Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 4264/19.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen. Einen Gehörsverstoß hat der Kläger nicht dargelegt.
4Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verschafft zum einen den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären sowie Anträge zu stellen. Er verpflichtet zum anderen das Gericht, das entscheidungserhebliche Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und für seine Überzeugungsbildung in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder in Nichtberücksichtigung wesentlichen Vorbringens der Beteiligten haben.
5Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 104 ff. m. w. N.
6Dass das Verwaltungsgericht gegen diese Verpflichtung verstoßen haben könnte, zeigt der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht auf. Ihm wurde nicht - wie er meint - rechtliches Gehör dadurch versagt, dass infolge der Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die notwendige Teilnahme seines Anwalts am Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verhindert worden und ihm damit die Möglichkeit der Stellung sachgerechter Beweisanträge genommen sei.
7Allerdings begründet der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) das Recht der Beteiligten, an einer im Verwaltungsrechtsstreit stattfindenden mündlichen Verhandlung teilzunehmen und sich dort zu Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern. Dieses Recht umfasst auch die Befugnis, sich in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertreten zu lassen.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992
9- 8 C 58.90 -, NJW 1992, 3185 = juris Rn. 6.
10Ein Verfahrensfehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die Versagung der Prozesskostenhilfe zu Unrecht erfolgt ist und der Kläger daher in rechtswidriger Weise um die Möglichkeit anwaltlichen Beistandes in der mündlichen Verhandlung gebracht worden ist. Nur in diesem Falle haftet die rechtswidrige Versagung der Prozesskostenhilfe weiterwirkend als Verfahrensfehler der angefochtenen Sachentscheidung an. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der Prozesskostenhilfebeschluss mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbar ist (vgl. § 80 AsylG).
11Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 1999
12- 6 B 121.98 -, NVwZ-RR 1999, 587 = juris Rn. 3 und 11, und vom 23. Oktober 2006 - 6 B 29.06 -, juris Rn. 5 f.; OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2008 ‑ 13 A 2643/07.A -, juris Rn. 22; Bay.VGH, Beschluss vom 20. September 2017 ‑ 15 ZB 17.31105 -, juris Rn. 6.
13Durchgreifendes für eine Rechtsfehlerhaftigkeit des die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. September 2019 hat der Kläger jedoch nicht dargetan. Die Antragsbegründung zeigt bereits nicht auf, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die mit der Klagebegründung geltend gemachte Vergewaltigung sowie die schriftsätzliche Anregung, die den Kläger behandelnde Ärztin für Psychotherapie als Zeugin zu der hierdurch ausgelösten Erkrankung und Behandlungsbedürftigkeit des Klägers zu vernehmen sowie „zudem ein Sachverständigengutachten einzuholen“ vom Verwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife als entscheidungserheblich hätte angesehen werden müssen.
14Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass sich die erstmals im Klageverfahren geschilderte Vergewaltigung wie von ihm beschrieben zugetragen hat, und zu seinen Gunsten annähme, dass er aufgrund der erlittenen Misshandlungen traumatisiert ist, mit der möglichen Folge, über das Erlebte kaum oder nur noch selektiv berichten zu können, führte dies nicht auf eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag auf Gewährung Prozesskostenhilfe abzulehnen. Der beschriebene Vorfall knüpft ersichtlich nicht an ein asyl- und flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal an, sondern ist nach dem Vorbringen des Klägers eine Vergeltungsaktion für eine Bekanntschaft mit einer jungen Frau gewesen, die nach seinem Vorbringen von Familienangehörigen ausging. Ebenso wenig ist dargelegt, dass das Verwaltungsgericht dem Prozesskostenhilfeantrag hätte stattgeben müssen, weil im Zeitpunkt der Bewilligungsreife eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für ein Abschiebungsverbot bestanden hätte. Denn auch bei Vorliegen einer auf das Ereignis im Iran zurückzuführenden psychischen Erkrankung, ist nicht ohne weiteres ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründet. Zu den von den Gerichten zu prüfenden weiteren Voraussetzungen für die Annahme eines solchen,
15vgl. schon BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 ‑ 1 C 18.05 -, BVerwGE 127, 33, juris Rn. 15 ff., sowie § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG,
16insbesondere den Behandlungsmöglichkeiten im Iran, sowie dazu, wie sich die Erkrankung unter Berücksichtigung der dort allgemein oder speziell für ihn erreichbaren Behandlungsmöglichkeiten prognostisch entwickeln wird, hat der Kläger zu keiner Zeit vorgetragen. Daher kommt es schon nicht darauf an, ob der von ihm im Klageverfahren vorgelegte fachärztliche Bericht vom 19. September 2019 den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags genügt, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung betrifft,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251, juris Rn. 15,
18und ob der Kläger tatsächlich Opfer einer Vergewaltigung geworden ist.
19Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger im Prozesskostenhilfeverfahren kein sachgerechter Vortrag möglich gewesen sein soll. Der Kläger war im gesamten Klageverfahren anwaltlich vertreten und daher in der Lage, seine Rechte umfassend wahrzunehmen.
20Ebenso wenig verhilft die Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht (§ 86 Abs. 1 VwGO), soweit sie mit dem Vorbringen auf Seite 9 der Zulassungsbegründung erhoben sein soll, dem Zulassungsantrag zum Erfolg. Aufklärungsmängel begründen grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehören sie zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO. Nur in Ausnahmefällen kann in der Unterlassung weiterer Aufklärung des Sachverhalts zugleich eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegen. Der Kläger legt aber keine Umstände dar, nach denen dies hier der Fall wäre. Das Verwaltungsgericht musste von seinem Rechtsstandpunkt keinen Anlass zu weiterer Aufklärung sehen. Im Übrigen ist nicht dargelegt, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können.
21Vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 14. Januar 2016 ‑ 7 B 19.15 -, juris, Rn. 4, vom 21. Mai 2014 - 6 B 24.14 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 63, juris, Rn. 11.
22Soweit mit den durch den Kläger erhobenen Einwänden zudem das Ergebnis der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Frage gestellt wird, handelt es sich um Fragen des sachlichen Rechts, die keinen Verfahrensfehler zu begründen vermögen. Ein Verfahrensverstoß unter diesem Aspekt kann allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn etwa die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet.
23BVerwG, Beschluss vom 25. April 2018 ‑ 1 B 11.18 ‑, juris, Rn. 3 m. w. N.
24Einen solchen Fehler zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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