Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1555/20.A
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin I. aus B. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist weder wegen des Verfahrensmangels der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO (hierzu unter 1.) noch wegen des Verfahrensmangels einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO (hierzu unter 2.) zuzulassen.
41. Das Zulassungsvorbringen zeigt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht auf.
5Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können und mit ihren Ausführungen und Anträgen durch das Gericht gehört werden. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen. Die Gehörsrüge ist daher nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung oder Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann vielmehr nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Dies gilt unabhängig davon, ob sie sich in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich hiermit auseinandersetzen. Aus einem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann deshalb noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht beachtet und erwogen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidungsfindung nicht in Erwägung gezogen hat.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2020– 1 A 2023/19.A –, juris, Rn. 13, vom 25. Juli 2017– 1 A 1436/17.A –, juris, Rn. 3, und vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16.A –, juris, Rn. 14.
7Ferner muss der übergangene Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen sein. Dies setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht zu einem anderen, für den Rechtsmittelführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es den übergangenen Vortrag berücksichtigt hätte.
8Vgl. Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138, Rn. 116 f.
9Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine Gehörsverletzung nicht festgestellt werden, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung (hierzu a) noch einer fehlenden Einbeziehung von Erkenntnissen (hierzu b) noch einer mangelnden Aufklärung (hierzu c).
10a) Eine Gehörsverletzung folgt zunächst nicht aus dem Vorbringen des Klägers, es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Das Verwaltungsgericht habe in den schriftlichen Entscheidungsgründen zu aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen und Umständen Einwände dargelegt, ohne dem Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit einen Vorhalt gemacht zu haben. Aus der Hinweispflicht nach §§ 86 Abs. 3, 104 Abs. 1 VwGO folge das Verbot, eine Entscheidung auf Gründe zu stützen, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess erörtert worden seien und mit deren Entscheidungserheblichkeit nach dem bisherigen Prozessverlauf auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Beteiligter nicht zu rechnen brauche. Das Verwaltungsgericht überrasche vorliegend mit der Feststellung, dem Kläger könne nicht abgenommen werden, dass er sich bereits als Jugendlicher im Senegal weitgehend eigenständig durchgeschlagen habe. Der Kläger habe in extrem ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen gearbeitet. Für die Frage, ob der Kläger in der Lage sei, sich selbst in einem für ihn fremden Land zu versorgen, wäre es seiner Ansicht nach entscheidungserheblich gewesen, unter welchen Umständen er es bislang geschafft habe. Ausweislich des Protokolls habe das Gericht den Kläger hierzu jedoch nicht befragt.
11Dieses Vorbringen zeigt einen Gehörsverstoß nicht auf.
12Das Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Streitstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt. Ein Gehörsverstoß kann nur angenommen werden, wenn sich das Gericht bei seiner Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
13Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2016 – 4 B 12.16 –, juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16.A –, juris, Rn. 25.
14Die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bleiben in aller Regel der abschließenden Urteilsfindung des Gerichts vorbehalten und entziehen sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten.
15Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. November 2017 – 21 ZB 17.30468 –, juris, Rn. 4.
16Nach diesen Maßstäben muss ein Asylbewerber grundsätzlich stets in Betracht ziehen, dass das Verwaltungsgericht sein verfolgungsrelevantes Vorbringen im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf Widersprüche und Steigerungen überprüft und solche gegebenenfalls bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Verfolgungsschicksals zu seinen Lasten berücksichtigt.
17Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16.A –, juris, Rn. 27, und vom 18. September 2014 – 13 A 2557/13.A –, juris, Rn. 16.
18Dies zugrunde gelegt, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht vor.
19In Bezug auf die Ablehnung der Asylanerkennung, der Anerkennung als Flüchtling und den subsidiären Schutz mangelt es bereits an einer Entscheidungserheblichkeit der gerügten Annahmen des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat zur näheren Begründung der Ablehnung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Die ablehnende Entscheidung des Bescheides des Bundesamtes im Hinblick auf die Asylanerkennung, die Flüchtlingsanerkennung und den subsidiären Schutz ist jedoch nicht auf die Lebensumstände des Klägers im Senegal sowie die Ausgestaltung seiner Arbeitsverhältnisse gestützt.
20Das Verwaltungsgericht hat lediglich ergänzend ausgeführt, dem Kläger könne nicht abgenommen werden, dass er sich bereits ab dem Jahr 2007 im Senegal weitgehend eigenständig durchgeschlagen habe (Urteilsabdruck, S. 6). Selbst wenn man dem Vorbringen des Klägers Glauben schenken würde, sei davon auszugehen, dass er jedenfalls im Großraum der Hauptstadt Bamako oder in anderen Städten im Süden Malis ein Auskommen finden könne (Urteilsabdruck, S. 7). Insoweit mangelt es daher ebenfalls an der Entscheidungserheblichkeit.
