Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 E 234/21
Tenor
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
1
G r ü n d e
2Der Senat kann offen lassen, ob die vom Antragsteller wörtlich als „Nichtzulassungsbeschwerde“ bezeichnete Eingabe vom 16. März 2021, die gegen den unanfechtbaren Beschluss des Senats vom 16. März 2021 – 1 E 169/21– nicht statthaft ist, zugunsten des Antragstellers als statthafter und zulässiger Rechtsbehelf ausgelegt werden könnte. Die insoweit allein in Betracht kommenden Rechtsbehelfe – eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO oder allenfalls noch eine Gegenvorstellung –, blieben jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
31. Der Antragsteller bringt mit seiner „Nichtzulassungsbeschwerde“ vor, der Senat habe in seinem Beschluss vom 16. März 2021 – 1 E 169/21 – zu Unrecht angenommen, er habe den Erfordernissen des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO nicht genügt. Verfahrensgegenstand seien ausschließlich Gerichtskosten und der Kostenfestsetzungsantrag der Gegenseite, sodass er sich zweitinstanzlich selbst vertreten könne, was er auch bereits in den Verfahren OVG NRW 1 E 123/16 und 1 E 531/15 sowie VG Köln 15 K 658/15 getan habe. Das Verwaltungsgericht Köln habe versäumt, darauf hinzuweisen, dass es sich um ein reines Kostenverfahren handle, dessen Grundlage nicht mehr die Verwaltungsgerichtsordnung sei.
4Das greift nicht durch.
5a. Der Antragsteller hat in dem Verfahren 1 E 169/21 eine Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO eingelegt, für die – wie vom Senat in seinem Verwerfungsbeschluss angenommen – der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO gilt. Die Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts ist demnach zutreffend gewesen.
6Zwar liegt der Antragsteller insoweit richtig, als in kostenrechtlichen Gesetzen Ausnahmen von dem Vertretungserfordernis im Beschwerdeverfahren zugelassen sind, so etwa für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 GKG ) oder die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG). Bei dem in dem Verfahren 1 E 169/21 eingelegten Rechtsbehelf handelt es sich aber nicht um eine Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG, sondern – wie ausgeführt – um eine solche nach § 146 Abs. 1 VwGO und damit um einen Rechtsbehelf, der seine Grundlage in der Verwaltungsgerichtsordnung findet.
7Im Verwaltungsprozess ist § 164 VwGO Grundlage der Kostenfestsetzung der Beteiligten zueinander und damit auch des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Nach dieser Vorschrift setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs – wie mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2020 geschehen – auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nicht von dieser Vorschrift erfasst sind – hier nicht relevant – der in § 19 GKG geregelte Ansatz der Gerichtskosten durch die Gerichtskasse sowie der in § 11 RVG festgelegte Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten.
8Vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 164 VwGO Rn. 4 ff.; ausführlich zur Einordnung der Kostenfestsetzung nach der VwGO in das System kostenrechtlicher Entscheidungen: Kunze, in: BeckOK, Posser/Wolff, VwGO, Stand: Januar 2021, § 164 VwGO Rn. 1.1.
9Gegen einen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Erinnerung eines Beteiligten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückweist (§ 165 i. V. m. § 151 VwGO) – wie hier das Verwaltungsgerichts Köln mit Beschluss vom 1. Februar 2021 die Erinnerung des Antragstellers –, ist die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaft. Für eine solche Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss und auch schon für deren Einlegung gilt der Vertretungszwang nach §§ 67 Abs. 4, 147 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
10Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 24. Januar 2020– 8 C 19.2496 –, juris, Rn. 2; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 17. Februar 2017 – OVG 3 K 16.17 –, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2015 – 4 E 562/15 –, juris, Rn. 4 sowie vom 16. März 2020 – 9 E 182/20 –, n.v. (BA, S. 2); Nds. OVG, Beschluss vom 13. November 2015 – 13 OA 146/15 –, juris, Rn. 4; Hess. VGH, Beschluss vom 8. September 2009 – 6 F 2218/09 –, juris, Rn. 3; Kunze, in: BeckOK, Posser/Wolff, VwGO, Stand: Januar 2021, § 165 VwGO Rn. 17; Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 165 VwGO Rn. 33; Olbertz, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 165 VwGO Rn. 14; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165 VwGO Rn. 11.
