Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 456/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angegriffenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 18. Januar 2021 erhobenen Klage 12 K 278/21 wiederherzustellen.
3Gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG kann Beamtinnen und Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären.
4Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. November 1998
5- 1 WB 36.98 -, DVBl. 1999, 326 = juris Rn. 5, und vom 17. Juli 1979 - 1 WB 67.78 -, BVerwGE 63, 250 = juris Rn. 40, jeweils zu § 22 SoldatenG.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juli 2015 - 6 A 1454/13 -, juris Rn. 7, und vom 17. Juni 2013 - 6 A 2586/12 -, juris Rn. 11.
6Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juli 2015
8- 6 A 1454/13 -, a. a. O., Rn. 13, und vom 17. Juni 2013 - 6 A 2586/12 -, a. a. O., Rn. 9.
9Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1979 - 1 WB 67.78 -, a. a. O., Rn. 59; OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2015 - 6 A 1454/13 -, a. a. O., Rn. 11.
11Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 Satz 1 BeamtStG dient der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Amtsführungsverbot dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für weitere dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen.
12Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2021
13- 6 B 2055/20 -, juris Rn. 21, vom 30. Juli 2015
14- 6 A 1454/13 -, a. a. O., Rn. 13, und vom 17. Juni 2013 - 6 A 2586/12 -, a. a. O., Rn. 13.
15Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten. Daraus folgt, dass für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte weder eine erschöpfende Aufklärung noch erforderlich ist, dass Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs bereits eingetreten sind oder das Verhalten des Beamten sich letztlich als strafrechtlich relevant erweist.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juli 2015
17- 6 A 1454/13 -, a. a. O., Rn. 13, vom 17. Juni 2013
18- 6 A 2586/12 -, a. a. O., Rn. 17.
19Dies zu Grunde gelegt hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides als auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung zwingende dienstliche Gründe i. S. d. § 39 Satz 1 BeamtStG gegeben waren, und dies umfassend begründet.
20Es hat ausgeführt, Anlass für die streitbefangene Maßnahme seien die Veröffentlichung einer Fotoaufnahme sowie die Kommentierung eines Beitrags eines anderen Nutzers durch den Antragsteller im sozialen Netzwerk „Instagram“ gewesen. Dort habe der Antragsteller einen wohl öffentlich einsehbaren Account unter dem Benutzernamen „G. “ unterhalten, der mit der Berufsbezeichnung „Justizvollzugsbeamter“ und dem Zusatz „Junge aus dem Pütt“ versehen gewesen sei. Die von ihm veröffentlichte Fotografie zeige eine im Le Grand Bunker Musée du Mur de l'Atlantique ausgestellte Nachbildung einer Waffenkammer der Wehrmacht, in der ein Soldat in Wehrmachtsuniform umgeben von zahlreichen Waffen hinter einem mit einem Reichsadler mit Hakenkreuz versehenem Holztisch stehe. Ferner habe der Antragsteller auf die vom Nutzer „E. “ veröffentlichte Lichtbildaufnahme einer Axt unter dem Kommentar „Die besten Geschenke sind die, die für Ruhe sorgen!“ mit den Worten geantwortet: „Frohe Weihnachten. Bring mal demnächst mit ins Irrenhaus. Kann sicherlich sehr hilfreich sein“ (gefolgt von einem Tränen lachenden Smiley). Der Nutzer „E1. “ (Justizvollzugshauptsekretär M. X. ) habe erwidert: „Dir auch! Packe ich ein!“. Der Antragsgegner habe zu der begründeten Überzeugung gelangen dürfen, dass die mit den Verhaltensweisen des Antragstellers einhergehende Beeinträchtigung des - durch die in § 34 Satz 3 BeamtStG normierte Wohlverhaltenspflicht eines Beamten geschützten - öffentlichen Ansehens und Vertrauens der Bevölkerung in die ordnungsmäße Amtsausübung sowie die zu besorgende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Justizvollzugs ein sofortiges Handeln erforderten und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheine. Gegen den Antragsteller bestehe ein auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhender Anfangsverdacht, dass ein strafbares Verhaltens (§ 86a StGB) vorliege. Staatsanwaltliche Ermittlungen seien bereits aufgenommen worden. Durch das Verwenden eines Kennzeichens verfassungswidriger Organisationen werde die Besorgnis der Öffentlichkeit begründet, dass der Verwender mit einer solchen Gruppierung sympathisiere und sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. Insbesondere von Beamten im Justizvollzug, die von Amts wegen das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen hätten und zugleich als Vorbild für straffällige Menschen auf ihre Reintegration in die Gesellschaft hinwirken sollten, erwarte die Öffentlichkeit ein vorbehaltloses Einstehen für den demokratischen Rechtsstaat und die Grundrechte. Der Eindruck der Bevölkerung werde auch nicht nachhaltig durch die Gesamtumstände der Veröffentlichung abgemildert, da der Antragsteller die in Rede stehende Fotografie ohne Kommentierung oder sonstige kontextuale Einordnung veröffentlicht habe. Ob er sich tatsächlich strafbar gemacht habe, sei vorliegend nicht entscheidungserheblich, da maßgeblich für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte die bestehende objektive Gefährdungslage sei. Bereits der Schein der Identifikation eines Beamten mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut könne die Akzeptanz und die Legitimation staatlichen Handelns beeinträchtigen. Vorliegend seien nicht nur ein Ansehensverlust und ein Verlust des Vertrauens der Öffentlichkeit ernstlich zu besorgen. Diese Gefährdungslage sei vielmehr bereits eingetreten. Der Antragsteller habe die in Rede stehende