Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 1760/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 111.750,-- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der im Hinblick auf die Klageanträge
31.a) die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 21. August 2019 zu verpflichten, der Klägerin auf ihren Bauantrag vom 1. August 2017 die Baugenehmigung zur Errichtung von 25 Stellplätzen für Busse auf den Flurstücken 107, 262, 267, T.--------straße in S. zu erteilen;
4b) hilfsweise,
5die Beklagte zu verpflichten, auf ihren Bauantrag vom 21. August 2019 22 Stellplätze für Busse auf den Flurstücken 107 und 262, gemäß Lageplan – Anl. 1 – zu erteilen;
6äußerst hilfsweise,
7die Beklagte zu verpflichten, einen planungsrechtlichen Vorbescheid für das (Bebauungsgenehmigung) Vorhaben gemäß Lageplan – Anlage 1 – zu erteilen;
8c) den Gebührenbescheid der Beklagten vom 21. August 2019 aufzuheben;
92. a) den Zurückstellungsbescheid der Beklagten vom 10. Juli 2020, mit dem die Zulässigkeit des Bauvorhabens der Klägerin zur Errichtung von 22 Stellplätzen für Busse auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 6, Flurstücke 107 und 267, T1.-------straße in S. bis zum 23. Juni 2021 zurückgestellt wird, aufzuheben;
10b) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin entsprechend dem Bauantrag vom 6. März 2020 die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung von 22 Stellplätzen für Busse auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 6, Flurstücke 107 und 267, T.--------straße in S. zu erteilen;
113. festzustellen, dass die Nutzung des Grundstücks Grundbuch von S. Gemarkung M. , Flur 6, Flurstück 106 und 267 zum Abstellen von bis zu 22 Bussen passiven Bestandschutz genießt,
12auf alle Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO (dazu unter I.) und im Hinblick auf den Klageantrag
134. festzustellen, dass die Nichtbescheidung des Bauantrags vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2018 und insbesondere die unterlassene Anhörung aufgrund des fehlenden Sachbescheidungsinteresses rechtswidrig war und die Klägerin hiermit in ihren Rechten verletzt ist,
14auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1-3 VwGO (dazu unter II.) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
15I. Hinsichtlich der Klageanträge zu 1.-3. sind die geltend gemachten Zulassungsgründe weder dargelegt noch liegen sie vor.
161. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hätte. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
17Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
18Die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Fragen,
191. Ist § 14 Abs. 3 BauGB im Rahmen eines Zurückstellungsbescheides nach § 15 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen?
202. Wie wirkt sich § 14 Abs. 3 auf eine Nutzungsuntersagung vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 GG aus, wenn rechtswidrig gegen § 14 Abs. 3 BauGB analog ein Zurückstellungsbescheid erlassen wurde; greift insbesondere dann der sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ergebende passive Bestandsschutz?
21stellten sich so im vorliegenden Verfahren schon nicht. Insoweit hat der Senat in seinem die Zulassung der Berufung gegen die Nutzungsuntersagung ablehnenden Beschluss vom 3. März 2022 – 2 A 515/21 –, in dem dieselben Fragen als grundsätzlich bedeutsam aufgerufen worden waren, ausgeführt:
22„Selbst wenn ein - wie hier sofort vollziehbarer - Zurückstellungsbescheid rechtswidrig sein sollte, bliebe es dabei, dass es jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht der Genehmigungsbehörde an einem (offensichtlich) genehmigungsfähigen Bauantrag fehlt(e) und es dem Kläger mit Blick auf die Ordnungsfunktion des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens zuzumuten ist, wie jeder gesetztestreue Bürger, seine Rechtsansprüche gerichtlich zu verfolgen ohne zuvor die genehmigungspflichtige Nutzung illegal aufzunehmen, bzw. fortzusetzen.
