Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 331/21
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Februar 2021 geändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die streitbefangene Pressemitteilung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 4. Januar 2021 über deren Internetseite zu verbreiten.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro angedroht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 50.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
3Sie führt zur Änderung des mit ihr angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und zum Erlass der durch die Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines zu sichernden Rechts, der sog. Anordnungsanspruch, und die besondere Eilbedürftigkeit, der sog. Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
4I. Die Antragstellerin hat das Bestehen eines Anordnungsanspruchs hinreichend glaubhaft gemacht. Ihr steht aller Voraussicht nach der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch gegen die weitere Verbreitung der streitbefangenen Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur zu. Mit dieser informiert die Bundesnetzagentur in individualisierter Weise über die Verhängung eines Bußgeldes gegen die Antragstellerin wegen unerlaubter Telefonanrufe durch die von der Antragstellerin betriebenen Call-Center gemäß §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
5Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung einer amtlichen Äußerung wie der vorliegend im Streit stehenden Pressemitteilung der Bundesnetzagentur leitet sich, wenn es wie hier an einer spezialgesetzlichen Grundlage fehlt, aus der grundrechtlich geschützten Position des Betroffenen ab. Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Der Betroffene kann daher gestützt auf das jeweilige Grundrecht die Unterlassung einer amtlichen Äußerung verlangen, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung (ggf. wiederholt) droht oder eine solche bereits eingetreten ist und noch andauert.
6Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. November 2014 – 3 C 27.13 –, Buchholz 418.32 AMG Nr. 69 = juris, Rn. 11, vom 21. Mai 2008 – 6 C 13.07 –, BVerwGE 131, 171 = juris, Rn. 13, und vom 23. Mai 1989 – 7 C 2.87 –, BVerwGE 82, 76 = juris, Rn. 48; OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Februar 2021 – 4 B 1380/20 –, DRiZ 2021, 158 = juris, Rn. 15, und vom 9. September 2013 – 5 B 417/13 –, NWVBl. 2014, 120 = juris, Rn. 13.
7Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin hat eine andauernde Beeinträchtigung zu besorgen, soweit die Pressemitteilung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur in einer für jedermann zugänglichen Weise eingestellt ist und damit auch zukünftig in der Öffentlichkeit verbreitet wird (1.). Durch die weitere Verbreitung der Pressemitteilung wird die Antragstellerin jedenfalls in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt (2.).
81. Die Antragstellerin hat eine andauernde, durch die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs abwehrbare Beeinträchtigung ihrer Grundrechte zu besorgen, soweit die beanstandete Pressemitteilung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur in einer für jedermann zugänglichen Weise eingestellt ist und damit auch zukünftig in der Öffentlichkeit verbreitet wird. Dem steht nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur die Pressemitteilung nach Zustellung des Bußgeldbescheides bereits am 4. Januar 2021 veröffentlicht hat und die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen damit teilweise bereits in einer irreversiblen Weise eingetreten sind. Im Einzelnen hat die Bundesnetzagentur die Pressemitteilung über einen Mailverteiler an im Telekommunikationsbereich tätige Journalisten versandt und zugleich in einer frei zugänglichen Weise auf ihrer Internetseite eingestellt. Außerdem hat sie mittels einer Twittermeldung vom selben Tage auf den Erlass eines Bußgeldbescheides gegenüber einem Call-Center-Betreiber hingewiesen und der Meldung einen Link zu der auf ihrer Internetseite eingestellten Pressemitteilung beigefügt. Teile der Öffentlichkeit haben daher bereits entweder über eine entsprechende Berichterstattung in den Medien oder unmittelbar durch Lektüre der auf der Internetseite eingestellten Pressemitteilung von deren Inhalt Kenntnis nehmen können. Soweit die Pressemitteilung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur weiterhin in einer für jedermann zugänglichen Weise eingestellt ist, vollzieht sich jedoch der durch die Antragstellerin geltend gemachte Grundrechtseingriff weiter. Er wird durch die fortdauernde Veröffentlichung intensiviert, weil ein noch größerer Kreis von Personen auf die Pressemitteilung zugreifen und sich über die Verhängung eines Bußgeldes und die dem zu Grunde liegenden gegenüber der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe informieren kann.
