkret zur tatsächlichen Pflegebedürftigkeit ausgesagt hätte, etwa dazu, welche pflegerischen Leistungen in welchem zeitlichen Rahmen erforderlich sind, wird nicht ausgeführt.
6Der Kläger greift darüber hinaus die weitere selbstständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert an, ein Härtefall komme grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Beamte selbst nahe Verwandte pflege oder dies beabsichtige. Mit diesem Begründungsansatz setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Der allgemeine, nicht konkret hierauf bezogene Vortrag, die Betreuung der weit entfernt lebenden Schwiegereltern belaste die Familie und die Versetzung bedeute eine erhebliche Entlastung auch für ihn, den Kläger, reicht insoweit nicht aus.
7II. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtstreits muss als offen erscheinen. Dies ist - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Im Übrigen begründet allein der Umstand, dass mit der besonderen persönlichen Härte ein unbestimmter Rechtsbegriff inmitten des Rechtsstreits steht, keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten.
8III. Die Berufung ist ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
9Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher eine solche Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
10Dem genügt das Antragsvorbringen nicht. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, welche Voraussetzungen an einen persönlichen Härtefall zu stellen sind, ist einer grundsätzlichen Klärung allenfalls sehr eingeschränkt zugänglich. Sie ist vielmehr nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten, denen dieser unbestimmte Rechtsbegriff gerade Rechnung tragen soll. Abgesehen davon lässt der Antrag auf Zulassung der Berufung außer Acht, dass der unbestimmte Rechtsbegriff sich in einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift findet, für deren Auslegung nicht maßgeblich ist, wie das Gericht sie versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte.
11Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015 - 10 C 15.14 -, BVerwGE 152, 211 = juris Rn. 24.
12Die geforderte „obergerichtliche Ausfüllung“ des Begriffs für eine Vielzahl von Fällen scheidet daher aus.
13Soweit dem Zulassungsvorbringen weiter die Frage zu entnehmen ist, ob die Verwaltungspraxis des Innenministeriums des beklagten Landes rechtlich zulässig ist, außerhalb von außergewöhnlichen Härtefällen eine Versetzung von Polizeibeamten aus persönlichen Gründen nur bei Vorliegen eines Tauschpartners zu ermöglichen, legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit in einem Berufungsverfahren nicht dar. Es ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass die Versetzung nach § 15 Abs. 1 BeamtStG im Ermessen des Dienstherrn steht und in die Ermessensentscheidung sowohl die dienstlichen als auch die persönlichen Belange des Beamten einzustellen sind. Ein Anspruch auf die begehrte Versetzung besteht nur dann, wenn wegen schwerwiegender persönlicher Gründe das Ermessen auf Null reduziert ist.
14OVG NRW, Beschluss vom 16. November 2016 ‑ 6 B 891/16 -, juris Rn. 9.
15Dies entspricht auch der Rechtsprechung anderer Obergerichte.
16Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 26. Januar 2015 - 3 B 12.943 -, juris Rn. 17 ff., sowie Beschluss vom 29. Januar 2010 - 3 CE 09.2758 -, juris Rn. 17 ff.; Hess. VGH, Urteil vom 31. März 2010 - 1 B 272/10 -, juris Rn. 4 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 15. April 1994 - 2 A 12350/93 -, NVwZ 1994, 1230 = juris Rn. 22 ff.; siehe auch Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Auflage 2013, § 4 Rn. 10 ff.; Kathke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Kommentar, 21. UPD Februar 2020, 5.2.4.3 Rn. 135, 158; Baßlsperger, PersV 2016, 455 (457 ff.).
Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt der Kläger nicht dar, sondern kritisiert im Wesentlichen das behördliche Vorgehen. Dabei trifft im Übrigen der Vorwurf, es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Innenministeriums, nicht zu. Dieser ist lediglich eine innenrechtliche Vorgabe zur Lenkung des gesetzlich eingeräumten behördlichen Ermessens bei Versetzungsanträgen. Dass die vom Beamten vorgebrachten persönlichen Gründe vom Dienstherrn in die Ermessensentscheidung einzubeziehen sind, bedarf ebenfalls nicht der grundsätzlichen Klärung, sondern ist in der Rechtsprechung geklärt.
18IV. Schließlich hat der Kläger nicht dargelegt, dass das angefochtene Urteil im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf einem Verfahrensmangel beruht.
19Der Kläger meint, das Urteil stelle sich als Überraschungsentscheidung dar, soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, die zur Begründung des Härtefalls vorgetragenen Sachverhalte - insbesondere der Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern - seien nicht ausreichend substantiiert vorgetragen worden, es sei auch kein richterlicher Hinweis erteilt worden. Zudem hätte das Verwaltungsgericht die eigens als Zeugin geladene Ehefrau vernehmen müssen. Das führt nicht zur Zulassung der Berufung.
20Das Urteil kann auf den geltend gemachten Verfahrensverstößen - in Betracht kommen insoweit eine Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und der Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - schon nicht beruhen. Das Verwaltungsgericht hat selbstständig tragend - aus den oben genannten zwei weiteren Gründen - das Vorliegen einer besonderen Härte auch für den Fall verneint, dass man die ausreichende Substantiierung der Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern unterstellt. Ob eine besondere Härte vorliegt, ist überdies eine Rechtsfrage.
21Abgesehen davon fehlt es an einer Verletzung der Aufklärungspflicht, weil der anwaltlich vertretene Kläger die Beweiserhebung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht f46;rmlich beantragt hat und sich ausgehend vom maßgeblichen Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts eine weitere Sachaufklärung auch nicht hätte aufdrängen müssen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juni 2014 - 6 A 1299/13 -, juris Rn. 13 ff., und vom 29. Juli 2011 ‑ 12 A 2237/10 -, juris, m.w.N.
23Für eine prozessual unzulässige Überraschungsentscheidung ist ebenfalls nichts ersichtlich. Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger selbst vorträgt, während der mündlichen Verhandlung habe das Verwaltungsgericht erklärt, den klägerischen Sachvortrag zur Pflegebedürftigkeit der Schwiegereltern für nicht ausreichend substantiiert zu halten.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, hinsichtlich des beigeladenen Landes T. , das keinen Antrag gestellt hat, aus §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
25Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 86 1x
- 1 B 272/10 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 3x
- BeamtStG § 15 Versetzung 2x
- VwGO § 124a 1x
- 6 A 1299/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2 A 12350/93 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- 6 B 891/16 1x (nicht zugeordnet)
- 12 A 2237/10 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)