Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1878/21
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Beförderungsplanstelle der Besoldungsgruppe A 13 "Direktion Verkehr, VI 3, Autobahnpolizeiwache I. - Leitung" mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 19.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe rechtfertigen es, seinem mit der Beschwerde weiter verfolgten erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen und die angefochtene Entscheidung wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Der angefochtene Beschluss hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
4I. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen eines seinen Antrag stützenden Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die streitbefangene Auswahlentscheidung des Antragsgegners zu Gunsten des Beigeladenen verletzt den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Antragstellers auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch) (1.). Seine Auswahl in einem erneuten Auswahlverfahren kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht vollkommen ausgeschlossen werden (2.).
51. Die Auswahlentscheidung verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers. Sie beruht auf einem rechtsfehlerhaften Qualifikationsvergleich.
6a) Die am Prinzip der Bestenauslese zu orientierende Auswahlentscheidung für die Besetzung von Beförderungsämtern hat in erster Linie auf der Grundlage von aussagekräftigen, d.h. aktuellen, hinreichend differenzierten und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhenden dienstlichen Beurteilungen zu erfolgen.
7Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 = juris Rn. 20, 22, und vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20 = juris Rn. 18, 21; OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2019 - 6 B 945/19 -, PersV 2020, 151 = juris Rn. 5.
8Ist ein Beamter - wie hier der Antragsteller seit dem 1. Juni 2017 - von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat freigestellt und liegt keine aktuelle dienstliche Beurteilung vor, sieht § 9 Abs. 1 Nr. 4 LVO NRW vor, dass ausgehend von der letzten dienstlichen Beurteilung des Beamten unter Berücksichtigung des seinerzeit angelegten Maßstabs und der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamtinnen und Beamter diese fiktiv fortzuschreiben ist (Nachzeichnung). Damit wird dem in § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW verankerten personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot Rechnung getragen.
9Bei der fiktiven Fortschreibung einer dienstlichen Beurteilung muss der Dienstherr ausgehend von der letzten dienstlichen Beurteilung des Beamten eine Referenz-
10oder Vergleichsgruppe mit anderen Beamten bilden und ermitteln, wie die durchschnittliche berufliche Entwicklung der vergleichbaren Beamten verlaufen ist. In diesem Maß kann er zugunsten des freigestellten Beamten eine berufliche Entwicklung unterstellen, wie sie ohne die Freistellung voraussichtlich verlaufen wäre.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 -, Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 = juris Rn. 14-15, sowie Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 -, NVwZ-RR 2011, 371 = juris Rn. 9; OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 20. August 2019 - 6 B 274/19 -, juris Rn. 9 und vom 7. März 2017 - 1 B 1355/16 -, juris Rn. 27 m. w. N.
12Dabei ist mithin einer zu erwartenden Leistungssteigerung angemessen Rechnung zu tragen. Mit dem Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung vergangener Beurteilungen wird nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung fingiert, sondern auch eine Fortentwicklung der Leistungen entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamter unterstellt. Es muss "auf irgendeine Weise auch der Gesichtspunkt der durchschnittlich zu erwartenden Leistungssteigerung" erfasst werden.
13BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 -, ZBR 1998, 46 = juris Rn. 28; auch Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Loseblatt Stand Juli 2019, B IV Rn. 222 b.
14Denn wenn auch kein Rechtsgrundsatz des Inhalts existiert, dass Folgebeurteilungen bei gleichbleibender oder sich steigernder Leistung im gleichen Amt stets besser ausfallen müssten,
15BVerwG, Beschluss vom 16. April 2013 - 2 B 134.11 -, IÖD 2013, 146 = juris Rn. 11,
16so ist doch in den meisten Verwaltungen festzustellen, dass die Beurteilungsergebnisse von Beamten im Regelfall mit zunehmender dienstlicher Erfahrung ansteigen.
17Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 20. August 2019 - 6 B 274/19 -, a. a. O. Rn. 15 und vom 7. März 2017 - 1 B 1355/16 -, a. a. O. Rn. 35; Baden, PersV 2019, 213 (215) m. w. N.
18Die Beobachtung dieses faktischen Trends des kontinuierlichen Ansteigens von Beurteilungsergebnissen liegt der Nachzeichnungsbestimmung überhaupt zugrunde, die Beamten mit bestimmten Ausfallzeiten ermöglichen soll, an der (faktischen) Entwicklung in gleicher Weise teilzuhaben wie andere Beamte.
19OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2019 - 6 B 274/19 -, a. a. O. Rn. 17.