92. Die Antragstellerin wird durch die weitere Verbreitung der Pressemitteilung auf der Interseite der Bundesnetzagentur jedenfalls in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt. Die Bundesnetzagentur ist zwar grundsätzlich dazu berechtigt, im Zusammenhang mit der ihr zugewiesenen Sachaufgabe auch ohne eine besondere Ermächtigung Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zu betreiben, solange und soweit die amtliche Information keinen unmittelbaren Grundrechtseingriff darstellt oder einem solchen gleichkommt (a). Unter den gegebenen Umständen greift die weitere Verbreitung der im Streit stehenden Pressemitteilung aber in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin ein (b). Für diesen Eingriff fehlt es aller Voraussicht nach an einer erforderlichen Rechtfertigung durch eine hinreichende gesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage (c).
10a) Öffentliche Stellen – und so auch die Bundesnetzagentur – sind grundsätzlich ohne besondere Ermächtigung dazu berechtigt, im Zusammenhang mit der ihnen jeweils zugewiesenen Sachaufgabe Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zu betreiben. Es ist anerkannt, dass staatliche Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit notwendig ist, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt auch die Darlegung und Erläuterung des Regierungs- und Verwaltungshandelns hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben. Bei der Wahrnehmung dieser Annexkompetenz zur Sachaufgabenzuständigkeit muss sich die öffentliche Stelle allerdings auf den ihr zugewiesenen Aufgaben- und Kompetenzbereich beschränken. Außerdem haben sich auch amtliche Äußerungen an den allgemeinen Grundsätzen für rechtsstaatliches Verhalten zu orientieren, die sich insbesondere aus dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben. Hieraus leitet sich ein Gebot zur Richtigkeit und Sachlichkeit der amtlichen Information ab. Außerdem können staatliche Neutralitätspflichten zu beachten sein.
11Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 – 6 A 7.18 –, BVerwGE 166, 303 = juris, Rn. 28, vom 13. September 2017 – 10 C 6.16 –, BVerwGE 159, 327 = juris, Rn. 18 ff., und vom 19. Februar 2015 – 1 C 13.14 –, BVerwGE 151, 228 = juris, Rn. 35; OVG NRW, Urteil vom 17. November 2020 – 13 A 1319/19 –, juris, Rn. 59.
12Amtliche Äußerungen, die einen unmittelbaren Grundrechtseingriff darstellen oder einem Grundrechtseingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen, bedürfen jedoch regelmäßig der Rechtfertigung durch eine gesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage. Durch die Wahl eines funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden; vielmehr müssen auch in diesem Fall die für Grundrechtseingriffe maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein.
13Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 –, BVerfGE 105, 279 = juris, Rn. 76; BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 – 6 A 7.18 –, BVerwGE 166, 303 = juris, Rn. 21 f., und vom 21. Mai 2008 – 6 C 13.07 –, BVerwGE 131, 171 = juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Februar 2021 – 4 B 1380/20 –, DRiZ 2021, 158 = juris, Rn. 17, und vom 17. September 2019 – 15 A 4753/18 –, DVBl. 2020, 576 = juris, Rn. 114.
14b) Die weitere Verbreitung der Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur stellt unter den gegebenen Umständen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin dar, weil sie als administrative Maßnahme direkt auf die Marktbedingungen eines individualisierten Unternehmens zielt, das Verhalten der Geschäftspartner der Antragstellerin und das Verhalten der von ihr adressierten Endnutzer beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der Antragstellerin verändern kann.
15aa) Die weitere Verbreitung der Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur ist jedenfalls an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Art. 12 Abs. 1 GG gewährt das Recht der freien Berufswahl und -ausübung und ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen anwendbar, soweit sie – wie hier die Antragstellerin – eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht.
16Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 26, und vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 41.
17Das aus dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitende Grundrecht der Antragstellerin auf informationelle Selbstbestimmung tritt hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück, weil der Schutz von Unternehmen im Wettbewerb hier von der sachlich spezielleren Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG vollständig erfasst wird.
18Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 62, und vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 44.
19Ob daneben noch Raum für einen möglicherweise aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden sozialen Geltungsanspruch der Antragstellerin im Sinne des Ansehens in den Augen anderer bleibt, wie er in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung einfachgesetzlich als Unternehmerpersönlichkeitsrecht anerkannt ist, kann unter den gegebenen Umständen offen bleiben.
20Vgl. zur Problematik BVerfG, Beschluss vom 29. August 2007 – 1 BvR 1225/07 –, BVerfGK 12, 95 = juris, Rn. 29; BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18 –, K&R 2020, 289 = juris, Rn. 34, jeweils m.w.N.
21bb) Die Berufsfreiheit schützt allerdings grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umschließt das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Marktteilnehmer haben aber keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch die erzielbaren Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen.
22Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 27, und vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 43.
