Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 A 2230/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 15.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und führen auch nicht auf besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder auf eine Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
4Das Verwaltungsgericht hat - soweit mit Blick auf das Zulassungsvorbringen von Relevanz - ausgeführt, der streitgegenständliche Bescheid sei nicht nichtig. Weder die Voraussetzungen von § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW noch die von § 44 Abs. 1 VwVfG NRW lägen vor. Der Bescheid sei auch nicht wegen einer fehlenden Anhörung formell rechtswidrig. Fragen des „Verbrauchs eines Ausweisungsinteresses“ stellten sich nicht, denn diese auf dem Rechtsgedanken der Verwirkung beruhende Konstruktion setze voraus, dass die Behörde einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, auf den der Betroffene vertraut habe. Ein solcher Vertrauenstatbestand sei weder durch das Regierungspräsidium L. noch durch die Beklagte geschaffen worden. Die Schaffung eines derartigen Vertrauenstatbestands könne nicht in der Aufhebung der ersten Ausweisungsverfügung durch das Regierungspräsidium L. gesehen werden. Diese könne nur vor dem prozessualen Hintergrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gesehen werden. Nichts Gegenteiliges lasse sich der von der Beklagten ausgestellten Bescheinigung entnehmen, der Kläger sei im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Die Androhung des Zwangsgeldes in Ziffer 8. der streitgegenständlichen Verfügung sei nicht zu beanstanden.
5Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. April 2013- 18 A 886/12 -, m. w. N.
7Ernstliche Zweifel im Sinne der Vorschrift liegen dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
8Vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 16. April 2020 - 1 BvR 2705/16 -, juris, Rn. 21.
9Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
10Die allgemeinen Ausführungen unter „I.“ sowie unter „II. A. a) Sachverhalt“ der Zulassungsschrift vom 15. August 2021 geben allein den Sachverhalt- teilweise mit Anmerkungen des Klägers versehen - wieder und bilden deshalb lediglich die Basis für das nachfolgende Zulassungsvorbringen.
11Mit seinem näher erläuterten Vorbringen, die Bindungswirkung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. Februar 2020 erfasse auch die Beklagte, sodass diese den streitgegenständlichen Bescheid nicht habe erlassen dürfen, zieht der Kläger die Annahme, die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW lägen nicht vor, nicht durchgreifend in Zweifel.
12Die Bindungswirkung eines Beschlusses, mit dem gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Ordnungsverfügung angeordnet worden ist, steht nämlich selbst bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht dem erneuten Erlass einer inhaltsgleichen Ordnungsverfügung entgegen, sondern lediglich der erneuten Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
13Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 - 12 ME 291/11 -, juris, Rn. 10 m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Mai 2011- 8 B 10385/11 -, juris, Rn. 14 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. März 1991- 5 S 323/91 -, juris, Rn. 1 m. w. N.; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechts-schutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1016 m. w. N.
14In diesem Sinne hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren im Ansatz zutreffend vorgetragen, „Es hat der Verwaltungsgerichtshof N. am 26.02.2020 die aufschiebende Wirkung der Klagen wiederhergestellt bzw. angeordnet, was die Antragsgegnerin bindet und ihr die Möglichkeit entzieht, wegen der gleichen Sache erneut den Sofortvollzug anzuordnen." Nichts anderes folgt aus den in der Zulassungsbegründung zitierten Beschlüssen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen und der Freien Hansestadt Bremen, die sich ebenfalls auf Konstellationen der erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung beziehen. Wegen der lediglich beschränkten Rechtskraftwirkung des genannten Beschlusses ist auch die Begründung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil bezogen auf dessen Streitgegenstand richtig, der Rechtsschutz, den der Kläger vor dem Verwaltungsgerichtshof erlangt habe, sei der Rechtskraft nicht fähig.
