Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 1701/20.NE
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Antragstellerin betreibt ein Kosmetikstudio.
2Ihr sinngemäßer Antrag – bei dessen Auslegung der Senat davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin sich nach Außerkrafttreten der ursprünglich angegriffenen Vorschriften gegen die entsprechenden Regelungen aus der aktuell geltenden Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 7. Januar 2021 (GV. NRW. S. 2b) in der durch Art. 1 der Verordnung vom 21. Januar 2021 (GV. NRW. S. 22b, ber. S. 46) geänderten Fassung (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) richten will –,
3im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 2 Abs. 1a, 1b und 2, § 3 Abs. 2 und 2a, § 4a Abs. 2 und 3 und § 12 Abs. 2 CoronaSchVO vorläufig auszusetzen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig. Dies gilt auch, soweit die Antragstellerin insgesamt die Außervollzugsetzung von § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO begehrt. Zwar hat der Senat einen Teil dieser Vorschrift, § 3 Abs. 2a Nr. 2 CoronaSchVO, mit Beschluss vom 10. Februar 2021 – 13 B 1932/20.NE –, juris, vorläufig außer Vollzug gesetzt, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung in Bezug auf diese konkrete Einzelregelung entfallen ist. Der Senat versteht den Antrag der Antragstellerin jedoch so, dass sie nur insoweit die Außervollzugsetzung von § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO begehrt, als diese Vorschrift noch vollziehbar ist.
6Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
7Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen nicht dringend geboten. Erweist sich dagegen der Antrag als zulässig und (voraussichtlich) begründet, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 ‑ 4 VR 5.14 ‑, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 - 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.
9Nach dieser Maßgabe ist der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten, weil der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag nach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung voraussichtlich unbegründet ist (A.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfällt (B.).
10A. Die angegriffenen Regelungen sind auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.
11I. Ein Verstoß der Verordnungsermächtigung gegen höherrangiges Recht drängt sich bei summarischer Prüfung nicht auf.
12Es bestehen keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die maßgeblichen Vorschriften in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 14 und 17 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Ge- und Verbote darstellen.
13Vgl. insoweit allgemein zur neuen Rechtslage durch Einfügung des § 28a IfSG durch Art. 1 Nr. 17 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397): OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 13 B 1731/20.NE -, juris, Rn. 23 ff.
14II. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG sind voraussichtlich eingehalten.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2021 ‑ 13 B 1932/20.NE ‑, juris, Rn. 15 ff.
16III. Die angegriffenen Regelungen in § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO (Maskenpflicht, dazu nachfolgend 1.), § 2 Abs. 1a, 1b und 2 CoronaSchVO (Abstandsgebot und Kontaktbeschränkungen, dazu nachfolgend 2.), § 4a Abs. 2 und 3 CoronaSchVO (Rückverfolgbarkeit, dazu nachfolgend 3.) und § 12 Abs. 2 CoronaSchVO (Verbot körpernaher Dienstleistungen, dazu nachfolgend 4.) erweisen sich bei summarischer Prüfung auch in materieller Hinsicht als nicht erkennbar rechtswidrig.
17Dem steht zunächst der Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht entgegen. Dieser Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass sich Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten nur gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider richten dürfen. Weil bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können, stellt bereits § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG klar, dass Anordnungen auch gegenüber Veranstaltungen oder sonstigen Zusammenkünften von Menschen sowie gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen ergehen können. Schließlich können nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, juris, Rn. 26, unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2020 ‑ 13 B 539/20.NE -, juris, Rn. 28 ff., und vom 6. April 2020 ‑ 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 70 f., sowie OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. März 2020 - OVG 11 S 12/20 -, juris, Rn. 8.
19Dies hat der Gesetzgeber nunmehr auch durch den Katalog der Maßnahmen in § 28a Abs. 1 IfSG bekräftigt, auf den § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verweist und der die Regelbeispiele in § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG speziell für die SARS-CoV-2-Pandemie klarstellend erweitert. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 14 und 17 IfSG gehören zu den zulässigen Maßnahmen namentlich Betriebsschließungen, sowie die Anordnung von Abstandsgeboten, Kontaktbeschränkungen, einer Maskenpflicht und einer Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern zwecks Nachverfolgung von Infektionsketten.
201. Zur voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht, soweit diese in diesem Verfahren noch angegriffen wird, verweist der Senat auf die Ausführungen in seiner Entscheidung vom 10. Februar 2021 – 13 B 1932/20.NE –, juris, Rn. 23 ff.:
21„Die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2a Nr. 1, 3, 6, 8 CoronaSchVO angeordnete Maskenpflicht – gleiches gilt im Übrigen für die nicht von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen in § 3 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 2a Nr. 4, 5, 7 CoronaSchVO – und die in Abs. 7 CoronaSchVO normierte Folge bei einem Verstoß gegen die Maskenpflicht halten sich bei summarischer Prüfung auch im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben aus § 28a IfSG und verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
22Vgl. zur Vorgängervorschrift in der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 11. August 2020 (GV. NRW. S. 721a), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. August 2020 (GV. NRW. S. 726a): Senatsbeschluss vom 18. August 2020 - 13 B 847/20.NE -, juris, Rn. 108 ff.; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 22. Dezember 2020 - 13 B 1609/20.NE -, juris, Rn. 15 ff. (Maskenpflicht in der Schule), vom 2. Dezember 2020 ‑ 13 B 1894/20.NE ‑ (Maskenpflicht bei Versammlungen), sowie vom 27. November 2020 ‑ 13 B 1815/20.NE ‑, juris, Rn. 43 ff. (Maskenpflicht während eines Parteitags).