23Das Grundrecht schützt auch nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken. Es verbürgt kein ausschließliches Recht auf eigene Außendarstellung und damit auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Zwar darf ein Unternehmen selbst darüber entscheiden, wie es sich und seine Produkte im Wettbewerb präsentieren möchte. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt aber nicht ein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht.
24Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 42 und 45.
25Demgemäß berühren Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 27, und vom 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842/11 –, BVerfGE 134, 204 = juris, Rn. 114.
27In entsprechender Weise ist auch nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, ohne Weiteres als Grundrechtseingriff zu bewerten.
28Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 27, und vom 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 –, BVerfGE 113, 63 = juris, Rn. 50.
29Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht jedoch dann, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen, die mittelbaren Folgen also kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind. Dasselbe gilt auch für die Grundrechtsbindung des Staates bei amtlichem Informationshandeln. Die amtliche Information der Öffentlichkeit kann in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent jedenfalls dann gleichkommen, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert.
30Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 28, vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252 = juris, Rn. 62, und vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 –, BVerfGE 105, 279 = juris, Rn. 76; BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 – 3 C 27.13 –, juris, Rn. 16.
31cc) Nach diesen Maßgaben greift die weitere Verbreitung der Pressemitteilung in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin ein. Es handelt sich zwar nicht um einen unmittelbaren Grundrechtseingriff, die weitere Verbreitung der Pressemitteilung kommt jedoch in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem solchem Eingriff gleich.
32Die mit der Pressemitteilung verbreiteten Informationen sind inhaltlich geeignet, die Markt- und Wettbewerbssituation mittelbar-faktisch zum wirtschaftlichen Nachteil der Antragstellerin zu verändern. Im Einzelnen informiert die Bundesnetzagentur sowohl über die Verhängung des Bußgeldes selbst als auch über das der Antragstellerin bzw. ihrer Geschäftsleitung in diesem Zusammenhang zur Last gelegte Fehlverhalten. So habe die Antragstellerin im Auftrag eines Unternehmens an dessen Kunden insbesondere Drittanbieterabonnements für Hörbücher und Zeitschriften, Video-on-Demand Dienste, Sicherheitssoftware oder Handyversicherungen vertrieben und den Angerufenen dabei im Nachgang des Telefonats Zusatzdienstleistungen untergeschoben, die diese überhaupt nicht bestellt hätten. Auch habe die Antragstellerin im Rahmen einer telefonischen Neukundenakquise Werbeanrufe getätigt, obwohl keine gültige Einwilligung der Angerufenen vorgelegen habe. Viele Betroffene hätten angegeben, dass sogar trotz ausdrücklicher Untersagung weitere Anrufe erfolgt seien, durch die sie sich massiv belästigt gefühlt hätten. Die Antragstellerin habe zudem Adresskontingente bei Adresshändlern eingekauft, ohne in einem ausreichenden Maße zu prüfen, ob die Betroffenen tatsächlich wirksam in den Erhalt von Werbeanrufen eingewilligt hatten.
33Da die Antragstellerin in der Pressemitteilung mehrfach unter ihrer vollen Firma genannt wird, können ihr die Feststellungen der Bundesnetzagentur individuell zugeordnet werden. Bisherige Geschäftspartner der Antragstellerin können die mitgeteilten Informationen zum Anlass nehmen, schon aus Sorge vor einer eigenen Rufschädigung von einer weiteren Zusammenarbeit mit der Antragstellerin Abstand zu nehmen. Potentielle neue Geschäftspartner können durch die mitgeteilten Informationen verschreckt werden und sich vorsorglich für die Inanspruchnahme anderer „unbelasteter“ Dienstleister entscheiden. Nicht zuletzt kann der Antragstellerin die eigene Tätigkeit im Bereich des Telemarketings dadurch erschwert werden, dass ihr Ruf im Kreis der Verbraucher in Mitleidenschaft gezogen wird und Anrufe ihrer Mitarbeiter wegen der gemäß § 312a Abs. 1 BGB gebotenen Offenlegung der Identität der Antragstellerin als Unternehmerin per se als unseriös bewertet und abgewehrt werden.
34Vgl. zur Offenlegungspflicht nach § 312a Abs. 1 BGB BGH, Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 244/16 –, NJW 2018, 3242 = juris, Rn. 21.