23Unbeschadet dessen lässt sich auch unter Zugrundelegung des Zulassungsvorbringens nicht feststellen, dass der Zurückstellungsbescheid rechtswidrig ergangen sein könnte. Hierzu hat sich das Verwaltungsgericht im Übrigen im vorliegenden Verfahren zu Recht nicht verhalten. Soweit die Klägerin unter anderem in diesem Zusammenhang einen vermeintlich bestehenden materiellen (in ihrer Diktion passiven) Bestandsschutz für sich reklamiert, dürfte dieser jedenfalls im Rahmen des § 14 Abs. 3 BauGB gerade keine Rolle spielen, weil die Vorschrift ausdrücklich und allein auf formelle Aspekte abstellt. Demgegenüber lässt sie bauordnungsrechtlich bestehende Eingriffsbefugnisse – wie etwa bei einer ungenehmigten Nutzung - offensichtlich unberührt. Gründe, solche Befugnisse deshalb einzuschränken, weil mit dem möglichen Erlass einer Veränderungssperre ein (zusätzlicher) bauplanungsrechtlicher Hinderungsgrund für die Genehmigung eines Vorhabens hinzutritt, sind nicht zu erkennen. Sie ergeben sich namentlich nicht aus den von der Klägerin zitierten Kommentarstellen.
24Ebenso wenig lässt sich hier feststellen, dass sich die Klägerin mit Erfolg gegenüber der streitgegenständlichen Nutzungsuntersagung vom 15. November 2019 auf einen genehmigungsunabhängigen Bestandsschutz berufen könnte. Ihre fortgesetzte Behauptung, die langjährige Nutzung sei planungsrechtlich zulässig gewesen, bleibt letztlich stets eine Behauptung. Dies gilt schon deshalb, weil auch nach dem Vortrag der Klägerin im Dunkeln bleibt, seit wann die formell illegale Nutzung, wie sie zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlag, bereits in dieser Form praktiziert worden ist und warum diese trotz der Lage der Grundstücke zumindest in Teilen in der Anbauverbotszone der A 524 und in einem Wasserschutzgebiet sowie in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem reinen Wohngebiet rechtmäßig ausgeübt worden sein soll. Nach Aktenlage ist von einem vorhandenen Betrieb in der heutigen Größe erst ab dem Jahr 2015 auszugehen, nachdem sich Nachbarn über diesen beschwert haben. Genau aus diesem Grund lässt sich eine (eindeutige) materielle Legalität indes nicht feststellen. Eine nachvollziehbare und vor allem nachprüfbare Darlegung der die materielle Baurechtsmäßigkeit des konkreten Vorhabens begründenden Umstände ist die Klägerin schuldig geblieben. Sie ist hierfür aber materiell beweisbelastet, nachdem sie es versäumt hat, das für diesen Betrieb an sich erforderliche präventive baurechtliche Genehmigungsverfahren durchzuführen.
25So schon BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979 - IV C 86.76 -, NJW 1980, 252 = BRS 35 Nr. 206 = juris Rn. 14.
26Die sich daraus ergebenden Nachteile insbesondere auch im Hinblick auf die Annahme materieller Legalität hat sie sich damit selbst zuzuschreiben, Zweifel gehen insoweit zu ihren Lasten. Auch in diesem Zusammenhang greift - wie gesagt - die allgemeine Überlegung, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin aus ihrem rechtswidrigen Verhalten gegenüber einem sich rechtstreu verhaltenden Gewerbetreibenden einen Vorteil ziehen darf.
27Vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9. November 2020 – 3 S 2590/18 -, juris Rn. 62, 87 ff.
28Ein solcher rechtstreuer Gewerbetreibender hätte indes einen genehmigungspflichtigen Betrieb erst dann aufgenommen bzw. ausgeweitet, wenn in einem vorgeschalteten Genehmigungsverfahren dessen Rechtmäßigkeit festgestellt worden wäre.
29Schon aus diesem Grund kann sich die Klägerin auch nicht erfolgreich darauf berufen, es dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie aufgrund eines aus ihrer Sicht rechtswidrigen Zurückstellungsbescheides ein präventives Genehmigungsverfahren nicht vorantreiben könne. Ein rechtlicher Nachteil ist bereits nicht zu erkennen, weil sie wie jeder andere Bauantragsteller gehalten ist, eine Nutzung erst dann aufzunehmen, wenn das Genehmigungsverfahren erfolgreich abgeschlossen worden ist; notfalls ist zu diesem Zweck der Zurückstellungsbescheid gerichtlich anzufechten, nicht aber die Nutzung aufzunehmen (bzw. wie hier fortzusetzen). Gründe dafür, dass sie berechtigt sein könnte, eine rechtswidrig aufgenommene Nutzung deshalb fortzusetzen, gibt es dementsprechend nicht. Dies würde gerade zu einer Entwertung des präventiven Genehmigungsverfahrens führen, dem sich die Klägerin zumindest in der Vergangenheit entzogen hat.“
30Für das vorliegende Verfahren gilt für diese identischen Fragestellungen nichts anderes, zumal sich Bestandsschutzfragen im Hinblick auf hier in erster Linie verfolgte Genehmigungsansprüche von vornherein nicht stellen.