15Die bloße Behauptung des Klägers, die nach Aktenlage dokumentierte Motivlage der Behörde sei ausschließlich dazu gedacht gewesen, zwingendes Bundes(verfassungs)recht zu umgehen, ist angesichts dessen hinsichtlich des Streitgegenstandes dieses Klageverfahrens von vornherein unzutreffend. Wegen der insoweit fehlenden Bindungswirkung führen auch die vom Kläger kritisierten Absprachen zwischen der Beklagten und dem Regierungspräsidium L. sowie die Behauptung, es sei offensichtlich, dass das Vorgehen der Beklagten „willkürlich bzw. augenfällig gegen Recht und Gesetz verstoßend im Sinne eines Nichtigkeitsgrundes nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW [sei]“, nicht auf die Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung.
16Auch der nachvollziehbaren Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bemängelte Sachaufklärung im Hinblick auf die Bleibeinteressen des Klägers in eigener Zuständigkeit selbst vornehmen wollen, setzt der Kläger nichts Substantielles entgegen.
17Selbst wenn man der vorgenannten Argumentation nicht beitreten wollte, hätte der Zulassungsantrag keinen Erfolg. Das ergibt sich aus Folgendem:
18Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (Nr. 1) und im Fall des § 65 Abs. 3 VwGO die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben (Nr. 2).
19Die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen erfasst auch nachfolgende Verwaltungsakte. Sie soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erlassen.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010- 4 C 6.08 -, juris, Rn. 11, grundlegend BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12.92 -, juris, Rn. 12, m. w. N.
21Es besteht mithin ein Verwaltungsaktwiederholungsverbot.
22Vgl. so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 20 F 1.21 -, juris, Rn. 9.
23In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings auch geklärt, dass die Bindungswirkung eines Urteils dann nicht eintritt, wenn sich die zur Zeit des Urteils (maßgebliche) Sach- oder Rechtslage verändert hat.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992- 1 C 12.92 -, juris, Rn. 13.
25Diese Aussagen lassen sich grundsätzlich auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO übertragen.
26Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2010 - 13 B 659/10 -, juris, Rn. 25 f., m. w. N.
27Eine derartige Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist hier gegeben. Die gegenteilige Ansicht des Klägers, die Beklagte habe eine Ordnungsverfügung erlassen, „die inhaltsgleich und im Wesentlichen wortgleich mit der seitens des Verwaltungsgerichtshofs außer Vollzug gesetzten und durch das Regierungspräsidium L. unmittelbar vor dem Neuerlass zurückgenommenen Verfügung [sei]“, ist unzutreffend und kann daher weder auf die Nichtigkeit noch auf die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung führen.
28In der Verfügung des Regierungspräsidiums L. vom 7. Oktober 2019 wird ausdrücklich festgestellt, die Voraussetzungen eines besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG lägen nicht vor, da die Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau nicht mehr bestehe und er keinen Umgang mehr mit seinen Kindern habe. Im Gegensatz dazu hat die Beklagte in der streitgegenständlichen Verfügung sowohl mit Blick auf die beiden Kinder T. und T1. - Kindesmutter Frau T2. V. - als auch hinsichtlich des im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung am 7. Mai 2020 noch nicht geborenen Kindes des Klägers und Frau D. I. die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG als erfüllt angesehen. Dieser neuen rechtlichen Bewertung lag unter anderem zugrunde, dass die Beklagte im März 2020 den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufgeklärt und Frau T2. V. um schriftliche Auskunft gebeten hatte. Dass es sich hierbei um eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage handelt, belegt auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 - 11 S 456/20 - gerade bemängelt hatte, es sei nicht hinreichend geklärt, ob und mit welchem Gewicht dem dortigen Antragsteller das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zukomme. Gerade dieses Monitum hat die Beklagte aufgegriffen.
29Der erhobene Vorwurf, der Beklagten sei es „schlicht darum [gegangen], den Kläger rechtsschutzlos zu stellen“, geht danach ins Leere.
30Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner abschließenden Entscheidung, ob der vom Kläger zitierten Literaturstimme,
31vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, VwGO § 121 Rn. 44,
32wonach § 3 Abs. 3 VwVfG eine Rechtskrafterstreckung auf die zustimmende Behörde bewirken soll, zu folgen ist.
33Die Einwände des Klägers gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur formellen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Verfügung führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel.
