Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 114/18
Tenor
Das angegriffene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 455,- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger, ein Reservistendienst Leistender, wurde mit Bescheid des Karrierecenters E. vom 14. April 2015 zur Ableistung einer Übung im Zeitraum vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 herangezogen. Darüber hinaus leistete er einen weiteren Reservistendienst vom 16. November 2015 bis zum 18. Dezember 2015.
4Unter dem 22. Oktober 2015 verpflichtete er sich zur Ableistung von mindestens 33 Tagen Reservistendienst im Kalenderjahr 2015. Das Antragsformular wurde am Folgetag durch den Personaloffizier gegengezeichnet, der den Beginn des Verpflichtungszeitraums auf den 1. November 2015 festlegte.
5Nach Eingang des Formulars beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) am 20. November 2015 legte das BAPersBw diesen Antrag als Antrag auf Zahlung eines Verpflichtungszuschlags nach § 10 Abs. 3 USG in der ab dem 1. November 2015 gültigen Fassung (USG) für den Reservistendienst vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 aus.
6Ausweislich der Bezügeabrechnung vom 19. Dezember 2015 wurde an den Kläger für den Monat Dezember 2015 ein Verpflichtungszuschlag gemäß § 10 Abs. 3 USG i. H. v. 1.470,- Euro ausgezahlt.
7Mit Bescheid vom 26. März 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger Verpflichtungszuschlag dem Grunde nach zu einem Tagessatz von 35,- Euro. Hinsichtlich des konkret zustehenden Betrages wurde auf die monatlich separat zugehende Bezügemitteilung verwiesen.
8Den am 20. November 2015 eingegangenen Antrag des Klägers lehnte das BAPersBw mit Bescheid vom 9. März 2017 ab. Zur Begründung führte es aus. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verpflichtungszuschlag für den Reservistendienst vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 aus § 10 Abs. 3 USG, da diese Vorschrift erst seit dem 1. November 2015 gelte. Sie könne daher nur auf Verpflichtungszeiträume angewandt werden, die nach diesem Zeitpunkt begonnen hätten. Zudem setze die Regelung voraus, dass der Reservistendienst Leistende vor Beginn seiner Dienstleistung ein Angebot der zuständigen Stelle zur Verpflichtung angenommen habe. Ein solches Angebot habe jedoch erst ab dem 1. November 2015 angenommen werden können. Eine Möglichkeit, bereits vor dem 1. November 2015 begonnene und über diesen Zeitpunkt hinaus ununterbrochen andauernde Wehrübungen in zwei Zeiträume zu teilen, sodass die Tage ab dem 1. November 2015 zur Erfüllung der Verpflichtung beitrügen, sei durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen. Anders als der Reservistendienst vom 16. November 2015 bis zum 18. Dezember 2015 könne für den Reservistendienst vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 ein Verpflichtungszuschlag daher nicht gewährt werden.
9Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 8. April 2017 „sämtliche in Betracht kommenden tauglichen und statthaften Rechtsbehelfe“ ein. Zur Begründung verwies er auf den Inhalt seines im Verfahren 5 K 475/17 an das Verwaltungsgericht Münster gerichteten Schreibens vom 7. April 2017. Die Dienstleistungstage vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 seien im Rahmen des § 10 Abs. 3 USG zu berücksichtigen, mithin bestehe für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Leistungen nach § 10 Abs. 3 USG. Er habe sich am 22. Oktober 2015, also vor dem ersten Tag der Dienstleistung am 26.Oktober 2015 bzw. dem Inkrafttreten des novellierten Unterhaltssicherungsgesetzes am 1. November 2015, i. S. d. § 10 Abs. 3 USG verpflichtet. Die Gewährung von Verpflichtungszuschlag setze keinen Dienstleistungsbeginn ab dem 1. November 2015, sondern lediglich die Eingehung der Verpflichtungsvereinbarung vor dem ersten Dienstleistungstag voraus.