31dazu auch Beck-OK BauO NRW 2018 § 74 Rn. 3 m. w. N.
32Soweit die Klägerin weitergehend im hiesigen Verfahren im Hinblick auf den Feststellungsantrag unter Nr. 3 für grundsätzlich bedeutsam hält,
33ob neben der Anfechtungsklage gegen die Unterlassungsklage noch ein weitergehendes Feststellungsinteresse bestehen kann,
34erschließt sich ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf von vornherein nicht. Abgesehen davon, dass die Formulierung bei wörtlichem Verständnis keinen Sinn ergäbe, hat schon das Verwaltungsgericht die in der Sache aufgeworfene Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage offengelassen und – zu Recht – entscheidungstragend jedenfalls auch auf die fehlende Begründetheit abgestellt, weil die Klägerin einen Bestandsschutz nicht nachgewiesen habe. Hiergegen ist nichts zu erinnern, wie der Senat bereits in dem vorzitierten Beschluss vom 3. März 2022 – 2 A 515/21 – ausgeführt hat. Unabhängig davon würde sich die Frage aber in einem Berufungsverfahren ohnehin so nicht (mehr) stellen, nachdem die Nutzungsuntersagung inzwischen rechtskräftig ist und weitergehende Interessen der Klägerin derzeit nicht ersichtlich sind. Für etwaige zukünftige Auseinandersetzungen erschließt sich dann auch nicht, warum es der Klägerin unzumutbar sein könnte, sich gegen eine etwaige Rückbauverpflichtung ebenfalls – wie gegen die Nutzungsuntersagung - mit einer Anfechtungsklage zu wehren.
352. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem der Beurteilung des beschließenden Senats unterliegenden Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der von der Klägerin gesehene Gehörsverstoß liegt nicht vor. Die Klägerin bemängelt insoweit, das Verwaltungsgericht habe ihr die beantragte Akteneinsicht nicht gewährt. Das trifft bereits im Tatsächlichen nicht zu, nachdem das Verwaltungsgericht sie lediglich darauf verwiesen hat, die Akten im Gericht einzusehen. Dass ihr bzw. ihren Prozessbevollmächtigten dies in Anbetracht des vom Kanzleisitz aus fußläufig zu erreichenden Gerichtsgebäudes unzumutbar sein könnte, erschließt sich nicht, zumal der sachbearbeitende Rechtsanwalt bereits zuvor mehrfach und insgesamt vollständige Akteneinsicht in seinen Büroräumen genommen hatte, wobei die ursprünglich gesetzten Fristen zur Rücksendung stets nicht eingehalten wurden. Im Übrigen sieht § 100 Abs. 3 Satz 1 VwGO als Regelfall ohnehin vor, dass Akteneinsicht in den Diensträumen des Gerichts gewährt wird. Eine Akteneinsicht in den Büroräumen etwa eines Rechtsanwaltes steht demgegenüber nach § 100 Abs. 3 Satz 3 VwGO als Ausnahmefall im Ermessen des Gerichts.