34Das Verwaltungsgericht geht davon aus, es fehle an einer Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, dieser Mangel sei jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW geheilt worden. Es sei die prozessuale Besonderheit im Ausweisungsrecht zu berücksichtigen, dass auch bei einer Anfechtungsklage der Sach- und Streitstand der mündlichen Verhandlung entscheidend sei. Das heiße, dass die beklagte Behörde fortlaufend im Prozess neu auftretende Tatsachen würdigen und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachprüfen müsse, ob die vorgebrachten Tatsachen und Rechtsansichten einen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit - insbesondere die Verhältnismäßigkeit - hätten. Daher sei eine Heilung eingetreten.
35Die bloße Behauptung des Klägers, die Beklagte habe dies jedoch nicht getan, verfehlt die Darlegungsanforderungen. Es fehlt an der Benennung jeglicher Tatsachen oder Rechtsansichten, die die Beklagte nicht gewürdigt haben soll. Dies gilt vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung ebenso für den Vortrag, die Beklagte habe „in der Folge nicht einmal ansatzweise Bemühungen gezeigt, den Anhörungsfehler zu heilen, sondern hat sich hierzu nie wieder verhalten“. Der weitere Einwand, es sei Aufgabe der Behörde, zum Zwecke der Heilung einer unterlassenen Anhörung das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen, diese Aufgabe falle nicht dem Gericht zu, es reiche nicht aus, wenn statt der Behörde das Gericht den Vortrag des Betroffenen in seine Urteilsfindung einbeziehe, geht an der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung vorbei. Denn dieses hat gerade nicht festgestellt, der Anhörungsmangel sei geheilt, wenn das Gericht die Rolle der Behörde übernehme.
36Abgesehen davon wäre ein etwaiger Anhörungsmangel bezüglich der Ausweisung ohnehin gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, da die Ausweisung nach dem Gesetz eine gebundene Entscheidung darstellt und sich deshalb ein Verfahrensfehler auf die in der Sache gebotene Entscheidung von vornherein nicht auswirken kann.
37Vgl. zur Einschlägigkeit von § 46 VwVfG im Falle einer gebundenen Entscheidung BVerwG, Beschluss vom 6. August 1998 - 9 B 773.97 -, juris, Rn. 3.
38Der Kläger vermag mit seinen Einwänden auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, das Ausweisungsinteresse sei nicht verbraucht.
39Ein Ausweisungssinteresse darf einem Ausländer nur dann und so lange entgegengehalten werden, als es noch aktuell und nicht verbraucht ist bzw. die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat; der dem Ausländer durch Verbrauch bzw. Verzicht vermittelte Vertrauensschutz steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich die für die behördliche Entscheidung maßgeblichen Umstände nicht ändern.
40Vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2021- 1 B 29.21 -, juris, Rn. 4, m w. N.
41Die Schaffung eines der Ausländerbehörde zurechenbaren Vertrauenstatbestands führt mithin dazu, dass der Ausländer annehmen kann, ihm werde ein bestimmtes Verhalten im Rahmen einer Ausweisung nicht entgegengehalten.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017- 1 C 3.16 -, juris, Rn. 39.
43Diese Grundsätze beachtend hat das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend festgestellt, in der Aufhebung der ersten Ausweisungsverfügung durch das Regierungspräsidiums L. mit Bescheid vom 6. März 2020 könne kein entsprechender Vertrauenstatbestand erblickt werden.
44Der Kläger missversteht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn er einwendet, bei der Frage, ob ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, müsse berücksichtigt werden, ob aktuell noch eine Gefährlichkeit bestehe und welche Bleibeinteressen zu Gunsten des Betroffenen sprächen. Hierauf kommt es in diesem Zusammenhang vielmehr nicht an.