20Die Bildung der Referenzgruppe ist bei der Ermittlung der voraussichtlichen Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Von ihrer Zusammensetzung hängt entscheidend ab, wie groß die Chancen des freigestellten Personalratsmitglieds sind, aufgrund der Vergleichsbetrachtung mit den anderen Gruppenmitgliedern befördert zu werden. Hierbei ist dem Dienstherrn zwar Ermessen eröffnet, und er darf den Verwaltungsaufwand in praktikablen Grenzen halten; es muss aber sichergestellt sein, dass sowohl die generellen Kriterien für die Gruppenbildung als auch deren personelle Zusammensetzung im Einzelfall dem gesetzlichen Benachteiligungsverbot Rechnung tragen.
21Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 11.14 -, ZBR 2014, 391 = juris Rn. 13 - 15; OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2019 - 6 B 274/19 -, a. a. O. Rn. 22; Bay. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 3 CE 15.2012 -, juris Rn. 27.
22Hierfür sollten Beamte herangezogen werden, die zum selben Zeitpunkt (Beginn der Freistellung) derselben Besoldungsgruppe angehörten, eine vergleichbare Tätigkeit ausübten und vergleichbar beurteilt waren. Um die zu erwartende Leistungssteigerung unter Berücksichtigung der regelmäßigen dynamischen Entwicklung von Beurteilungsergebnissen zu erfassen, bietet es sich darüber hinaus an, in die Vergleichsgruppe lediglich solche Beamte einzubeziehen, die eine (möglichst) ähnliche
23Verweildauer (auch als Steh- oder Standzeit bezeichnet) im aktuellen Statusamt aufweisen.
24OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2019 - 6 B 274/19 -, a. a. O. Rn. 24-25; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. August 2012 - 2 B 10673/12 -, DÖD 2013, 35 = juris Rn. 23 f.
25In Betracht mag auch kommen, die "allgemein üblichen Beförderungslaufzeiten" zu berücksichtigen.
26BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2016 - 1 WB 8.16 -, a. a. O. Rn. 30.
27Die Referenzgruppe darf nicht so zusammengestellt werden, dass eine Beförderung des freigestellten Personalratsmitglieds unabhängig von dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang der anderen Gruppenmitglieder ausgeschlossen ist. Gegebenenfalls muss der Dienstherr plausibel darlegen, dass das Personalratsmitglied auch ohne Freistellung nicht befördert worden wäre.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 11.14 -, a. a. O. Rn. 15.
29b) Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht zwar zutreffend angenommen, dass die für den Antragsteller erstellte - den Zeitraum vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2020 erfassende - Nachzeichnung vom 22. September 2020, die der Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugrunde liegt, schon deshalb rechtswidrig ist, weil der Antragsgegner entgegen den vorstehend genannten Anforderungen die Referenzgruppe ausschließlich aus Beamtinnen und Beamten gebildet hat, die sich zu den jeweiligen Beurteilungsstichtagen (1. Juni 2017 und 1. Juni 2020) in der Besoldungsgruppe A 12 befanden und dabei gänzlich auf die Anwendung weiterer Homogenitätskriterien - wie ein vergleichbares Beurteilungsergebnis und eine vergleichbare Verweildauer im Statusamt - verzichtet hat.
30Ergänzend hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Nachzeichnung vom 22. September 2020 auch deshalb rechtswidrig ist, weil der vom Antragsgegner vorgenommene grundsätzliche Ausschluss zwischenzeitlich - also nach dem Beginn der Nachzeichnung - in ein höheres Statusamt beförderter Beamter aus der Referenzgruppe mit dem Benachteiligungsverbot nicht vereinbar ist. Die Nachzeichnung soll gerade sicherstellen, dass dem freigestellten Beamten eine etwaige Leistungssteigerung der mit ihm vergleichbaren Beamten, die auch und gerade in ihrer Beförderung in ein höheres Statusamt zum Ausdruck kommen kann, zugutekommt. Die Referenzgruppe ist daher hinsichtlich der Leistungsentwicklung ergebnisoffen zu bilden, womit eine Beschränkung auf diejenigen Beamten, die während des zu betrachtenden Nachzeichnungszeitraums nicht befördert worden sind, nicht zu vereinbaren ist.
31b) Anders als das Verwaltungsgericht festgestellt hat, erweist sich aber auch die Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021, durch die der Antragsgegner die vorgenannte Nachzeichnung vom 22. September 2020 bzw. eine weitere zwischenzeitlich erstellte Nachzeichnung vom 10. Mail 2021 ersetzt hat, als rechtsfehlerhaft.
