Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 E 1020/21
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs und die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Köln durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30.11.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 30.11.2021, mit dem der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und der Rechtstreit an das Amtsgericht Köln verwiesen wurde, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist.
3Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Hier ergibt sich eine ausdrückliche Zuweisung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit aus § 104 Satz 1 UrhG. Danach ist die Zuständigkeit zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Urheberrechtsstreitsachen), den ordentlichen Gerichten zugewiesen.
4Vorliegend handelt es sich um eine Urheberrechtsstreitsache. Der hiergegen erhobene Einwand der Beklagten, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung als Urheberrechtsstreit helfe dem mutmaßlichen Begehren der Klägerin nicht, es handele sich im Kern vielmehr um eine der Beurteilung der Finanzgerichte unterliegende abgabenrechtliche Streitigkeit, greift nicht durch.
5Bei der Ermittlung des nach § 88 VwGO maßgeblichen tatsächlichen Rechtsschutzbegehrens sind sämtliche Umstände, insbesondere die Gesamtheit des Vorbringens des Beteiligten, zu berücksichtigen. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Die Auslegung kann vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht. § 88 VwGO ermächtigt das Gericht dagegen nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und anstelle dessen, was ein Beteiligter erklärtermaßen will, etwas Anderes anzunehmen.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.8.2021 – 7 B 16.20 –, juris, Rn. 7, m. w. N.
7Hiervon ausgehend entspricht es dem maßgeblichen erklärten Willen der Klägerin, einen Anspruch aus einem der im Urheberrechtsgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend zu machen. Die Klägerin hatte nach Angaben der Beklagten bereits vorgerichtlich geltend gemacht, die Beklagte nutze ihr geschütztes Werk „Verfahren der Programme, Anmeldung, Steuer auf Waren- und Dienstleistungen, USt-IdNr“ unter Verletzung des Urheberrechts. Hieran anknüpfend hat die Klägerin in ihrer Klageschrift nach einem erneuten Hinweis auf ihr ausschließliches Recht an ihren geistigen Werken, die nach dem Urheberrecht niemand nutzen dürfe, den ausdrücklichen Antrag gestellt, „dem Beklagten anordnen meine Werke nicht zu nutzen“. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte nutze und vergebe an Unternehmer ihre persönliche Identifikationsnummer (ID CODE) und lasse diese durch Programme entwickeln, die sie geschöpft habe. Hierauf hat die Beklagte eingewandt, angebliche Verstöße gegen das Urheberrecht, auf die die Klägerin ihre Klage stütze, seien vollkommen fernliegend, zumal die Beklagte keine Werke der Klägerin verwende; das Klagebegehren lasse sich nachvollziehbar nur dahingehend auslegen, dass die Klägerin, um ihr gewerbliches Verkäuferprofil auf der Verkaufsplattform eBay nutzen zu können, die Erteilung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer begehre. Auch hierauf hat die Klägerin durchgehend darauf beharrt, sie wolle mit Hilfe des Urheberrechts den Schutz ihres geistigen Eigentums erreichen. Auf die Einwände der Beklagten hat die Klägerin schon erstinstanzlich darauf bestanden, dass es ihr nicht allein um ein Programm oder Steuern gehe, sondern um ihre universellen Werke, die viele wertvolle Erfindungen enthielten. Ihr Gewerbe bestehe an erster Stelle aus der Entwicklung und dem Verkauf von urheberrechtlich geschützten Werken. Auch auf den nochmaligen Verweis der Beklagten, es handele sich nicht um eine urheberrechtliche, sondern um eine abgabenrechtliche Streitigkeit, hat sie betont, dass die Beklagte keine Erlaubnis von ihr habe und ein Verwaltungsakt unwirksam sei und sie keine Schule in Urheberrechten, geistigem Eigentum bzw. Eigentum nach Art. 14 GG sei. Schließlich bleibt sie in ihrer Reaktion auf die Beschwerde der Beklagten dabei, dass sie die Schöpferin dieser Werke sei und als Urheberin lediglich nachweisen müsse, seit wann sie im Besitz dieser Werke sei, für die sie ein Urheberrecht geltend mache und in Anspruch nehme; die Beklagte müsse sich an die von ihr als Urheberin vorgesehene Werknutzung halten oder es unterlassen.
8Da eine Rechtswegverweisung nur hinsichtlich des Rechtswegs bindend ist, bedarf es keiner Klärung, inwieweit für das Begehren der Antragstellerin ein anderes Gericht des zulässigen Rechtswegs als das Amtsgericht Köln, dessen Zuständigkeit das Verwaltungsgericht aus den §§ 23 Nr. 1 GVG, 32 ZPO, 105 Abs. 2 UrhG, 1 Abs. 2 JustG NRW und § 2 der Verordnung über die Zusammenfassung von Designstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen sowie Streitigkeiten nach dem Olympiamarkenschutzgesetz (GV. NRW. 2011 S. 468 und GV. NRW. 2014 S. 249) hergeleitet hatte, zuständig sein könnte.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2020 ‒ 4 E 402/20 ‒, juris, Rn. 8 f., m. w. N.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
11Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
12Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG unanfechtbar.
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Referenzen
- §§ 23 Nr. 1 GVG, 32 ZPO, 105 Abs. 2 UrhG, 1 Abs. 2 JustG 2x (nicht zugeordnet)
- 4 E 402/20 1x (nicht zugeordnet)
- UrhG § 104 Rechtsweg 1x
- ZPO § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung 1x
- GVG § 17a 2x
- VwGO § 173 1x
- ZPO § 23 Besonderer Gerichtsstand des Vermögens und des Gegenstands 1x