45Überdies setzt der Kläger der mehr als nachvollziehbaren Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Aufhebung dürfe nicht isoliert betrachtet werden, sondern stehe im prozessualen Zusammenhang mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, in dem zwar das Ausweisungsinteresse als „mutmaßlich rechtmäßig“ eingestuft, hinsichtlich des Vorliegens von (besonders schwer wiegenden) Bleibeinteressen aber noch Aufklärungsbedarf gesehen worden sei, nichts Substantiiertes entgegen. Der Umstand, dass die Aufhebung ohne nähere Begründung erfolgt und bestandskräftig geworden ist, ändert daran nichts. Im Übrigen irrt der Kläger, wenn er meint, das Verwaltungsverfahrensgesetz kenne nur eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit, nicht aber eine solche wegen Rechtmäßigkeit (vgl. nur § 49 VwVfG NRW bzw. § 49 VwVfG BW).
46Es ist auch nicht dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dass das Regierungspräsidium L. die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kritisierten Aufklärungsmängel nicht während des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens selbst - ggfls. im Wege der Amtshilfe - behoben sondern stattdessen die Verfügung aufgehoben hat. Wie eine Behörde auf eine stattgebende gerichtliche Entscheidung reagiert, bleibt ihr - im Rahmen der Gesetze - selbst überlassen. Allein aus der hier gewählten Reaktion lässt sich somit kein Vertrauenstatbestand ableiten. Es bedurfte - entgegen der Ansicht des Klägers - auch keines entsprechenden Hinweises des Regierungspräsidiums L. . In diesem Zusammenhang erschließt sich ferner nicht, inwiefern aus der vom Kläger thematisierten „geheim gehaltene[n] Absprache“ zwischen der Beklagten und dem Regierungspräsidium L. ein Vertrauensschutztatbestand erwachsen sein sollte.
47Unerheblich ist, dass die Beklagte dem Kläger am 5. März 2020 bescheinigt hat, im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG zu sein. Damit wird lediglich deklaratorisch auf die Rechtslage hingewiesen. Nach Aufhebung der Ausweisungsverfügung griff § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG nicht mehr ein. Die bereits im Jahr 2007 erteilte Niederlassungserlaubnis lebte wieder auf. Anders als der Kläger meint, handelte es sich bei der Bescheinigung auch nicht um eine „Zusicherung“. Das der Bescheinigung beigefügte Begleitschreiben informiert lediglich über die technischen Abläufe der Neuausstellung des entsprechenden Dokuments.
48Die vom Kläger zitierten Gerichtsentscheidungen und Literaturstellen tragen nichts zur Untermauerung seiner Rechtsansichten bei.
49In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,
50vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017- 1 C 3.16 -, juris, Rn. 39,
51stand ein gänzlich anderer Sachverhalt zur Beurteilung. Denn in jenem Verfahren teilte die Behörde dem dortigen Kläger auf dessen Anfrage zum Stand des Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit, dass gegenwärtig noch eine Sicherheitsüberprüfung stattfinde, und erteilte dann zu einem späteren Zeitpunkt ohne jegliche Erläuterung zum Ausgang der Sicherheitsüberprüfung die begehrte Niederlassungserlaubnis. Selbst in jener Konstellation hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings einen Verbrauch des Ausweisungsinteresses verneint, so dass die Entscheidung nicht für, sondern gegen die Rechtsauffassung des Klägers spricht.
52Die Entscheidung des Senats,
53vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 2017- 18 A 2540/16 -, juris, Rn. 4,
54verhält sich allein zur ebenfalls einen anderen Sachverhalt betreffenden Frage, ob der „Verbrauch" eines Ausweisungsgrundes eintritt, wenn die Ausländerbehörde dem Betroffenen in voller Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung den weiteren Aufenthalt im Wege der vorbehaltlosen Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglicht.
55Aus der Literaturstelle,
56vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 53 Rn. 39,
57folgt ebenfalls nichts Tragfähiges für den hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt.
58Die Ausführungen unter „II. A. b) 4.)“ der Zulassungsschrift vom 15. August 2021 gehen ins Leere, da unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die Angriffe gegen Ziffer 1 der streitgegenständlichen Verfügung erfolglos bleiben.
59Schließlich wendet sich der Kläger ohne Erfolg gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Ziffer 8 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung (Zwangsgeldandrohung).