36Inwieweit eine – unterstellte – unterlassene Beiziehung weiterer Akten, die ebenfalls im Ermessen des Gerichts liegt (§ 87 Abs. 1 Satz 2 VwGO), einen potentiell entscheidungserheblichen Verfahrensfehler begründen könnte, erschließt sich dann aus dem Zulassungsvorbringen nicht weiter. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Lageplan vorgelegt hatte, hat das Verwaltungsgericht gesehen, ihn lediglich dem am 6. März 2020 eingeleiteten Genehmigungsverfahren, und nicht dem von dem Klageantrag zu 1. b) benannten Bauantrag vom 21. August 2019 zugeordnet. Abgesehen davon, dass sich für den 21. August 2019 weiterhin kein entsprechender, an die Beklagte gerichteter Antrag finden lässt, worauf das Verwaltungsgericht die Klägerin unter dem 29. Januar 2020 auch ausdrücklich hingewiesen hat, ohne dass eine Reaktion erfolgt wäre, ergibt sich diese Zuordnung zumindest zweifelsfrei aus dem Lageplan vom 2. November 2020 selbst. Dort ist ausdrücklich vermerkt: „Der Projekteintragung lagen Bauzeichnungen im Maßstab 1:100 vom 06.03.2020 zugrunde.“ Was an dieser Zuordnung zu diesem anderen Genehmigungsverfahren falsch sein könnte, erklärt die Klägerin dementsprechend auch nicht. Ebenso wenig ist auch nur im Ansatz zu erkennen, inwieweit in diesem Zusammenhang eine weitere Beiziehung von Akten erforderlich oder auch nur sachdienlich gewesen wäre, geschweige denn, dass die Entscheidung für den Fall der Beiziehung hätte anders ausfallen können.
37Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es für die Frage eines Genehmigungsanspruchs ohnehin nicht darauf ankommt, über welche Unterlagen das Gericht hätte verfügen können. Maßgeblich ist vielmehr, welche Bauvorlagen der Genehmigungsbehörde zu einem konkreten Genehmigungsverfahren tatsächlich zur Prüfung vorgelegt worden sind. Hieran fehlt es im Hinblick auf den unter 1. b) genannten Genehmigungsantrag jedoch selbst unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin im hiesigen Verfahren. Auf den fehlenden Bauantrag, zu dem die Anlage K1 dem Gericht vorgelegt werden sollte, und die daraus resultierende Unzulässigkeit des (damals) 1. Hilfsantrages hat im Übrigen bereits das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 29. Januar 2020 hingewiesen. Eine Reaktion ist trotz mehrfacher Erinnerung nicht erfolgt.
38Soweit die Klägerin – ohne inhaltlichen Zusammenhang oder rechtliche Herleitung – einen Verfahrensfehler darin sehen will, dass „das Verwaltungsgericht … den Sachverhalt nicht hinreichend ausgewertet“ habe, indem es (im Rahmen des Klageantrags zu 3.) festgestellt habe, es sei nicht nachgewiesen, dass der Betrieb kein erheblich belästigender Betrieb sei, ist dies schon kaum verständlich. Fragen der Bewertung sind keine des Verfahrens. Falls die Klägerin damit möglicherweise unterstellen will, das Verwaltungsgericht habe „eine immissionstechnische Untersuchung des Kreises N. sowie ein Verkehrskonzept und ein schalltechnisches Gutachten des Büro L. “ übersehen, fehlt es hierfür an greifbaren Anhaltspunkten, zumal die Klägerin hierauf ausdrücklich in ihrem Schriftsatz vom 15. April 2021 hingewiesen und das Verwaltungsgericht, wie auch die Klägerin erkennt, die einschlägige Bauakte ausdrücklich zitiert hat. Dieses Gutachten betrifft indes allein den seinerzeit zur Genehmigung gestellten Betrieb und nicht – jedenfalls nicht unmittelbar und selbstverständlich – den vorhandenen, zu dem – wie ausgeführt – gerade belastbare Angaben zu seinem in der Vergangenheit bestehenden Umfang fehlen. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang abgestellt.
39Jedenfalls spricht aber nichts dagegen, diese Wertung auch unter Berücksichtigung des Gutachtens vorzunehmen,
40vgl. dazu auch OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2022 – 2 A 515/21 – und vom 30. März 2021 – 2 B 236/20 – (jeweils Verfahren gleichen Rubrums),
41zumal dieses offensichtliche Lücken aufweist, indem es etwa den angegebenen Betrieb von 22-24 Uhr überhaupt nicht betrachtet.
423. Angesichts dessen ist auch nicht zu erkennen, dass die Rechtssache unter Zugrundelegung des Zulassungsvorbringens besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweisen könnte.