32aa) Dies ergibt sich zwar nicht, wie die Beschwerde geltend macht, aus der fehlenden normativen Regelung konkreter Vorgaben für die Erstellung einer Nachzeichnung für freigestellte Personalratsmitglieder in den für den Bereich der Polizei erlassenen Beurteilungsrichtlinien und einer nach Auffassung des Antragstellers daraus folgenden völlig uneinheitlichen Anwendungspraxis. Ungeachtet des Umstands, dass der Antragsteller eine derartige völlig uneinheitliche Anwendungspraxis der Polizeibehörden bei der Erstellung von Nachzeichnungen dienstlicher Beurteilungen nach § 9 Abs. 1 LVO NRW lediglich pauschal behauptet, ohne diese auch nur ansatzweise zu substantiieren, ist ein über die Regelungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 3 LVO NRW sowie die sich aus der oben zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ergebenden Vorgaben hinausgehender Regelungsbedarf nicht erkennbar. Der Annahme, die fiktive Fortschreibung dienstlicher Beurteilung müsste stets denselben und bis ins Detail festgelegten einheitlichen Vorgaben folgen, steht bereits entgegen, dass dem aus § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG NRW folgenden Benachteiligungsverbot nur dann effektiv Rechnung getragen werden kann, wenn - insbesondere bei der Bildung der Referenzgruppe, die unter anderem eine bestimmte Mindestgröße aufweisen muss - die Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden können.
33bb) Der Antragsteller dringt auch nicht mit seiner Rüge durch, die Nachzeichnung hätte nicht nur auf der Grundlage der letzten dienstlichen Beurteilung erstellt werden dürfen, sondern hätte zudem die Leistungsentwicklung vergleichbarer Beamter über mehrere Beurteilungszyklen hinweg in den Blick nehmen müssen. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass § 9 Abs. 1 und Abs. 3 LVO NRW ausdrücklich auf die letzte dienstliche Beurteilung bzw. den letzten Beurteilungszeitraum abstellen und den Ausgangspunkt der zu erstellenden fiktiven Fortschreibung damit eindeutig festlegen. Dem Einwand des Antragstellers, diese Verordnungsregelung setze den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Auftrag der Bestenauslese nicht ausreichend um, weil nur bei Berücksichtigung der Leistungsentwicklung in der Vergangenheit dem Auftrag einer tatsächlichen Gleichsetzung mit der Entwicklung von anderen Beamten im Falle der Freistellung ausreichend genüge getan werde, vermag der Senat nicht zu folgen. Die vom Antragsteller geforderte Vorgehensweise wäre mit dem Grundsatz, dass der Dienstherr den Verwaltungsaufwand bei der Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen in praktikablen Grenzen halten darf, nicht vereinbar, weil über mehrere Beurteilungsrunden hinweg aus einer Vielzahl grundsätzlich in Betracht kommender Beamter diejenigen herausgefiltert werden müssten, die eine mit dem Antragsteller vergleichbare Leistungsentwicklung gezeigt hätten, was einen nochmals deutlich höheren Berechnungsaufwand erfordern würde als der - ohnehin schon aufwändige - Vergleich der jeweiligen Beurteilungsergebnisse. Überdies dürfte eine derartige Vorgehensweise regelmäßig nicht zur Ermittlung einer hinreichend großen, statistische Zufälligkeiten ausschließenden Referenzgruppe führen, zumal auch die weiteren Kriterien, wie die vergleichbare Tätigkeit und eine ähnliche Verweildauer im Statusamt, weiterhin berücksichtigt werden müssten. Es ist im Übrigen nicht erkennbar, dass - wie der Antragsteller meint - bei der Ermittlung der Referenzgruppe anhand der Beurteilungsergebnisse der jeweils letzten dienstlichen Beurteilung dem Auftrag einer tatsächlichen Gleichsetzung des freigestellten Beamten mit der Leistungsentwicklung von anderen Beamten nicht (hinreichend) möglich wäre. Denn es geht gerade um die Teilhabe an der Leistungsentwicklung vergleichbarer Beamter in dem Zeitraum ab der Freistellung, die sich - anders als der Antragsteller wohl meint - nicht zwingend linear zu der Entwicklung in vergangenen Zeiträumen fortsetzen muss. Insoweit ist für den Bereich dienstlicher Beurteilungen anerkannt, dass in der Vergangenheit gezeigte Leistungssteigerungen nicht ohne weiteres die Prognose zukünftiger Leistungssteigerungen bzw. sich kontinuierlich verbessernder Beurteilungsergebnisse rechtfertigen.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2013 - 2 B 134.11 -, a. a. O. Rn. 11.
35Inwiefern vor diesem Hintergrund mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG bzw. zur Vermeidung einer Benachteiligung freigestellter Personalratsmitglieder bei der Nachzeichnung ihrer dienstlichen Beurteilung etwas anderes gelten sollte, erschließt sich nicht.