10Mit Beschwerdebescheid vom 1. Juni 2017 wies die Beklagte die Beschwerde des Klägers aus den Gründen des angegriffenen Bescheides vom 9. März 2017 zurück.
11Unter dem 12. Juni 2017 erließ die Beklagte gegen den Kläger einen Rückforderungsbescheid i. H. v. 315,- Euro und erklärte die Aufrechnung. Hiergegen erhob der Kläger am 10. Juli 2017 Beschwerde.
12Der Kläger hat am 9. Juli 2017 Klage gegen den Bescheid vom 9. März 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 1. Juni 2017 erhoben. Zur Begründung verwies er insbesondere auf seinen Vortrag im Beschwerdeverfahren und führte ergänzend aus: Der Gesetzgeber habe ab dem 1. November 2015 das Unterhaltssicherungsgesetz in neuer Fassung in Kraft und z. B. § 8a WSG a. F. außer Kraft setzen wollen. Demzufolge würden die § 10 Abs. 1 und Abs. 2 USG von der Beklagten derart umgesetzt, dass die Leistungen nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 USG auch erst ab dem 1. November 2015 gewährt würden und zwar insbesondere auch bei bereits vor dem 1. November 2015 begonnenen Reservediensten. Den § 10 Abs. 3 USG nicht ab dem 1. November 2015 anzuwenden, widerspreche nicht nur dem Gesetzeszusammenhang, sondern eindeutig auch dem Willen des Gesetzgebers.
13Der Kläger hat beantragt,
14die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2017 und des Beschwerdebescheids vom 1. Juni 2017 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 den Verpflichtungszuschlag nach § 10 Abs. 3 USG in Höhe von 35,- Euro pro Tag zu bewilligen.
15Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Dem Kläger stehe für den Zeitraum vom 1. bis zum 13. November 2015 kein Anspruch auf Zahlung eines Verpflichtungszuschlags nach § 10 Abs. 3 USG zu. Die Verpflichtungsvereinbarung, die der Kläger am 22. Oktober 2015 unterschrieben habe, entbehre einer gesetzlichen Grundlage und könne daher keine Zahlungsverpflichtung begründen. Eine Verpflichtungsvereinbarung sei erstmalig mit dem Gesetz über die Leistungen an Reservistendienst Leistende und zur Sicherung des Unterhalts der Angehörigen von freiwilligen Wehrdienst Leistenden vom 29. Juni 2015 in das Unterhaltssicherungsgesetz eingeführt worden. Dieses Gesetz sei gemäß dessen Artikel 5 Abs. 1 am 1. November 2015 in Kraft getreten. Zwar könnten vom Gesetzgeber oder der Stelle, die für das Gesetz zukünftig zuständig sei, für einzelne Gesetze bereits im Vorgriff vorbereitende, die Verwaltung anschließend bindende Maßnahmen getroffen werden. Dies sei hinsichtlich § 10 Abs. 3 USG jedoch nicht der Fall. Mit der Zentralverfügung B 2-1320/0-0-1 sei unter Ziffer 101 deutlich aufgezeigt worden, dass Verpflichtungsvereinbarungen erst ab dem 1. November 2015 rechtlich möglich seien und die zuständigen Stellen gemäß Ziffer 301 erst dann auf der Grundlage des wirksamen Gesetzes den geeigneten Reservistinnen und Reservisten ein Angebot zur Verpflichtung gemäß § 10 Abs. 3 USG machen sollten. Zusätzlich werde unter Ziffer 702 unmissverständlich aufgezeigt, dass Wehrübungen, die vor dem 1. November 2015 begonnen hätten, nicht Gegenstand einer Verpflichtungsvereinbarung sein könnten. Wie der Kläger am 22. Oktober 2015 in den Besitz des verwendeten Formblattes habe kommen können, sei ungeklärt. Ein Vergleich mit dem von ihm mit seiner Unterschrift vom 14. November 2015 vorgelegten Formblatt zeige, dass es sich bei dem von ihm am 22. Oktober 2015 unterschriebenen Papier nicht um das für Verpflichtungsvereinbarungen vorgesehene Formblatt der Bundeswehr handele. Das vom Kläger am 22. Oktober 2015 unterschriebene Formular entspreche hinsichtlich