23Die Vorschriften dienen dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Im Einzelnen hat der Verordnungsgeber zur Begründung der Verordnung ausgeführt, dass sich die Infektionszahlen im Zusammenhang mit dem Coronavirus zum Ende des Jahres 2020 besorgniserregend entwickelt und auch die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Eingrenzung des Infektionsgeschehens und vor allem einer Entlastung der medizinischen Versorgungsstrukturen geführt hätten. Bis zur 45. Kalenderwoche sei die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus sehr dynamisch angestiegen. In zahlreichen Gesundheitsämtern habe eine vollständige Kontaktnachverfolgung nicht mehr gewährleistet werden können, was wiederum zu einer beschleunigten Ausbreitung des Coronavirus beigetragen habe. Nach den Statistiken des Robert Koch-Instituts seien die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75 Prozent der Fälle unklar gewesen. Es sei zudem zu einer hohen Auslastung der Krankenhäuser sowie der intensivmedizinischen Kapazitäten gekommen. Aus diesem Grund seien auf der Grundlage des einstimmigen Beschlusses der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer mit der Bundeskanzlerin vom 28. Oktober 2020 Maßnahmen ergriffen worden, die zwischenzeitlich erste Wirkung gezeigt und die Entwicklung der Infektionszahlen nach einem ersten Höhepunkt zum 4. und 5. November 2020 (7-Tage-Inzidenz jeweils 177,8) gebremst hätten; statt eines Rückgangs der Infektionszahlen unter die kritischen Inzidenzwerte von 100 oder gar 50 sei aber nur eine „Abflachung der Kurve“ erreicht worden. Ab dem 6. Dezember 2020 sei es erneut zu einem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen gekommen, der seinen bisherigen Höhepunkt mit einer landesweiten Inzidenz von 200,07 am 23. Dezember 2020 erreicht habe. Viele Kommunen hätten zu diesem Zeitpunkt Inzidenzen von sehr deutlich über 200 oder gar 300 aufgewiesen. Ebenfalls alarmierend sei im Nachgang zu den Infektionszahlen auch die Zahl der Verstorbenen angestiegen: bis zu 150 Menschen seien täglich mit oder an einer Coronainfektion gestorben. Auch die Auslastung der Krankenhäuser mit Coronapatienten und die Zahl der verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungsplätze hätten sich kritisch entwickelt. In einigen Krankenhäusern und Regionen habe bereits real eine Überlastung gedroht, wie sie bedauerlicherweise in anderen Bundesländern noch intensiver zu verzeichnen gewesen sei. Inzwischen seien die Infektionszahlen zwar rückläufig, trotz der seit dem 16. Dezember 2020 landesweit geltenden strikten Schutzmaßnahmen habe das Infektionsgeschehen aber noch nicht so begrenzt werden können, dass die 7-Tage-Inzidenz landesweit wieder unter den Wert von 100 oder gar 50 gesunken sei. Auch die Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen habe sich noch nicht entspannt, und auch die Zahl der Verstorbenen mit einer Coronavirusinfektion steige weiterhin kontinuierlich an. Zu der damit weiterhin angespannten Infektionssituation kämen erhebliche zusätzliche Risiken durch das Auftreten mutierter Virusstämme, die nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko aufwiesen.
24Vgl. Konsolidierte Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 7. Januar 2021, abrufbar unter:
25https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210121_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_stand_21.01.2021_0.pdf.
26Diese Annahmen des Verordnungsgebers sind aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber darf davon ausgehen, dass die SARS-CoV-2-Pandemie in der gegenwärtigen Situation eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten aus den genannten Zwecken nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung auch gebietet.
27Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82 u.a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.
28Als eine wesentliche Grundlage zur Einschätzung der Risikolage dient nach der Entscheidung des Gesetzgebers die sog. 7-Tage-Inzidenz nach Maßgabe der vom Robert Koch-Institut veröffentlichten Fallzahlen (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 4 ff. IfSG). Die von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken an der Aussagekraft der 7-Tage-Inzidenzen teilt der Senat nicht. Auch wenn es naturgemäß eine gewisse Dunkelziffer nicht erkannter infizierter Personen gibt und PCR-Tests keine einhundertprozentige Spezifität haben, lassen diese Werte Rückschlüsse darauf zu, wie weit sich das SARS-CoV-2-Virus verbreitet hat und in welchem Umfang Neuinfektionen drohen.
29Vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 30. Dezember 2020 ‑ Vf. 96-VII-20 ‑, juris, Rn. 28.
30Auch dass nicht jeder positiv Getestete symptomatisch erkrankt und das Gesundheitssystem in Anspruch nimmt, stellt die Aussagekraft der 7-Tage-Inzidenzwerte zur Ermittlung des Umfangs des Infektionsgeschehens nicht in Frage.
31Die Infektionszahlen konnten nach einem sehr starken Anstieg im Oktober durch den sog. Teil-Lockdown ab dem 1. November 2020 zunächst in ein Plateau überführt werden. Die Anzahl neuer Fälle blieb aber auf sehr hohem Niveau und ist seit Anfang Dezember wieder stärker angestiegen. Ebenfalls stark angestiegen ist die Zahl der auf den Intensivstationen behandelten Personen und der Todesfälle. Das Infektionsgeschehen ist zurzeit diffus, in vielen Fällen kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden.
32Vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19 vom 3. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.
33Die seit Anfang Dezember stark gestiegenen Infektionszahlen sind während der Feiertage zunächst zurückgegangen, um dann in der ersten Januarwoche wieder anzusteigen. Inzwischen sinken die Zahlen zwar, liegen aber weiterhin auf hohem Niveau. In Nordrhein-Westfalen beträgt die 7-Tage-Inzidenz (Stand 9. Februar 2021) derzeit 67 und bewegt sich damit nach wie vor oberhalb des Schwellenwerts von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen, bei dessen Überschreiten nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Aktuell sind sehr häufig ältere Personen von Infektionen betroffen. Da sie auch häufig schwere Erkrankungsverläufe erleiden, ist die Anzahl schwerer Fälle und Todesfälle weiterhin hoch.
34Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 9. Februar 2021, S. 2 u. 4, abrufbar unter:
35https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-09-de.pdf?__blob=publicationFile.
36Bereits am 9. Dezember 2020 warnte die Krankenhausgesellschaft NRW angesichts einer stark steigenden Auslastung mit schwer erkrankten COVID-19-Patienten vor einer Überlastung der Intensivstationen, wenn die Infektionszahlen nicht wieder deutlich sinken.
37Vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119212/Krankenhausgesellschaft-NRW-warnt-vor-Engpass-in-Kliniken (Stand 9. Dezember 2020).
38Ende Dezember konnten nach ihren Angaben bereits einige Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen keine Patienten mehr aufnehmen. Immer wieder drohte in einzelnen Kreisen und Städten eine solche Ausnahmesituation.
39Vgl. die entsprechende Pressemitteilung unter https://www.kgnw.de/aktuelles/informationen/2020_12_28_pm_kh_liquiditaet/, Stand 28. Dezember 2020.
40Allein der Umstand, dass die Zahl der Intensivpatienten zuletzt rückläufig war und erstmals seit zwei Monaten unter 4.000 gesunken ist,
41vgl. Täglicher Lagebericht des Robert Koch-Instituts zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 9. Februar 2021, S. 15, abrufbar unter:
42https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-09-de.pdf?__blob=publicationFile; sowie zur jeweils aktuellen Auslastung der Intensivkapazitäten den Tagesreport der Deutschen Interdisziplinarischen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), abrufbar unter:
43https://www.divi.de/register/tagesreport,
44führt nicht dazu, dass die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens gebannt ist und der Verordnungsgeber keine Maßnahmen mehr ergreifen dürfte, um einer solchen vorzubeugen.
45Zur Erreichung des durch den Verordnungsgeber in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 28a Abs. 3 IfSG verfolgten Ziels ist die angefochtene Maßnahme bei summarischer Bewertung auch geeignet (aa), erforderlich (bb) und angemessen (cc). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.
46Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.
47Diesen haben weder der Bundesgesetzgeber noch der ihm folgende nordrhein-westfälische Verordnungsgeber überschritten.
48aa. Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich bei der Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen.
49Vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 29. Januar 2021 ‑ 20 NE 21.201 ‑, Rn. 29, abrufbar unter
50https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/21a00201b.pdf.
51Nach der Gesetzbegründung,
52vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 32,
53ist die Maskenpflicht ein zentraler Baustein zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Übertragung des SARS-CoV-2-Virus jedenfalls zum Teil durch eine Mund-Nasen-Bedeckung verhindert werden kann. Daran anknüpfend sieht auch der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber in der Maskenpflicht ein wesentliches Element seiner Pandemiebekämpfungsstrategie. Die Verpflichtung erstrecke sich dabei auf Bereiche, in denen es vornehmlich aufgrund räumlicher Gegebenheiten typischerweise dazu kommen könne, dass der Mindestabstand im Sinne von § 2 CoronaSchVO nicht durchgehend eingehalten werden könne. Aufgrund der verschärften Infektionsrisiken durch möglicherweise neue und ansteckendere Virusstämme werde in bestimmten Bereichen das Tragen von medizinischen Masken angeordnet, deren verlässliche Schutzwirkung aufgrund einheitlicher Standards und behördlicher Prüfung über die Schutzwirkung von nicht spezifizierbaren Alltagsmasken hinausgehe.
54Vgl. Konsolidierte Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 7. Januar 2021, abrufbar unter
55https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210121_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_stand_21.01.2021_0.pdf.
56Diese Einschätzung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Coronavirus verbreitet sich nach derzeitigen Erkenntnissen besonders leicht von Mensch zu Mensch bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.
57Vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Übertragungswege, abrufbar unter:
58https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=77350899E00AA71EB7A7847E273EAAFA.internet101?nn=13490888#doc13776792bodyText2 (Stand 9. Februar 2021).
59Zwar ist der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung insbesondere von Alltagsmasken als Mittel zur Vermeidung von Infektionen mit SARS-CoV-2 bei Unterschreitung des Mindestabstands bisher nicht abgeschlossen. Auf der Grundlage der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ist aber davon auszugehen, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines Mund-Nasen-Schutzes („OP-Maske“) andere vor einer Infektion schützt und auch einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten könnte. Das Robert Koch-Institut empfiehlt das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Mund-Nasen-Schutzes in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren und somit Risikogruppen zu schützen. Diese Empfehlung beruht auf Untersuchungen, die belegen, dass ein relevanter Anteil von Übertragungen von SARS-CoV-2 unbemerkt erfolgt, d. h. zu einem Zeitpunkt vor dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Mund-Nasen-Schutzes trägt hiernach dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln die man z. B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen (Fremdschutz). Eine teilweise Reduktion der unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Mund-Nasen-Schutzes könnte zudem auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betrifft die Übertragung im öffentlichen Raum, wo mehrere Menschen zusammentreffen und sich länger aufhalten (z. B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1,5 m nicht immer eingehalten werden kann (z. B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel). Dies gilt auch bei Menschenansammlungen im Freien, wenn der Mindestabstand von 1,5 m nicht sicher eingehalten wird. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum kann vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn möglichst viele Personen eine Mund-Nasen-Bedeckung bzw. einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
60Vgl. Robert Koch-Institut, Was ist beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Mund-Nasen-Schutzes („OP-Maske“) in der Öffentlichkeit zu beachten?, abrufbar unter
61https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 20. Oktober 2021, unter Bezugnahme auch auf die Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken).
62Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nach ursprünglich kritischer Einstellung ihren Standpunkt zur Maskenpflicht zwischenzeitlich geändert und empfiehlt diese bei sachgemäßer Anwendung insbesondere in Situationen, in denen die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können.
63Vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19): Masks, abrufbar unter:
64https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19-masks, Stand: 1. Dezember 2020.
65Gleiches gilt für das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), das trotz nicht abschließend gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse das Tragen von (medizinischen) Masken, insbesondere während des Aufenthalts in belebten geschlossenen Räumen, für sinnvoll erachtet.
66Vgl. ECDC, How to protect yourself and others, abrufbar unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/prevention-and-control/protect-yourself, Stand: 2. Februar 2021.
67Dieser Einschätzung schließt sich der Senat auch unter Berücksichtigung ihm bekannter Gegenstimmen auf der Grundlage der gegenwärtig im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verfügbaren Erkenntnisquellen als schlüssig und plausibel an. Unabhängig hiervon verletzt der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gibt, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert.
68Vgl. Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2020 - 13 B 1609/20.NE -, juris, Rn. 46 f. m. w. N.
69bb. Die angeordnete Maskenpflicht ist auch erforderlich. Die Antragstellerin zeigt keine milderen, gleich geeigneten Mittel zur Pandemiebekämpfung auf. Ein gezielter Schutz von Risikogruppen, etwa durch besondere Sicherheitsmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen, kann Maßnahmen zur generellen Eindämmung des Infektionsgeschehens wohl allenfalls in sinnvoller Weise ergänzen, aber nicht vollständig ersetzen. Ein solcher Ansatz dürfte bereits daran scheitern, dass nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Vielzahl von Risikogruppen bzw. Risikofaktoren bestehen und sich der betroffene Personenkreis nicht auf die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen eingrenzen lässt. Eine generelle Festlegung zur Einstufung in eine Risikogruppe ist nicht möglich. Schwere Verläufe können außerdem auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung und bei jüngeren Patienten auftreten.
70Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 8. Januar 2021, Ziffer 15: Risikogruppen für schwere Verläufe, abrufbar unter:
71https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=4CB83F61B27B3A1C67533075C6B428B9.internet091?nn=13490888#doc13776792bodyText15.
72Zur Risikogruppe gehörende Personen können sich auch nicht effektiv „eigenverantwortlich“ schützen, wenn sich das Virus in der Bevölkerung ungehindert verbreitet. Es erscheint lebensfremd, dass sämtliche sozialen Kontakte im Alltag vermieden werden können. Für Personen, die aufgrund ihres Alters oder von Erkrankungen oder Behinderungen auf fremde Hilfe angewiesen sind, liegt dies ebenso auf der Hand wie für Personen, die in einem Mehrpersonenhaushalt leben. Aber auch Menschen, die alleine leben und in der Lage sind, sich ohne fremde Hilfe selber zu versorgen, wird dies ohne Kontakte zu anderen Menschen etwa beim Einkaufen kaum gelingen können. Zudem bieten (medizinische) Masken, auch wenn sie zur Eindämmung des Infektionsgeschehens insgesamt beitragen, keinen einhundertprozentigen Schutz für ihre Träger.