36cc) Die Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 erweist sich aber deshalb als rechtswidrig, weil der Antragsgegner sowohl die von ihm herangezogenen Kriterien für die Bildung der Referenzgruppe als auch die Methode zur Ermittlung der durchschnittlichen Leistungsentwicklung und zur Berechnung des sich daraus für den Antragsteller ergebenden Nachzeichnungsergebnisses gleich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft angewandt hat.
37(1.) Die vom Antragsgegner in der Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 und dem klarstellenden Schriftsatz vom 17. Januar 2022 beschriebene Vorgehensweise zur fiktiven Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung des Antragstellers ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Danach seien zunächst alle Beamten ausgewählt worden, die ihre Vorbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2017 - wie der Antragsteller - im Statusamt A 12 erhalten hätten. Ausgehend von dem vom Antragsteller in der Beurteilung zum 1. Juni 2017 erreichten Quotienten von 3,88 (Durchschnitt der in den Einzelmerkmalen erzielten Punkte) sei ein Referenzwert von +/- 0,3 angewendet worden. Auf diesem Wege seien 24 Beamte ermittelt worden. Sodann sei eine weitere Ausschärfung anhand der Verweildauer im Statusamt erfolgt. Dabei sei eine Spanne von +/- 2 Jahren - ausgehend von der Verweildauer des Antragstellers, der zuletzt zum 30. April 2013 nach A 12 befördert worden sei - berücksichtigt worden. Von den sich danach ergebenden 13 Beamten seien nur 8 zum Stichtag 1. Juni 2020 beurteilt worden; diese bildeten die Referenzgruppe. Sodann sei die durchschnittliche Entwicklung der Einzelmerkmale der Referenzgruppenmitglieder zum Beurteilungsstichtag 1. Juni 2020 im Vergleich zur Vorbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2017 errechnet worden. Der sich für die Einzelmerkmale jeweils ergebende Wert sei sodann auf den Punktwert der Einzelmerkmale des Antragstellers aus der Beurteilung zum 1. Juni 2017 aufaddiert und gerundet worden.
38Die so beschriebene Vorgehensweise entspricht grundsätzlich den eingangs genannten Vorgaben zur fiktiven Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen, wonach die Referenzgruppe regelmäßig aus Beamten zu bilden ist, die zum selben Zeitpunkt (Beginn der Freistellung) derselben Besoldungsgruppe angehörten, eine vergleichbare Tätigkeit ausübten, vergleichbar beurteilt waren, und darüber hinaus eine ähnliche Verweildauer im aktuellen Statusamt aufwiesen.
39Vgl. zum Ansatz einer Differenz der Leistungswerte von 0,30 innerhalb desselben Wertungsbereichs BVerwG, Beschluss vom 26. April 2018 - 1 WB 41.17 - juris Rn. 32.
40Durch Übertragung der durchschnittlichen Leistungsentwicklung der Referenzgruppe auf die in der Ausgangsbeurteilung des Antragstellers erreichten Punktwerte wird zudem dem Erfordernis Rechnung getragen, eine Fortentwicklung der Leistungen des freigestellten Beamten entsprechend dem durchschnittlichen Werdegang der mit ihm vergleichbaren Beamten zu unterstellen.
41(2.) Der Antragsteller macht mit der Beschwerde aber zutreffend geltend, dass sich die Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 als rechtswidrig erweist, weil der Antragsgegner bei der Bildung der Referenzgruppe nicht im Sinne der gebotenen ergebnisoffenen Ermittlung der durchschnittlichen Leistungsentwicklung auch diejenigen Beamten berücksichtigt hat, die während des maßgeblichen Beurteilungszeitraums vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Mai 2020 in ein höheres Statusamt befördert worden sind. Insoweit ist er von seiner beschriebenen Vorgehensweise abgewichen.