21Auch im Hinblick auf die Ablehnung von Abschiebungsverboten durch das Verwaltungsgericht liegt keine Überraschungsentscheidung vor. Das Verwaltungsgericht ist ebenso wie das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid von den Angaben des Klägers ausgegangen, er sei im Transport- und im Gastronomiebereich tätig gewesen. Der Kläger hat ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung angeben, er habe nach dem Tod der Mutter bei einer Nachbarin im Senegal von 2007 bis 2016 leben können. Er habe dort eigentlich keine Arbeit ausgeübt. Lediglich ca. ein Jahr lang habe er als Autohelfer beim Packen von Lkws geholfen. Der Kläger hatte somit Gelegenheit, sich zur Frage der bisherigen Sicherung seines Lebensunterhaltes zu äußern. Auch im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt am 12. April 2019 gab der Kläger an, er habe bis zu einem Unfall im Jahr 2008 bei einem Transportunternehmen gearbeitet. Er habe kein Gehalt bekommen. In Marokko habe er im Gastronomiebereich gearbeitet und habe ein Taschengeld bekommen.
22Erstmalig mit dem Zulassungsvorbringen wird vorgetragen, der Kläger habe in extrem ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen gearbeitet, sei viel geschlagen worden und sei bei zwei homosexuellen Prostituierten angestellt gewesen, die ihn nicht bezahlt und sein Leben riskiert hätten. Im Hinblick auf diesen erstmalig mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Vortrag scheidet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs von vornherein aus.
23Mit seiner Behauptung, das Verwaltungsgericht habe seine persönliche Situation nicht (bzw. nicht zutreffend) berücksichtigt, bemängelt der Kläger tatsächlich die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht, soweit dieses das Vorliegen von Abschiebungsverboten verneint hat und macht demnach in der Sache (ernstliche) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG. Ob das Verwaltungsgericht dem Vortrag des Klägers und den von ihm beigebrachten Unterlagen die richtige Bedeutung zugemessen und die richtigen Folgerungen daraus gezogen hat, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der Tatsachen- und Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO.
24Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1969– 2 BvR 320.69 –, juris, Rn. 9, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 1 A 1436/17.A –, juris, Rn. 28 ff.
25Etwaige Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung gehören grundsätzlich nicht zu den in § 138 VwGO genannten und in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Bezug genommenen Verfahrensfehlern.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995– 9 B 710.94 –, juris, Rn. 4 ff.
27Ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn die die angegriffene Entscheidung tragenden Ausführungen des Gerichts handgreiflich von objektiver Willkür geprägt sind, kann hier offen bleiben.
28Zu der Frage, ob eine solche Ausnahme anerkannt werden kann, vgl. den Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2016 – 1 A 2199/16. A –, juris, Rn. 33 bis 36, m. w. N. zum Meinungsstand.
29Ein solcher Ausnahmefall lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
30b) Der Kläger legt auch mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Erkenntnismittel nicht ordnungsgemäß ins Verfahren eingebracht, einen Gehörsverstoß nicht dar.
31Zwar verlangt das Gebot des rechtlichen Gehörs, dass das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen setzt dementsprechend voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind. Dies gilt auch für die im Asylverfahren verwendeten Erkenntnisse.
32Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2018 – 4 A 910/18.A –, juris, Rn. 4 f., und vom 10. Juli 2018 – 13 A 1529/18.A –, juris, Rn. 13 f., jeweils m. w. N.
33Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zum Herkunftsland des Klägers nicht in das Verfahren eingeführt wurden. Ausweislich der Ladungsverfügung vom 25. Februar 2020 wurde der Ladung des Klägers folgender Hinweis beigefügt: „Die Liste über die Erkenntnisquellen, die berücksichtigt werden, ist auf der Internetseite des Gerichts unter www.vg-aachen.nrw.de (Aufgaben/Erkenntnislisten) einsehbar. Auf Anfrage wird Ihnen eine Erkenntnisliste übersandt.“
34Durch den Hinweis auf die auf der Homepage des Verwaltungsgerichts veröffentlichte Erkenntnisliste zum Herkunftsland Mali hat das Verwaltungsgericht die dort genannten Erkenntnisse ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt. Denn hierdurch erhalten die Beteiligten die Möglichkeit, sich über die dem Gericht vorliegenden und bei diesem einsehbaren relevanten Erkenntnisquellen Kenntnis zu verschaffen.
35Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. März 2020– 9 A 717/20.A –, juris Rn. 22, und vom 18. Januar 2019 – 4 A 967/18.A –, juris Rn. 6.
36Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2020 wurden die Erkenntnisse auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
37Selbst die unterbliebene Einführung von entscheidungserheblich herangezogenen Erkenntnismitteln würde im Übrigen nicht automatisch zur Annahme eines relevanten, d.h. zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensfehlers i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO führen. Die Verletzung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Fehlen des rechtlichen Gehörs beruht.