Fotografie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und mehrere Nutzer des sozialen Netzwerks „Instagram“ seien aufgrund der von ihm angegebenen Berufsbezeichnung in der Lage gewesen, ihn als Justizvollzugsbeamten zu identifizieren. Diese Nutzer hätten gegenüber dem Antragsgegner ihre Sorgen um die Verfassungstreue des Antragstellers und - hieraus resultierend - aller Amtsträger im Justizvollzug zum Ausdruck gebracht und ihre Erschütterung in sozialen Netzwerken mit Dritten geteilt. Die Gefahrenlage sei entgegen den Ausführungen des Antragstellers nicht deshalb abgeklungen, weil er seinen Instagram-Account mittlerweile gelöscht habe und die Empörung der Bürger viral abgeebbt sei. Die Beeinträchtigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Redlichkeit und Zuverlässigkeit der Amtsausführung von Justizvollzugsbeamten werde zudem nachhaltig dadurch verstärkt, dass der Antragsteller öffentlich gegenüber JVHS M. X. den gewaltsamen Einsatz einer Axt im Justizvollzug für hilfreich erachtet habe. Aus einer Gesamtwürdigung der Umstände der Äußerungen des Antragstellers trete nicht nur durch die angegebene Berufsbezeichnung „Justizvollzugsbeamter“ der Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt offen zutage, sondern auch eine Befürwortung eines gewaltsamen Einsatzes des Werkzeugs. Die Äußerungen des Antragstellers bezögen sich auf den vorherigen Kommentar von JVHS M. X. , mit dem er die mit einer Axt herzustellende Ruhe angepriesen habe. Auch wenn der Antragsteller diese Aufforderung nicht ernst gemeint haben sollte, lasse sie jedoch aus der Sicht eines objektiven Dritten und damit auch der Öffentlichkeit ernstlich besorgen, dass der Antragsteller, der den Einsatz von Gewalt im Justizvollzug als amüsant ansehe, im Rahmen seiner Amtsausübung unverhältnismäßige Mittel einsetzen könnte. Dieser Eindruck werde durch die parallel vom Antragsteller veröffentlichte Lichtbildaufnahme zahlreicher Waffen nachhaltig intensiviert. Ferner sei auch eine objektive Gefährdung des Dienstbetriebs zu befürchten. Der in Rede stehende Verdacht einer Straftat nach § 86a StGB lasse im Falle eines Verbleibs des Antragstellers im Dienst eine schwerwiegende Belastung des zwischen ihm und den Kollegen notwendigen Vertrauensverhältnisses erwarten, die nicht ohne Nachteile für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung blieben. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der vom Antragsteller teilweise wahrgenommenen Dienstaufsicht.
21Diesen überzeugenden Ausführungen setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
22Ohne Erfolg verweist sie auf die Verfügung des Staatsanwalts Dr. X1. vom 10. März 2021, ausweislich derer dieser beabsichtige, das Verfahren 29 Js 59/21 gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, weil die Veröffentlichung des Bildes der Waffenkammer keine strafbewehrte Handlung darstelle und die Unterhaltung zwischen dem Antragsteller und JVHS X. keinen Straftatbestand erfülle, sowie auf dessen Verfügung vom 9. April 2021. Staatsanwalt Dr. X1. hat unter dem 18. Mai 2021 mitgeteilt, er beabsichtige, das gegen den Antragsteller geführte Verfahren wieder aufzunehmen und, sofern das zuständige Amtsgericht seine Zustimmung erteile, gemäß § 153 Abs. 1 StPO einzustellen. Ungeachtet dessen lässt der Antragsteller außer Acht, dass es, worauf auch schon das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht erforderlich ist, dass das Verhalten des Beamten sich letztlich als strafrechtlich relevant erweist.
23Soweit die Beschwerde ohne weitere Begründung geltend macht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe weder eine „Beeinträchtigung seiner Wohlverhaltenspflicht“, noch eine „bestehende objektive Gefährdung“ vorgelegen, noch sei „ein Ansehens- und Vertrauensverlust der Bevölkerung“ zu besorgen oder „eine objektive Gefährdung des Dienstbetriebs“ zu befürchten gewesen, lässt sie jedwede Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermissen und verfehlt insoweit bereits die Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
24Fehl geht schließlich der Einwand der Beschwerde, der Antragsgegner habe allein aufgrund eines anonymen Hinweises einer einzigen Person („I. G1. “) das Verbot der Dienstgeschäfte ausgesprochen und damit hysterisch und ohne jegliches Augenmaß reagiert. Insbesondere ignoriert der Antragsteller, dass auch weiteren Nutzern sozialer Netzwerke der Inhalt seines Instagram-Profils und damit die in Rede stehende Aufnahme einer Nachbildung einer Waffenkammer der Wehrmacht bekannt geworden ist bzw. diese Kenntnis von der dargestellten Unterhaltung zwischen ihm, dem Antragsteller, und JVHS M. X. erlangt haben. Sie haben, wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ebenfalls gegenüber dem Antragsgegner ihre Skepsis hinsichtlich der Verfassungstreue des Antragstellers und - hieraus resultierend - aller Amtsträger im Justizvollzug zum Ausdruck gebracht bzw. ihre Erschütterung in sozialen Netzwerken mit Dritten geteilt.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
26Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 29 Js 59/21 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung 1x
- StPO § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit 1x
- § 22 SoldatenG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 6 A 1454/13 5x (nicht zugeordnet)
- 6 B 2055/20 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- StGB § 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 2x
- VwGO § 146 1x
- 6 A 2586/12 4x (nicht zugeordnet)
- 12 K 278/21 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- § 52 Abs. 1 und 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 39 Verbot der Führung der Dienstgeschäfte 5x
- BeamtStG § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten 1x