42Der Antragsgegner hat auf eine entsprechende Nachfrage des Senats zwar klargestellt, dass entgegen der anderslautenden Ausführungen in der Begründung der Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 die zwischen dem 1. Juni 2017 und dem 31. Mai 2020 beförderten Beamten nicht - wie bei Erstellung der Nachzeichnung vom 22. September 2020 - bewusst und von vorneherein aus der Referenzgruppe ausgeschieden worden sind, sondern sich ihr Fehlen dadurch erkläre, dass sie nicht über eine vergleichbare Vorbeurteilung verfügt hätten. Aus der zum Beleg übersandten tabellarischen Übersicht aller für die Bildung der Referenzgruppe in Betracht gezogenen Beamten (vgl. Bl. 24-26 der Gerichtsakte), die sich im Zeitpunkt der Freistellung des Antragstellers in einem nach A 12 besoldeten Statusamt befanden, geht jedoch hervor, dass dies so nicht zutrifft. Jedenfalls ein zwischenzeitlich - nämlich am 28. August 2019 - nach A 13 beförderter Beamter (Zeile 87 der Tabelle) wurde zum Stichtag 1. Juni 2017 mit einer Wertesumme von 33 Punkten in acht Merkmalen beurteilt, woraus sich ein Quotient von 4,125 ergibt. Dieser liegt mithin innerhalb des vom Antragsgegner festgelegten Bereichs von 3,58 bis 4,18 (3,88 +/- 0,3), sodass dieser Beamte jedenfalls nicht wegen der (vermeintlichen) Nichterfüllung des Kriteriums "vergleichbare Vorbeurteilung" außer Betracht hätte bleiben dürfen. Es erscheint vielmehr naheliegend, dass der Antragsgegner den Beamten nicht in die Referenzgruppe aufgenommen hat, weil er davon ausging, dieser habe keine mit dem Antragsteller vergleichbare Verweildauer im Statusamt vorzuweisen. Eine solche Annahme kann aber auf der Grundlage der übersandten Tabelle nicht fehlerfrei getroffen werden, weil darin lediglich das Datum der jeweils letzten Beförderung angegeben ist, und zwar unabhängig davon, in welches Statusamt die Beförderung erfolgte. Dieses Datum liegt für die im fraglichen Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Mai 2020 nach A 13 beförderten Beamten naturgemäß außerhalb der vom Antragsgegner festgelegten Zeitspanne von +/- 2 Jahren ab der Beförderung des Antragstellers nach A 12 am 30. April 2013. Die Tabelle kann daher nicht Grundlage eines Vergleichs des Kriteriums "Verweildauer im Statusamt" sein, weil hierfür einheitlich auf den Zeitpunkt der jeweiligen Beförderung nach A 12 - dem Statusamt des Antragstellers im Zeitpunkt seiner Freistellung - abzustellen gewesen wäre.
43(3.) Der Antragsgegner hat darüber hinaus seinen Ansatz zur fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers auch insoweit fehlerhaft angewandt, als er den von ihm festgelegten Toleranzbereich des Quotienten der Einzelmerkmale de facto einseitig in Richtung des niedrigeren Leistungsbereichs erweitert und zudem vier Beamte, deren Vorbeurteilungsergebnis innerhalb dieses faktischen Toleranzbereichs liegt, nicht in die Referenzgruppe aufgenommen hat.
44Wie bereits dargelegt, hat der Antragsgegner angegeben, ausgehend vom Quotienten der Einzelmerkmale des Antragstellers von 3,88 in der Beurteilung aus dem Jahr 2017 zur Ermittlung der vergleichbar beurteilten Beamten eine Toleranz von +/- 0,3 angesetzt zu haben. Daraus ergibt sich eine Spanne von 3,58 bis 4,18 im Quotienten, was einem Bereich von 29 bis 33 Punkten in der Summe der Einzelmerkmale entspricht. Tatsächlich hat der Antragsgegner ausweislich der Nachzeichnungsbegründung vom 14. Oktober 2021 abweichend hiervon jedoch auch diejenigen Beamten in die Referenzgruppe aufgenommen, die in der dienstlichen Beurteilung vom 1. Juni 2017 eine Summe der Einzelmerkmale von 28 Punkten und damit einen Quotienten von 3,5 aufwiesen, denn der Übersicht über die Referenzgruppenmitglieder ist zu entnehmen, dass 7 der insgesamt 8 ausgewählten Beamten in der Beurteilung von 2017 mit einer Wertesumme von 28 Punkten beurteilt worden waren.
45Die geringfügige Erweiterung des Toleranzbereichs um einen Wert von lediglich 0,08 begegnet zwar keinen grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf das Ziel, diejenigen Beamten mit einem im Wesentlichen gleichen Leistungsbild zu demjenigen des Antragstellers zu identifizieren. Die nur einseitige Erweiterung der Toleranz in Richtung des niedrigeren Leistungsbereichs ist aber unter den vorliegend gegebenen Umständen, in denen der ganz überwiegende Teil der Referenzgruppe in der Wertesumme und im Quotienten der Vorbeurteilung schlechtere Ergebnisse aufweist als der Antragsteller, während ein leistungsstärkerer Beamter (Zeile 108 der Tabelle), der bei einer gleichförmigen Erweiterung der Toleranz auch in den oberen Leistungsbereich (auf 34 Punkte in der Summe der Einzelmerkmale und einen Quotienten von 4,26) zu berücksichtigen gewesen wäre, nicht zur Referenzgruppe gezählt wurde, mit dem Benachteiligungsverbot nicht vereinbar. Da die Referenzgruppe ergebnisoffen hinsichtlich der zu erwartenden durchschnittlichen Leistungsentwicklung vergleichbarer Beamter zu bilden ist, und Leistungssteigerungen gerade auch von etwas leistungsstärkeren Beamten zu erwarten sind, die - wie hier der mit 34 Punkten beurteilte Beamte - noch nicht die Spitzenbewertung erhalten haben, ist es zumindest begründungsbedürftig, warum diese gleichwohl nicht mit in die Referenzgruppe aufgenommen worden sind. Denn es erschließt sich nicht, dass Beamte, deren Beurteilungsergebnis in der Summe der Einzelmerkmale um drei Punkte nach unten von dem Beurteilungsergebnis des Antragstellers abweicht, leistungsmäßig mit diesem vergleichbar sein sollen, bei einer Abweichung von 3 Punkten nach oben aber kein vergleichbares Leistungsbild mehr gegeben sein soll. An der vor diesem Hintergrund erforderlichen Begründung des Antragsgegners fehlt es. Der Ausschluss des fraglichen Beamten aus der Referenzgruppe lässt sich auch nicht mit dessen Beförderung nach A 13 am 26. Februar 2019 rechtfertigen. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des Ausschlusses zwischenzeitlich in ein höheres Statusamt beförderter Beamter verwiesen.