35Diese mittelbar-faktischen Wirkungen der Pressemitteilung sind auch nicht bloßer Reflex eines nicht hierauf ausgerichteten Informationshandelns. Die Pressemitteilung wird durch die Bundesnetzagentur unter den gegebenen Umständen vielmehr wegen dieser Wirkungen ziel- und zweckgerichtet eingesetzt, um die general- und spezialpräventive Wirkung des verhängten Bußgeldes zu verstärken und um Geschäftspartner und Verbraucher vor der Antragstellerin zu warnen. Ausweislich eines im Zuge der Veröffentlichung der Pressemitteilung angefertigten Aktenvermerks folgt die Veröffentlichung der Pressemitteilung einer behördenintern abgestimmten Kommunikationsstrategie. Verhängte Bußgelder sollen hiernach nicht nur einen repressiven und tadelnden, sondern auch einen general- und spezialpräventiven Charakter entfalten. Zu diesem Zweck soll in geeigneten Fällen auch unter namentlicher Nennung der verfolgten Unternehmen über die entsprechenden Bußgeldverfahren per Pressemittteilung berichtet werden. Für eine namentliche Nennung der Antragstellerin spreche dabei im vorliegenden Fall insbesondere, dass sie sich die Einleitung des Bußgeldverfahrens nicht habe zur Warnung dienen lassen; vielmehr seien auch während der Bußgeldverfahrens weitere Anzeigen zu unerlaubter Werbung eingegangen.
36Im gerichtlichen Verfahren hat die Antragsgegnerin diese Erwägungen näher erläutert. Die Antragstellerin habe ihr rechtswidriges Verhalten trotz Einleitung des Bußgeldverfahrens fortgesetzt. Es bestehe daher auch zukünftig eine akute Gefahr weiterer Rechtsverletzungen, vor denen die Verbraucher zur Vermeidung weiterer Schäden gewarnt werden sollten. Zugleich erfülle die Pressemitteilung auch eine Warnfunktion gegenüber den Geschäftspartnern der Antragstellerin in dem Sinne, dass diese bei einer etwaigen Zusammenarbeit mit der Antragstellerin einen gesteigerten Aufsichtsmaßstab anwenden, um Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen präventiv zu begegnen. Schließlich sei die namentliche Nennung der Antragstellerin auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Sie könne in den einschlägigen Marktkreisen eine Abschreckungswirkung entfalten, die andere Unternehmen zu rechtmäßigem Verhalten anhalte. Diese Ausführungen der Antragsgegnerin belegen, dass die Bundesnetzagentur den Rahmen einer auch ohne besondere Ermächtigung aufgrund einer Annexkompetenz zur Sachaufgabenzuständigkeit grundsätzlich zulässigen Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit überschreitet und die beanstandete Pressemitteilung vielmehr ziel- und zweckgerichtet als funktionales Äquivalent für die teils präventiven, teils repressiven Aufsichtsmaßnahmen einsetzt, die ihr nach näherer Maßgabe von § 67 TKG und § 20 Abs. 3 UWG bei der ihr zugewiesenen Sachaufgabe der sog. Nummernverwaltung zukommen.
37dd) Schon aus diesem Grund kann sich die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg auf die zur Praxis des Bundeskartellamtes ergangene Rechtsprechung berufen, welche die Veröffentlichung von Pressemitteilungen über abgeschlossene Bußgeldverfahren unter namentlicher Nennung der betroffenen Unternehmen schon vor Inkrafttreten der mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 1. Juni 2017 (BGBl. I, S. 1416) eingeführten Regelung in § 53 Abs. 5 GWB auch ohne eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage gebilligt hatte. Die Presse-, Öffentlichkeits- und Informationstätigkeit des Bundeskartellamtes zielte im dortigen Zusammenhang maßgeblich auf eine Unterrichtung der Kartellgeschädigten ab. Sie sollten in die Lage versetzt werden, das Bestehen möglicher Schadensersatzansprüche gegen die Unternehmen zu prüfen, die an dem festgestellten Kartellverstoß beteiligt waren. Außerdem war in Rechnung zu stellen, dass ein von der Kartellbehörde bestandskräftig festgestellter Kartellverstoß nach den einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen – heute § 33b Satz 1 GWB – für den Schadensersatzrichter bindend ist, was ein zusätzliches öffentliches Interesse am Ergehen eines Bußgeldbescheides begründete.
38Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – VI-Kart 5/14 (V) –, NZKart 2015, 57 = juris, Rn. 51; zu § 53 Abs. 5 GWB nun auch BT-Drs. 18/10207, S. 82.
39Die durch die Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung verhält sich aber nicht zu einem hier im Streit stehenden ziel- und zweckgerichteten Einsatz einer Pressemittteilung als funktionales Äquivalent für aufsichtsrechtliche Maßnahmen einer Behörde.
40c) Die Antragstellerin wird durch die weitere Verbreitung der streitbefangenen Pressemitteilung auch in ihrer Berufsfreiheit verletzt, weil es an einer hiernach erforderlichen Rechtfertigung durch eine einfachgesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage fehlt.