73Unter Erforderlichkeitserwägungen nicht zu beanstanden ist auch, dass der Verordnungsgeber nunmehr in § 3 Abs. 2 CoronaSchVO für bestimmte, von ihm als besonders infektionsträchtig identifizierte Bereiche das Tragen einer medizinischen Maske (OP-Maske oder nach Wahl des Trägers Masken des Standards FFP2 bzw. KN95/N95) und nicht – als milderes Mittel – weiterhin das Tragen einer Alltagsmaske vorsieht. Denn Alltagsmasken erbringen nicht die in den technischen Normen definierten Leistungsnachweise, wie sie für medizinische Masken vorgesehen sind, und bieten deswegen jedenfalls in der Regel weniger Schutz.
74Vgl. Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmas-ken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken), abrufbar unter:
75https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html.
76c. Schließlich ist die streitgegenständliche Pflicht zum Tragen einer (medizinischen) Maske in den in § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO genannten Situationen unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen voraussichtlich auch angemessen.
77Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
78St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 -, juris, Rn. 265, m. w. N.
79Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Der Senat geht davon aus, dass mit der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines Mund-Nasen-Schutzes kein Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG verbunden ist. Bislang haben sich keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch das – regelmäßig zeitlich begrenzte – Tragen dieser Masken die Aufnahme von Sauerstoff oder die Abatmung von Kohlendioxid objektiv in gesundheitsgefährdender Weise beeinträchtigt wird.
80Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Koordinierungskreises für Biologische Arbeitsstoffe (KOBAS) der DGUV vom 30. November 2020, Keine Gefährdung durch Kohlendioxid (CO2) beim Tragen vom Masken, abrufbar unter:
81https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/themen_a_z/biologisch/kobas/stellungnahme_gefaehrdung_durch_co2_beim_tragen-von-masken_16_11_2020.pdf.
82Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass das Tragen einer Maske Gefahren berge, z. B. wenn diese feucht werde und sich dort Bakterien ansammelten, handelt es sich um solche, die aus einer nicht sachgerechten Anwendung der Maske im Einzelfall resultieren können.
83Vgl. Robert Koch-Institut, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, abrufbar unter:
84https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf;jsessionid=8FFA74430D6C811F993071D159F3F566.internet081?__blob=publicationFile, Stand: 3. Update vom 7. Mai 2020, S. 4.
85Diese stellen die Eignung der Maskenpflicht in Gänze voraussichtlich nicht in Frage. Es ist schon zweifelhaft, ob Gefahren durch eine nicht sachgerechte Anwendung ernsthaft zu befürchten sind, da diese unschwer möglich ist. Leicht zugängliche Hilfestellung bieten zudem zahlreiche Institutionen, aber auch der Antragsgegner auf seiner Internetseite an. Diese enthalten Anleitungen zur Benutzung und Reinigung der Alltagsmasken und den Hinweis, dass die Maske gewechselt werden soll, wenn sie durch Atemluft feucht geworden ist.
86Vgl. MAGS NRW, Sonderseite des Gesundheitsministeriums zum Coronavirus in Nordrhein-Westfalen, Informationen zum Mund-Nasen-Schutz in Leichter Sprache, abrufbar unter:
87https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/corona-mundschutz-info-leichte-sprache.pdf, Stand: 16. November 2020.
88Auf etwaige Risiken hat der Verordnungsgeber damit ausreichend reagiert.
89Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2020
90- 13 B 847/20.NE -, juris, Rn. 137 ff.
91Auch ein durch die Antragstellerin geltend gemachter Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Soweit die beanstandete Pflicht hiernach noch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und ggf. auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann, steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die genannten Rechte gelten nicht unbeschränkt, sondern treten hier hinter die staatliche Schutzpflicht zugunsten von Leben und Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gravierenden und teils irreversiblen Folgen zu berücksichtigen, die eine unkontrollierte Virusverbreitung für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte. Insoweit ist auch in Rechnung zu stellen, dass § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO keine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum vorsieht, sondern die Verpflichtung räumlich und zeitlich auf bestimmte soziale Situationen beschränkt.
92Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2020 - 13 B 847/20.NE -, juris, Rn. 154.
93Abgemildert wird die Pflicht zudem durch die Ausnahmebestimmung in § 3 Abs. 4 Satz 2 CoronaSchVO für Kinder bis zum Schuleintritt, Kräfte von Sicherheitsbehörden, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz in Einsatzsituationen, Beteiligte an Prüfungen nach § 6 Abs. 2 und 7 Abs. 1, wenn der Mindestabstand zu den anderen Personen im Raum eingehalten wird, sowie Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Schließlich begründen auch die finanziellen Mehrbelastungen, die aus der Verpflichtung resultieren, in bestimmten Fällen in der Anschaffung im Vergleich zu sogenannten Alltagsmasken teurere medizinische Masken zu tragen, kein Missverhältnis zu dem angestrebten Zweck der Maßnahme, zumal § 3 Abs. 2 CoronaSchVO nicht die Nutzung von FFP2-Masken vorschreibt, sondern wahlweise die Verwendung günstigerer OP-Masken ausreichen lässt.“
94Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin fest. Ihre Behauptung, eine Überlastung der Kapazitäten des Gesundheitssystems drohe auch bei ungehinderter Virusverbreitung nicht, ist objektiv unzutreffend. Gegenteiliges folgt insbesondere auch nicht daraus, dass in Einzelfällen Personen, die als „COVID-19-Intensivpatienten“ geführt werden, tatsächlich aus anderen Gründen auf einer Intensivstation medizinisch versorgt werden mögen. Es ist offensichtlich, dass daraus nicht abgeleitet werden kann, dass die vom Verordnungsgeber zugrunde gelegte zwischenzeitlich ganz erhebliche Zunahme von intensiv- und namentlich beatmungspflichtigen Patienten mit COVID-19-spezifischen Krankheitssymptomen in Wahrheit gar nicht existiert hat.
95Mit dem Vorschlag, neue Kapazitäten im Gesundheitswesen zu schaffen, zeigt die Antragstellerin auch kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Pandemiebekämpfung auf. Dieser Ansatz geht daran vorbei, dass eine Ausweitung der Kapazitäten auch entsprechende personelle Ressourcen erfordert. Die dadurch gebildeten Kapazitätsgrenzen, z. B. bei Intensivbetten, lassen sich jedenfalls kurzfristig nicht überwinden. Im Übrigen verhinderte eine Erhöhung der Intensivbettenzahl noch nicht zwangsläufig, dass Infizierte keine schweren Krankheitsverläufe mit eventuellen Spätschäden entwickeln oder versterben. Nach den Daten des Robert-Koch-Instituts versterben gegenwärtig rund 31 % aller intensivmedizinisch behandelten Patienten.
96Vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand 9. Februar 2021, S. 1, abrufbar unter:
97https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-09-de.pdf?__blob=publicationFile.
982. Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass auch das Abstandsgebot und die Kontaktbeschränkungen keinen offensichtlich durchgreifenden Bedenken begegnen. Es wird insoweit auf die Ausführungen in der Entscheidung vom 15. Januar 2021 – 13 B 1899/20.NE –, juris, Rn. 67 ff., verwiesen:
99„Die angegriffenen Regelungen in § 2 Abs. 1a, 1b, 2 (Abstandsgebot und Kontaktbeschränkungen, dazu nachfolgend (aa)) [….] erweisen sich bei summarischer Prüfung auch in materieller Hinsicht nicht als offensichtlich rechtswidrig.
100aa) Das Gebot zur Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern (§ 2 Abs. 1b, Abs. 2 CoronaSchVO) sowie die in diesem Zusammenhang verordneten Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum (§ 2 Abs. 1a CoronaSchVO) dürften von der Verordnungsermächtigung in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 1 und 3 IfSG gedeckt sein. Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite von unbestimmter Dauer festgestellt, deren Fortbestehen er am 18. November 2020 bestätigt hat.
101Vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19169C und Plenarprotokoll 19/191, S. 24109C.
102Die streitigen Maßnahmen halten sich bei summarischer Prüfung auch im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben aus § 28a IfSG und verstoßen voraussichtlich weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (aaa), noch den gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (bbb).
103aaa) Das Abstandsgebot sowie die in diesem Zusammenhang verordneten Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum dienen dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (vgl. 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG)
104[…]
105Zur Erreichung dieses Ziels dürften sowohl das Abstandsgebot als auch die angeordneten Kontaktbeschränkungen bei summarischer Bewertung geeignet (i), erforderlich (ii) und angemessen (iii) sein. Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.
106Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 – 1 BvR 1789/10 –, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 –, juris, Rn. 49.
107Diesen hat der Verordnungsgeber nicht erkennbar überschritten.
108i) Das in Rede stehende Gebot zur Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern (§ 2 Abs. 1b, Abs. 2 CoronaSchVO) sowie die in diesem Zusammenhang verordneten Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum (§ 2 Abs. 1a CoronaSchVO) erweisen sich voraussichtlich als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks, die Ansteckungsgefahr einzudämmen. Sie beruhen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion oder über Aerosole, bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich z. B. in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können, besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht.
109Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Übertragungswege, abrufbar unter:
110https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=8E6043615EFB2173F1CCEF346D551F2B.internet081?nn=13490888#doc13776792bodyText2, Stand: 8. Januar 2021.
111Die Richtigkeit der Annahme, dass die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen und eine Reduzierung wechselnder (unmittelbarer) persönlicher Kontakte die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert, stützt sich nicht nur auf die benannten fachwissenschaftlichen Erkenntnisse. Für die Tragfähigkeit dieser Einschätzung spricht zudem, dass es in Nordrhein-Westfalen nach den im März 2020 erstmalig verfügten Kontaktbeschränkungen und dem Abstandsgebot zu einem deutlichen Rückgang der registrierten Neuinfektionen gekommen ist.
112Vgl. hierzu bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Juli 2020 – 13 B 739/20.NE –, juris, Rn. 62 ff., und vom 12. Juni 2020 – 13 B 779/20.NE –, juris, Rn. 27.
113ii) Die Regelungen zum Abstandsgebot und zur Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum dürften auch erforderlich sein. Dies gilt schon deshalb, weil Untersuchungen zeigen, dass ein relevanter Anteil von Übertragungen präsymptomatisch und unbemerkt erfolgt, sodass diese durch eine Verhaltensänderung des Betroffenen (wie eine Selbstquarantäne) nicht verhindert werden können.
114Vgl. Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Übertragung durch asymptomatische, präsymptomatische und symptomatische Infizierte, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=44A20FDDC5F4F6FF8F3B48BA352F0248.internet102?nn=13490888#doc13776792bodyText3, Stand: 8. Januar 2021.
115Dem Verordnungsgeber wird voraussichtlich nicht vorgehalten werden können, sich nicht für andere, die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Abstandsgebot und von den Kontaktbeschränkungen betroffenen Personen weniger beeinträchtigende Regelungen entschieden zu haben.
116So ist zunächst nicht zu beanstanden, dass sich der Verordnungsgeber nicht darauf beschränkt, im öffentlichen Raum das Einhalten eines Mindestabstands vorzuschreiben. Das Abstandsgebot allein ohne gleichzeitige Kontaktbeschränkungen wäre nicht gleichermaßen effektiv. Indem auch bei Wahrung von Mindestabständen das Zusammentreffen von Personen in der Öffentlichkeit grundsätzlich untersagt ist, werden Infektionsrisiken verhindert, die etwa dadurch entstehen können, dass es zu unbeabsichtigten Annäherungen kommt, was gerade bei auf Kommunikation und Interaktion angelegten sozialen Kontakten häufig nicht verlässlich zu vermeiden sein wird. Im Übrigen kann für sich genommen ein Abstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nach jetzigem Erkenntnisstand das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 zwar vermindern, anders als eine Kontaktvermeidung aber nicht von vornherein ausschließen.
117Angesichts der aktuellen Entwicklung der Infektionslage überschreitet der Verordnungsgeber seinen Einschätzungsspielraum im Weiteren auch nicht dadurch, dass sich im öffentlichen Raum derzeit jenseits besonderer Ausnahmen grundsätzlich nur noch Angehörige eines Hausstands mit maximal einer weiteren Person treffen dürfen. Die vom Antragsteller vorgeschlagene Regelung, wonach ein Zusammentreffen von entweder zwei Haushalten oder zehn bzw. fünf Personen ermöglicht werden soll, wäre zwar von geringerer Eingriffsintensität, jedoch nicht gleichermaßen wirksam. Mit der Anzahl der Hausstände bzw. Personen, die sich treffen dürfen, steigen die Verbreitungsmöglichkeiten des Virus erheblich an. Mit jeder Ansteckung droht die Gefahr eines Eintrags der Infektion in das jeweilige soziale Umfeld des Betroffenen, was wiederum eine Vielzahl neuer Infektionsketten zur Folge haben kann. Dieser Gefahr könnte entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht wirksam durch eine Kontaktnachverfolgung begegnet werden, weil sich Infektionsketten größtenteils schon unter Geltung der alten Rechtslage, die im öffentlichen Raum noch ein Zusammentreffen von Mitgliedern des eigenen Hausstands mit den Angehörigen eines weiteren Hausstands mit höchstens insgesamt fünf Personen ermöglichte, nicht mehr zurückverfolgen ließen.
118Vgl. Täglicher Lagebericht des Robert-Koch-Instituts zur Coronavirus-2019-Krankheit vom 14. Dezember 2020, abrufbar unter
119https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-14-de.pdf?__blob=publicationFile.