46Unabhängig hiervon ist die der Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 zugrundeliegende Referenzgruppenbildung in diesem Punkt aber auch deshalb fehlerhaft erfolgt, weil der Antragsgegner ausweislich der übermittelten tabellarischen Übersicht vier Beamte, deren Beurteilungsergebnis innerhalb des tatsächlich zugrunde gelegten Toleranzbereichs liegt, nicht in die Referenzgruppe einbezogen hat. Hierbei handelt es sich um die Beamten, die in Zeile 48, 57, 58 und 69 der Tabelle aufgeführt sind, die in der Summe der Einzelmerkmale jeweils mit 28 Punkten und einem Quotienten von 3,5 beurteilt worden sind, und zudem das weitere Kriterium der vergleichbaren Verweildauer im Statusamt erfüllen. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum diese Beamten - anders als die sieben berücksichtigten Beamten mit derselben Wertesumme - nicht in die Referenzgruppe aufgenommen worden sind, ergibt sich weder aus der vom Antragsgegner übermittelten Übersicht (etwa im Sinne des in der Tabelle zum Teil enthaltenen Vermerks, dass der Beamte zum Beurteilungsstichtag 1. Juni 2020 nicht beurteilt worden sei), noch aus dessen Ausführungen in der Nachzeichnung oder im gerichtlichen Verfahren.
47(4.) Schließlich ist die Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 auch deshalb rechtswidrig, weil die Ermittlung der durchschnittlichen Leistungsentwicklung in den Einzelmerkmalen der vom Antragsgegner zur Referenzgruppe zusammengefassten Beamten zu einem ganz überwiegenden Teil fehlerhaft erfolgt ist, und zwar sowohl im Hinblick auf die Übertragung der jeweils in den Einzelmerkmalen erreichten Punktzahlen in die Berechnungstabelle, als auch hinsichtlich der Berechnung der individuellen und - sich daran anschließenden - durchschnittlichen Leistungsentwicklung in den Einzelmerkmalen. Zur Verdeutlichung wird nachfolgend die vom Antragsgegner gewählte Darstellung seiner Berechnungen mit den erforderlichen Korrekturen versehen, wobei der Senat die Einzelmerkmalbewertungen der Beurteilungen zum Stichtag 1. Juni 2017 aus der mit Schriftsatz vom 17. Januar 2022 übersandten Tabelle entnommen hat.