41aa) Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus dem Auskunftsanspruch der Presse, der im Anwendungsbereich des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen aus § 4 Abs. 1 PresseG NRW und im Übrigen jedenfalls verfassungsunmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleiten ist und der für die mit der Auskunftserteilung gegenüber der Presse verbundenen Eingriffe in die Grundrechte Dritter eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt.
42Vgl. zu den Einzelheiten zuletzt BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 – 6 A 7.18 –, BVerwGE 166, 303 = juris, Rn. 12 ff. m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 4. Februar 2021 – 4 B 1380/20 –, DRiZ 2021, 158 = juris, Rn. 17, jeweils mit m.w.N.
43Das Verfahren gibt dabei keinen Anlass zu einer vertieften Prüfung, ob die hier im Streit stehende Verbreitung der Pressemitteilung, soweit sie gegenüber Vertretern der Presse erfolgt, in diesem Sinne noch als Erteilung einer Auskunft angesehen werden kann. Die Mitteilung beruht nach den Erkenntnissen aus dem gerichtlichen Verfahren jedenfalls nicht ersichtlich (zugleich) auf einer konkreten Anfrage von Vertretern der Presse und sie ist auch nicht Reaktion auf ein allgemeines Presseinteresse an dem zu berichtenden Sachverhalt.
44Vgl. zur Problematik VG Regensburg, Urteil vom 23. Juli 2019 – RO 4 K 17.1570 –, K&R 2020, 91 = juris, Rn. 37 ff.
45Auch kann offen bleiben, ob sich die Verbreitung der Pressemitteilung nach den sich aus § 4 Abs. 2 PresseG NRW bzw. unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte der Antragstellerin auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch stützen ließe.
46Hierauf kommt es unter den gegebenen Umständen schon deshalb nicht an, weil eine solche Ermächtigung zur Auskunftserteilung gegenüber der Presse jedenfalls keine in die Grundrechte Einzelner eingreifende Weitergabe von Informationen an Dritte über den Kreis der anspruchsberechtigten Pressevertreter hinaus rechtfertigte, denen eine besondere Verantwortung im Umgang mit den so erhaltenen Informationen obliegt.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Februar 2021 – 4 B 1380/20 –, DRiZ 2021, 158 = juris, Rn. 110.
48Die hier allein im Streit stehende weitere Verbreitung der Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur geht über den presserechtlichen Auskunftsanspruch hinaus. Die Mitteilung ist insoweit trotz der gewählten Bezeichnung als „Pressemitteilung“ auch und gerade für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich, die damit von den die Antragstellerin beeinträchtigenden Informationen Kenntnis nehmen kann.
49bb) Die Antragsgegnerin kann sich entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts voraussichtlich auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG stützen. Hiernach kann die Bundesnetzagentur in ihrem Amtsblatt oder auf ihrer Internetseite jegliche Information veröffentlichen, die für Endnutzer (§ 3 Nr. 8 TKG) Bedeutung haben kann. Dem Wortlaut nach steht der Bundesnetzagentur damit zwar eine sehr weit reichende Ermächtigungsgrundlage für eine Informationspolitik zum Schutz der Endnutzer zur Verfügung. Es spricht aber Überwiegendes dafür, dass die Vorschrift nach dem ihr durch den Gesetzgeber beigemessenen Zweck jedenfalls nicht zur Rechtfertigung der hier im Streit stehenden Informationspolitik herangezogen werden kann.
50§ 45n TKG ist Teil des Kundenschutzrechts des Telekommunikationsgesetzes und dient in erster Linie der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben aus Art. 21, 22 und 29 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (ABl. L 108, S. 51) in der insoweit zuletzt durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Universaldienstrichtlinie).
51Vgl. zu den Erwägungen des Gesetzgebers BT-Drs. 16/2581, S. 26; BT-Drs. 17/5707, S. 67 f., und BT-Drs. 17/7521, S. 113.