der Formatierung, Überschriften und Seitenzahlen vielmehr der Seite 16 der Zentralverfügung B 2-1320/0-0-1. Die Befehlslage habe vorgesehen, dass diese Zentralverfügung zur Vorabinformation bereits am 21. Oktober 2015 an die zuständigen Vorgesetzten in den Dienststellen, nicht aber an die Reservistinnen und Reservisten habe verteilt werden sollen. Am 14. November 2015 habe der Kläger das Formblatt, das dann tatsächlich zum Ausfüllen vorgesehen gewesen und erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verteilt worden sei, benutzt. Der Umstand der zeitlichen Abfolge der vom Kläger als Oberstleutnant am 22. Oktober 2015 und von dem Personaloffizier, einem seinem Dienstgrad nachgeordneten Hauptmann der Truppe, am 23. Oktober 2015 geleisteten Unterschriften spreche dafür, dass das betreffende Dokument nicht von der Truppe an den Kläger ausgehändigt worden sei. Wie sich der Sachverhalt jedoch im Einzelnen zugetragen habe, insbesondere wie es zur Unterschrift des Personaloffiziers am 23. Oktober 2015 habe kommen können, obwohl es sich offensichtlich nicht um ein dafür vorgesehenes Formblatt handele und die zweite Unterschrift gegen die Befehlslage (Zentralverfügung) verstoßen habe, lasse sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Die Verpflichtungsvereinbarung vom 22. Oktober 2015 sei auch mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 USG nicht vereinbar. Diese Vorschrift setze ausdrücklich ein Angebot der Bundeswehr voraus, welches der Reservist oder die Reservistin annehmen könne. Das vorgelegte Formular weise jedoch eine Unterschrift des Klägers vom 22. Oktober 2015 und eine Unterzeichnung durch die Bundeswehr am 23. Oktober 2015 auf. Diese zeitliche Abfolge spreche gegen die von § 10 Abs. 3 USG vorgesehene Unterbreitung eines Angebotes durch die Bundeswehr. Keinesfalls könne eine auf diesem Wege zustande gekommene Verpflichtungsvereinbarung von Oktober 2015 jedoch Ansprüche gegen die Bundeswehr auf Leistungen nach § 10 Abs. 3 USG für den Zeitraum 1. bis 13. November 2015 begründen.
18Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2017 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 1. Juni 2017 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 Verpflichtungszuschlag i. H. v. 35,- Euro pro Tag zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt: § 10 Abs. 3 Satz 1 USG in der ab dem 1. November 2015 gültigen Fassung sei gemäß der Übergangsvorschrift des § 31 Abs. 1 USG auf den vom Kläger vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 geleisteten Reservistendienst anwendbar. Der Kläger habe seinen Antrag auf Bewilligung von Verpflichtungszuschlag vom 20. November 2015 fristgerecht innerhalb der dreimonatigen Frist des § 31 Abs. 1 Satz 3 USG gestellt. Dies habe zur Folge, dass das BAPersBw für Dienstzeiten ab dem 1. November 2015 zur Neubescheidung unter Anwendung des ab diesem Zeitpunkt gültigen Rechts verpflichtet sei. Dabei mache es keinen Unterschied, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine abweichende Festsetzung der zuvor zuständigen Behörde vorgelegen habe oder sich der Kläger direkt an das BAPersBw wende. Dieses Verständnis der §§ 10 Abs. 3, 31 Abs. 1 USG werde durch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften vom 15. April 2015 gestützt. Danach habe den freiwillig Reservistendienst Leistenden ein „Antrag auf Meistbegünstigung“ an das BAPersBw ermöglicht werden sollen. Einen solchermaßen zu verstehenden und im Übrigen auch vom BAPersBw so verstandenen Antrag habe der Kläger unter dem 20. November 2015 gestellt.
19Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verpflichtungszuschlag gemäß § 10 Abs. 3 USG lägen vor. Der Kläger, der im Jahr 2015 Reservistendienst geleistet habe, habe sich, wie von § 10 Abs. 3 Satz 1 USG vorausgesetzt, vor dem ersten Tag der Dienstleistung in einem Kalenderjahr, dem 26. Oktober 2015, am 22. Oktober 2015 aufgrund eines entsprechenden Angebotes verpflichtet, im Kalenderjahr 2015 mindestens 33 Tage Reservistendienst zu leisten. Die vom Kläger am 22. Oktober 2015 unterzeichnete Verpflichtungserklärung sei wirksam. Unerheblich sei, dass sich nicht genau aufklären lasse, wie die Verpflichtungserklärung zustande gekommen sei. Fest stehe jedenfalls, dass der Kläger die Verpflichtungserklärung am 22. Oktober 2015 unterzeichnet habe und dass der Personaloffizier diese am Folgetag ebenfalls gezeichnet habe. Dies genüge für eine wirksame Verpflichtungserklärung. Einen Formzwang für eine solche Verpflichtungsvereinbarung sehe das Gesetz nicht vor. Dass Unterschriften oder Daten gefälscht worden seien, behaupte die Beklagte nicht; hierfür sei auch nichts ersichtlich. Dass der Personaloffizier erst nach dem Kläger das Formular unterschrieben habe, spreche nicht gegen die Annahme, der Kläger habe ein ihm unterbreitetes Angebot angenommen. Hätte ein solches nicht vorgelegen, hätte es dem Personaloffizier freigestanden, das Formular nicht zu unterzeichnen. Der Kläger habe auch nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten die Verpflichtung im Jahr 2015 erfüllt.
20Da auch die Höchstgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 2 USG von 1.470,- Euro nicht überschritten sei, habe der Kläger einen Anspruch auf Verpflichtungszuschlag i. H. v. 35,- Euro/Tag für die Zeit vom 1. November bis 13. November 2015.
21Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 7. August 2020 zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei im Tenor zu weit gefasst. Die Beklagte sei verpflichtet worden, an den Kläger weiteren Verpflichtungszuschlag i. H. v. 455,- Euro auszuzahlen. Für die zweite Reservistendienstleistung vom 16. November 2015 bis zum 18. Dezember 2015 stehe dem Kläger jedoch bereits Verpflichtungszuschlag i. H. v. 1.155,- Euro zu. Aufgrund eines Abrechnungsfehlers sei ihm sogar bereits der Höchstbetrag von 1.470,- Euro ausgezahlt worden. Der Rückforderungsbescheid über die Differenz von 315,- Euro sei noch nicht bestandskräftig. Selbst bei dessen Bestandskraft würde der Kläger aufgrund der durch das Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung noch 140,- Euro mehr erhalten, als gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 USG in einem Kalenderjahr zulässig sei (1.470,- Euro).