48Beurteilungsergebnisse der Referenzgruppe zum Stichtag 1. Juni 2020:
49Ergebnis BU 2017 |
Letzte Ernennung |
Ergebnis 2020 |
AO |
AE |
AW |
LG |
LU |
VK |
SK |
MF |
WS |
|
1 |
28 (3) |
27.04.2011 |
3 |
4 |
3 |
4 |
3 |
4 |
3 |
3 |
4 |
28 |
2 |
28 (3) |
01.04.2014 |
4 |
5 |
5 |
5 |
4 |
4 |
4 |
4 |
4 |
35 |
3 |
28 (3) |
24.01.2012 |
3 |
4 |
3 |
3 |
4 |
3 |
3 |
3 |
3 |
26 |
4 |
28 (3) |
13.01.2015 |
4 |
4 |
4 |
4 |
5 |
5 |
4 |
5 |
4 |
35 |
5 |
28 (3) |
04.02.2015 |
3 |
3 |
4 |
3 |
3 |
3 |
3 |
4 |
3 |
26 |
6 |
28 (3) |
12.08.2013 |
3 |
4 |
4 |
3 |
3 |
3 |
3 |
4 |
3 |
27 |
7 |
28 (3) |
22.01.2014 |
4 |
5 |
5 |
4 |
5 |
5 |
4 |
4 |
4 |
36 |
8 |
32 (4) |
31.01.2014 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
5 |
40 |
(AO = Arbeitsorganisation, AE = Arbeitsergebnis, AW = Arbeitsweise, LG = Leistungsgüte, LU = Leistungsumfang, VK = Veränderungskompetenz, SK = Soziale Kompetenz, MF = Mitarbeiterführung, WS = Wertesumme)
51Durchschnittliche Entwicklung der Einzelmerkmale:
52AO 2017 |
AO 2020 |
Entw. |
AE 2017 |
AE 2020 |
Entw. |
AW 2017 |
AW 2020 |
Entw. |
LG 2017 |
LG 2020 |
Entw. |
|
1 |
3 |
4 |
+1 |
4 |
3 |
-1 |
4 |
4 |
0 |
4 |
3 |
-1 |
2 |
4 |
5 |
+1 |
4 |
5 |
+1 |
4 |
5 |
+1 |
3 |
4 |
-1 +1 |
3 |
4 |
4 |
0 |
3 |
3 |
0 |
3 |
3 |
0 |
4 |
4 |
0 |
4 |
4 |
4 |
0 |
3 |
4 |
+1 |
3 |
4 |
+1 |
4 |
5 |
+1 |
5 |
3 |
3 |
0 |
4 |
4 |
+1 0 |
3 |
3 |
0 |
3 |
3 |
0 |
6 |
4 |
4 |
+1 0 |
4 3 |
4 |
+1 |
4 |
3 |
+1 -1 |
4 3 |
3 |
+1 0 |
7 |
4 |
5 |
+1 |
4 |
5 |
+1 |
4 |
4 |
0 |
4 |
5 |
+1 |
8 |
4 |
5 |
0 +1 |
3 4 |
5 |
-1 +1 |
4 |
5 |
-1 +1 |
3 4 |
5 |
0 +1 |
Ø |
+0,5 |
+0,375 +0,5 |
+0,25 |
+0,125 +0,375 |
LU 2017 |
LU 2020 |
Entw. |
VK 2017 |
VK 2020 |
Entw. |
SK 2017 |
SK 2020 |
Entw. |
MF 2017 |
MF 2020 |
Entw. |
|
1 |
4 |
4 |
0 |
3 |
3 |
0 |
3 |
3 |
0 |
3 |
4 |
+1 |
2 |
3 |
4 |
-1 +1 |
4 |
4 |
0 |
3 |
4 |
-1 +1 |
3 |
4 |
-1 +1 |
3 |
3 |
3 |
0 |
3 |
3 |
0 |
4 |
3 |
-1 |
4 |
3 |
-1 |
4 |
4 |
5 |
+1 |
3 |
4 |
-1 +1 |
3 |
5 |
+1 +2 |
4 |
4 |
0 |
5 |
4 |
3 |
-1 |
3 |
3 |
0 |
4 |
4 |
0 |
4 |
3 |
-1 |
6 |
4 3 |
3 |
+1 0 |
4 |
3 |
+1 -1 |
4 |
4 |
+1 0 |
4 3 |
3 |
+1 0 |
7 |
3 |
5 |
+2 |
3 |
4 |
+1 |
3 |
4 |
+1 |
3 |
4 |
+1 |
8 |
3 4 |
5 |
0 +1 |
4 |
5 |
-1 +1 |
4 |
5 |
0 +1 |
3 4 |
5 |
0 +1 |
Ø |
+0,25 +0,5 |
0,0 +0,25 |
+0,125 +0,5 |
0,0 +0,25 |
Übertragung der durchschnittlichen Entwicklung der Einzelmerkmale auf die Vorbeurteilung des Antragstellers:
55Ergebnis 2017 |
durchschnittl. Entw. |
Nachzeichnung |
|||
AO |
4 |
+0,500 |
4,500 |
||
AE |
4 |
+0,375 |
+0,500 |
4,375 |
4,500 |
AW |
4 |
+0,250 |
4,250 |
||
LG |
4 |
+0,125 |
+0,375 |
4,125 |
4,375 |
LU |
4 |
+0,250 |
+0,500 |
4,250 |
4,500 |
VK |
4 |
+0,000 |
+0,250 |
4,000 |
4,250 |
SK |
4 |
+0,125 |
+0,500 |
4,125 |
4,500 |
MF |
3 |
+0,000 |
+0,250 |
3,000 |
3,250 |
Rundung der errechneten Nachzeichnungsergebnisse entsprechend der Praxis des Antragsgegners:
57Arbeitsorganisation 5 Punkte
58Arbeitseinsatz 4 Punkte 5 Punkte
59Arbeitsweise 4 Punkte
60Leistungsgüte 4 Punkte
61Leistungsumfang 4 Punkte 5 Punkte
62Veränderungskompetenz 4 Punkte
63Soziale Kompetenz 4 Punkte 5 Punkte
64Mitarbeiterführung 3 Punkte
65Quotient 4,0 4,375
66Wertesumme 32 Punkte 35 Punkte
67Die vom Antragsgegner erstellte Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 ist demnach - selbst bei Außerachtlassung aller weiteren, oben näher dargelegten Fehler - allein aufgrund fehlerhafter Berechnung zulasten des Antragstellers in der Summe der Einzelmerkmale um 3 Punkte und im Quotienten um einen Wert von 0,375 zu schlecht ausgefallen.