52Die genannten Bestimmungen sehen eine Reihe von Transparenz-, Informations- und Bereitstellungspflichten vor, zu denen die nationalen Regulierungsbehörden die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und öffentlich zugänglicher elektronischer Telekommunikationsdienste im Interesse der Verbraucher bzw. Endnutzer verpflichten können. Sie betreffen insbesondere transparente, vergleichbare, ausreichende und aktuelle Informationen über die geltenden Preise und Tarife, über die bei Vertragskündigung anfallenden Gebühren, über die Standardbedingungen für den Zugang zu den bereitgestellten Diensten und deren Nutzung, über die Qualität der Dienste und die Bereitstellung verschiedener Dienstmerkmale. Sie ergänzen damit den in Art. 20 der Universaldienstrichtlinie vorgegebenen Mindestinhalt der mit Verbrauchern bzw. Endnutzern geschlossenen Verträge über den Zugang zu und die Nutzung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und öffentlich zugänglichen elektronischen Telekommunikationsdiensten. Die Erwägungsgründe 30 und 31 sowie die Einleitung zum Anhang II der Universaldienstrichtlinie machen in diesem Zusammenhang deutlich, dass sowohl die Vertragsinhalte als auch der Zugang zu öffentlich verfügbaren Informationen dazu dienen sollen, für Verbraucher bzw. Endnutzer ein Mindestmaß an Transparenz über Preise, Vertragsbedingungen und sonstige für den Vergleich unterschiedlicher Angebote von Wettbewerbern relevante Details der Leistungen sicherzustellen, damit sie in voller Sachkenntnis eine Wahl treffen können.
53Vgl. Schadow, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Auflage 2018, vor § 45n Rn. 1; Scholz/Pieper, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 45n Rn. 1.
54Ausgehend hiervon hat der Gesetzgeber in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG eine Ermächtigung zu Gunsten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie einschließlich einer Subdelegationsmöglichkeit zu Gunsten der Bundesnetzagentur geschaffen, um Anbieter von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und Anbieter von öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten durch Rechtsverordnung verpflichten zu können, dem Verbraucher und auf Verlangen auch anderen Endnutzern transparente Informationen über die angebotenen Dienste sowie zusätzliche Dienstmerkmale zur Kostenkontrolle bereitzustellen. In diesem Zusammenhang ermächtigt schließlich § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG die Bundesnetzagentur dazu, auch selber Informationen in ihrem Amtsblatt oder auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen, soweit diese für Endnutzer von Bedeutung sein können. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung soll mit dieser Ermächtigung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nach der Einleitung zum Anhang II der Universaldienstrichtlinie die nationalen Regulierungsstellen entscheiden sollen, welche Informationen von den Unternehmen veröffentlicht werden müssen und welche Informationen von der nationalen Regulierungsstelle selbst veröffentlicht werden, um sicherzustellen, dass die Verbraucher in voller Sachkenntnis eine Wahl treffen können.
55Vgl. BT-Drs. 16/2581, S. 26; Schadow, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Auflage 2018, vor § 45n Rn. 24; Ditscheid/Rudloff, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 45n Rn. 32.
56Der Mehrwert einer Veröffentlichung durch die Bundesnetzagentur selbst liegt dabei nach der Vorstellung des Gesetzgebers maßgeblich darin, dass den Verbrauchern Informationen über verschiedene Anbieter auf einer neutralen Plattform zur Verfügung stehen.
57Vgl. BT-Drs. 16/2581, S. 26 mit Verweis auf weitere Angebote der Verbraucherzentralen, der Stiftung Warentest und Fachzeitschriften; BT-Drs. 19/11180, S. 12 zur Einführung von § 45n Abs. 8 Satz 2 TKG; BT-Drs. 19/26108, S. 285 zur im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Neuregelung in § 52 Abs. 7 Satz 1 TKG-E; Scholz/Pieper, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 45n Rn. 40.
58Hieraus folgt, dass die für sich genommen sehr weite Formulierung in § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG eine inhaltliche Einschränkung erfährt. Zunächst streiten der systematische Zusammenhang und die Erwägungen des Gesetzgebers zum Mehrwert einer durch die Bundesnetzagentur zur Verfügung gestellten neutralen Vergleichsplattform dafür, dass § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG nicht zu jeder Informationstätigkeit zu Gunsten der Endnutzer gleich welchen Inhalts ermächtigt. Voraussetzung einer Veröffentlichung ist vielmehr, dass die bereitgestellten Informationen wie in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG sicherstellen, dass die Endnutzer bei der Wahl eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes oder eines öffentlichen zugänglichen Kommunikationsdienstes über eine volle Sachkenntnis verfügen.
59Vgl. zum Aspekt der Auswahlentscheidung auch Robert, in: Säcker, TKG, 3. Auflage 2013, § 45n Rn. 41; Scholz/Pieper, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 45n Rn. 40.