22Ferner sei § 10 Abs. 3 USG nicht auf den Reservistendienst des Klägers vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 anwendbar. Das Verwaltungsgericht habe die Übergangsvorschrift des § 31 Abs. 1 USG falsch angewendet. Aufgrund des Beginns des Dienstes am 26. Oktober 2015 sei für die Gewährung von Leistungen zunächst die für den Kläger zu diesem Zeitpunkt zuständige örtliche Unterhaltssicherungsbehörde, die Stadt N. , zuständig gewesen. Zudem sei auf diese Wehrübung das Unterhaltssicherungsgesetz in der bis zum 31. Oktober 2015 geltenden Fassung anzuwenden gewesen. Dieses Gesetz habe einen Verpflichtungszuschlag nicht vorgesehen. Die Übergangsregelung in § 31 Abs. 1 USG habe ausweislich der Gesetzesbegründung sicherstellen sollen, dass die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes zuständigen Behörden Fälle nach bisherigem Recht bis zum Erstbescheid bearbeiteten. Denn die Haushaltsmittel für die Unterhaltssicherung seien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des Unterhaltssicherungsgesetzes am 1. November 2015 bereits den Ländern für das gesamte Jahr 2015 zugewiesen worden. Die Länder sollten daher das Haushaltsjahr noch mit ihren Dienststellen und den bereits zugewiesenen Haushaltsmitteln abschließen. § 31 Abs. 1 Satz 3 USG habe in diesem Zusammenhang dafür sorgen sollen, dass Reservistendienst Leistende nicht in der Höhe ihrer Leistungen benachteiligt würden, sondern von den in der Neufassung vorgesehenen Erhöhungen profitieren könnten. Auf Antrag des Leistungsempfängers seien nach dem 31. Oktober 2015 nämlich die nach altem Recht gewährten Leistungen für die letzten zwei Monate des Jahres 2015 auf Antrag durch das BAPersBw mit den Leistungen nach neuem Recht verglichen und den Soldaten dann entsprechend die höhere Leistung ausgezahlt worden. Grundlage der Vergleichsberechnung habe dabei der Leistungsbescheid der „Alt-Behörde“ sein sollen. Die „Meistbegünstigung“ habe dazu führen sollen, dass jede einzelne Leistung verglichen und im Ergebnis gegebenenfalls Leistung „A“ nach altem oder Leistung „B“ nach neuem Recht gewährt werde. Das Verwaltungsgericht habe diese Übergangsregelung, so verstanden und angewendet, dass Reservistendienst Leistenden aufgrund des „Meistbegünstigungsprinzips“ auch Leistungen gewährt werden sollten, die das Unterhaltssicherungsgesetz in der bis zum 31. Oktober 2015 geltenden Fassung gar nicht vorgesehen habe. Dies sei weder mit dem Wortlaut noch mit der Begründung des Gesetzes vereinbar. Wo durch die Landesbehörde keine Leistungen gewährt worden seien bzw. gewährt werden konnten, habe naturgemäß auch nichts verglichen werden können.
23Zudem gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass für den Reservistendienst des Klägers vom 26. Oktober 2015 bis zum 13. November 2015 eine wirksame Verpflichtungsvereinbarung zustande gekommen sei. Nach § 10 Abs. 3 USG sei erforderlich, dass der Reservistendienst Leistende sich „aufgrund eines entsprechenden Angebots“ verpflichte. Dementsprechend sei in der Zentralverfügung B 2-1320/0-0-1 vorgegeben, dass in zeitlicher Hinsicht zunächst ein Angebot durch die Beklagte erfolgen müsse, das der Reservistendienst Leistende annehmen müsse. Die Verpflichtung des Klägers sei aber nicht in dieser Art und Weise zustandegekommen. Zum einen sei nicht das für die Verpflichtungsvereinbarung vorgesehene Formular verwendet worden. Dieses sei am 23. Oktober 2015 noch gar nicht in der Formulardatenbank der Beklagten bereitgestellt gewesen. Offensichtlich sei lediglich das Muster im Anhang zu vorgenannter Zentralverfügung kopiert worden. Diese Kopie des eigentlichen Formulars sei sodann zunächst vom Kläger und erst einen Tag später vom zuständigen Personaloffizier unterzeichnet worden. Damit habe aber kein Angebot der Beklagten vorgelegen. Vielmehr habe der Kläger selbst ein Angebot unterbreitet. Dies sei so nicht vorgesehen.
24Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
25das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
26Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Zur Begründung trägt er im Kern vor, die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts sei zutreffend, seine Klage zulässig und begründet. Sein Leistungs- bzw. Verpflichtungsbegehren sei insbesondere deshalb als statthaft und zulässig anzusehen, da die Beklagte die beantragten Leistungen – wenn auch nur teilweise – mit Bescheid vom 9. März 2017 abgelehnt habe. Dieser Bescheid in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 1. Juni 2017 sei dahingehend auszulegen, dass er auch den Bewilligungsbescheid vom 26. März 2016 betreffend den Zeitraum des ersten Reservistendienstes ab dem 26. Oktober 2015 bzw. 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 ersetze, aufhebe und verweigere. Entsprechendes gelte für die Bezügeabrechnung vom 20. Februar 2016, die hinsichtlich der Leistungen gemäß § 10 Abs. 3 USG i. H. v. 315,- Euro den Bewilligungsbescheid vom 26. März 2016 ersetze, aufhebe und verweigere. Neben dem Ablehnungsbescheid vom 9. März 2017 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 1. Juni 2017 dürfe nicht nur die Bezügeabrechnung vom 19. Dezember 2015 berücksichtigt werden, sondern müsse auch die Bezügeabrechnung vom 20. Februar 2016 in den Blick genommen werden.
29Auch sei eine Rückzahlung der unrechtmäßig verrechneten 315,- Euro an den Kläger nicht erfolgt. Hierfür müsse ebenfalls das Leistungs- bzw. Verpflichtungsbegehren des Klägers statthaft sein. Der Kläger habe zudem zu keinem Zeitpunkt über mehr als den Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 3 USG i. H. v. 1.470,- Euro verfügt bzw. begehrt. Er habe niemals ausdrücklich die Auszahlung „weiterer“ Leistungen oder gar explizit „455 Euro“ beantragt. Sein Begehren sei lediglich auf die Aufhebung sämtlicher ihn belastender Verwaltungsakte beschränkt. Dementsprechend habe auch das Verwaltungsgericht bestätigt, dass die Höchstgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 2 USG nicht überschritten werde.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
31II.
32Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu mit Beschluss vom 15. Februar 2021 angehört worden (§ 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
33Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von (weiterem) Verpflichtungszuschlag für die Zeit vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 i. H. v. 35,- Euro/Tag aus § 10 Abs. 3 USG in der ab dem 1. November 2015 gültigen Fassung, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.
34Der Kläger begehrt nicht ausschließlich die Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. März 2017 oder sonstiger belastender Verwaltungsakte. Sein Begehren ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass er die Bewilligung von (weiterem) Verpflichtungszuschlag für den in vorgenanntem Zeitraum geleisteten Reservistendienst begehrt. Dies folgt aus dem Wortlaut des erstinstanzlich gestellten Antrags, der nicht nur die Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2017, sondern ausdrücklich auch die Verpflichtung der Beklagten umfasst, dem Kläger „für die Zeit vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 den Verpflichtungszuschlag nach § 10 Abs. 3 USG i. H. v. 35 Euro pro Tag zu bewilligen“. Dem entsprechend hat das Verwaltungsgericht auch nicht lediglich den Ablehnungsbescheid vom 9. März 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 1. Juni 2017 aufgehoben, sondern zugleich die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung des begehrten Verpflichtungszuschlags ausgesprochen.
35Hätte sich das Begehren des Klägers – wie er nunmehr vorträgt – von vorneherein nur auf den Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 USG im Kalenderjahr 2015 beschränkt, wäre der Verpflichtungsantrag überflüssig und damit sinnlos gewesen. Wie unten dargelegt liegt eine wirksame Bewilligung in dieser Höhe bereits vor. Das Rechtsschutzersuchen des Klägers hätte sich dann vielmehr gegen einen – noch nicht ergangenen – Rücknahmebescheid sowie den Rückforderungsbescheid vom 12. Juni 2017 richten müssen.
36Ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung von weiterem Verpflichtungszuschlag scheitert an § 10 Abs. 3 Satz 2 USG. Nach dieser Vorschrift beträgt der Verpflichtungszuschlag höchstens 1.470,- Euro im Kalenderjahr. Für das maßgebliche Kalenderjahr 2015 ist dem Kläger mit Bescheid vom 26. März 2016 in Verbindung mit der Bezügemitteilung vom 19. Dezember 2015 bereits ein Verpflichtungszuschlag in dieser Höhe bewilligt worden. Bei der gebotenen Auslegung nach dem Empfängerhorizont analog §§ 133, 157 BGB sind die Bezügemitteilung und der später ergangene Bescheid vom 26. März 2016 nur als Bewilligung eines Verpflichtungszuschlag i. H. v. 1.470,- Euro für das Jahr 2015 zu verstehen. In dem Bescheid wurde dem Kläger dem Grunde nach Verpflichtungszuschlag mit einem Tagessatz von 35,- Euro bewilligt und wegen der Höhe auf die monatliche Bezügemitteilung verwiesen. Die einschlägige Bezügemitteilung vom 19. Dezember 2015 führt im Abschnitt „Nachberechnung für Monat 12/2015“ ausdrücklich einen „Verpfl.zuschlag § 10 (3)“ in Höhe von 1.470,- Euro auf.
37Diese Bewilligung ist auch in der Folgezeit nicht aufgehoben worden. Eine solche Aufhebung liegt zunächst nicht im Ablehnungsbescheid vom 9. März 2017. Schon ausweislich des Bescheidtenors entfaltet dieser keine rechtsgestaltende Wirkung auf bereits ausgesprochene Bewilligungen, sondern lehnt lediglich eine Bewilligung, d. h. eine Erweiterung der Rechtsposition des Klägers, ab. Auch die Begründung des Bescheides bezieht sich allein auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 3 USG, nicht aber auf die Voraussetzungen der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes.
38Auch der Bezügeabrechnung vom 20. Februar 2016 kann eine Aufhebung der Bewilligung nicht entnommen werden. Sie allein vermag keine rechtsgestaltende Wirkung auf die bereits zuvor ausgesprochene Bewilligung zu entfalten, sondern erschöpft sich für sich gesehen in der buchungstechnischen Umsetzung des (zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangenen) Rückforderungsbescheides.
39Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Bescheid vom 12. Juni 2017, mit dem die Beklagte von dem Kläger Verpflichtungszuschlag aus dem Jahr 2015 i. H. v. 315,- Euro „zurückfordert“. Eine Aufhebung der Bewilligung enthält dieser Bescheid nicht. Vielmehr tituliert er – wie die Begründung des Bescheides zeigt – lediglich einen (vermeintlichen) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Im Übrigen hat der Kläger gegen diesen Bescheid gemäß §§ 23 Abs. 1, 1 Abs. 1 WBO Beschwerde eingelegt, die gemäß § 23 Abs. 6 Satz 1 WBO aufschiebende Wirkung entfaltet und über die bislang noch nicht entschieden ist.
40Die vom Kläger angeregte Verbindung sämtlicher „hier streitigen Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit den Ansprüchen/Leistungen des Verpflichtungszuschlages gemäß § 10 Abs. 3 USG für das Kalenderjahr 2015“ kommt nicht in Betracht, da bei dem erkennenden Gericht nur das vorliegende Verfahren anhängig ist
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
42Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG nicht vorliegen.
43Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Da die Beklagte ausweislich des Tenors des angegriffenen Urteils zur Bewilligung von „Verpflichtungszuschlag für die Zeit vom 1. November 2015 bis zum 13. November 2015 i. H. v. 35 Euro/Tag“ verpflichtet worden ist, was auch dem seitens des Klägers im Erörterungstermin vom 11. September 2017 gestellten Antrag entspricht, beläuft sich der Streitwert des Berufungsverfahrens entgegen der Auffassung des Klägers auf 455,- Euro (13 x 35 Euro) und nicht auf den ursprünglich von der Beklagten einbehaltenen Betrag von 315,- Euro.
44Die Streitwertentscheidung ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5; 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
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- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5; 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 8a WSG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 130a 1x
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- VwGO § 154 1x
- 5 K 475/17 1x (nicht zugeordnet)