60Die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts,
61„Es kann dahinstehen ob die Androhung des Zwangsgeldes von 100 € ‚für jeden Fall der Zuwiderhandlung‘ in Ziffer 8 und in Ziffer 9 die Androhung unmittelbaren Zwangs für ,jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die räumliche Beschränkung‘ rechtsfehlerhaft sind,
62so BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26.06.1997- 1 A 10/95 -, juris, unter Berufung auf § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG Bund,
63weil sie gegen das Verbot der Vorratsandrohung verstießen. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist soweit ersichtlich wegen der anderslautenden Formulierung des § 63 VwVG NRW, der vorliegend anwendbar ist, da das Aufenthaltsgesetz durch die Länder durchgeführt wird, vergleichbares nicht thematisiert worden. Aber selbst bei Annahme eines Verbots der Vorratsandrohung können diese konkreten Androhungen in dem Sinne aufrechterhalten werden, dass sie jedenfalls die erste Zwangsgeldfestsetzung ermöglichen. Hier wurde dem Kläger nur jeweils eine Verhaltenspflicht auferlegt, die tägliche Meldepflicht und der Aufenthalt im Stadtgebiet C. . Die Androhungen sind hinreichend bestimmt. Gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes spricht angesichts der unklaren Vermögensverhältnisse des Klägers nichts.“,
64mögen zwar zum Teil missverständlich sein, lassen aber jedenfalls im Kern erkennen, dass das Verwaltungsgericht von zwei Argumentationslinien ausgeht, wobei die zweite auf der ersten aufbaut: Wegen der im Vergleich zum Bundesrecht abweichenden landesgesetzlichen Regelung des § 63 VwVG NRW besteht kein Verbot der „Vorratsandrohung“. Selbst wenn ein solches bestünde, könnte die erste Zwangsgeldfestsetzung erfolgen.
65Die erste Argumentationslinie greift der Kläger nicht mit Erfolg an. Dies ergibt sich aus Folgendem:
66In der Rechtsprechung ist umstritten, ob zur zwangsweisen Durchsetzung von Unterlassungspflichten ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Frage für das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes.
67Vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997- 1 A 10.95 -, juris, Rn. 34 ff. zu § 13 VwVG Bund und m. w. N. zu landesrechtlichen Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzen; siehe zum Streitstand auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 13 ME 86/10 -, juris, Rn. 5 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Januar 1995 - 4 M 7/94 -, juris, Rn. 7; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. Oktober 1986 - 22 CS 86.01950 -, NVwZ 1987, 512.
68Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hatte für das nordrhein-westfälische Landesrecht vor dem Gerichtsbescheid des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass bei Verboten entsprechend der bisherigen Praxis die Androhung für jeden Fall der Zuwiderhandlung zulässig ist.
69Vgl. OVG Münster, Urteil vom 16. März 1966- IV A 1410/61 -, OVGE 22, 144 (147).
70Vor diesem Hintergrund brachte der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber anlässlich eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes zum Ausdruck, dass man von der Fortgeltung dieser Rechtslage ausgehe.
71Vgl. LT-Drs. 13/3192, S. 66 unter Bezugnahme auf die obige Entscheidung.
72Im Übrigen diente die Einfügung von § 57 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW („Bei der Erzwingung einer Duldung oder Unterlassung können die Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung festgesetzt werden.“) lediglich der Klarstellung. Damit sollte die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts einen ausdrücklichen Niederschlag im Gesetzeswortlaut finden.
73Vgl. LT-Drs. 13/3192, S. 66 unter Bezugnahme auf OVG NRW, Urteil vom 30. September 1992- 4 A 3840/91 -, juris = NVwZ-RR 1993, 671.
74Kennzeichnend für diese Fallgruppe(n) ist der Aspekt, dass es jeweils um ein- und dieselbe, dauerhaft geltende Unterlassungspflicht geht, die dem gleichen Ziel dient.