60Schon hiernach scheidet eine Verbreitung der im Streit stehenden Pressemitteilung voraussichtlich aus, weil die Antragstellerin als Betreiberin mehrerer Call-Center weder ein öffentliches Telekommunikationsnetz noch einen öffentlich zugänglichen Kommunikationsdienst betreibt. Ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist nach § 3 Nr. 16a TKG ein Telekommunikationsnetz, das ganz oder überwiegend der Bereitstellung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste dient, die die Übertragung von Informationen zwischen Netzabschlusspunkten ermöglichen. Ein Telekommunikationsdienst ist gemäß § 3 Nr. 24 TKG ein in der Regel gegen Entgelt erbrachter Dienst, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze besteht, einschließlich der Übertragungsdienste in Rundfunknetzen.
61Vgl. zum Begriff des Telekommunikationsdienstes zuletzt eingehend OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2020 – 13 A 17/16 –, K&R 2020, 382 = juris, Rn. 28 ff.
62Es ist hiernach nicht ersichtlich, wie die Information über den Erlass des Bußgeldbescheides zu einer größeren Sachkenntnis der Endnutzer bei der Wahl eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes oder eines öffentlichen zugänglichen Kommunikationsdienstes beitragen könnte.
63Soweit die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung des Senats vom 8. April 2011 – 13 B 237/11 – zur öffentlichen Unterrichtung der von einem Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot betroffenen Endnutzer dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang Anlass zu einer weiteren Auslegung von § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG gegeben hat, hält der Senat an dieser Entscheidung aus den vorstehenden Gründen nicht fest. Dessen ungeachtet dürfte – was der Senat seinerzeit offen gelassen hat – eine Ermächtigung der Bundesnetzagentur zu einer solchen öffentlichen Unterrichtung aus § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG abzuleiten sein, wenn und soweit es zu einen effektiven Durchsetzung eines Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbots einer flankierenden Unterrichtung der betroffenen Endnutzer bedarf.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. April 2011 – 13 B 237/11 –, MMR, 771 = juris, Rn. 23 ff.
65Unabhängig von diesen Erwägungen macht der Kreis der in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG ausdrücklich genannten Informationen – Preise, Tarife, Bedingungen, Qualitätsmerkmale etc. – zudem deutlich, welche Art Informationen dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang grundsätzlich vor Augen gestanden hat. Hieraus muss nicht zwingend abzuleiten sein, dass § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG ausschließlich zur Veröffentlichung solcher Informationen ermächtigt, zu deren Bereitstellung die Anbieter nach § 45n Abs. 1 bis 7 TKG verpflichtet werden können. Es spricht aber Überwiegendes dafür, dass jedenfalls die öffentliche Bekanntmachung bußgeldbewehrter Rechtsverstöße außerhalb dessen liegt, was der Gesetzgeber mit § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG an Informationspolitik intendiert hat. Die öffentliche Anprangerung begangener Rechtsverstöße ist vom Kreis in § 45n Abs. 1 bis 7 TKG genannten Informationen so weit entfernt, dass eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung zu erwarten wäre, hätte der Gesetzgeber auch hierzu ermächtigen wollen. Vor diesem Hintergrund kann letztendlich auch offen bleiben, ob § 45n Abs. 8 Satz 1 TKG ohne eine Regelung zu einer zeitlichen Begrenzung der über das Internet öffentlich gemachten Rechtsverstöße überhaupt den einschlägigen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage genügte.
66Vgl. zuletzt zum sog. Lebensmittelpranger BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, BVerfGE 148, 40 = juris, Rn. 56 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 24. April 2013 – 13 B 192/13 –, NWVBl. 2013, 334 = juris, Rn. 17 ff.
67cc) Schließlich kann die Bundesnetzagentur die weitere Verbreitung der Pressemitteilung auch nicht auf § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG stützen. Nach dieser Generalklausel kann die Bundesnetzagentur im Rahmen der Nummernverwaltung sämtliche Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen.
68Eine Nummernverwaltung ist dabei nicht nur im gesamten technischen und rechtsgeschäftlichen Umgang mit der Rufnummer gegeben, wie etwa bei der Erbringung eines Dienstes über eine Rufnummer und der Weitergabe von Rufnummern, sondern auch bei der Werbung für einen Dienst im Zusammenhang mit der Rufnummer. Der weite Wortlaut von § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ist zudem Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange zu verfolgen. Auch Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Bestimmungen, die – wie § 7 UWG – keinen (unmittelbaren) telekommunikationsrechtlichen Bezug aufweisen, können daher ein beachtlicher Verstoß im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG sein.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 – 13 B 1396/08 –, MMR 2009, 284 = juris, Rn. 7 ff., m.w.N.; Büning, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 67 Rn. 15 f.; Herchenbach-Canarius/Niggemann, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 67 Rn. 5.