120iii) Die angegriffenen Regelungen zum Abstandsgebot und zu den Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum dürften jedenfalls in der gegenwärtigen Situation, in der die 7-Tage-Inzidenz in Nordrhein-Westfalen auch unter Berücksichtigung der sich aufgrund verzögerter Fallzahlenmeldungen während und nach den Feiertagen ergebenden Unsicherheiten anhaltend hoch ist und derzeit (Stand 11. Januar 2021) bei 150 liegt,
121vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html,
122auch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.
123St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 –, juris, Rn. 265, m. w. N.
124Davon ausgehend sind die fraglichen Regelungen bei vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden, weil die Schwere der damit verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht.
125Die Regelungen zum Abstandsgebot und zur allgemeinen Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum führen zwar zu Beschränkungen des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Dieses Recht gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegt einem Gesetzesvorbehalt und tritt hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Vielzahl von Menschen zurück. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gravierenden und teils irreversiblen Folgen zu berücksichtigen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Gut hätte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Abstandsgebot und die damit im Zusammenhang stehenden Kontaktbeschränkungen nur Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum betreffen, Treffen in häuslicher Umgebung (mit Ausnahme von Partys und vergleichbaren Feiern, § 2 Abs. 1 CoronaSchVO) hingegen nicht verboten sind. Überdies sieht § 1 Abs. 2 CoronaSchVO eine Reihe von Ausnahmen u. a. bei Begleitung oder Beaufsichtigung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen, aus betreuungsrelevanten Gründen, bei zwingenden Zusammenkünften zur Berufsausübung und zwischen nahen Angehörigen bei Beerdigungen und standesamtlichen Trauungen vor. § 1 Abs. 2 Nr. 1a CoronaSchVO erlaubt überdies Zusammentreffen von Personen eines Hausstands mit höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand, die von zu betreuenden Kindern aus ihrem Hausstand begleitet werden darf. Hierdurch wird die Isolation alleinerziehender Elternteile vermieden und jedenfalls ein Mindestmaß zwischenmenschlicher Kontakte auch im öffentlichen Raum gewährleistet.
126Der Umstand, dass die Regelungen zum Abstandsgebot und zu den Kontaktbeschränkungen es Alleinlebenden wie dem Antragsteller vorübergehend nicht ermöglichen, mehr als eine andere Person im öffentlichen Raum gleichzeitig zu treffen, erscheint angesichts der oben dargelegten drohenden Überforderung des Gesundheitssystems und der damit verbundenen Gefahr für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen jedenfalls derzeit für einen begrenzten Zeitraum als hinnehmbar.
127bbb) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich nicht vor. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.
128Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, juris, Rn. 40.
129Er verwehrt dem Normgeber nicht jegliche Differenzierungen. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
130Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 –, juris, Rn. 64.
131Sachgründe können sich im vorliegenden Regelungszusammenhang aus dem infektionsrechtlichen Gefahrengrad der Tätigkeit, aber voraussichtlich auch aus ihrer Relevanz für das öffentliche Leben ergeben.
132Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 13 MN 156/20 –, juris, Rn. 36.
133In Anwendung dieses Maßstabs drängt sich ein Gleichheitsverstoß des Verordnungsgebers nicht auf. Soweit der Antragsteller geltend macht, er werde durch das Abstandsgebot und die Kontaktbeschränkungen gegenüber nicht allein lebenden Personen benachteiligt, weil es Mitgliedern eines Hausstands ohne Personenbegrenzung erlaubt sei, sich in der Öffentlichkeit zu treffen und etwa gemeinsam Sport zu treiben, zeigt er damit eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf. Es ist voraussichtlich nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber bei der Regelung zulässiger persönlicher Kontakte im öffentlichen Raum an das Kriterium des „Hausstands“ anknüpft und diesen insoweit gleichsam als infektionsschutzrechtliche Einheit behandelt. Angesichts des primären Übertragungswegs des Coronavirus mittels Tröpfcheninfektion und der räumlichen Nähe im privaten Wohnbereich dürfte typischerweise eine erhöhte Ansteckungswahrscheinlichkeit innerhalb des eigenen Hausstands bestehen, der auch durch ein Abstandsgebot und durch Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum nicht effektiv begegnet werden kann. Demgegenüber besteht eine solche erhöhte Infektionsgefahr bei alleinlebenden Personen nicht, sodass auch die Regeln zum Abstandsgebot und zu Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum von ungleich größerem epidemiologischem Effekt sein dürften. Der Umstand, dass je nach konkreter Ausgestaltung der Wohnsituation – insbesondere etwa bei Wohngemeinschaften – nicht in jedem Einzelfall eine erhöhte Infektionsgefahr von Mitgliedern desselben Hausstands bestehen mag, wie der Antragsteller einwendet, führt mit Blick auf die in der vorliegenden Situation grundsätzlich erlaubte generalisierende, typisierende und pauschalierende Betrachtung nicht zu einer anderen Bewertung.
134Ferner dürfte auch der durch Art. 6 Abs. 1 GG geforderte Schutz der Ehe und Familie eine gewisse Privilegierung von Angehörigen desselben Hausstands rechtfertigen, da es sich hierbei – zwar nicht zwangsläufig, aber doch in erheblicher Anzahl – um Familienangehörige im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG handeln dürfte.“
135Hieran hält der Senat unter Berücksichtigung der in dem oben wiedergegebenen Beschluss zur Maskenpflicht dargestellten aktuellen Entwicklung der Infektionszahlen und der Situation auf den Intensivstationen fest.
136Soweit die Antragstellerin an den Regelungen zu den Kontaktbeschränkungen bemängelt, es sei infektiologisch nicht von Belang, aus wie vielen verschiedenen Haushalten Personen kämen, die zusammenträfen, zeigt sie nicht auf, dass der Verordnungsgeber insoweit eine willkürliche Regelung getroffen hat. Denn Personen aus einem Haushalt teilen bestimmte Infektionsrisiken. Danach ist das Infektionsrisiko bei einem Zusammentreffen mehrerer Personen regelmäßig größer, wenn diese jeweils aus unterschiedlichen Haushalten stammen.
1373. Auch die Vorschriften zur Sicherstellung einer einfachen (§ 4a Abs. 1CoronaSchVO) oder besonderen Rückverfolgbarkeit (§ 4a Abs. 3 CoronaSchVO) sind bei summarischer Betrachtung nicht offensichtlich rechtswidrig.
138Vgl. insoweit auch bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2020 – 13 B 695/20.NE –, juris, und vom 18. August 2020 – 13 B 847/20.NE –, juris, Rn. 174 ff.
139Sie dienen dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (vgl. 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Zur Erreichung dieses Zwecks dürften die Regelungen geeignet (a.), erforderlich (b.) und angemessen (c.) sein. Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.
140Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.
141Diesen haben weder der Bundesgesetzgeber noch der ihm folgende nordrhein-westfälische Verordnungsgeber überschritten.
142a. Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich bei der Anordnung der Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen.
143Vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 29. Januar 2021 ‑ 20 NE 21.201 ‑, Rn. 29, abrufbar unter
144https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/21a00201b.pdf.
145Nach der Gesetzbegründung,
146vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 34,
147soll die Nachverfolgung von Infektionen ermöglicht werden. Dazu müssten Kontakte, die potentiell zu einer Infektion führen, auch ermittelt werden können. Eine wirksame Kontaktnachverfolgung bedinge, dass auch Informationen über Begegnungen erhoben würden. Allein die Befragung von Betroffenen könne das nicht sicherstellen, zumal die Erinnerung oftmals nur bedingt taugliche oder vollständige Informationen liefere. Erforderlich sei vielmehr, dass von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern systematisch die Daten erfasst würden, damit im Infektionsfall bei zeitlichem und räumlichem Zusammenhang eine möglichst große Zahl von Betroffenen ermittelt und kontaktiert werden könne. Daran anknüpfend geht auch der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber davon aus, dass nur auf der Grundlage einer schnellen Kontaktnachverfolgung Infektionsketten durch Anordnungen im Einzelfall durchbrochen und ein Ausbruchsherd vermieden werden könne. Um eine möglichst effektive Kontaktnachverfolgung zu ermöglichen, sei es von besonderer Bedeutung, dass bereits im Moment der relevanten sozialen Kontakte die erforderlichen Daten erhoben würden, um im Falle einer Infizierung die potentiell ebenfalls Angesteckten schnell warnen und die Quelle der Infektion finden zu können. Ausgehend von § 28a Abs. 1 Nr. 17, Abs. 4 IfSG regele § 4a daher Vorgaben für die Rückverfolgbarkeit und bestimme, in welchen Bereichen die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen sei.
148Vgl. Konsolidierte Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 7. Januar 2021, S. 10, abrufbar unter:
149https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210121_konsolidierte_begruendung_coronaschvo_stand_21.01.2021_0.pdf.
150Diese Einschätzung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Vorschriften sind geeignet, im Falle eines Infektionsnachweises mögliche Infektionsketten aufzudecken und zu unterbrechen, um auf diese Weise die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern.
151Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2020 - 13 B 695/20.NE -, juris, Rn. 70.
152Denn diese sehen für bestimmte Situationen vor, dass eine einfache (§ 4a Abs. 2 CoronaSchVO) bzw. besondere Rückverfolgbarkeit (§ 4a Abs. 3 CoronaSchVO) sichergestellt ist. Bei den von § 4a Abs. 1 CoronaSchVO erfassten Situationen, wie bei dem Besuch bestimmter Einrichtungen oder Lokalitäten, der Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen oder der Teilnahme an bestimmten Zusammenkünften, handelt es sich sämtlich um solche, bei denen Menschen in einer Weise aufeinandertreffen, bei der Infektionsrisiken nicht ausgeschlossen sind. Die in diesen Situationen erforderliche einfache Rückverfolgbarkeit ist nach § 4a Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO sichergestellt, wenn die für das Angebot, die Einrichtung oder Dienstleistung verantwortliche Person alle anwesenden Personen mit deren Einverständnis mit Name, Adresse und Telefonnummer sowie – sofern es sich um wechselnde Personenkreise handelt – Zeitraum des Aufenthalts beziehungsweise Zeitpunkt von An- und Abreise schriftlich erfasst und diese Daten für vier Wochen aufbewahrt. Eine besondere Rückverfolgbarkeit, bei der darüber hinaus Sitzpläne erstellt werden müssen, sieht der Verordnungsgeber für bestimmte von § 4a Abs. 3 CoronaSchVO erfasste Konstellationen vor, in denen bestimmte Gruppen zusammenkommen und zulässigerweise Mindestabstände zwischen den Sitzplätzen nicht eingehalten werden. Die danach zu erhebenden Daten verschaffen den Gesundheitsämtern die notwendigen Kenntnisse zur Unterbrechung von Infektionsketten. Diese können Kontaktpersonen von Infizierten ermitteln, benachrichtigen und – falls nach einer Auswertung der Daten erforderlich – diesen gegenüber eine Quarantäneanordnung gemäß § 5 der Verordnung zur Absonderungen nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes (Quarantäneverordnung NRW) vom 18. Januar 2021 (GV. NRW. 2021, S. 22a) erlassen.
153b. Diese Maßnahme erscheinen auch erforderlich. Auch insoweit hat die Antragstellerin keine milderen, gleich geeigneten Mittel zur Pandemiebekämpfung aufgezeigt.
154c. Die Vorschriften zur Rückverfolgbarkeit erweisen sich auch voraussichtlich als angemessen. Der beabsichtigte Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Erhebung der Kontaktdaten und Aufenthaltszeiträume führt zwar unverkennbar zu einer Grundrechtseinschränkung, von der ungeachtet des vorausgesetzten Einverständnisses mit der Datenerhebung (vgl. § 4a Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO) nicht nur die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), sondern auch und in erster Linie das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG) betroffen sein dürfte. Auch dieses Recht gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern unterliegt einem Gesetzesvorbehalt und tritt hier im Ergebnis im Hinblick auf die gravierenden und teils irreversiblen Folgen, die eine unkontrollierte Virusverbreitung für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Der Verordnungsgeber hat auch die wesentlichen Grundsätze zur rechtskonformen Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Ausgestaltung der Regelungen beachtet. Die angestrebte Kontaktnachverfolgung nach Feststellung einer Neuinfektion durch die Gesundheitsämter stellt einen legitimen Zweck dar, der in § 28a Abs. 1 Nr. 17 IfSG und § 4a CoronaSchVO hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. § 28a Abs. 4 Satz 1, 3 und 5 CoronaSchVO stellt insoweit klar, dass die Daten allein zum Zweck der Kontaktnachverfolgung genutzt werden dürfen (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b DS-GVO). Eine Nutzung z. B. für Zwecke der Strafverfolgung ist damit ausgeschlossen.
155vgl. dazu auch: Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW), Corona-Kontaktlisten – Zugriffe von Strafverfolgungsbehörden nun gesetzlich ausgeschlossen, Stand 16. Dezember 2020, abrufbar unter
156https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Aktuelles/Inhalt/Corona-Kontaktlisten---Zugriffe-von-Strafverfolgungsbehoerden-nun-ge-setzlich-ausgeschlossen/Corona-Kontaktlisten---Zugriffe-von-Strafverfolgungsbehoerden-nun-gesetzlich-ausgeschlossen.html.