43Solche ergeben sich namentlich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht erheblichen Tatsachenvortrag angeblich nicht berücksichtigt habe, wie die Klägerin in den Raum stellt. Solches lässt sich weder objektiv feststellen noch wird dies von der Klägerin im Einzelnen substantiiert. Inwieweit eine – unterstellt – unterlassene Beiziehung von Akten eines von derselben Kammer und von derselben Einzelrichterin bearbeiteten Parallelverfahrens und der Umgang mit einem Lageplan auf Schwierigkeiten des Sachverhaltes hindeuten sollen, erschließt sich dann jedenfalls ohne - hier gänzlich fehlende – weitere Erläuterung nicht.
44Dass die Rechtssache in rechtlicher Hinsicht „eine Reihe schwieriger Fragen“ aufwürfe, stellt das Zulassungsvorbringen lediglich in den Raum, ohne dies auch nur im Ansatz zu konkretisieren. Solche Fragen stellen sich hier auch nicht. Dies gilt – wie ausgeführt - namentlich für die im Rahmen der von der Klägerin gesehenen grundsätzlichen Bedeutung aufgeworfenen Fragestellungen, auf die sie sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bezieht.
454. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin weiter auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Eine Abweichung im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in Nr. 4 genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht.
46Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, 712; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO - Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 158 m. w. N.
47Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierte Passage findet sich in den Urteilsgründen des hiesigen Verfahrens bereits nicht, insbesondere nicht auf Seite 5 des Abdrucks, die noch zum Tatbestand gehört. Offenbar zitiert die Klägerin aus dem Urteil vom 19. Januar 2021 – 9 K 8773 -, das Gegenstand des Verfahrens 2 A 515/21 war. Eine Divergenz lässt sich daraus für das hiesige Verfahren damit schon im Ansatz nicht herleiten. Eine solche liegt jedoch auch in der Sache nicht vor, wie der Senat in seinem Beschluss vom 3. März 2022 ausgeführt hat:
48„Eine solche Abweichung ist weder dargelegt noch liegt sie vor. Mit der von der Klägerin zitierten Passage der Entscheidungsgründe hat das Verwaltungsgericht keinen neuen selbstständigen Obersatz aufgestellt, mit dem es von einem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. in derjenigen des beschließenden Gerichts aufgestellten Grundsatz abgewichen sein könnte. Aus dem Kontext der Entscheidung, insbesondere aus dem einschränkungslosen Verweis auf die vorangegangenen Beschlüsse unter anderem des OVG NRW, ergibt sich ohne weiteres, dass sich die Klägerin auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf einen materiellen Bestandsschutz berufen kann und diese Möglichkeit daher an dieser Stelle keiner weiteren bzw. erneuten Erwähnung bedurfte, sich das Verwaltungsgericht hier vielmehr auf die Prüfung eines genehmigungsabhängigen Bestandsschutzes beschränken konnte. Wie ausgeführt, lässt sich auch gerade nicht feststellen, dass der Betrieb in seinen heutigen Ausmaßen über einen längeren Zeitraum jenseits der erteilten Baugenehmigung legal ausgeübt worden ist.
49Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, dass die von der Klägerin zitierte Passage aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 1979 – IV C 86.76 -, NJW 1980, 252 = BRS 35 Nr. 206 = juris Rn. 12, durch die nachfolgende Rechtsprechung ohnehin überholt sein dürfte. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung seit Mitte der 1990er Jahre wiederholt entschieden, dass sich unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keine Anspruchspositionen ableiten lassen; mithin gibt es etwa keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz außerhalb der gesetzlichen Regelungen.
50Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228 m. w. N.; dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19. Mai 2020 - 5 S 437/18 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 3 A 395/15 – juris; Beck-OK BauO NRW 2018, 9. Edition, § 74 Rn. 3 m. w. N.
51Bestimmt eine landesrechtliche Norm – wie hier § 74 BauO NRW - Inhalt und Schranken des Eigentums, so verbietet sich der Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als unmittelbare Anspruchsgrundlage für die Zuerkennung von Bestandsschutz.
52Vgl. BVerwG Urteil vom 7. November 1997 - 4 C 7.97 -, DVBl. 1998, 587 = juris Rn. 20 ff., 25.