70Die in § 67 Abs. 1 Satz 2 bis 7 TKG ausdrücklich genannten Maßnahmen schränken die Bundesnetzagentur weder in der Auswahl des Handlungsinstrumentariums und der Störerauswahl ein, noch entfalten sie eine Sperrwirkung in Bezug auf die beschriebenen Maßnahmen. Dabei sind der Bundesnetzagentur ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen eingeräumt. Sie hat nach pflichtgemäßer Ermessensausübung zu entscheiden, ob und wie sie eingreift.
71Vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 83; Büning, in: Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 67 Rn. 12; Herchenbach-Canarius/Niggemann, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 67 Rn. 5.
72Ein Einschreiten nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG setzt jedoch stets eine konkrete Gefahr der Verletzung gesetzlicher Vorschriften oder der von der Bundesnetzagentur erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern voraus. Hierbei hat die Bundesnetzagentur eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob hinreichende Verdachtsmomente für eine drohende Verletzung bestehen.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 – 13 B 1395/08 –, NJW 2008, 3656 = juris, Rn. 27 ff.; Herchenbach-Canarius/Niggemann, in: Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Auflage 2021, § 67 Rn. 6.
74Hiermit steht die hier im Streit stehende Informationspolitik zur Anprangerung bußgeldbewehrter Rechtsverstöße aus der Vergangenheit nicht im Einklang. Der Erlass eines Bußgeldbescheides ersetzt für sich genommen nicht die für eine angestrebte öffentliche Warnung vor der Geschäftspraktik der Antragstellerin erforderlichen hinreichenden Verdachtsmomente dafür, dass sich die Antragstellerin auch weiterhin regelwidrig zu verhalten wird. Die von der Bundesnetzagentur angeführte spezialpräventive Wirkung eines Bußgeldbescheides zur Sanktionierung begangener Rechtsverstöße liegt ja gerade in der Erwartung, dass der Betroffene das Bußgeld zum Anlass nimmt, sich künftig regelkonform zu verhalten. Falls der Bundesnetzagentur belastbare Verdachtsmomente für künftiges regelwidriges Verhalten der Antragstellerin vorlägen, würde dies wiederum nicht die hier in Mitten stehende Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Erlass eines Bußgelbescheides, sondern allenfalls eine konkrete Warnung vor künftigem Fehlverhalten rechtfertigen, wobei die Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr durch § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG eröffneten Ermessens zu erwägen hätte, warum sie zur Beseitigung der drohenden Gefahr nicht gleich auf die ihr nach § 67 Abs. 1 TKG zustehenden Aufsichtsmaßnahmen zurückgreift. Eine allgemeine generalpräventive Wirkung oder eine etwaige Verstärkung der Sanktionswirkung des verhängten Bußgelds gegenüber der Antragstellerin ließen sich auf die der Abwehr einer konkreten Gefahr dienende Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG von vornherein nicht stützen.
75II. Die Antragstellerin hat in Bezug auf den vorstehend bejahten Anordnungsanspruch auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine vorläufige Regelung ist mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten, weil die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ein Verweis auf den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens würde die zu sichernden Rechte der Antragstellerin jedenfalls teilweise irreversibel vereiteln. Sollte die Antragsgegnerin die streitbefangene Pressemitteilung weiter über ihre Internetseite verbreiten, bedeutete dies eine Fortsetzung und Intensivierung der partiell bereits eingetretenen Grundrechtsverletzung, die durch einen nachträglichen Widerruf oder eine nachträgliche Klarstellung nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht kompensiert werden könnte.
76III. Der Inhalt der getroffenen einstweiligen Anordnung beruht auf § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO. Hiernach bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes der einstweiligen Anordnung erforderlich sind. Der Senat übt das ihm zustehende Ermessen dahin aus, der Antragsgegnerin die weitere Verbreitung der streitbefangenen Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur vorläufig zu untersagen. Die Anordnung ist ausreichend, um die Rechte der Antragstellerin zu schützen. Eine Veröffentlichung oder Verbreitung der Pressemitteilung auf anderem Wege hat die Antragstellerin nach den Erkenntnissen aus dem gerichtlichen Verfahren nicht mehr zu besorgen. Die durch die Antragstellerin beantragte Androhung von Ordnungsmitteln findet ihre rechtliche Grundlage gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einer entsprechenden Anwendung von § 890 Abs. 2 ZPO. Die Höhe des angedrohten Ordnungsmittels erscheint unter Berücksichtigung der abzuwehrenden Grundrechtsverletzung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausreichend.
77Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 4 B 786/17 –, ZUM-RD 2018, 190 = juris, Rn. 47 ff., m.w.N.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
79Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt dem durch die Antragstellerin selbst bezifferten Streitwert.
80Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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