68c) Der Antragsteller kann sich auf die Rechtswidrigkeit der für ihn erstellten Nachzeichnungen auch berufen. Im Konkurrentenstreitverfahren sind Angriffe gegen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung des jeweiligen Antragstellers berücksichtigungsfähig, solange das Recht, gegen diese vorzugehen, nicht verwirkt ist.
69OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2013
70- 1 B 1329/13 -, juris Rn. 13 ff. m. w. N.
71Nichts anderes kann im Fall der Nachzeichnung einer dienstlichen Beurteilung im Sinne von § 9 Abs. 1 LVO NRW gelten, die als fiktive Fortschreibung der letzten Beurteilung ein Beurteilungssurrogat darstellt. Auch Einwände gegen die Referenzgruppenbildung für vom Dienst freigestellte Personalratsmitglieder müssen zeitnah geltend gemacht werden. Eine entsprechende Obliegenheit setzt allerdings voraus, dass den freigestellten Personalratsmitgliedern die Referenzgruppenbildung auch mitgeteilt wird.
72Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 -, Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 = juris Rn. 15 ff. und vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 -, a. a. O. Rn. 27.
73Die Nachzeichnung vom 22. September 2020 war zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Einreichung des Eilantrags im Januar 2021 vor weniger als einem Jahr erteilt und damit noch angreifbar. Dafür, dass dem Antragsteller die Bildung der Referenzgruppe zuvor mitgeteilt worden wäre, so dass er Einwände hiergegen frühzeitig hätte geltend machen können, ist nichts bekannt. Gleiches gilt für die erst im gerichtlichen Verfahren erstellte Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021.
742. Die Auswahl des Antragstellers in einem erneuten Auswahlverfahren kann nach derzeitiger Erkenntnislage nicht ausgeschlossen werden.
75Der Beigeladene weist zwar in der dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 1. Juni 2020 eine Summe der Einzelmerkmale von 36 Punkten und einen Quotienten von 4,5 auf, wohingegen der Antragsteller bei Vermeidung der vorstehend beschriebenen Berechnungsfehler nur auf ein Nachzeichnungsergebnis von 35 Punkten und einen Quotienten von 4,375 käme. Allerdings kann seine Auswahl in einem erneuten Auswahlverfahren nicht ausgeschlossen werden, solange die Nachzeichnung vom 14. Oktober 2021 nicht auch unter Vermeidung der weiteren Fehler bei der Bildung der Referenzgruppe neu erstellt worden ist. Es ist jedenfalls möglich, dass die Einbeziehung der vier weiteren mit 28 Punkten in der Wertesumme beurteilten Beamten und der am 26. Februar 2019 bzw. 28. August 2019 nach A 13 beförderten Beamten, die mit 34 und 33 Punkten vorbeurteilt wurden, zu einer weiteren Verbesserung des Nachzeichnungsergebnisses für den Antragsteller führt. Ob es tatsächlich zu weiteren Verbesserungen kommt, wie diese im Einzelnen ausfallen und zu welchem Ergebnis schließlich ein hierauf gründender Qualifikationsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen kommen wird, lässt sich nach der derzeitigen Erkenntnislage des Senats nicht hinreichend sicher prognostizieren.
76II. Schließlich hat der Antragsteller auch Umstände glaubhaft gemacht, aufgrund derer sich ein Anordnungsgrund ergibt (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die mit der Besetzung der streitbefangenen Beförderungsplanstelle einhergehende Ernennung des Beigeladenen wäre im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht wieder rückgängig zu machen.
77Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
78Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
79Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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Referenzen
- VwGO § 152 1x
- 6 B 945/19 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 274/19 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 2x
- 1 B 1355/16 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 1 B 1329/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 2x
- § 9 Abs. 1 LVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- SG § 3 Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze 2x
- § 9 Abs. 1 Nr. 4 LVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- § 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 3 Satz 4 LPVG 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 B 10673/12 1x
- § 9 Abs. 1 und Abs. 3 LVO 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 2x