53Denn wieweit der Schutz der Eigentumsgarantie reicht, ergibt sich aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Daher erstreckt sich der Bestandsschutz für bauliche Anlagen gegenüber Änderungen der Baurechtsordnung aus verfassungsrechtlicher Sicht nur auf den genehmigten Bestand und die genehmigte Funktion.
54So BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 1995 - 1 BvR 1713/92 -, BauR 1996, 235 = juris Rn. 4.
55Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG setzt danach grundsätzlich voraus, dass das Vorhaben sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist bzw. war, um Bestandsschutz genießen zu können.
56So BVerwG Urteil vom 7. November 1997 - 4 C7.97 -, DVBl. 1998, 587 = juris Rn. 25; vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9. November 2020 – 3 S 2590/18 -, juris Rn. 62, 87 ff., und zum Ganzen auch OVG NRW, Beschluss vom 3. März 2022 – 2 A 515/21 -, juris Rn. 25 ff.
575. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen schließlich ebenfalls nicht. Eigenständige, noch nicht unter den Nrn. 1 bis 4 erschöpfend abgehandelte Aspekte nennt die Begründung des Zulassungsantrages in diesem Zusammenhang nicht mehr. Vielmehr verweist die Klägerin insoweit selbst im Wesentlichen allein auf ihre vorangegangenen Überlegungen, die indes Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung gerade nicht aufkommen lassen.
58II. Der hinsichtlich des Klageantrags zu 4. in unklarer Zuordnung auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1-3 VwGO gestützte Zulassungsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
59Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, er sei unzulässig und unstatthaft. Die angeführten Umstände stellten kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar und das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Zudem sei der Antrag nach dem Subsidiaritätsgrundsatz unstatthaft, weil die Klägerin eine Untätigkeitsklage hätte erheben können und die Fragen des Sachbescheidungsinteresses und der Anhörung bereits Gegenstand des gestellten Verpflichtungsantrags seien.
60Diesen ebenso knappen wie zutreffenden Erwägungen setzt das Zulassungsvorbringen schon deshalb nichts Erhebliches entgegen, weil sich die Klägerin mit keinem Wort zu der (ohnehin zutreffenden) Feststellung des Verwaltungsgerichts verhält, die Nichtbescheidung eines Bauantrages bzw. die unterlassene Anhörung stellten schon kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO dar.
61Ebenso wenig lässt das Zulassungsvorbringen ein hinreichendes Feststellungsinteresse der Klägerin hinsichtlich vorstehender Umstände hervortreten. Eine gerichtliche Überprüfung eines abgeschlossenen Sachverhaltes sieht die Rechtsordnung nur in engen – hier nicht greifenden - Grenzen vor und setzt in jedem Fall eine fortdauernde Beschwer bzw. ein besonderes Rechtsschutzinteresse voraus - Voraussetzungen, für deren Vorliegen hier nichts weiter spricht oder dargelegt ist.
62Angesichts dessen kommt es auf die Ausführungen zur Subsidiarität nicht an. Unbeschadet dessen wird eine Feststellungsklage nicht schon dann zulässig, wenn eine mögliche vorrangige Anfechtungs- oder Untätigkeitsklage - aus welchen Gründen auch immer - nicht erhoben worden ist. Die Feststellungsklage ist nicht dazu da, Rechtsschutz unter Umgehung der für die vorrangigen Klagearten geltenden Sachurteilsvoraussetzungen zu gewährleisten. Gerade die Tatsache, dass solche Klagen hier nicht mehr erhoben werden können, führt damit zur Unzulässigkeit einer Feststellungsklage (auch) zum jetzigen Zeitpunkt.
63Ebenso wenig ist damit grundsätzlich klärungsbedürftig oder auch nur –fähig,
64„ob die Frage der langen Nicht-Bescheidung eines Antrages und das vorsätzliche Unterlassen einer Anhörung vor Ablehnung, rechtmäßiges Verwaltungshandlung entspricht“,
65wie es die Klägerin ohne weitere Erläuterung in den Raum stellt.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und folgt – auch in der Begründung (GA S. 142) der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
68Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages ist das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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