75Anders liegt der Fall indes hier, denn es stehen mehrere Regelungen verschiedener Sachverhalte in Rede. Die in Ziffer 6 der Ordnungsverfügung bestimmte tägliche Meldepflicht bündelt lediglich mehrere Verwaltungsakte. Die Beklagte wäre auch nicht gehindert gewesen, (beispielsweise) für jeden einzelnen Tag des Jahres 2020 ab dem 7. Mai 2020 separat eine Meldeverpflichtung auszusprechen samt jeweiliger Zwangsgeldandrohung.
76Vgl. für einen Fall einer derartigen Bündelung OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 1991- 13 B 1522/91 -, juris, Rn. 4 ff.
77Damit stellt sich die Frage eines „Kumulationsverbots“ bzw. eines Verbots der „Vorratsandrohung“ erst gar nicht. Die Ausführungen des Klägers zu § 57 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW liegen folglich neben der Sache.
78Der weitere Einwand, das Zwangsmittel sei ungeeignet, ist bereits nicht nachvollziehbar. Der Kläger meint, in der Vergangenheit fällige Handlungen, die ihrer Natur nach nicht nachgeholt werden könnten, könnten nicht nach Ablauf der zu ihrer Vornahme gesetzten Frist erzwungen werden. Damit verkennt der Kläger indes den Charakter des Zwangsgeldes. Dieses kann als Beugemittel auch dann noch festgesetzt und beigetrieben werden, wenn gegen ein Handlungsgebot mit Zwangsgeldandrohung verstoßen wurde, ein weiterer Verstoß gegen die Ordnungsverfügung insoweit aber nicht mehr möglich ist. Entscheidend ist allein, dass der Verstoß nach der Androhung und während der Zeit, in der die vollstreckbare Ordnungsverfügung galt, erfolgt ist. Sonst entfiele nämlich die Wirksamkeit einer Zwangsgeldandrohung als Beugemittel, weil sich der Ordnungspflichtige dem angedrohten Zwangsgeld ohne Weiteres entziehen könnte.
79Vgl. für den insoweit vergleichbaren Fall einer Unterlassungsverfügung OVG NRW, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 A 2152/10 -, juris, Rn. 25.
80Soweit der Kläger (wohl) meint, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zur Ungeeignetheit unberücksichtigt gelassen, dringt er damit nicht durch. Das Gericht hat nicht die Pflicht, jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Allein aus dem Schweigen der Entscheidungsgründe zu Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens kann deshalb noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe das Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass das Gericht die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Dass dieser Ausnahmefall hier vorliegt, legt der Zulassungsantrag nicht dar. Dagegen spricht auch, dass das Verwaltungsgericht bereits im Tatbestand (UA Bl. 16) die Rechtsansicht des Klägers wiedergegeben hat, die Androhung sei rechtswidrig. Hiervon ist die Frage der Ungeeignetheit des Zwangsmittels erfasst.
81Damit kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger dem zweiten Argumentationsstrang Substantielles entgegensetzt.
82Die Erwägungen unter „II. A. b) 6.)“ der Zulassungsschrift vom 15. August 2021 enthalten lediglich eine Zusammenfassung des vorangehenden Vortrags und enthalten keine eigenständigen Zulassungsrügen.
83Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Zu den dabei geltenden rechtlichen Vorgaben nimmt das Zulassungsvorbringen Bezug auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Danach kann, wenn die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt werden, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, gefordert werden, dass der Rechtsmittelführer diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht.
84Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 17; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar 26. Aufl. 2020, § 124 Rn. 9; aus der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu jüngst OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2018 - 15 A 1869/17 -, juris, Rn. 64 f.
85Im Unterschied zum Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dient der Berufungszulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) jedoch vorrangig der Richtigkeitsgewähr im Einzelfall. Die maßgebliche Frage geht also dahin, ob die Rechtssache richtig entschieden worden ist.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004- 7 AV 4.03 -, juris, Rn. 8; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 22.
87Richtschnur für die „besonderen“ Schwierigkeiten ist damit die Prognosemöglichkeit im Zulassungsverfahren über den Ausgang des Rechtsstreits; auszugehen ist dabei von den Erkenntnismöglichkeiten und dem Erkenntnisstand des Berufungsgerichts im Zulassungsverfahren. Werfen die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das erstinstanzliche Urteil Fragen von solcher Schwierigkeit auf, dass sich diese nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren klären und entscheiden lassen, liegt ein Fall von besonderer Schwierigkeit i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor.
88Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 108.
89Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt überdies voraus, dass die geltend gemachte besonders schwierige Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art für das Entscheidungsergebnis von Bedeutung ist.
90Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 125.
91Gemessen daran meint das Zulassungsvorbringen zu Unrecht, aufgrund der nachstehenden Fragen,
921. „ob ein auf die Umgehung gerichtlicher Vollzugsregelungen abzielendes Vorgehen der Behörde zur Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu einem solchen Zwecke erlassenen Ordnungsverfügung führt.“,
932. „ob es stets zur automatischen Heilung von Anhörungsmängeln nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW bereits dadurch kommt, dass bei Anfechtungsklagen im Ausländerrecht ohnehin der Sach- und Streitstand der mündlichen Verhandlung entscheidend ist.“,
943. „ob unter dem nordrhein-westfälischen Landesrecht die Androhung eines Zwangsgelds für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Handlungspflichten zulässig ist.“,
95weise die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten auf. Schon nach der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte es der Darlegung des Schwierigkeitsgrads der Fragen bedurft. Dies leistet das Zulassungsvorbringen nicht. Dessen ungeachtet fehlt es - gerade auch vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen zur erfolglosen Geltendmachung des Berufungszulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) - an jeglichen Darlegungen dazu, inwiefern die Beantwortung der Fragen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Zweifel ziehen könnte.
96Soweit der Kläger Abweichungen von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht,ist - wie der Kläger selbst einräumt - § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO einschlägig.
97Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf und die für die Entscheidung erheblich sein wird, oder wenn die in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung von Tatsachenfragen verallgemeinerungsfähige, d.h. einer unbestimmten Vielzahl von Fällen dienende Auswirkungen entfaltet. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Frage sich aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegung und auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist.
98Vgl. zum Revisionsrecht BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 -, juris, Rn. 5.
99Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Zudem verlangt die Begründungspflicht, dass sich das Vorbringen mit den Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, auf die sich die Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Aufarbeitung des Prozessstoffs die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Berufung rechtliche Bedeutung haben.
100Vgl. zum Revisionsrecht BVerwG, Beschluss vom 11. August 2015 - 1 B 37.15 -, juris, Rn. 3.
101Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
102Der Kläger hält - auch mit Blick auf die Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO - zwar folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
1031. „ob ein auf die Umgehung gerichtlicher Vollzugsregelungen abzielendes Vorgehen der Behörde zur Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu einem solchen Zwecke erlassenen Ordnungsverfügung führt.“,
1042. a) „ob es stets zur automatischen Heilung von Anhörungsmängeln nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW bereits dadurch kommt, dass bei Anfechtungsklagen im Ausländerrecht ohnehin der Sach- und Streitstand der mündlichen Verhandlung entscheidend ist.“,
105bzw.
106b) „Wird eine entgegen § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW unterlassene Anhörung im gerichtlichen Verfahren automatisch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW dadurch geheilt, dass bei Anfechtungsklagen im Ausländerrecht ohnehin der Sach- und Streitstand der mündlichen Verhandlung entscheidend ist?“,
1073. a) „ob unter dem nordrhein-westfälischen Landesrecht die Androhung eines Zwangsgelds für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Handlungspflichten zulässig ist.“,
108bzw.
109b) „Ist die Androhung eines Zwangsgelds für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Handlungspflichten zulässig?“.
110Dies rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Berufung. Im Einzelnen:
111Die Frage 1 ist derart offen gestellt, dass sie nicht abstrakt klärungsfähig ist. Ungeachtet dessen fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit.
112Die beiden Teilfragen 2 a) und b), die inhaltlich dasselbe meinen, sind nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht einen derartigen Rechtssatz nicht aufgestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr die weitere Voraussetzung aufgestellt, dass die Behörde die Tatsachen würdigt und laufend nachprüft, ob die vorgebrachten Tatsachen und Rechtsansichten einen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit haben. Insoweit geht auch die Erläuterung des Klägers, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts reiche es aus, wenn die Ausländerbehörden oder das Gericht das Vorbringen des Betroffenen „schlicht zu Kenntnis nehmen“, an der Argumentation des Verwaltungsgerichts vorbei. Abgesehen davon ist die Beantwortung dieser Fragen aus den vorstehenden Gründen nicht entscheidungserheblich.