11b. Der Einwand des Antragstellers, er habe sich (auch) in den Verfahren OVG NRW 1 E 123/16 und 1 E 531/15 sowie VG Köln 15 K 658/15 selbst vertreten, dringt nicht durch. Bei dem Verfahren VG Köln 15 K 658/15 handelt es sich schon – offensichtlich – um kein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, für das das Vertretungserfordernis nach § 67 Abs. 4 VwGO gilt. Vielmehr können die Beteiligten den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO selbst führen. Gegenstand des Verfahrens 1 E 531/15 ist eine Streitwertbeschwerde gewesen, für die– wie bereits ausgeführt – § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG eine Ausnahme von dem Vertretungszwang festlegt. Der Antragsteller kann auch nichts zu seinen Gunsten daraus herleiten, dass er das Verfahren 1 E 123/16 vor dem Oberverwaltungsgericht selbst geführt hat. Das Gericht ist in dem Verfahren 1 E 123/16 irrtümlich davon ausgegangen, dass auf die dortige Beschwerde des Antragsteller gegen den seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts § 66 Abs. 2 und damit auch Abs. 5 Satz 1 GKG Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht hatte aber auch in jenem Verfahren in der seinem Zurückweisungsbeschluss vom 3. Februar 2016– 15 K 658/14 – beigefügten Rechtsmittelbelehrung zutreffend auf das Vertretungserfordernis bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde hingewiesen.
122. Ungeachtet dessen hätte die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Februar 2021 – 1 E 169/21 – aber auch in der Sache keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde hat der Antragsteller nichts vorgetragen, das Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 11. Dezember 2020 wecken könnte. Demnach ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller auf diesen Vortrag Rückerstattungsansprüche in dem Verfahren 15 K 658/14 (oder weiteren Verfahren, in denen er sich selbst vertreten hat) stützen könnte.
13a. Zunächst greift die Rüge des Antragstellers nicht durch, die Antragsgegnerin müsse die mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kosten ihres Prozessbevollmächtigten selbst tragen, da der Antragsteller sich im erstinstanzlichen Verfahren selbst vertreten habe und die Antragsgegnerin nach dem Grundsatz der „Waffengleichheit“ nicht berechtigt gewesen sei, eine Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen.
14aa. Der Vortrag des Antragstellers, es sei fraglich, „von wem“ die Rechtsanwaltskosten zu erstatten seien, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht von Relevanz. Dass der Antragsteller Kostenschuldner ist, steht nach der Kostengrundentscheidung des Verwaltungsgerichts in dem rechtskräftigen Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 15 L 2172/15 – („Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.“) abschließend fest. Im prozessualen Kostenerstattungsrecht ist streng zwischen der Kostengrundentscheidung und dem Kostenfestsetzungsverfahren – dem das Verfahren 1 E 169/21 zuzuordnen ist – zu unterscheiden.
15Hierzu näher: Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vorbemerkungen zu § 154 bis § 166 VwGO Rn. 2.
16bb. Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (Beschluss vom 1. Februar 2021 – 15 L 2172/15 –, Beschlussabdruck, S. 2), nicht unter dem Aspekt prozessualer Waffengleichheit auf Fälle beschränkt, in denen auch die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO trifft seinem Wortlaut nach eine einheitliche Regelung für alle Verfahrensbeteiligten, nach der die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands stets erstattungsfähig sind. Die Vorschrift ist ebenfalls zugunsten von Körperschaften des öffentlichen Rechts und Behörden anwendbar, auch wenn diese über eigene juristisch geschulte Beschäftigte verfügen, die den Prozess für sie hätten führen können. Auch in diesen Fällen ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist.
17Vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 VwGO Rn. 57 m. w. N., und Bay. VGH, Beschluss vom 2. Juni 2014 – 6 C 14.903 –, juris, Rn. 4.
18Offen bleiben kann hier, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die anwaltliche Vertretung offensichtlich nutzlos ist und objektiv nur bezweckt hat, dem Gegner Kosten zu verursachen.
19Für eine solche Ausnahme etwa Bay. VGH, Beschluss vom 2. Juni 2014 – 6 C 14.903 –, juris, Rn. 4, und Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 VwGO Rn. 58,
20Solches ist nämlich weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragsgegnerin musste sich demnach auch nicht – wie der Antragsteller indes meint – auf die Inanspruchnahme der (einer rechtsanwaltlichen Vertretung offensichtlich nicht vergleichbaren) gerichtlichen Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO verweisen lassen. Um prozessuale „Waffengleichheit“ in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (15 L 2172/15) herzustellen, hätte es umgekehrt vielmehr dem Antragsteller selbst offen gestanden, einen Rechtsanwalt oder Rechtsbeistand zu beauftragen, dessen Kosten nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Falle seines Obsiegens erstattungsfähig gewesen wären.
21b. Ohne Erfolg bleibt auch der weitere Vortrag des Antragstellers, die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB sei rechtlich zweifelhaft, da sie Rechtsanwälten ermögliche, „Rechnungen“ so spät zu stellen, dass die anfallenden Zinsen unverhältnismäßig hoch würden.
22aa. Die vom Antragsteller vorgebrachte Gefahr unverhältnismäßig hoher Zinsen aufgrund einer verzögerten Antragstellung besteht von vornherein nicht. Ihre Rechtsgrundlage findet die vom Antragsteller angesprochene Verzinsung des nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu erstattenden Betrages in § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
23Vgl. dazu, dass die Verjährungsfrist des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB 30 Jahre beträgt: BGH, Beschluss vom 23. März 2006 – V ZB 189/05 –, juris; speziell zur Verjährung des Zinsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO: Jaspersen, in: BeckOK, Vorwerk/Wolf, Stand: Dezember 2020, § 104 ZPO Rn. 51a.
24§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt nämlich ausdrücklich, dass die festgesetzten Kosten (erst) „vom Eingang des Festsetzungsantrags“ ab zu verzinsen sind. Während des zuvor abgelaufenen – möglicherweise längeren – Zeitraums kann mithin noch kein Zinsanspruch entstehen.
25Vgl. zur Höhe des Zinsanspruchs und zum Beginn der Zinspflicht auch: Jaspersen, in: BeckOK, Vorwerk/Wolf, Stand: Dezember 2020, 104 ZPO Rn. 50.
26bb. Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, nach wie vielen Jahren unabhängig von der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB überhaupt noch eine erstmalige „Rechnungsstellung“ durch den Rechtsanwalt erfolgen dürfe, bedarf hier keiner Klärung. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat den Antrag auf Kostenfestsetzung nebst Verzinsung des festzusetzenden Betrags nämlich umgehend bei dem Verwaltungsgericht gestellt. Sein Antrag ist am 20. Oktober 2015 (Gerichtsakte Blatt 70) bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Erst zwei Tage zuvor (am 18. Oktober 2015, Gerichtsakte Blatt 68) war der Eilbeschluss vom 14. Oktober 2015 der Antragsgegnerin zugestellt worden. Diesen Antrag hat das Gericht dem Antragsteller auch bekanntgegeben, wie dessen Stellungnahme vom 4. November 2015 zeigt.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO bzw. einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs. 2 VwGO.
28Die Gerichtsgebühr in Höhe von 66,00 Euro ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis); einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).
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