157Der Verordnungsgeber hat zudem für alle Fälle der einfachen Rückverfolgbarkeit in § 4a Abs. 1 CoronaSchVO den Umfang der zu erhebenden Daten auf die Angabe des Namens, der Adresse und Telefonnummer sowie des Aufenthaltszeitraums begrenzt und die Dauer der Aufbewahrungspflicht auf vier Wochen befristet. Damit beschränkt er sich in sachlicher sowie – unter Berücksichtigung der Inkubationszeit und etwaiger Meldeverzögerungen – zeitlicher Hinsicht auf das zur effektiven Kontaktpersonennachverfolgung notwendige Minimum (Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO). Wenn die Datenerfassung in digitaler Form erfolgt und die betroffenen Personen hiermit nicht einverstanden sind, muss gemäß § 4a Abs. 4 Satz 4 CoronaSchVO eine papiergebundene Datenerfassung angeboten werden. Darüber hinaus ergeben sich Ausnahmen für die verpflichtende Erfassung der Daten, wenn diese für den Verantwortlichen bereits verfügbar sind (§ 4a Abs. 2 Satz 2 CoronaSchVO) und soweit gesetzlich eine Anonymität der Person vorgesehen ist (§ 4a Abs. 5 CoronaSchVO). Der Datensicherheit wird Rechnung getragen, indem in § 4a Abs. 4 Satz 1 CoronaSchVO darauf hingewiesen wird, dass die personenbezogenen Daten nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu verarbeiten, insbesondere vor dem Zugriff Unbefugter zu sichern und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist datenschutzkonform zu vernichten sind. In diesem Zusammenhang bietet der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit Nordrhein-Westfalen helfende Hinweise zum korrekten Umgang bei der Erfassung der Kundenkontaktdaten für die verpflichteten Unternehmen und sorgt damit einhergehend für zusätzliche Sicherheit für die betroffenen Kunden.
158Vgl. LDI NRW, Hinweise zur Erfassung von Kundenkontaktdaten zwecks Rückverfolgbarkeit von Infektionsketten in Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, Stand 16. Dezember 2020, abrufbar unter
159https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Datenschutzrecht/Inhalt/Corona-und-Datenschutz/Gastronomie-Hinweise.html, Stand: 16. Dezember 2020.
160Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt die Datenerfassung auch nicht zu „gläsernen Bürgern“ oder einem „totalen Überwachungsstaat“. Neben der oben beschriebenen Zweckbindung der Datenerhebung und -verarbeitung steht dem bereits der Umstand entgegen, dass die Daten nicht zentral bei den örtlichen Gesundheitsbehörden gespeichert werden, sondern von den für das Angebot, die Einrichtung oder Dienstleistung verantwortlichen Personen. Nur im Bedarfsfall – d. h. wenn in der betroffenen Einrichtung/Lokalität ein Infektionsfall aufgetreten ist –, werden diese von der zuständigen Behörde abgerufen. Bei dieser Vorgehensweise ist ausgeschlossen, dass die Daten über eine Person zwecks Erstellung eines Bewegungsprofils zusammengeführt werden
1614. Dass sich bei summarischer Prüfung voraussichtlich eine materielle Rechtswidrigkeit auch hinsichtlich des Verbots körpernaher Dienstleistungen (§ 12 Abs. 2 CoronaSchVO) nicht feststellen lässt, hat der Senat wiederholt entschieden.
162Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2021 – 13 B 1724/20.NE –, juris, Rn. 18 ff. (Tätowierstudio), und 11. November 2020 – 13 B 1635/20.NE –, juris Rn. 27 ff. (Tätowierstudio, Piercingstudio, Kosmetikstudio).
163Hieran hält der Senat auch für die Regelung in der nunmehr geltenden Coronaschutzverordnung und unter Berücksichtigung der im oben wiedergegebenen Beschluss zur Maskenpflicht dargestellten aktuellen Verhältnisse fest. Auch das Vorbringen der Antragstellerin gebietet keine andere Beurteilung. Insbesondere besteht der von der Antragstellerin gerügte Verstoß der Verordnungsermächtigung gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Ein solcher wird nicht dadurch begründet, dass § 32 Satz 3 IfSG weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 14 Abs. 1 GG als solche Grundrechte benennt, die durch die Rechtsverordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten eingeschränkt werden können. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG muss ein grundrechtseinschränkendes Gesetz das eingeschränkte Grundrecht ausdrücklich benennen. Die Regelung dient der Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten. Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen werden in der Rechtsprechung andersartige grundrechtsrelevante Regelungen unterschieden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenbeziehungen vornimmt. Hier erscheint die Warn- und Besinnungsfunktion des Zitiergebots von geringerem Gewicht, weil dem Gesetzgeber in der Regel ohnehin bewusst ist, dass er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegt. Durch eine Erstreckung des Gebots auf solche Regelungen würde es zu einer die Gesetzgebung unnötig behindernden leeren Förmlichkeit kommen. Zu diesen grundrechtsrelevanten Regelungen zählen sowohl inhalts- und schrankenbestimmende Normen i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als auch berufsregelnde Gesetze i. S. v. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.
164Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Mai 1983 - 1 BvL 46/80 u. a. -, juris, Rn. 26 ff., und vom 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 -, juris, Rn. 45; Urteil vom 18. Dezember 1968 - 1 BvR 638/64 u. a. -, juris, Rn. 99 ff. ; OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020 ‑ 13 B 398/20.NE -, juris, Rn. 62 ff., jeweils m. w. N.
165B. Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht in Gänze beurteilt werden können und insoweit eine ergänzende Folgenabwägung vorzunehmen ist, geht diese zu Lasten der Antragstellerin aus. Die von der Antragstellerin dargelegten Einschränkungen ihrer Rechte müssen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten. Angesichts der nach wie vor hohen Zahl der Neuinfektionen und der drohenden Auswirkungen einer nicht ausreichend kontrollierten Entwicklung des Infektionsgeschehens fallen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm deutlich schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für die Antragstellerin. Die angegriffenen Regelungen sind wesentliche Bausteine der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners, die im Falle einer Außervollzugsetzung in ihrer Wirkung erkennbar reduziert würde, mit der Folge der Gefahr zusätzlicher Ansteckungen mit dem Virus und der Erkrankungen oder sogar des Todes weiterer Menschen. Umgekehrt sind insbesondere die finanziellen Konsequenzen eines weiteren Vollzugs des Verbots körpernaher Dienstleistungen für die Antragstellerin zwar ebenfalls gravierend. Allerdings hat sie nicht konkret unter Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Betriebs aufgezeigt, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz auch unter Berücksichtigung der staatlich zugesagten Hilfen aktuell bedroht wäre.
166Vgl. zu dieser Abwägung auch VerfGH NRW, Beschluss vom 23. November 2020 - VerfGH 179/20.VB-1 -, juris, Rn. 41 ff.
167Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.
168Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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