113Die Teilfrage 3 a) kann - soweit sie entscheidungserheblich ist - auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens in bejahender Weise geklärt werden. Es wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
114Die Teilfrage 3 b) entspricht inhaltlich der Teilfrage 3 a), sodass aus denselben Gründen kein Anlass besteht, die Berufung zuzulassen. Sollte die Frage bewusst offener formuliert sein, fehlte es an der Entscheidungserheblichkeit, da es allein auf das nordrhein-westfälische Landesrecht ankommt.
115Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn das Zulassungsvorbringen einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz widersprochen hat.
116Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2013
117- 1 B 11.13 -, juris, Rn. 6.
118An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
119Die teilweise Wiederholung der Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bzw. entsprechende Bezugnahmen genügen den Darlegungsanforderungen für eine Divergenzrüge nicht.
120Die Gegenüberstellung der Rechtssätze aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2010 - 13 B 659/10 -, juris, Rn. 23, 25 und 29,
121„Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Entscheidungen die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Die Rechtskraftwirkung soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Sachverhalt hergeleitete Rechtsfolge, über die rechtskräftig entschieden worden ist, erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen den Beteiligten gemacht wird.
122§ 121 VwGO findet im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechende Anwendung.
123Die Behörde darf die gerichtliche Entscheidung nicht dadurch umgehen, dass sie den bisherigen Verwaltungsakt aufhebt, durch einen neuen, jedoch inhaltsgleichen ersetzt und diesen dann für sofort vollziehbar erklärt.“,
124mit dem Rechtssatz des Verwaltungsgerichts,
125„Da der Rechtsschutz, den der Kläger vor dem Verwaltungsgerichtshof erlangt hat, lediglich ein vorläufiger aufgrund summarischer Prüfung in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz war, der der Rechtskraft nicht fähig ist, kann grundsätzlich durch ergänzte Ermittlungen erneut ein Verwaltungsakt in derselben Angelegenheit ergehen.“,
126führt auf keine Divergenz.
127Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der Kläger die Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts unvollständig zitiert. Am Ende von Rn. 23 heißt es nämlich:
128„Diese Wirkung entfällt hingegen, wenn sich nach dem Erlass der voraufgegangenen Entscheidung die Sach- oder Rechtslage ändert.“
129Hiervon ist - wie oben gezeigt - das Verwaltungsgericht ausgegangen. Dort ist auch erläutert, aus welchen Gründen sich die Sach- und Rechtslage durchaus geändert hat.
130Aus denselben Gründen besteht auch keine Divergenz zur zitierten Passage aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12.92 -, juris, Rn. 12:
131„Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, erfaßt die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte. Sie soll verhindern, daß die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird […]. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozeß unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage gegen denselben Betroffenen nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht mißbilligten Gründen erlassen […]. Diese Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen […].“
132Soweit der Kläger am Ende des Zulassungsschriftsatzes vom 15. August 2021 (wohl) die konkrete Anwendung der ober- bzw. bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung kritisiert, kann damit eine Divergenzrüge nicht begründet werden.
133Ungeachtet dessen missversteht der Kläger, inwiefern sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Bezüglich des Ausweisungsinteresses hat sich gerade keine Änderung ergeben. Stattdessen hat sich - wie gezeigt - die Sach- und Rechtslage mit Blick auf die Bleibeinteressen des Klägers geändert.
134Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
135Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Insofern legt der Senat für die Ausweisung (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung), die Meldepflicht (Ziffer 6 der Ordnungsverfügung) sowie die räumliche Beschränkung (Ziffer 7 der Ordnungsverfügung) jeweils den Auffangstreitwert von 5.000 Euro- insgesamt also 15.000 Euro - zu Grunde.
136Die Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
137Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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