38Für eine Gehörsrüge ist substantiiert darzulegen, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre. Nur auf der Grundlage eines solchen Vortrags kann geprüft und entschieden werden, ob auszuschließen ist, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, dem Kläger günstigeren Entscheidung geführt hätte.
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1993 – 2 BvR 1988/92 –, juris, Rn. 34; BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 200 – 11 B 76.00 –, juris, Rn. 17; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 13 A 1529/18.A –, juris, Rn. 16 f. m. w. N.
40Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Kläger legt nicht dar, welcher konkrete Vortrag ihm durch eine – vermeintlich – nicht ordnungsgemäße Einführung einer auf einer Erkenntnismittelliste enthaltenen konkreten Erkenntnisquelle, auf die das angefochtene Urteil gestützt ist, abgeschnitten wurde. Das Vorbringen des Klägers zur Lage in Mali, seinen fehlenden sozialen und familiären Strukturen sowie seiner Bildung und Sprachkenntnisse wurde von dem Verwaltungsgericht gewürdigt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten zu tragen hat, regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Mali in der Lage sei, durch Gelegenheitsarbeiten ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Dies gelte auch für den Kläger, der in der Lage gewesen sei, die Reise nach Europa zu bewältigen und z. B. in Marokko seinen Lebensunterhalt habe sichern können. Zudem kenne sich der Kläger in unterschiedlichen Branchen aus und sei bereits als Fahrer sowie in der Gastronomie tätig gewesen (Urteilsabdruck, S. 11). Im Hinblick auf die geltend gemachten sprachlichen Schwierigkeiten führt das Verwaltungsgericht aus, im Großraum Bamakos lebten zahlreche Fullah (bzw. Pular-Sprecher) (Urteilsabdruck, S. 7). Sollte die durch eine vergleichbar einfache ambulante Operation behebbare Augenerkrankung noch fortbestehen, seien die Sehbeeinträchtigungen, die der Kläger schildere, nicht derart gravierend, dass er daran gehindert wäre, seinen Lebensunterhalt in Mali eigenständig sicherzustellen (Urteilsabdruck, S. 11).
41c). Auch unter dem Gesichtspunkt des von dem Kläger gerügten Aufklärungsmangels liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
42Der Kläger rügt insoweit, das Gericht habe unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht trotz bestehender Anhaltspunkte keine Aufklärung im Hinblick auf eine etwaige Traumatisierung des Klägers betrieben.
43Mögliche Verstöße gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO gehören aber nicht zu den vom Gesetzgeber als besonders schwerwiegend eingestuften Verfahrensfehlern, die in § 138 VwGO aufgeführt sind. Ein Aufklärungsmangel begründet auch grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln i. S. d. § 138 VwGO.
44Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung im Hinblick auf eine etwaige Traumatisierung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
45Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2016 – 7 B 19.15 –, juris, Rn. 4.
47Das Zulassungsvorbringen rügt allein die nach Ansicht des Klägers erforderliche Aufklärung, legt aber in keiner Weise war, inwiefern eine etwaige Traumatisierung des Klägers zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können.
482. Die Berufung ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangel eines Besetzungsfehlers gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
49Diese Rüge setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass der Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, das jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich oder sogar manipulativ erschiene.
50Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. März 2012 – 6 C 19.11 –, juris, Rn. 19 und vom 29. Juni 2016 – 2 B 18.15 –, juris, Rn. 38.
51Eine Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich, es genügt schon der „böse Schein“, d. h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Entscheidend ist danach, ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass geben kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
52Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2012 – 2 BvR 615/11 –, juris, Rn. 13.
53Solche Umstände legt der Kläger nicht dar. Die vom Kläger beanstandete Passage in dem angegriffenen Urteil „Es spricht vor dem Hintergrund der Kämpfe im Norden Malis einiges dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die dortige Lage lediglich eine Legende erzählen will, wonach er aus Mali stamme, aber keinerlei Landeskenntnis habe“ lässt nicht den Schluss zu, dass der Einzelrichter die gebotene Distanz und Neutralität in der oben beschriebenen Weise hat vermissen lassen. Der Einzelrichter hat mit dieser Formulierung ersichtlich zum Ausdruck gebracht, es spreche einiges für die Unglaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu seiner Herkunft aus Mali.
54Der Umstand, dass der Einzelrichter die Angaben des Klägers als unglaubhaft bewertet, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Einzelrichter ist im Rahmen der tatrichterlichen Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 VwGO gerade gehalten gewesen, die Angaben des Klägers auf ihre Glaubhaftigkeit zu überprüfen. Daraus folgt zwangsläufig, dass allein die Würdigung eines Vorbringens als unglaubhaft nicht die notwendige Neutralität oder Distanz vermissen lässt.
55Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
56Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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